Kosten- und Gebührenrecht

Zuständigkeit des Strafgerichts bei Einwendungen gegen vollstreckungsbehördliche Entscheidungen nach § 459a StPO

Aktenzeichen  M 10 K 16.3392

Datum:
31.8.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 40 Abs. 1, § 173
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1
StPO StPO § 459a, § 459h, § 462a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Zur Entscheidung über Einwendungen gegen vollstreckungsbehördliche Entscheidungen über Zahlungserleichterungen nach § 459a StPO ist gemäß § 459h StPO iVm § 462a Abs. 2 S. 1 StPO grundsätzlich das (Straf-) Gericht des ersten Rechtszuges berufen; der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht München verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Amtsgerichts München vorbehalten.

Gründe

I.
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Juni 2014 (Az.: 815 Ds 255 Js 219573/13), bestätigt durch Urteil des Landgerichts München I vom 10. Dezember 2014 (Az.: 24 Ns 255 Js 219573/13), rechtskräftig seit dem 6. Mai 2015, wurde der Kläger wegen räuberischen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. In dem erstinstanzlichen sowie im Berufungsverfahren war dem Kläger jeweils ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt worden.
Mit Rechnung vom 18. August 2015 (Rechnungs-Nr. …) stellte die Staatsanwaltschaft München I dem Kläger für das Strafverfahren einen Betrag von insgesamt 4.313,45 Euro, zahlbar binnen zwei Wochen, in Rechnung. Neben der Geldstrafe enthielt die Rechnung Positionen für Urteilsgebühren sowie für Rechtsanwaltsvergütungen in zwei Instanzen. Auf die einzelnen Gegenstände der Rechnung wird Bezug genommen.
Mit Verfügung der Vollstreckungsrechtspflegerin vom 14. Oktober 2015 wurde dem Kläger gestattet, die Geldstrafe und die Verfahrenskosten in monatlichen Raten von je 65,00 Euro abzuzahlen; eine vom Kläger begehrte niedrigere Ratenhöhe wurde unter Hinweis auf § 2 StVollstrO (nachdrückliche Vollstreckung) abgelehnt.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015, 11. November 2015 und 6. Dezember 2015 erhob der Kläger sinngemäß Einwendungen gegen die Verfügung der Vollstreckungsrechtspflegerin vom 14. Oktober 2015 und beantragte nochmals eine Herabsetzung der Ratenhöhe auf 25,00 Euro.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München – Abteilung für Straf- und Bußgeldsachen – vom 16. Dezember 2015 wurden diese Einwendungen des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege sei die richterliche Entscheidung mit Nachdruck und Beschleunigung zu vollstrecken (§ 2 Abs. 1 StVollstrO).
Eine sofortige Beschwerde des Klägers gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 beantragte der Kläger bei der Staatsanwaltschaft München I erneut die Reduzierung der monatlichen Raten.
Diesen Antrag lehnte die Staatsanwaltschaft – Vollstreckungsrechtspflegerin – unter dem 22. Juni 2016 ab; gleichzeitig widerrief sie die Bewilligung vom 11. Mai 2016 zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit, da der Kläger aufgrund Erkrankung in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, gemeinnützige Arbeit abzuleisten.
Mit erneutem Schreiben vom 6. Juli 2016 begehrte der Kläger nochmals eine Reduzierung der auf die Rechnung vom 18. August 2015 zu zahlenden Raten; dieser Antrag wurde unter dem 14. Juli 2016 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 hat der Kläger „Klage gegen die Rechnung der Staatsanwaltschaft München I vom 18. August 2015“ zum Verwaltungsgericht München erhoben (Eingang 1.8.2016).
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die astronomisch hohe Rechnung werde für eine Tat gestellt, die er nie begangen habe. Trotz seiner Unschuld gehe die Staatsanwaltschaft gegen ihn unter Drohungen und mit erpresserischen Methoden vor. Er habe angeboten, dass er 25,00 Euro monatliche Raten zahlen könne. Es sei von Anfang an bekannt gewesen, dass er schwer und chronisch krank und nach seiner Insolvenz auf Harz IV angewiesen sei.
Gleichzeitig beantragte er sinngemäß die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Mit Schreiben vom 3. August 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beteiligten auf die fehlende Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs hin und gab Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Nach § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Amtsgericht München zu verweisen.
1. Für das vorliegende Verfahren ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Dies ist hier der Fall:
Nach Auslegung seines Rechtschutzersuchens wendet sich der Kläger gegen die (letzten) Verfügungen der Strafvollstreckungsrechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft München I vom 14. Juli 2016 und 22. Juni 2016 (Az. 255 VRs 219573/13), mit denen sie seine (letzten) Anträge vom 6. Juli 2016 und 15. Juni 2016 auf Ratenzahlung bzw. Ratenminderung der ihm in der Strafsache Az. 815 Ds 255 Js 219573/13 unter dem 18. August 2015 in Rechnung gestellten Forderung in Höhe von insgesamt 4.313,45 Euro abgelehnt hat.
Die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Verfügungen ist nicht durch das angerufene Verwaltungsgericht, sondern durch das Amtsgericht München zu klären.
Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Juni 2014, rechtskräftig seit 6. Mai 2015, wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt.
Die Einforderung und Beitreibung von Geldstrafen als Maßnahmen der Strafvollstreckung obliegen der Staatsanwaltschaft bzw. dem Rechtspfleger als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO, § 31 Abs. 2 S. 1 RpflG).
Die Vollstreckungsbehörde entscheidet gemäß § 459a Abs. 1 und 2 StPO nach Rechtskraft des Urteils über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen; die Vorschrift regelt insoweit sowohl die erstmalige nachträgliche Bewilligung von Zahlungserleichterungen als auch die Abänderung bereits nach § 42 StGB gerichtlich gewährter Zahlungserleichterungen und erfasst nach § 459a Abs. 4 StPO auch die Verfahrenskosten, die zusammen mit der Geldstrafe fällig werden.
Werden – wie hier – gegen vollstreckungsbehördliche Entscheidungen nach § 459a StPO über Zahlungserleichterungen Einwendungen erhoben, entscheidet darüber gemäß § 459h StPO i. V. m. § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges, vorliegend folglich das Amtsgericht München.
Dementsprechend ist der Rechtstreit von Amts wegen dorthin zu verweisen.
2. Als unselbstständiges Beschlussverfahren ist auch das Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu verweisen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 41 Rn. 4).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO i. V. m. § 17 b Abs. 2 GVG.

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