Aktenzeichen M 16 M 17.1224
Leitsatz
1 Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen ist nicht wegen anfänglicher nicht angezeigter Befangenheit (vgl. § 8a Abs. JVEG) zu beschränken, wenn der Sachverständige erst im Verlauf des Verfahrens zur Überzeugung gelangt, ein Fachgespräch nicht mehr unvoreingenommen führen zu können und die bis dahin vorgenommene Begutachtung verwertbar war. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Frage der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung kann dahinstehen, wenn das Gericht die entsprechende Leistung des Sachverständigen berücksichtigt hat (§ 8 Abs. 2 S. 2 JVEG). Eine Berücksichtigung liegt bereits dann vor, wenn das Gericht die entsprechende Leistung im Ergebnis auch nur nicht völlig untergeordnet mitberücksichtigt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wegen unrichtiger Sachbehandlung werden Kosten nach § 21 GKG nur dann nicht erhoben, wenn ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutig und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung vorliegt (vgl. BVerwG BeckRS 2006, 20861) (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich als Kostenschuldner gegen eine Kostenrechnung des Gerichts, soweit darin Entschädigungen für Sachverständige angesetzt wurden.
Mit Urteil vom 24. September 2015 wurde die Klage (M 16 K 12.4031) des Antragstellers abgewiesen. Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Februar 2017 (22 ZB 15.2639) abgelehnt.
Mit Kostenrechnung vom 21. Februar 2017 (BKZ-Nr. 0318.0314.5827) wurden die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) auf insgesamt 8.650,40 EUR festgesetzt.
Mit Schreiben vom 13. März 2017 und 11. April 2017 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen die Kostenrechnung, soweit dort Sachverständigenentschädigungen enthalten sind. Im Wesentlichen wurde vorgetragen, die Kostenrechnung der zunächst beauftragten Sachverständigen (Prof. M) sei nicht zu begleichen. Diese Sachverständige habe sich während ihrer Gutachtertätigkeit, noch bevor Fragen zum Gutachten abschließend hätten gestellt werden können, für befangen erklärt. Ein befangener Sachverständiger habe aber dem Grunde nach keinen Anspruch auf Vergütung. Der Antragsteller habe wiederholt darauf gedrängt, zu erfahren, aus welchen Gründen sich die Sachverständige für befangen erklärt habe bzw. weshalb dies erst nach der mündlichen Verhandlung erklärt worden sei. Das Verwaltungsgericht sei dem nicht nachgegangen, obwohl im Raum gestanden habe, dass die Sachverständige von Beginn an befangen gewesen sei. Das Gutachten habe im Übrigen auch nicht den Anforderungen genügt. Es sei nicht nachvollziehbar und auch nicht verständlich. Es habe damit eine mangelhafte Leistung im Sinne von § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG vorgelegen. Das Verhalten der Sachverständigen lasse einen Anspruch auf Vergütung zudem gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG entfallen, weil diese keinen konkreten Grund bzw. keine Umstände für ihre Befangenheit genannt habe. Auch die Kosten des daran anschließend beauftragten Sachverständigen (Prof. K) seien vom Antragsteller nicht zu erstatten. Das mündliche Gutachten des Sachverständigen und das Gutachtensergebnis seien vom Gericht in der vom Sachverständigen erstatteten Form gar nicht verwendet worden. Insofern sei das Gutachten auch nicht erforderlich gewesen. Außerdem sei das Gutachten mangelhaft, weil es dem Beweisbeschluss nicht entsprochen habe. Entgegen dem Beweisbeschluss sei auch kein Fachgespräch abgehalten worden; das Gutachten habe sich vielmehr als mündliche Prüfung mit einer Aneinanderreihung von Fragen dargestellt. Darüber hinaus sei das Gutachten nicht prüfbar und habe auch kein Bewertungsschema erkennen lassen. Auch hier seien dem Kläger keine Ergänzungsfragen gestattet worden; seine umfangreichen Einwände seien dem Sachverständigen nicht zur Bearbeitung weitergereicht worden. Vorsorglich werde nochmals die Niederschlagung der Sachverständigenkosten angeregt.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und dem Gericht den Vorgang zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Erinnerungsverfahren sowie des Verfahrens M 16 K 12.4031 verwiesen.
II.
Gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG hat das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter über die Erinnerung zu entscheiden (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2006 – 10 KSt 5/05 – juris).
Die Erinnerung bleibt ohne Erfolg.
Der Kostenansatz (§ 19 GKG) der streitgegenständlichen Kostenrechnung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 GKG werden für Verfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wobei zu den Auslagen auch Zahlungen an Sachverständige zählen, die aufgrund der Bestimmungen des § 98 VwGO i.V.m. § 413 Zivilprozessordnung – ZPO nach dem JVEG erfolgt sind. Die hier streitigen Sachverständigenkosten sind zu Recht angesetzt worden.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige eine Vergütung, insbesondere ein Honorar für ihre Leistungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG). Allerdings kann ein Sachverständiger seinen Anspruch auf Vergütung in bestimmten Fällen ganz oder teilweise verlieren. So entfällt der Anspruch auf Vergütung gemäß § 8a Abs. 1 JVEG, wenn der Sachverständige eine anfängliche Ablehnbarkeit nicht anzeigt. Hat der Sachverständige eine mangelhafte Leistung erbracht (§ 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG) oder im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigten (§ 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG), erhält er eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt sie als verwertbar (§ 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG).
Hinsichtlich der Vergütung der zunächst beauftragten Sachverständigen (Prof. M) sind die genannten Regelungen nicht unmittelbar anwendbar, da der entsprechende Auftrag vor dem 1. August 2013 und damit vor Inkrafttreten der entsprechenden Vorschriften erteilt worden ist (§ 24 JVEG). Jedoch war nach der einschlägigen Rechtsprechung auch zuvor anerkannt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger keinen Anspruch auf Vergütung hat, wenn seine Arbeit prozessual unverwertbar und ihm ein grob fahrlässiges Fehlverhalten anzulasten ist (vgl. OLG Koblenz, B. v. 18.6.2014 – 14 W 334/14 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Voraussetzungen für den Wegfall bzw. die Beschränkung des Vergütungsanspruchs sind im Hinblick auf das Tätigwerden von Frau Prof. M nicht gegeben. Von einer nicht angezeigten anfänglichen Befangenheit der Sachverständigen ist nicht auszugehen. Ihrem Entbindungsantrag vom 18. Juni 2013 ist vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass ihre Bedenken hinsichtlich ihrer Unvoreingenommenheit dem Antragsteller gegenüber erst beim Überdenken des Ablaufs der Sitzung vom 17. April 2013 entstanden sind. Die Sachverständige legt nachvollziehbar dar, dass sich bei ihr aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sie vom Antragsteller in dieser Sitzung gewonnen hat, Bedenken an seiner generellen Eignung zum Sachverständigen ergeben haben und sie sich daher nicht mehr in der Lage sah, mit der notwendigen Unvoreingenommenheit ein Fachgespräch mit ihm zu führen. Die von ihr bis dahin vorgenommene Begutachtung war prozessual ohne Einschränkungen verwertbar und wurde auch zugunsten des Antragstellers verwertet (vgl. Urteil v. 24.9.2015, S. 12 Nr. 1.2).
Die Rügen des Antragstellers im Hinblick auf das Tätigwerden des Sachverständigen Prof. K sind ebenfalls nicht geeignet, Fehler des vorliegenden Kostenansatzes aufzuzeigen. Es ist schon nicht ersichtlich, weshalb die Leistung des Sachverständigen mangelhaft im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG sein soll. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 22. Mai 2015 Bezug nimmt, kann auf das Schreiben des Berichterstatters im Klageverfahren vom 27. Mai 2015 verwiesen werden. Die gerügte Abweichung vom Beweisbeschluss der Kammer vom 12. August 2013 in der Fassung vom 19. März 2015 liegt nicht vor. Das von der Kammer dort in Auftrag gegebene Fachgespräch mit dem Kläger wurde vom Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2015 durchgeführt. Dass der Kläger dieses Fachgespräch als mündliche Prüfung empfunden hat, vermag die Mangelhaftigkeit der Leistung des Sachverständigen nicht zu belegen. Im Übrigen kann die Frage der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung dahinstehen, weil das Gericht die entsprechende Leistung des Sachverständigen berücksichtigt hat (§ 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG). Eine Berücksichtigung liegt bereits dann vor, wenn das Gericht die entsprechende Leistung im Ergebnis auch nur nicht völlig untergeordnet mitberücksichtigt. Ist dies der Fall, gilt die gesamte Leistung des Sachverständigen als verwertbar (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 8.6.2015 – 2 O 138/14 – juris Rn. 15 m.w.N.). Hier waren Vorbereitung und Durchführung des Fachgesprächs durch den beauftragten Sachverständigen für die Entscheidungsfindung des Gerichts unabdingbar. Da eine Überzeugungsbildung des Gerichts bereits aufgrund des Verlaufs der Beweisaufnahme möglich war, war zwar eine abschließende Bewertung des Fachgesprächs durch den Sachverständigen nicht mehr entscheidungserheblich. Dies ist dem Sachverständigen aber nicht anzulasten. Im Übrigen wurde dieser prozessualen Entwicklung – auch zur Vermeidung weiterer Kosten – dadurch Rechnung getragen, dass der Sachverständige nicht mehr aufgefordert wurde, sich zu den Einwänden des Klägers zu äußern und das Gericht von einer Ladung des Sachverständigen zum Fortsetzungstermin abgesehen hat.
Auch die Voraussetzungen für eine Nichterhebung von Kosten nach § 21 GKG sind nicht gegeben. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten nicht erhoben, die bei richtige Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Hierbei muss es sich um einen schweren Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung handeln (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2006 – 10 KSt 5/05 – juris Rn. 6). Ein solcher liegt nicht vor, es ist vielmehr schon nicht erkennbar, inwieweit die Sachbehandlung durch das Gericht überhaupt fehlerhaft erfolgt sein soll.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).