Aktenzeichen M 13 M 17.2070
ZPO § 220 Abs. 1
Leitsatz
1. Eine Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 93 Satz 1 VwGO bewirkt, dass die zuvor selbstständigen Verfahren nunmehr ein einziges Verfahren bilden, sodass eine einheitliche Entscheidung mit einem einheitlichen Kostenausspruch ergeht und ein einheitlicher, aus dem Wert der einzelnen ursprünglich selbstständigen Verfahren addierter Verfahrensstreitwert festgesetzt wird, aus dem die nach der Verbindung entstandenen Gerichts- und Anwaltsgebühren zu berechnen sind (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Prozessrecht lässt es allerdings auch zu, mehrere Verfahren zum gleichen Zeitpunkt zu terminieren und gleichzeitig zu verhandeln; in einem solchen Fall bleiben die Verfahren weiterhin selbstständig (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 13 S 17.4211 2016-12-16 Kostenfestsetzungsbeschluss VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Dezember 2016 im Verfahren M 13 S 17.4211 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 68,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Änderung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr eines Verfahrens, das mit einem anderen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen worden ist.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19. August 2016 erhob die Antragstellerin Klage mit dem Antrag, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheides vom 11. August 2016 zu verpflichten, die Wohnung der Antragstellerin in S. als Nebenwohnung festzusetzen. Das Klageverfahren wird unter Aktenzeichen M 13 K 16.3822 geführt. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5. September 2016 beantragte die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wird unter Aktenzeichen M 13 S 16.4211 geführt.
In beiden Verfahren erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2016. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2016 wurden sowohl das Klageverfahren M 13 K 16.3822 als auch das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO M 13 S 16.4211 aufgerufen. Sodann erging Beschluss, dass die Verfahren M 13 K 16.3822 und M 13 S 16.4211 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden. Nach Erstattung des Sachberichts und Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärte die Bevollmächtigte der Antragstellerin die Rücknahme der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sodann erging im Verfahren M 13 K 16.3822 der Beschluss, dass das Verfahren eingestellt wird, die Antragstellerin die Kosten zu tragen hat und der Streitwert auf 5.000,– Euro festgesetzt wird. Getrennt hiervon erging im Verfahren M 13 S 16.4211 der Beschluss, dass das Verfahren eingestellt wird, die Antragstellerin die Kosten zu tragen hat und der Streitwert auf 2.500,– Euro festgesetzt wird.
Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 10. Dezember 2016, die entstandenen notwendigen Aufwendungen im Verfahren M 13 S 16.4211 auf 621,78 Euro festzusetzen. Dabei beantragte er die Festsetzung der Terminsgebühr aus einem Streitwert von 2.500,– Euro, somit in Höhe von netto 241,20 Euro.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Dezember 2016 setzte die Urkundsbeamtin die notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin im Verfahren M 13 S 16.4211, ausgehend von einer Terminsgebühr aus einem Streitwert von 2.500,– Euro, antragsgemäß auf insgesamt 621,78 Euro fest.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 beantragt die Bevollmächtigte der Antragstellerin,
die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Dezember 2016, soweit im Rahmen des Kostenfestsetzungsbeschlusses eine 1,2 Terminsgebühr aus dem Streitwert von 2,500,– Euro in Höhe von netto 241,20 Euro festgesetzt wurde.
Zur Begründung führt die Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus, die Verfahren M 13 K 16.3822 und M 13 S 16.4211 seien zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden. Aufgrund dessen sei die Terminsgebühr nicht jeweils in einem Verfahren getrennt aus dem Streitwert von 2.500,– Euro und im weiteren Verfahren aus dem Streitwert von 5.000,– Euro zu berechnen, sondern aus dem addierten Streitwert von 7.500,– Euro.
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen.
Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin führte mit Schreiben vom 11. März 2017 unter Verweis auf die Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 22. Januar 2010, 1 OA 246/09 aus, die Verbindung der Verfahren in der mündlichen Verhandlung habe nicht zur Folge, dass gebührenrechtlich ein Verfahren entstehe, vielmehr erfasse die Verbindung nur die Vereinfachung des Verfahrensablaufs. Die Verfahren würden gebührenrechtlich selbständig bleiben, was sich auch schon daraus ergebe, dass das Gericht jeweils einen eigenen Streitwert festgesetzt und keine Addition vorgenommen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch in den Verfahren M 13 K 16.3822 und M 13 S 16.4211, Bezug genommen.
II.
Die Kostenerinnerung gemäß § 165 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 151 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht ist der Auffassung, dass die Terminsgebühr für das Verfahren M 13 S 16.4211 aus dem in diesem Verfahren festgesetzten Streitwert von 2.500,– Euro zu berechnen ist und die Verbindung mit dem Verfahren M 13 K 16.3822 zur gemeinsamen Verhandlung nicht dazu führt, dass sich die Terminsgebühr anteilig aus der Summe der Streitwerte beider Verfahren, somit aus 7.500,– Euro, berechnet.
Die Terminsgebühr aus dem Einzelstreitwert des Verfahrens M 13 S 16.4211 war bereits vor der Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung entstanden und kann von dieser schon deshalb nicht mehr beeinflusst werden. Die Höhe der Terminsgebühr richtet sich nach dem Wert des Gegenstandes, auf den sich der Verhandlungstermin bezieht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Gebührentatbestand erfüllt wird und die Gebühr damit entsteht; eine nachträgliche Veränderung des Wertes lässt die einmal verdiente Gebühr weder ganz noch teilweise entfallen (BayVGH, B.v. 17.4.2007 – 4 C 07.659 – juris). Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) entsteht die Terminsgebühr für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Es genügt mithin, dass der Verhandlungstermin stattfindet und der Rechtsanwalt diesen Termin in dem Sinne wahrnimmt, dass er vertretungsbereit anwesend ist (BayVGH, a.a.O.). Beide Voraussetzungen waren erfüllt, als das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2016 den Verbindungsbeschluss verkündete. Der Termin zur mündlichen Verhandlung begann mit dem Aufruf der Verwaltungsstreitsachen M 13 K 16.3822 und M 13 S 16.4211 (§ 173 VwGO i.V.m. § 220 Abs. 1 ZPO). Zu diesem Zeitpunkt war die Unterbevollmächtigte der Antragsgegnerin ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 6. Dezember 2016 vertretungsbereit anwesend. Bei Entstehen der Terminsgebühr war das Verfahren M 13 S 16.4211 zweifellos selbständig. Allein die zeitgleiche Terminierung mit einem anderen Verfahren kann eine Verbindung beider Verfahren zu einem einzigen nicht bewirken (BayVGH, a.a.O.).
Zudem wurde das Verfahren M 13 S 16.4211 durch den in der mündlichen Verhandlung gefassten Beschluss lediglich zur gemeinsamen Verhandlung, nicht hingegen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren M 13 K 16.3822 verbunden. Eine Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 93 Satz 1 VwGO würde bewirken, dass die zuvor selbstständigen Verfahren nunmehr ein einziges Verfahren bilden, sodass eine einheitliche Entscheidung mit einem einheitlichen Kostenausspruch ergeht und ein einheitlicher, aus dem Wert der einzelnen ursprünglich selbstständigen Verfahren addierter Verfahrensstreitwert festgesetzt wird, aus dem die nach der Verbindung entstandenen Gerichts- und Anwaltsgebühren zu berechnen sind (BayVGH, a.a.O.). An Stelle einer derartigen Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 93 Satz 1 VwGO lässt es das Prozessrecht allerdings auch zu, mehrere Verfahren zum gleichen Zeitpunkt zu terminieren und gleichzeitig zu verhandeln. In einem solchen Fall bleiben die Verfahren weiterhin selbstständig (BayVGH, a.a.O.). Im vorliegenden Fall sollte durch die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung lediglich der Verfahrensablauf durch eine gleichzeitige Verhandlung der Verfahren M 13 K 16.3822 und M 13 S 16.4211 abgekürzt werden, ohne damit eine Verbindung zu einem einzigen Verfahren herbeizuführen. So wurden nach dem Beschluss über die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung die Anträge in beiden Verfahren getrennt aufgenommen und in beiden Verfahren getrennte Einstellungsbeschlüsse mit jeweils eigenem Streitwert gefasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 3 GKG.