Kosten- und Gebührenrecht

Zulässigkeit des Rechtsmittel bei objektiver Klagehäufung

Aktenzeichen  L 16 AS 327/15

Datum:
19.7.2017
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 144 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Liegen mehrere Streitgegenstände im Rahmen einer objektiven Klagehäufung vor, ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinsichtlich jeden Streitgegenstands grundsätzlich eigenständig zu beurteilen. (Rn. 16)
2. Fällt einer der Streitgegenstände nicht unter die Ausschlussregelung des § 144 Abs. 1 SGG, bewirkt dies nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels bezüglich der weiteren Streitgegenstände. (Rn. 18)

Verfahrensgang

S 3 AS 898/14 2015-04-28 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 28. April 2015 wird als unzulässig verworfen, soweit sie das ursprüngliche Verfahren S 3 AS 898/14 betrifft.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen, weil sie mangels ausreichender Beschwer nicht statthaft ist.
Die Berufung ist nicht statthaft, weil sie gemäß § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedarf und vom Sozialgericht Augsburg nicht zugelassen worden ist. Sie bedarf der Zulassung, weil sie gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG einen Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt. Es geht auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Im streitgegenständlichen Verfahren ist ein Betrag von insgesamt 117,30 € streitig. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2014, mit dem der Beklagte eine Minderung der Leistungen von monatlich 39,10 € für drei Monate (Juni, Juli, August 2014) verfügt hatte.
Auch wenn mehrere Streitgegenstände im Rahmen einer objektiven Klagehäufung vorliegen, wie dies infolge der Verbindung mehrerer Klagen im erstinstanzlichen Verfahren hier der Fall ist, ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinsichtlich jeden Streitgegenstands grundsätzlich eigenständig zu beurteilen (vgl. BSG, Beschluss vom 18.04.2016, B 14 AS 150/15 BH, Juris Rn. 5). Zusammenzurechnen sind allerdings die Streitgegenstände, die einen Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen (§ 202 SGG i.V.m. §§ 4, 5 Zivilprozessordnung – ZPO).
Bei Addition der Streitwerte in den Verfahren L 16 AS 327/15 (S 3 AS 898/14), L 16 AS 65/17 (S 3 AS 979/14), L 16 AS 67/14 (S 3 AS 1000/14) und L 16 AS 68/17 (S 3 AS 1199/14) ergibt sich ein Beschwerdewert von 477,70 €, so dass 750 € nicht erreicht werden. Zusammenzurechnen sind der in den Verfahren L 16 AS 327/15 und L 16 AS 65/17 jeweils streitige Betrag von 117,30 € (Sanktion für Juni, Juli, August 2014), der im Verfahren L 16 AS 67/17 streitige Betrag von 3,70 € (Zinsen) und der im Verfahren L 16 AS 68/17 streitige Betrag von 356,70 € (Minderung der Leistungen für Dezember 2014, Januar und Februar 2015 in Höhe von monatlich 117,30 €).
Fällt wie hier einer der Streitgegenstände – nämlich der Streitgegenstand Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts (L 16 AS 66/17) – nicht unter die Ausschlussregelung des § 144 Abs. 1 SGG, führt dies entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass die Berufung bezüglich der weiteren Streitgegenstände zulässig ist bzw. wird. Ein solches Verständnis widerspräche dem von § 144 Abs. 1 SGG beabsichtigten Zweck, sog. Bagatellstreitigkeiten grundsätzlich auf eine Instanz zu beschränken (vgl. BSG, Beschluss vom 18.04.2016, B 14 AS 150/15 BH, Juris Rn. 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017 § 144 Rn. 16).
Ohne Auswirkung auf die Statthaftigkeit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 28.04.2015 war die Frage, ob es in der Berufungsinstanz bei der Verbindung der Klagen verbleibt oder ob die Klageverfahren wie vom Kläger beantragt wieder getrennt werden. Denn die Zulässigkeit von Rechtsmitteln ist ohnehin hinsichtlich jedes Streitgegenstands eigenständig zu beurteilen, mit der Maßgabe, dass bei einer objektiven Klagehäufung gleichartige Streitgegenstände, die einen Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen, zu addieren sind.
Eine Zulassung durch das Sozialgericht ist nicht erfolgt. Wird die Zulassung in der sozialgerichtlichen Entscheidung nicht ausdrücklich ausgesprochen, ist die Berufung nicht zugelassen und kann auch nicht nachträglich zugelassen werden. In der Verwendung einer auf eine zulassungsfreie Berufung zugeschnittenen Rechtsmittelbelehrungliegt keine Entscheidung des Gerichts über die Zulassung (vgl. Leitherer a.a.O. § 144 Rn. 41, 45).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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