Aktenzeichen L 12 SF 25/17 E
RVG § 14 Abs. 1
RVG § 3 Abs. 1 S. 1
RVG § 45 Abs. 1
RVG § 48 Abs. 1
RVG § 2 Abs. 2 Satz 1
Leitsatz
Nach § 214 Abs. 2 BGB kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das gilt auch für die Vergütung, die von der Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfe an einen Rechtsanwalt ausgezahlt wurde. (Rn. 21 und 22)
Verfahrensgang
S 8 SF 13/15 E 2016-12-29 Bes SGLANDSHUT SG Landshut
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des SG Landshut vom 29.12.2016, S 8 SF 13/15 E, aufgehoben und die Erinnerung des Erinnerungsführers zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin, die der Beschwerdeführerin gegen die Staatskasse zusteht.
Im Hauptsacheverfahren S 13 AS 389/07 wurde der dortigen Klägerin mit Beschluss vom 03.03.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beschwerdeführerin beigeordnet. Das Hauptsacheverfahren endete am 26.11.2008 in mündlicher Verhandlung mit dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Ziffer III. des Vergleichs lautete wie folgt:
„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die unter II. genannten Rechtsstreitigkeiten mit dieser Vereinbarung ihre vollständige Erledigung gefunden haben.“
Unter Ziffer II. war u.a. das Verfahren S 13 AS 389/07 genannt.
Mit einer am 17.02.2015 beim SG eingegangenen Kostennote vom 16.02.2015 beantragte die Beschwerdeführerin, die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 785,40 € festzusetzen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts wies die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23.02.2015 darauf hin, dass die Verfahrensgebühr nicht, wie beantragt, nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250 € zu vergüten sei, sondern wegen der Vorbefassung im Widerspruchsverfahren nach Nr. 3103 VV RVG nur in Höhe von 170 €; es würden daher insgesamt 690,20 € auf das in der Kostennote angegebene Konto überwiesen.
Mit Datum vom 23.02.2015 ist dieser Betrag zur Zahlung auf das Konto der Beschwerdeführerin angewiesen worden.
Hiergegen wandte sich der Erinnerungsführer und jetzige Beschwerdegegner und machte mit Erinnerung vom 11.03.2015 die Einrede der Verjährung geltend. Der am 17.02.2015 eingegangene Vergütungsantrag der Erinnerungsgegnerin (jetzige Beschwerdeführerin) sei verjährt. Die Vergütung des Rechtsanwalts werde mit Beendigung des Rechtszuges fällig. Der Anspruch wegen Gebühren und Auslagen verjähre gem. § 195 BGB in 3 Jahren. Die Verjährung beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 BGB). Der Anspruch auf die PKH-Vergütung sei daher zum 01.01.2012 verjährt. Die zu Unrecht gezahlte Vergütung sei zurückzuerstatten.
Das SG hat der Erinnerung mit Beschluss vom 29.12.2016 stattgegeben. Es hat die Kostenfestsetzung vom 23.02.2015 wegen Verjährung aufgehoben, die Vergütung der Beschwerdeführerin auf 0,- € festgesetzt und die Beschwerdeführerin zur Rückerstattung der gezahlten Vergütung in Höhe von 690,20 € verpflichtet.
Die Verjährung des Vergütungsanspruchs richte sich nach §§ 8 Abs. 1 RVG, 194 ff BGB.
Danach sei im vorliegenden Fall der Anspruch mit dem wirksamen Vergleich vom 26.11.2008 beendet worden. Die Verjährung beginne somit gem. § 199 BGB am 31.12.2008. Der Anspruch sei damit gem. § 195 BGB nach 3 Jahren zum 01.01.2012 verjährt. Die Einwendungen der Beschwerdegegnerin seien nicht überzeugend, insbesondere sei ein Ermessensfehlgebrauch der Einrede der Verjährung durch den Beschwerdegegner für die Kammer nicht nachvollziehbar gewesen. Die auf dem am 17.02.2015 eingegangenen Vergütungsantrag festgestellte und mit Datum vom 23.02.2015 an die Beschwerdeführerin ausgezahlte Vergütung sei an die Staatskasse zurückzuerstatten.
Gegen den Beschluss des SG hat die Beschwerdeführerin am 18.01.2017 Beschwerde eingelegt und diese im Wesentlichen unter eingehender Darstellung des dem Hauptsacheverfahren S 13 AS 389/07 zu Grunde liegenden Rechtsstreits begründet. Der Freistaat könne sich aufgrund der Gesamtsituation nicht auf Verjährung berufen. Im Übrigen werde der nicht ausgezahlte Differenzbetrag in Höhe von brutto 95,20 € geltend gemacht. Dieser Betrag sei nicht festgesetzt worden, so dass sich auch die Einrede der Verjährung nicht auf diesen Betrag beziehen könne. Es könne nicht sein, dass eine Anwaltskanzlei ein gerichtliches Verfahren ohne die Zahlung von Anwaltskosten durchführen müsse.
Der Beschwerdegegner hatte Gelegenheit, sich zu äußern.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahren und die Akten mit dem Aktenzeichen S 13 AS 389/07 verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff) die Regelungen des RVG in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn die Beschwerdeführerin ist vor diesem Zeitpunkt gerichtlich beigeordnet worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
2. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet, denn der Beschwerdegegner kann die bereits gezahlte Vergütung nicht zurückfordern. Der Rückzahlung des auf die verjährte Forderung Geleisteten steht § 214 Abs. 2 BGB entgegen. Die Beschwerdeführerin hat aber auch keinen Anspruch auf weitere 95,20 €.
a) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass der mit Kostennote vom 16.02.2015 geltend gemachte Vergütungsanspruch der Beschwerdeführerin gem. § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV), § 14 Abs. 1 RVG verjährt ist. Auf die zutreffende Begründung des SG wird verwiesen.
Die Rechtsfolgen der Verjährung regeln die §§ 214 ff. BGB. Danach ist der Schuldner nach Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern, § 214 Abs. 1 BGB. Die verjährte Forderung bleibt jedoch erfüllbar, es besteht lediglich ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht (Palandt, Komm. zum BGB, § 214, Rn. 1, 3). Nach § 214 Abs. 2 BGB kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist.
Der Kostenbeamte des Sozialgerichts hat trotz Verjährung des Vergütungsanspruchs den am 23.02.2015 festgesetzten Betrag zur Auszahlung angewiesen. Die Auszahlung ist nach Mitteilung des SG auch erfolgt. Dass die Auszahlung in Unkenntnis der Verjährung getätigt wurde, ist nach § 214 Abs. 2 BGB ohne Belang. Eine Rückforderung in Höhe von 690,20 € scheidet damit aus.
b) Die Beschwerdeführerin hat aber keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung, denn einer solchen steht bereits die vom Beschwerdegegner erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die am 11.03.2015 erhobene Einrede bezog sich auf den gesamten mit Vergütungsantrag der Beschwerdeführerin vom 16.02.2015 geltend gemachten Kostenfestsetzungsantrag in Höhe von 785,40 €, nicht nur auf die letztlich festgesetzten 690,20 €.
Unabhängig davon ist die Kostenfestsetzung vom 23.02.2015 aber auch hinsichtlich des Ansatzes der Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 170 € statt der geltend gemachten Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250 € nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde war daher im Übrigen zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).