Aktenzeichen 9 ZB 17.204
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Eine Wiedereinsetzung in die Rechtmittelfrist wegen eines Prozesskostenhilfeantrags für ein Rechtmittel kommt nur dann in Betracht, wenn dieser Antrag innerhalb der für das Rechtmittel geltenden Frist ordnungsgemäß gestellt wird. Dies setzt nicht nur die Antragstellung als solche voraus, sondern auch die fristgerechte Darlegung der finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der zugehörigen Belege (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 55890). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bitte eines Klägers um Übersendung der nötigen Formulare für den Prozesskostenhilfeantrag entschuldigt nicht das Versäumnis, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist darzulegen. Es ist dem Kläger zuzurechnen, wenn er sich die entsprechenden Vordrucke nicht rechtzeitig vor Ablauf der Rechtmittelfrist beschafft hat. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 16.261 2016-11-22 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1. Mit dem am 24. Januar 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schreiben haben die anwaltlich nicht vertretenen Kläger „Berufung“ gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. November 2016 eingelegt. Mit weiterem Schreiben, das am 27. Januar 2017 beim Verwaltungsgericht einging, baten die Kläger um Übersendung von nötigen Formularen für die Beantragung des „Armenrechts zur Stellung eines Rechtsanwalts in der Rechtsangelegenheit beim Verwaltungsgerichtshof.“
Der Senat versteht das Begehren der Kläger als Antrag, ihnen für einen beabsichtigten und durch einen Rechtsanwalt einzulegenden, formgerechten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Eine anderweitige Deutung hätte von vornherein die Unzulässigkeit der nicht statthaften Berufung bzw., nach Umdeutung in einen statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung, die Unzulässigkeit mangels Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten i.S.d. § 67 Abs. 2 VwGO zur Folge (§ 124 Abs. 1, § 124a Abs. 4 Satz 1, § 67 Abs. 4 und Abs. 2 Satz 1 VwGO).
2. Der so verstandene Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts für ein beabsichtigtes Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. November 2016 hat keinen Erfolg.
a) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger mit ihrem Antrag entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht im Ansatz dargelegt haben (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2016 – 9 PKH 3.16 – juris Rn. 1).
b) Der Setzung einer Frist zur Nachholung der formgerechten Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf es nicht.
Da mangels anwaltlicher Vertretung innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO kein zulässiger Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt wurde, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn den Klägern Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist gewährt werden kann. Eine Wiedereinsetzung wegen eines Prozesskostenhilfeantrags für ein Rechtsmittel kommt aber nur dann in Betracht, wenn dieser Antrag innerhalb der für das Rechtsmittel geltenden Frist ordnungsgemäß angebracht wird. Das setzt nicht nur die Antragstellung als solche voraus, sondern auch die fristgerechte Darlegung der finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der zugehörigen Belege (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2016 a.a.O. Rn. 2 m.w.N.). Dem sind die Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht nachgekommen; hieran waren sie auch nicht ohne Verschulden gehindert (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO).
Insbesondere entschuldet die Bitte der Kläger, ihnen die nötigen Formulare zu übersenden, nicht das Versäumnis, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO darzulegen. Der Übersendung von Vordrucken über die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konnte der Verwaltungsgerichtshof innerhalb der Rechtsmittelfrist, die am 30. Januar 2017 ablief, schon nicht nachkommen, weil das an das Verwaltungsgericht adressierte Schreiben der Kläger erst am 3. Februar 2017 beim Verwaltungsgerichtshof einging. Davon abgesehen ist es den Klägern zuzurechnen, dass sie sich die entsprechenden Vordrucke nicht rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist beschafft haben. Anlass dazu hatten sie jedenfalls. Denn bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurden die Prozesskostenhilfeanträge der Kläger abgelehnt, weil sie ihren Anträgen keine formgerechten Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt hatten (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.10.2015 – W 4 K 15.299, nachfolgend Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 5.2.2016 – Az. 9 C 15.2548 sowie Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10.11.2016 – W 4 K 16.261). Insoweit kommt auch keine – hier schon nicht erfolgte – Bezugnahme auf eine im früheren Rechtszug ordnungsgemäß abgegebene Erklärung in Betracht.
c) Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat auch deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel nicht im Ansatz dargestellt haben (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2015 – 8 PKH 8.14 – juris Rn. 5) und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach Aktenlage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Kläger bei sachgerechter Auslegung ihres Klageantrags die Aufhebung des Kostenbescheids vom 9. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 11. März 2015 begehren, worin ihnen die Kosten der Ersatzvornahme zum Vollzug der bestandskräftigen Abbruchanordnung vom 28. Juli 2005 auferlegt wurden. Ihren dahin gehenden Klageantrag hat das Verwaltungsgericht aber zu Recht abgelehnt, weil die Kläger den Betreibensaufforderungen des Verwaltungsgerichts nicht nachkamen und die Klage darüber hinaus auch unbegründet ist.
Gegen die Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts in der Sache bestehen weder ernstliche Zweifel, noch ist im Berufungsverfahren ein den Klägern günstigerer Ausgang zu erwarten, so dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dass die Nachbarwand nach Abbruch der Grenzwand des klägerischen Anwesens nicht mehr standsicher war, haben die Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren in Abrede gestellt. Sie sind lediglich der Auffassung, die Nachbarin habe die zur Herstellung der Standsicherheit erforderlichen Kosten selbst tragen müssen, weil sie nichts zur Sanierung ihres seit vielen Jahren in baufälligem Zustand befindlichen Anwesens getan habe und die vorhandene Restmauer mit geringem Aufwand hätte abgerissen werden können. Diese Auffassung der Kläger ist nicht haltbar. Das Verwaltungsgericht hat ohne Rechtsfehler ausgeführt, dass die den Klägern mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juli 2005 auferlegte Beseitigung ihres Vorderhauses die Gewährleistung der Standsicherheit des benachbarten Anwesens und damit auch die gebotenen Maßnahmen zur Sicherung der Giebelwand des Nachbaranwesens mitumfasst. Dabei hat das Verwaltungsgericht die Kostenforderung der Beklagten einschließlich der dieser Forderung zugrundeliegenden Rechnungen darauf hin überprüft, ob neben den zur Sicherung der Grenzwand des Nachbaranwesens erforderlichen Kosten auch Sanierungskosten für die Nachbarwand in Ansatz gebracht wurden und dies mit einer nachvollziehbaren Begründung verneint.
3. Soweit dem Antrag der Kläger auch die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde liegen sollte („Ebenso der Kosten“), hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 158 Abs. 1 VwGO, vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 158 Rn. 4 m.w.N.).
Einer Kostenentscheidung für den gegenständlichen Antrag bedarf es nicht, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Auslagen im Sinn des § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).