Kosten- und Gebührenrecht

Versagung der Prozesskostenhilfe mangels Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – Ablehnung eines offensichtich rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsantrags

Aktenzeichen  RO 1 K 16.1262

Datum:
26.10.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 54, § 166, § 173
ZPO ZPO § 42, § 63, § 118 Abs. 2 S. 4, § 169 Abs. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 5 S. 1
BayHO BayHO Art. 59

 

Leitsatz

1 Ein Befangenheitsantrag, der sich in der Sache gegen Prozesshandlungen des Berichterstatters richtet, ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Über den Gerichtsbeschluss, mit dem der Streitwert vorläufig festgesetzt wird (§ 63 GKG) ist nur eine formlose Mitteilung erforderlich. Die darüber hinaus erfolgte Beglaubigung durch die Geschäftsstelle nach § 173 VwGO iVm § 169 Abs. 2 ZPO ist für seine Wirksamkeit zwar nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach Maßgabe von § 166 VwGO iVm § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO abzulehnen, wenn trotz Fristsetzung keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt wird. Ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag zu beurteilen (Verweis auf VGH München BeckRS 2015, 43772). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für seine mit Telefax vom 8.8.2016 erhobene Klage gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erlass von Gerichtskosten durch Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 8.7.2016.
Der am … 1957 geborene Kläger war seit 1.10.1990 als Beamter auf Lebenszeit und Studienrat (BesGr A 13) an beruflichen Schulen im Regierungsbezirk … eingesetzt. Mit Bescheid vom 17.4.2001 versetzte die Regierung … den Kläger mit Ablauf des 30.4.2001 in den Ruhestand. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8.5.2001 zurückgewiesen, zudem wurde die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 17.4.2001 angeordnet. Die dagegen mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.6.2001 erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10.7.2002 (Az. RO 1 K 01.1060) abgewiesen.
Seinen Antrag auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis wies die Regierung … mit Schreiben vom 30.8.2010 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch lehnte die Regierung … mit Widerspruchsbescheid vom 15.6.2011 ab.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.7.2011 erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Klage (RO 1 K 11.1138, fortgeführt unter RO 1 K 12.1540) auf Aufhebung des Bescheids vom 30.8.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2011, sowie auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Weiterhin beantragte er Gewährung von Prozesskostenhilfe, die mit Beschluss vom 7.9.2011, zugestellt am 8.9.2011, abgelehnt wurde.
Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 20.7.2011 nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG in der damals geltenden Fassung auf 55.262,48 EUR (13 Monatsgehälter) festgesetzt.
Die Gerichtsgebühren in Höhe von 3 Gebühren (Anlage 1 zum GKG, Nr. 5110) zu je 556,– EUR (Anlage 2 zu § 34 GKG i.d.F. 5.4.2004), gesamt 1668,– EUR, wurden mit Schreiben vom 20.7.2011, Mahngebühren in Höhe von 5,– EUR mit Schreiben vom 12.1.2015 und Vollstreckungskosten in Höhe von 26,– EUR mit Schreiben vom 9.2.2015, gesamt somit 1699,– EUR, geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 31.10.2013 wurden die Gerichtsgebühren auf den mit der Verbüßung einer Haftstrafe begründeten Antrag des Klägers bis 1.10.2014 gestundet.
Mit Schreiben vom 5.7.2016 beantragte der Kläger den Erlass der am gleichen Tag durch den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes … geltend gemachten Kosten. Im Verfahren sei über seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entschieden worden. Ohne Unterschrift unter der Gebührenrechnung sei diese formunwirksam.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 8.7.2016 lehnte der Beklagte den Erlass der Gerichtskosten ab. Ein Erlass sei nur möglich, wenn die Einziehung der Kosten nach Lage des einzelnen Falles für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würde. Es lägen auch keine Erkenntnisse vor, dass eine Begleichung der Forderung auf Dauer ausgeschlossen sei.
Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:verbundene Bescheid wurde mit Postzustellungsurkunde am 9.7.2016 zugestellt.
Der Kläger erhob mit Telefax vom 7.8.2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg und stellte wörtlich folgenden Antrag:
„Gegen den Bescheid des Herrn … vom Verwaltungsgericht Regensburg vom 8.7.2016 erhebe ich ohne Anerkennung seiner Rechtswirkung – Klage, wofür ich Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantrage.“
Das Schreiben sei rechtsunwirksam, da es keine Rechtsmittelbelehrungenthalte.
Mit Telefax vom 18.8.2016 legte er Teile seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Landgericht K. vom 30.3.2015 vor. Es habe sich nichts Wesentliches an seinen Einkünften geändert.
Unter Hinweis auf die vom Kläger gehaltenen Pferde und einen Presseartikel auf der Internetseite www.…de, in dem darauf hingewiesen wurde, der Kläger sei Besitzer eines Hauses und Vermieter einer dortigen Wohnung, forderte das Gericht den Kläger auf, das Antragsformular vollständig mit aktuellen Daten auszufüllen.
Weiterhin wurde der Kläger um Klarstellung gebeten, ob er wie in zahlreichen Verfahren zuvor nur Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage beantragen wolle oder Klage erhoben habe zu der auch ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden sei. Unter Hinweis auf die anfallenden weiteren Gerichtskosten wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass das Gericht von einer unbedingten Klageerhebung ausgeht, wenn dieser Auslegung nicht eindeutig widersprochen wird.
Nachdem keine entsprechende Erklärung des Klägers erfolgte, erließ das Gericht durch Richter am Verwaltungsgericht M. als Berichterstatter am 29.8.2016 einen Beschluss, wonach der Streitwert vorläufig auf 1699,– EUR festgesetzt wurde.
Dieser Beschluss wurde mit Beglaubigungsvermerk der stv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beglaubigt und dem Kläger zugesandt.
Der Kläger hält den Beschluss nach seinem Telefax vom 31.8.2016 für formunwirksam. Da Richter am Verwaltungsgericht Michel für die Geschäftsstelle verantwortlich sei, lehnt er ihn wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 16.9.2016,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, Gründe für eine besondere Härte glaubhaft zu machen, die einen Erlass der Gerichtskosten ermöglichen.
Die Kostenrechnung sei mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:verbunden gewesen, die im Übrigen für die Wirksamkeit nicht notwendig sei.
Mit Schreiben vom 20.9.2016, zugestellt am 21.9.2016, setzte das Gericht dem Kläger unter Übersendung des Formblatts zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe eine Frist von einem Monat ab Eingang des Schreibens zur Angabe vollständiger und zutreffender Angaben unter besonderer Berücksichtigung seines Immobiliarvermögens einschließlich der hieraus fließenden Einkünfte, des Unterhaltsanspruchs der Tochter sowie sonstiger Vermögenswerte einschließlich seiner Pferde.
Mit Telefax vom 21.9.2016 vertritt der Kläger die Auffassung, der Hinweis auf die Angaben anlässlich eines früheren Antrags sei ausreichend. Die Aufforderung zu weiteren Angaben sei unzulässig.
Mit Telefax vom 23.9.2016 lehnte er wegen krasser Verfahrensfehler und willkürlicher Vorgehensweise Richter am Verwaltungsgericht Michel erneut ab. Die Behauptung, es komme für die Prozesskostenhilfe auf die momentane Bedürftigkeit an, sei frei erfunden.
Das Gericht hat die Gerichtsakte RO 12.1540 mit der dazugehörenden Kostenakte beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten und die Schreiben des Klägers verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Das Gericht kann über den Prozesskostenhilfeantrag mit dem abgelehnten Richter entscheiden, weil die Befangenheitsanträge als offensichtlich rechtsmissbräuchlich abgewiesen werden, § 54 VwGO i.V.m. § 42 ZPO.
Nach § 54 VwGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Wird ein derartiger Grund aber nicht genannt und ist auch sonst kein Befangenheitsgrund ersichtlich, kann bei Offensichtlichkeit die Kammer mit dem abgelehnten Richter in der Hauptsache entscheiden (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 54, Rdnr. 16), ohne zuvor einen gesonderten Beschluss über den Befangenheitsantrag zu fassen. Vorliegend scheidet eine Befangenheit des Berichterstatters offensichtlich aus. Mit einem Befangenheitsantrag kann sich ein Kläger nämlich nicht gegen Prozesshandlungen des Berichterstatters wenden. Diese können nur zusammen mit der Entscheidung angefochten werden. Hinzu kommt, dass die als Anlass für die Befangenheitsanträge genannten Handlungen des Berichterstatters rechtmäßig sind.
Über den Gerichtsbeschluss, mit dem der Streitwert vorläufig festgesetzt wird, § 63 GKG, ist nur eine formlose Mitteilung erforderlich (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 63 GKG, Rdnr. 13), da durch den Beschluss keine Fristsetzung erfolgt. Die darüber hinaus erfolgte Beglaubigung durch die Geschäftsstelle nach § 173 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 2 ZPO ist für die Wirksamkeit zwar nicht erforderlich (BVerwG, B.v. 6.7.2007, 8 Pkh 2/07) aber auch nicht schädlich.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die beabsichtigte Klage ist nach Maßgabe von § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen, weil der Kläger trotz Fristsetzung keine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers genügt sein Verweis auf eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem Landgericht K. nicht, weil diese bereits Anfang 2015 abgegeben wurde und damit keinen Nachweis über seine aktuelle Einkommens- und Vermögenslage darstellt. Die Notwendigkeit aktueller Angaben ergibt sich aus der Natur der Sache, da es um die Bedürftigkeit des Klägers im jeweiligen Verfahren geht. „Ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag zu beurteilen (BayVGH, B.v. 18.3.2015, 10 C 13.1227, m.w.N., juris).
Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hat zudem in der Hauptsache nach der im Prozesskostenhilfeverfahren veranlassten summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg.
Die Kostenrechnung ist formell rechtmäßig, da diese mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wurde und damit nach Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG ohne Unterschrift und Namensangabe gültig ist.
Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass für ihn die Bezahlung der Gerichtskosten eine besondere Härte darstellen würde, die einen Erlass nach Art. 59 BayHO rechtfertigt.
Nach alledem war daher der Antrag abzulehnen. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 166 VwGO, § 118 Abs. 1 Satz 4 und 5 ZPO).

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