Aktenzeichen 3 EN 775/21
Art 3 GG
Art 12 GG
Art 14 GG
§ 28 Abs 1 IfSG
… mehr
Leitsatz
1. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID 19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin besteht; die Pandemie ist in Thüringen derzeit durch ein dramatisches Infektionsgeschehen gekennzeichnet.(Rn.32)
2. Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Thüringer SARS CoV 2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 (juris: CoronaVInfSchV TH) legitime Ziele des Gesundheitsschutzes, insbesondere die Abwendung einer – teilweise bereits eingetretenen – Überlastung des Gesundheitssystems.(Rn.39)
3. In Abwägung unterschiedlicher Gefährdungslagen und Grundrechtseingriffe hat der Thüringer Verordnungsgeber mit der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-MaßnahmenVO (juris: CoronaVInfSchV TH) ein differenziertes System unterschiedlicher Kontaktbeschränkungen geschaffen.(Rn.45)
4. Die Regelung der 2G-Zugangsbeschränkung für den Einzelhandel jenseits der sog. Grundversorgung stellt sich angesichts der dramatischen Infektionsentwicklung in Thüringen nach einer summarischen Bewertung als verhältnismäßig dar.(Rn.47)
5. Die Klärung der Frage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unterschiedlicher Bereiche des Einzelhandels muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine Rechtfertigung der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierung ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich der Bestimmung der Bereiche, in denen die 2G- oder auch die 2G Plus-Zugangsbeschränkung gelten sollen, kann neben der typischen Infektionsgefahr auch die spezifische Relevanz des jeweiligen Lebensbereichs für die Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen und Gütern des Alltagsbedarfs als weiterer Differenzierungsaspekt zu berücksichtigen sein.(Rn.88)
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung der Regelung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung, soweit diese die sogenannte 2G-Zugangsbeschränkung für Einzelhandelsgeschäfte vorsieht.
Die Antragstellerin betreibt in Thüringen wie auch bundesweit Einzelhandel im Filialbetrieb. Nach ihren Angaben besteht ihr Sortiment zu rund 40 % aus Textilien und im Übrigen aus nahezu allen Produktgruppen des Haushaltsbedarfs. Sie selber beschreibt sich als Discountkaufhaus mit sehr breitem Sortiment und niedrigen Verkaufspreisen.
Die Thüringer Landesregierung erließ am 24. November 2021 in Ablösung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 30. Juni 2021 (GVBl. S. 279), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. Oktober 2021 (GVBl. S. 537) eine erneute Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IFS-MaßnVO -), die zunächst im Wege einer Notveröffentlichung nach § 9 Verkündungsgesetz noch am selben Tag auf der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (https://www.tmasgff.de/COVID-19/rechtsgrundlage) und sodann am 2. Dezember 2021 im Gesetz- und Verordnungsblatt (S. 565 ff.) veröffentlicht wurde. Nach § 39 Abs. 1 trat diese Verordnung am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 21. Dezember 2021 außer Kraft. Nach einer Änderung durch Art. 2 der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 14. Dezember 2021 (GVBl. S. 586) wurde die Rechtsverordnung durch die – im Wege der Notveröffentlichung nach § 9 ThürVerkG veröffentlichten – 1. Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 17. Dezember 2021 und 2. Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 23. Dezember 2021 – jeweils erlassen durch die Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie mit Einverständnis des Thüringer Ministers für Bildung, Jugend und Sport – novelliert. Sie hat nunmehr, soweit im vorliegenden Streit erheblich, folgenden Wortlaut:
§ 2 Anwendungsvorrang, Begriffsbestimmungen
…
(2) Im Sinne dieser Verordnung
1. sind Symptome einer COVID-19-Erkrankung insbesondere ein akuter Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns, Atemnot oder Fieber im Zusammenhang mit neu aufgetretenem Schnupfen oder Husten,
2. ist die Sieben-Tage-Inzidenz die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen bezogen auf 100 000 Einwohner; maßgeblich sind die ermittelten Zahlen des Landesamts für Verbraucherschutz,
3. ist eine Mund-Nasen-Bedeckung eine Bedeckung von Mund und Nase nach § 6 Abs. 1,
4. ist eine qualifizierte Gesichtsmaske eine medizinische Gesichtsmaske oder eine Atemschutzmaske nach § 6 Abs. 2,
5. ist ein Antigenschnelltest eine durch einen infektionsschutzrechtlich befugten Dritten vorgenommene Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels Point-of-Care-Test (PoC-Test) oder ein vergleichbarer Test,
6. ist ein PCR-Test eine Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik,
7. sind alternative Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik zum Nachweis auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die nicht bereits von Nummer 6 erfasst sind,
8. ist ein Selbsttest eine Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels eines in Deutschland zertifizierten Antigenschnelltests zur Eigenanwendung durch medizinische Laien,
9. ist eine Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 die Durchführung eines Tests durch In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt sind und die aufgrund ihrer CE-Kennzeichnung oder aufgrund einer nach § 11 Abs. 1 des Medizinproduktegesetzes in der am 25. Mai 2021 geltenden Fassung erteilten Sonderzulassung verkehrsfähig sind, nach den Nummern 5 bis 8,
10. ist die zuständige Behörde der örtlich zuständige Landkreis oder die örtlich zuständige kreisfreie Stadt als untere Gesundheitsbehörde nach § 2 Abs. 3 der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz (ThürIfSGZustVO) vom 2. März 2016 (GVBl. S. 155) in der jeweils geltenden Fassung,
11. ist eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist,
12. ist ein Impfnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vollständigen Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Schutzimpfung mit einem oder mehreren vom Paul-Ehrlich-Institut der auf seiner Internetseite genannten Impfstoffe erfolgt ist und
a) aus einer vom Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite veröffentlichten Anzahl von Impfstoffdosen, die für eine vollständige Schutzimpfung erforderlich ist, besteht und seit der letzten erforderlichen Einzelimpfung mindestens 14 Tage vergangen sind oder
b) bei einer genesenen Person aus einer verabreichten Impfdosis besteht, auch wenn die nachgewiesene Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 länger als sechs Monate zurückliegt,
13. gelten als genesene Personen diejenigen asymptomatischen Personen, die mittels
a) eines positiven PCR-Testergebnisses oder
b) einer ärztlichen oder behördlichen Bescheinigung, welche sich auf eine mittels PCR-Test bestätigte durchgemachte Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützt,
eine mindestens 28 Tage und nicht länger als sechs Monate zurückliegende Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisen können; die Bescheinigung nach Halbsatz 1 Buchst. b kann in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form ausgestellt sein,
14. ist die 3G-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen, genesene Personen und asymptomatische Personen, die den Nachweis eines negativen Ergebnisses einer Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nach Nummer 9 vorlegen, sowie Personen nach § 1 Abs. 4; die zugrundeliegende Testung darf bei einem Nachweis
a) mittels eines Antigenschnelltests nicht länger als 24 Stunden,
b) mittels eines PCR-Tests nicht länger als 48 Stunden oder
c) mittels eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren nicht länger als 24 Stunden
zurückliegen,
15. ist die 2G-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen und genesene Personen sowie Personen nach § 13 Abs. 2,
16. ist die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen und genesene Personen, die jeweils den Nachweis eines negativen Testergebnisses auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels eines in den Nummer 9 genannten Tests vorlegen, sowie Personen nach § 13 Abs. 2; die zugrundeliegende Testung darf bei einem Nachweis
a) mittels eines Antigenschnelltests nicht länger als 24 Stunden,
b) mittels eines PCR-Tests nicht länger als 48 Stunden oder
c) mittels eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren nicht länger als 24 Stunden
zurückliegen,
17. ist die 3G-Plus-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen, genesene Personen und asymptomatische Personen, die den Nachweis eines negativen Testergebnisses auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels eines PCR-Tests oder eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren vorlegen, sowie Personen nach § 13 Abs. 2; die zugrundeliegende Testung darf bei einem Nachweis
a) mittels eines PCR-Tests nicht länger als 48 Stunden oder
b) mittels eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren nicht länger als 24 Stunden
zurückliegen,
18. sind Zugangsbeschränkungen die 3G-Zugangsbeschränkung nach Nummer 14, die 2G-Zugangsbeschränkung nach Nummer 15, die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung nach Nummer 16 und die 3G-Plus-Zugangsbeschränkung nach Nummer 17,
19. ist der Frühwarnindikator die Sieben-Tage-Inzidenz nach Nummer 2 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt,
20. ist der Schutzwert die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz, die die Anzahl der nach Meldedatum erfassten stationären Neuaufnahmen an COVID-19 erkrankter Patienten innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen bezogen auf 100 000 Einwohner in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt misst,
21. ist der Belastungswert die Auslastung der Intensivbetten, die den prozentualen Anteil intensivmedizinisch behandelter COVID-19-Patienten an der Gesamtzahl der betreibbaren Intensivbetten in Thüringen angibt.
(3) Für Bereiche mit 2G-Plus-Zugangsbeschränkungen nach Absatz 2 Nr. 16 entfällt für geimpfte Personen ab dem 15. Tag nach einer Auffrischimpfung die Verpflichtung zum Nachweis eines negativen Testergebnisses.
…
§ 18 Besondere Schutzmaßnahmen
(1) Die 3G-Zugangsbeschränkung gilt in geschlossenen Räumen:
1. bei der Inanspruchnahme medizinisch, therapeutisch oder pflegerisch notwendiger körpernaher Dienstleistungen,
2. von Fahrschulen,
3. bei Schulungen in Erster Hilfe,
4. bei der Wahrnehmung von Angeboten der Blutspendedienste,
5. bei entgeltlichen Übernachtungsangeboten, soweit diese für notwendige, insbesondere für medizinische, berufliche und geschäftliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden, wobei das negative Testergebnis auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Anreise vorgelegt und eine Testung wiederholend jeweils spätestens mit Ablauf von 72 Stunden durchgeführt werden muss,
6. nichtöffentlicher Betriebskantinen, deren Betrieb zur Aufrechterhaltung der Arbeitsabläufe oder aufgrund der Beschaffenheit der Arbeitsplätze zwingend erforderlich ist,
7. von Nebenbetrieben an den Bundesautobahnen nach den bundesfernstraßenrechtlichen Bestimmungen sowie auf Autohöfen,
8. bei Sitzungen, Beratungen und Veranstaltungen nach § 8 Satz 1 Nr. 2, 4 und 5,
9. bei Versammlungen sowie religiösen, weltanschaulichen oder parteipolitischen Veranstaltungen nach § 19 Abs. 1,
10. bei der Inanspruchnahme medizinisch notwendiger Angebote der Rehabilitation.
Satz 1 gilt auch außerhalb geschlossener Räume für die Jagd zur Vorbeugung und Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest oder anderer Tierseuchen. Der Betrieb nichtöffentlicher Betriebskantinen nach Satz 1 Nr. 6 ist insbesondere zwingend erforderlich, wenn eine individuelle Nahrungsaufnahme nicht am Arbeitsplatz oder nicht in anderen vom Arbeitsplatz getrennten Räumen möglich ist.
(2) Die Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkungen gilt verpflichtend:
1. in geschlossenen Räumen oder Fahrzeugen
a) von Einzel- und Großhandelsgeschäften; ausgenommen ist der Zugang zum Lebensmittelhandel, zum Handel mit Tierbedarf und zum Großhandel für Gewerbetreibende sowie zu Getränkemärkten, Apotheken, Brennstoffhandel, Bau- und Gartenmärkten, Drogerien, Sanitätshäusern, Babyfachmärkten, Orthopädieschuhtechnikern, Optikern, Hörgeräteakustikern, Ladengeschäften des Zeitungsverkaufs und Tankstellen,
b) bei öffentlichen, frei oder gegen Entgelt zugänglichen Veranstaltungen mit der Maßgabe, dass Veranstaltungen mindestens zehn Tage vor Veranstaltungsbeginn der zuständigen Behörde anzuzeigen sind und eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 40 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 500 teilnehmenden Personen,
c) bei nichtöffentlichen Veranstaltungen mit der Maßgabe, dass die Veranstaltungen mit mehr als 15 teilnehmenden Personen mindestens zehn Tage vor Veranstaltungsbeginn der zuständigen Behörde anzuzeigen sind; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 50 teilnehmenden Personen,
d) von Gaststätten im Sinne des Thüringer Gaststättengesetzes mit Ausnahme
aa) der Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen und Getränke,
bb) der nichtöffentlichen Betriebskantinen, deren Betrieb zur Aufrechterhaltung der Arbeitsabläufe oder aufgrund der Beschaffenheit der Arbeitsplätze zwingend erforderlich ist; für deren Zugang gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit Satz 3,
cc) der vom Studierendenwerk Thüringen betriebenen Mensen für den nichtöffentlichen Betrieb; für deren Zugang gilt § 25 Abs. 1,
dd) von Nebenbetrieben an den Bundesautobahnen nach den bundesfernstraßenrechtlichen Bestimmungen sowie auf Autohöfen; für deren Zugang gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 7,
e) bei der Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen mit Ausnahme medizinisch, therapeutisch oder pflegerisch notwendiger Dienstleistungen,
f) bei Reisebusveranstaltungen,
g) bei entgeltlichen Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken,
h) von Einrichtungen, Dienstleistungen und Angeboten der Freizeitgestaltung, insbesondere Museen, Archiven, Bibliotheken, Sehenswürdigkeiten und Denkmälern,
i) bei kulturellen Veranstaltungen, wie Lesungen, Theater-, Kino- oder Opernaufführungen mit der Maßgabe, dass eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 40 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 500 teilnehmenden Personen,
j) von Flug-, Jagd-, Hundeschulen und ähnlichen Einrichtungen,
k) von zoologischen und botanischen Gärten sowie Tierparks,
l) von Solarien,
m) von Prostitutionsstätten, -fahrzeugen und -veranstaltungen im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes, Bordellen, Swingerklubs und ähnlichen Angeboten,
2. außerhalb geschlossener Räume für
a) öffentliche, frei oder gegen Entgelt zugängliche Veranstaltungen mit der Maßgabe, dass die Veranstaltungen mindestens zehn Tage vor Veranstaltungsbeginn der zuständigen Behörde anzuzeigen sind und eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 50 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 1 000 teilnehmenden Personen,
b) nichtöffentliche Veranstaltungen mit der Maßgabe, dass die Veranstaltungen mit mehr als 20 teilnehmenden Personen mindestens zehn Tage vor Veranstaltungsbeginn der zuständigen Behörde anzuzeigen sind; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 100 teilnehmenden Personen,
c) kulturelle Veranstaltungen, wie Lesungen, Theater-, Kino- oder Opernaufführungen mit der Maßgabe, dass eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 50 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 1 000 teilnehmenden Personen,
d) Gaststätten im Sinne der Nummer 1 Buchst. d,
e) Fitnessstudios, Tanzschulen und jeweils ähnliche Einrichtungen; ausgenommen sind medizinisch notwendige Angebote der Rehabilitation, und
f) Angebote des Freizeitsports.
Soweit nicht ausdrücklich in Satz 1 bestimmt, besteht keine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Behörde. Ergänzend zu § 6 Abs. 3 Satz 1 ist eine qualifizierte Gesichtsmaske bei der verpflichtenden Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkung zu verwenden, § 6 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
(3) Die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gilt in geschlossenen Räumen:
1. von Fitnessstudios, Tanzschulen und jeweils ähnlichen Einrichtungen; ausgenommen sind medizinisch notwendige Angebote der Rehabilitation,
2. bei Angeboten des Freizeitsports,
3. von Spielhallen, Spielbanken, Wettbüros und ähnlichen Einrichtungen,
4. bei Auftritten und Proben von Orchestern, sofern Blasinstrumente verwendet werden, und von Chören.
Abweichend von Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b gilt die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung in geschlossenen Räumen für öffentliche, frei oder gegen Entgelt zugängliche Veranstaltungen, soweit mehr als 50 Personen teilnehmen.
(4) Im Fall der 2G-Zugangsbeschränkung oder 2G-Plus-Zugangsbeschränkung haben Arbeitgeber, Beschäftigte oder sonstige tätige oder beauftragte Personen, die keine geimpften Personen oder genesenen Personen sind, eine qualifizierte Gesichtsmaske nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zu verwenden.
(5) An allen nach Satz 2 festgelegten und gekennzeichneten Orten mit Publikumsverkehr in Innenstädten und im öffentlichen Raum außerhalb geschlossener Räume, an denen sich Personen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, ist eine qualifizierte Gesichtsmaske nach § 6 zu verwenden. Die zuständigen Behörden legen die Orte nach Satz 1 durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügungen fest und kennzeichnen diese.
(6) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die in § 8 Satz 1 Nr. 1 und 3 genannten Bereiche.
…
§ 39 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 24. Januar 2022 außer Kraft.
…
Die Antragstellerin hat am 13. Dezember 2021 beim Thüringer Oberverwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf die Außervollzugsetzung der Bestimmungen dieser Verordnung beantragt, soweit diese ihr vorschreiben, Personen nur dann Zugang zu den von ihr betriebenen Einzelhandelsgeschäften zu gestatten, wenn diese einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen können.
Die Antragstellerin führt aus, dass sie durch das angefochtene Gebot in ihren Grundrechten auf Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, auf Schutz des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 GG, und auf Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, verletzt sei. Ihr noch zu erhebender Normenkontrollantrag sei begründet. Der Eingriff in ihre Grundrechte sei nicht gerechtfertigt. Die angefochtene Bestimmung leide bereits daran, dass sie entgegen der gesetzlichen Anforderung nicht aussagekräftig und verständlich begründet sei. Der Eingriff sei jedenfalls unverhältnismäßig. Zwar verfolge der Gesetzgeber im Sinne des Gesundheitsschutzes ein legitimes Ziel. Es müsse allerdings bezweifelt werden, dass die ergriffene Maßnahme der 2G-Regelung für den Einzelhandel zur Zielerreichung geeignet sei. Das Robert Koch-Institut habe in seinen Aussagen bereits klargestellt, dass von Einzelhandelsbetrieben keine signifikanten Infektionsgefahren ausgingen. Die Unhaltbarkeit der Maßnahme ergebe sich auch aus weiteren Modellierungsstudien wie der des MODUS-COVID-Teams, wonach der Einzelhandel nur in Höhe von 0,1 zum R-Wert beitrage, der bei durchgehend eingehaltener FFP2-Maskenpflicht sich im Modell auf 0,01 und damit auf ein für das Infektionsgeschehen irrelevantes Niveau reduziere. Darüber hinaus sei zu beachten, dass von über 50 Millionen täglichen Kundenkontakten 40 Millionen allein im Lebensmitteleinzelhandel, für den nicht die 2G-Regelung gelte, stattfänden. Die 2G-Regelung treffe mithin von vornherein nur einen signifikant kleinen Teil der Kundenkontakte. Die Zugangsbeschränkung für den Einzelhandel sei auch nicht erforderlich. Sie, die Antragstellerin, wende bewährte und bekannte Hygienekonzepte an, die das verbleibende geringe Infektionsrisiko erheblich verminderten. Dieses würde überdies in ihren Geschäften dadurch weiter reduziert, dass angesichts der Sortimentsstruktur mit Waren des täglichen Gebrauchs keine Beratung oder Hilfe durch Personal in Anspruch genommen würden und ausreichende Distanz zu anderen Kunden gewahrt bliebe. Der Eingriff sei überdies nicht angemessen. Das Maß der sie betreffenden Belastungen stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen für die Allgemeinheit. Dabei müsse auch beachtet werden, dass der Einzelhandel mit Mischsortimenten in vielen Bereiche des täglichen Lebens system- und grundversorgungsrelevant sei. Die Regelung führe jedenfalls zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Auch in Pandemiezeiten sei kein plausibler sachlich vertretbarer Grund erkennbar, von ihr die Einhaltung der 2G-Reglung zu verlangen, während großflächige Verbrauchermärkte ohne derartige Beschränkungen öffnen dürften. Dem Antrag sei auch aufgrund einer Folgenabwägung stattzugeben. Ihr drohten irreversible wirtschaftliche Einbußen, ohne dass ein erkennbarer Nutzen für die zweifelsohne hochwertigen Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 GG ersichtlich seien. Ergänzend nimmt die Antragstellerin auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2021 Bezug.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
§ 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Thüringer Verordnung zu Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IFS-MaßnVO -) vom 24. November 2021, zuletzt geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 17. Dezember 2021, bis zu einer Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Vorbringen entgegen. Die angegriffene Verordnungsbestimmung sei auf Grundlage der bundesgesetzlichen Regelung der §§ 28, 28a und 32 IfSG formell rechtmäßig erlassen worden. Die angegriffene Regelung sei auch materiell rechtmäßig. Der hier allein in Frage kommende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Maßnahme sei insbesondere verhältnismäßig. Insgesamt dienten die Verordnungsmaßnahmen der Verringerung bzw. Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit. Die Maßnahme sei auch geeignet zur Erreichung dieses Ziels. Es sei wissenschaftliche Erkenntnis, dass alle Maßnahmen, die die Anzahl von Kontakten zwischen Menschen verringerten, dazu beitrügen, die Anzahl der Infektionen durch Übertragung des Virus zu verringern. Die Verordnung strebe eine erhebliche Reduzierung von Kontakten und Kontaktmöglichkeiten an. Der Verordnungsgeber habe zu prüfen gehabt, inwieweit diese erforderliche Kontaktreduzierung unter größtmöglicher Beibehaltung der Rechte der Bürger erreicht werden könne. Hierbei sei zunächst Konsens in der Wissenschaft, dass von Geimpften und Genesenen ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko ausgehe als von Ungeimpften. Das Robert Koch-Institut habe daher schon früh die Einführung von 2G-Zugangsbeschränkungen gefordert und deren Sinnhaftigkeit begründet. Selbst bei Zweifeln hinsichtlich geeigneter einzelner Maßnahmen wie der 2G-Zugangsbeschränkung müsse gelten, dass die Strategie zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus bzw. der COVID-19-Erkrankung aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen bestehe. Keine Maßnahme allein verspreche hinlänglich Erfolg, zumal allgemein davon ausgegangen werde, dass eine hochwirksame Maßnahme wie ein vollständiger und strengstmöglicher Lockdown über Wochen wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht vertretbar sei. Dementsprechend wiesen alle Maßnahmen gewisse Schwächen auf. Solange sich nicht jeder Bürger mit einem Labor-Vollschutz gegen die Virusübertragung schütze, werde es immer wieder zu Virusübertragungen kommen. Daher könne eine sinnvolle, die Unvollkommenheiten jeder einzelnen Maßnahme berücksichtigende Strategie immer nur das Ziel verfolgen, die Zahl der Virusübertragungen, die nur durch Kontakte zwischen den Menschen möglich seien, zu verringern, nicht aber sie zu 100 % zu unterbinden. Folglich komme es immer auf eine Kombination verschiedener, grundsätzlich gut geeignet erscheinender Maßnahmen an, die Virusübertragungen zu reduzieren. Für das Kriterium der Geeignetheit spiele es entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Rolle, in welchem Umfang die Maßnahme den beabsichtigten Erfolg bewirke, sondern nur, dass die angeordnete Maßnahme auch dazu beitrage, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Die Maßnahme sei auch erforderlich. In Thüringen entwickle sich die SARS-CoV-2-Pandemie in den letzten Wochen zunehmend dynamisch und habe inzwischen bedrohliche Ausmaße angenommen. Die von ihm – dem Antragsgegner – im Einzelnen dargelegten Inzidenzwerte sowie die Zahlen zur Hospitalisierung und zur Belegung intensivmedizinischer Betten belegten die Überlastung des Thüringer Gesundheitswesens. Diese Entwicklung werde von der Antragstellerin nicht zureichend berücksichtigt. Das Infektionsgeschehen und dessen steigende Entwicklungstendenz zeige, dass die vor dem Inkrafttreten der streitgegenständlichen Verordnung geltenden bisherigen Maßnahmen allein nicht mehr ausgereicht hätten, die weitere Ausbreitung des Virus mit der damit einhergehenden Krankheit COVID-19 zu stoppen. Die Eingriffe seien auch zum Erreichen des angestrebten Ziels unter Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz angemessen. Die der angegriffenen Verordnungsbestimmung zugrundeliegende Differenzierung der 2G-Zugangsbeschränkung nach dem Einzelhandel der Grundversorgung einerseits und dem sonstigen Einzelhandel andererseits stelle keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar. Sie beruhe auf dem sachlichen Unterschied, dass die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung und damit auch den Ungeimpften zugänglich sein müsse, während – zur Vermeidung von insoweit für das Infektionsgeschehen relevanten Kontakten – der Zutritt zu Geschäften mit nicht lebensnotwendigen Artikeln für Ungeimpfte zeitweise eingeschränkt werden müsse. Die monierte Ungleichbehandlung habe ihre Ursache darin, dass für Geimpfte und Ungeimpfte ein unterschiedlich hohes Risiko bezüglich der aktiven sowie passiven Infektiosität bestehe. Der in der Verordnung geregelten Maßnahme liege daher das legitime Differenzierungsziel zugrunde, einerseits die nicht oder erheblich weniger auf das Pandemiegeschehen einflussnehmenden Personengruppen von den Verboten und Belastungen größtmöglich auszunehmen, andererseits aber auch für Ungeimpfte die Versorgung mit Nahrungsmitteln und die sonstige Grundversorgung zu gewährleisten. Allein der Umstand, dass einige Lebensmitteldiscounter nicht nur Waren der Grundversorgung anböten, habe keine infektionserhöhende Auswirkung auf das Pandemiegeschehen. Der Verordnungsgeber habe sich bei seiner Entscheidung zwangsläufig nur auf einen Teil der einschlägigen – divergierenden – wissenschaftlichen Auffassungen gestützt und sich diese zu Eigen gemacht. Dies führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der hier in Rede stehenden Regelungen. Der Verordnungsgeber könne mangels eigener wissenschaftlicher Expertise nur eine Einschätzung der Plausibilität nach vernünftigen Erwägungen vornehmen und diese seiner Entscheidung zugrunde legen. Er habe sich zur Normsetzung auch auf die Beratung eines wissenschaftlichen Beirats gestützt. Darüber hinaus lägen der Verordnung die vom Robert Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut erarbeiteten Studien zugrunde. Dem Erlass sei ein breit angelegter gesellschaftlicher Diskurs vorausgegangen. Die Aussagen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts seien angesichts gravierender unterschiedlicher Infektionslagen auf die Lage in Thüringen nicht anwendbar. In Niedersachsen habe die 2G-Regel schon bei einer 7 Tage-Inzidenz von 35 gelten sollen; in Thüringen sei sie bei einer 7 Tage-Inzidenz von 721 angeordnet worden. Ebenso sei die Hospitalisierungsrate erheblich höher als die in Niedersachsen. Ein Handeln sei umso dringlicher, da die neue Omikron-Variante des Virus um ein Vielfaches ansteckender als die Delta-Variante sein soll. Im Anschluss an die Rechtsprechung des OVG Schleswig-Holstein sei die 2G-Regelung durchaus geeignet und im Übrigen verhältnismäßig.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Im Sinne der Gewährung eines effektiven und zügigen Rechtsschutzes bezieht der Senat die – in der Sache § 18 Abs. 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO inhaltlich nicht ändernde, jedoch zeitlich verlängernde – Novellierung der Thüringer SARS-CoV-2 Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung durch die Verordnung vom 23. Dezember 2021 in das vorliegende Verfahren mit ein.
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 4 ThürAGVwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von – wie hier – im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften.
Die Antragstellerin ist als Inhaberin von Warenhäusern des Einzelhandels in Thüringen antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Durch die mit der streitgegenständlichen Verordnung bewirkte – nicht nur unwesentliche – Beschränkung des Betriebes ihrer Warenhäuser ist sie jedenfalls in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG betroffen, was sie auch als juristische Person geltend machen kann.
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin bislang in der Hauptsache noch keinen Normenkontrollantrag anhängig gemacht hat, da der Antrag in Anlehnung an die für den vorläufigen Rechtsschutz geltenden Vorschriften nach §§ 80, 123 VwGO auch bereits zuvor gestellt werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 20. April 2016 – 3 EN 222/16 – juris).
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in Anlehnung an die Regelung in § 32 BVerfGG (vgl. auch § 26 ThürVerfGHG). An die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm, an deren Vollzug ein erhebliches Allgemeininteresse besteht, ist deshalb ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Insoweit sind die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die aufträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nur dann als Bestandteil der Folgenabwägung in die Bewertung einzubeziehen, wenn sich schon bei summarischer Prüfung im Anordnungsverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Normenkontrollantrag unzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich begründet ist (st. Rspr. des Senats: vgl. nur Beschluss vom 23. August 2011 – 3 EN 77/11 – LKV 2011, 472 m. w. N.).
Die begehrte einstweilige Anordnung ist bei allenfalls offenen Erfolgsaussichten der Normenkontrolle in der Hauptsache nicht auf Grund der nach den genannten Maßgaben erforderlichen Folgenabwägung geboten.
a. Ein Erfolg des Normenkontrollantrags in der Hauptsache ist allenfalls offen.
aa. Die Rechtsgrundlage für die hier streitige Verordnungsbestimmung des § 18 Abs. ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zum Zeitpunkt deren Erlasses ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906), das nach dessen Art. 22 am 23. November 2021 in Kraft trat. Die nachfolgenden Änderungen der Rechtsverordnung beruhten sodann auf den entsprechenden Normen des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5162), das – soweit hier erheblich – am 12. Dezember 2021 in Kraft trat.
Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.
Die Landesregierung hat zwar gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen, nämlich differenziert nach Regelungsbereichen auf das für das Gesundheitswesen bzw. das für Bildung zuständige Ministerium (§ 7 der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz vom 2. März 2016 [GVBl. S. 155], zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 23. Juli 2021 [GVBl. S. 369] und – nach Erlass der hier streitigen Verordnung – durch Art. 1 der Verordnung vom 14. Dezember 2021). Diese Subdelegation hindert den Delegatar nicht, auch weiterhin selbst die Verordnungen zu erlassen; insoweit kann der Senat der gesetzlichen Regelung des § 32 IfSG kein zwingendes anderweitiges Verständnis entnehmen. Ebenso konnten die ermächtigten Ministerien in der Folge mit Verordnung vom 17. Dezember 2021 die vorliegend in Frage stehende Verordnung ändern; ein dem entgegenstehender Wille der Landesregierung ist nicht erkennbar.
bb. Durchgreifende evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage drängen sich nicht auf und werden von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.
cc. Für den Senat ergeben sich auch keine formellen Bedenken gegen den Erlass der – mittlerweile im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichten – Rechtsverordnung vom 24. November 2021 in der Fassung der letzten Änderung durch Verordnung vom 23. Dezember 2021.
Eine amtliche Begründung der Verordnung, wie sie § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG vorsieht, hat der Verordnungsgeber auf der Homepage des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie publiziert (https://www.tmasgff.de/COVID-19/rechtsgrundlage).
Soweit die Antragstellerin rügt, dass diese bezogen auf die angegriffene Regelung inhaltlich unzureichend sei, verkennt sie, dass sich deren Begründung nicht nur aus den von ihr zitierten Ausführungen ergibt, sondern auch aus weiteren Teilen der Begründung, wie den einleitenden Anmerkungen zur Verordnung insgesamt, zu den einzelnen Abschnitten und zu den einzelnen Paragraphen und Absätzen (hier konkret zu § 18 und dessen Absätzen). Sollte die Antragstellerin die inhaltliche Richtigkeit der Begründung bezweifeln, führt dies nicht auf einen förmlichen Mangel der Begründung, sondern lediglich auf die im Rahmen der Begründetheit des Normenkontrollantrags zu klärende Frage deren materieller Richtigkeit.
dd. Auch bestehen – nach einer vorläufigen Einschätzung – keine Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der zum Erlass der streitgegenständlichen Bestimmungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen.
Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG in der zum Zeitpunkt des Erlasses maßgeblichen Fassung können – unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festzustellenden epidemischen Lage von nationaler Tragweite – als notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs zu den oder bei den in § 28a Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 IfSG genannten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen angeordnet werden, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG gehört hierzu auch der Einzelhandel.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin besteht; die Pandemie ist derzeit durch ein erhebliches Infektionsgeschehen gekennzeichnet (s. hierzu Risikobewertung zu COVID-19 des Robert Koch-Instituts [RKI] vom 21. Dezember 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=9D9FB139DC1DF2332C924D528C326A8B.internet062?nn=2386228).
Nach der Rechtsgrundlage ist der Antragsgegner mithin berechtigt, Maßnahmen anknüpfend an die Vorlage von Impf-, Genesenen- und Testnachweisen – wie hier bei der streitigen 2G-Regelung – zu erlassen.
ee. Der Senat vermag im Eilverfahren auch nicht zwingend die Unverhältnismäßigkeit der streitigen Anordnung der 2G-Regelung für den Einzelhandel zu erkennen.
(1) Die Feststellung einer übertragbaren Krankheit bedingt, dass die zuständige Stelle – sei es die zuständige Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten oder die Landesregierung bzw. die von ihr ermächtigte Stelle im Wege des Erlasses einer Rechtsverordnung – zum Handeln verpflichtet ist. Die Stelle hat lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich nicht im Vorfeld bestimmen. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet und in § 28a IfSG – im Rahmen dessen Anwendungsbereichs während der aktuellen Pandemielage (auch nach Auslaufen der Feststellung nach § 5 IfSG) – bestimmte in Betracht kommende Schutzmaßnahmen benannt.
Die Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, nämlich Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind der Maßnahmenauswahl damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: Bundestag-Drs. 8/2468, S. 27). Dies bringt nunmehr § 28a Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG auch für die hier in Streit stehende Maßnahme zum Ausdruck. Danach muss diese zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sein.
Hierbei ist zu beachten, dass dem Verordnungsgeber des Landes – ähnlich wie dem Bundesgesetzgeber bei Erlass des Infektionsschutzgesetzes – ausgehend von der Bestimmung des legitimen Zwecks der Maßnahme hinsichtlich der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme Entscheidungsspielräume zukommen (vgl. hierzu entsprechend: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 3 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 167 ff.).
(2) Es besteht für den Senat kein Zweifel dahingehend, dass der Verordnungsgeber mit der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 und auch mit der hier streitigen Maßnahme legitime Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt, die insbesondere der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems dienen.
(a) Die vom Infektionsschutzgesetz in §§ 28a ff. IfSG selbst grundlegend angenommene Gefährlichkeit von COVID-19 besteht weiterhin. Die Verbreitung dieser Krankheit konkret in Thüringen ist dramatisch, was bereits jetzt das Gesundheitssystem an seine Grenzen bringt. Diese der Verordnung zu Grunde liegende Einschätzung des Verordnungsgebers ist nicht zu beanstanden.
Die aktuelle Situation in Thüringen ist von einem weiterhin sehr hohen – wenn auch in den letzten Tagen abnehmenden – Infektionsgeschehen gekennzeichnet (die nachfolgenden Angaben nach RKI: https://experience.arcgis.com/ experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/Bundesl%C3%A4nder/ und https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2021/2021-12-29-de.pdf?__blob=publicationFile sowie TMASGFF: https://www.tmasgff.de/COVID-19/fallzahlen ). So betrug am 29. Dezember 2021 die 7-Tage-Inzidenz bei Neuinfektionen (je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) in Thüringen 451,9; damit weist Thüringen das höchste Infektionsgeschehen in Deutschland auf. Dieses überdurchschnittliche Infektionsgeschehen zeigt sich auch an der 7-Tage-Inzidenz der Hospitalisierung. Der Gesamtwert für Thüringen liegt bei 9,95 gegenüber einem Bundesdurchschnitt von 3,18; die Anzahl der durch COVID-19-Patienten belegten Betten (ITS-Belegungsquote) beträgt 32,7 % (bundesweit: 22,3 %). Die Belastung des Gesundheitssystems zeigt sich insbesondere auch darin, dass bis zum 13. Dezember 2021 16 intensivmedizinisch betreute Patienten in andere Bundesländer verlegt werden mussten. Auch die Zahl der Todesfälle liegt mit 274 je 100.000 Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 134 Fällen.
Die Anzahl der Erstimpfungen liegt nach den Angaben des RKI (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html) in Thüringen bei 1.438.585 (67,9 %), die der Zweitimpfungen bei 1.381.882 (65,2 %) und die der Auffrischungsimpfungen bei 684.468 (32,3 %). Dabei stellt sich die Gefährdungslage zwischen Geimpften und Ungeimpften sehr unterschiedlich dar; nach den Angaben des Antragsgegners betrafen im Bezugszeitraum vom 13. bis 19. Dezember 2021 von 6.903 gemeldeten Infektionsfällen 2.423 ungeimpfte und 1.509 geimpfte Personen sowie von 204 Hospitalisierungsfällen 110 ungeimpfte und 45 geimpfte Personen; von 16 Patienten auf Intensivstationen waren 12 ungeimpft und 4 geimpft.
In der Bewertung des Infektionsgeschehens ist aktuell weiterhin zu berücksichtigen, dass die Ausbreitung der neuen Corona-Variante Omikron sehr besorgniserregend ist. Sie wird bereits zusätzlich zur Delta-Variante in Deutschland nachgewiesen und ihre Verbreitung weist ein exponentielles Wachstum auf. Das RKI (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=0D438E0025C7B86FAE18FA13E358AC2B.internet051?nn=2386228) schätzt die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland, welche durch diese neue Virus-Variante von SARS-CoV-2 bedingt ist, insgesamt als sehr hoch ein. Dadurch kann es zu einer schlagartigen Erhöhung der Infektionsfälle und einer schnell eintretenden Überlastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche kommen.
Insgesamt bewertet das RKI die Infektionsgefährdung für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischungsimpfung (dreimalige Impfung) als moderat.
(b) Ausgehend von diesem zum Erlasszeitpunkt bereits feststellbaren zusätzlichen Infektionsgeschehen und der bereits bestehenden Gefahr der Überlastung der Krankenhäuser, insbesondere der Intensivstationen, war nach der Auffassung des Verordnungsgebers eine weitere deutliche Verschärfung der zu ergreifenden Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erforderlich. In Abwägung der unterschiedlichen Gefährdungslagen und Grundrechtseingriffe hat er ein System unterschiedlicher Kontaktbeschränkungen geschaffen. Über die besonderen Regelungen für verschiedene besondere Lebensbereiche und Einrichtungen (§§ 19 ff. ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) und der auf der Ermächtigung des § 28a Abs. 8 IfSG beruhenden Schließung von Einrichtungen (§ 30 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) hinaus hat er in § 18 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO ein dreistufiges System von Zugangsbeschränkungen geschaffen:
§ 18 Abs. 1 sieht die Anwendung der 3G-Zugangsbeschränkung (§ 2 Nr. 14 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO: Zugang für geimpfte, genesene und getestete Personen) in besonders bedeutsamen Bereichen vor, bei denen einerseits eine Beschränkung auf geimpfte und genesene Personen aufgrund der Bedeutsamkeit für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens nicht in Betracht kommt, andererseits jedoch ein Mindestmaß an Schutz durch die Vorlage negativer Testungen erforderlich ist.
Die Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkung (§ 2 Nr. 15 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO: Zugang für geimpfte und genesene Personen) nach § 18 Abs. 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO betrifft in weitem Umfang Bereiche des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Nach der Amtlichen Begründung sind ausgenommen neben den in § 18 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelten Bereichen nur solche, die für die Versorgung Nichtgeimpfter und Nichtgenesener von essentieller und unabweisbarer Bedeutung für die Bestreitung des täglichen Lebens sind. Hierzu führt die Begründung aus, dass die extrem angestiegenen Infektionszahlen, verbunden mit dem Umstand, dass bei (lediglich) getesteten Personen – insbesondere da Tests letztlich nur eine Momentaufnahme abbilden – ein weit höheres Infektionsrisiko sowohl aktiv als auch passiv besteht, keine weiteren Lockerungen als vertretbar erscheinen lassen.
§ 18 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO regelt auf einer weiteren Stufe die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung (§ 2 Nr. 16 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO: Zugang für geimpfte und genesene Personen mit Testung) als restriktivste Beschränkung für besonders gefährdete Bereiche. Erfasst werden dabei ausschließlich geschlossene Räume. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass die in dieser Norm genannten Bereiche aufgrund der Eigenart der dort jeweils erfolgenden Betätigung eine besonders hohe Aerosolbildung aufweisen. Zum einen betreffe dies Einrichtungen mit anstrengender sportlicher Betätigung – zumeist verbunden mit großer räumlicher Nähe – oder solche, bei denen ein Agieren mit ggf. lautem Sprechen bzw. z. T. mit schlecht kontrollierbarem Einhalten des Mindestabstandes verbunden ist. Ferner führt er an, dass, obwohl Geimpfte und Genesene bereits einen verhältnismäßig hohen Infektionsschutz aufwiesen, bei dieser Personengruppe gleichwohl eine Ansteckung oder Weiterverbreitung nicht völlig ausgeschlossen sei. Zur Erhöhung der Sicherheit sei daher eine Testung vorgesehen.
(c) Der Verordnungsgeber will mit diesen Maßnahmen seiner in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnden Schutzpflicht nachkommen, nämlich für den Schutz vor sämtlichen mit einer SARS-CoV-2-Infektion einhergehenden Gesundheits- und Lebensgefahren zu sorgen.Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke. Aus Art. 2 Abs. 2 GG, der den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner Gesundheit umfasst, kann zudem eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Vorsorge gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen umfasst (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 174 ff.).
Hinzu kommt, dass mit dem befürchteten und durch die Entwicklung in anderen Staaten belegten Aufkommen der neuen Virusvariante Omikron und deren drohender massenhafter Verbreitung sowie damit einhergehender Erkrankungen und Quarantänen der Aspekt der Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens und insbesondere der sogenannten kritischen Infrastruktur als Zweck der Maßnahmen an Gewicht zunimmt (vgl. hierzu: Erste Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu COVID-19 vom 19. Dezember 2021, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1992410/7d068711b8c1cc02f4664eef56d974e0/2021-12-19-expertenrat-data.pdf?download=1).
(d) Soweit die Antragstellerin grundhaft eine unzureichende Begründung rügt und dem Antragsgegner eine nicht hinreichende Evaluierung bzw. Abwägung vorwirft, kann dem der Senat nach einer allerdings nur vorläufigen Einschätzung nicht folgen. Bereits die Amtlichen Begründungen der streitigen Rechtsverordnungen in ihrer Gesamtheit (hierzu gehören auch die Ausführungen jeweils unter Pkt. „A. Allgemeiner Teil“) lassen erkennen, dass dem jeweiligen Erlass eine umfangreiche Berücksichtigung und Auswertung wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere des RKI, und der gesellschaftlichen und politischen Erörterungen auf Bundes- und Landesebene zu Grunde lagen. Ferner nehmen die Amtlichen Begründungen auf die vorangegangenen Beschlüsse der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers mit der Ministerpräsidentenkonferenz Bezug, die auf der Expertise von Wissenschaftlern nicht nur aus dem Bereich der Medizin, sondern auch anderer Fachbereiche beruhen und denen zudem regelmäßig eine – kontroverse – politische Diskussion vorausging. Überdies ist für Thüringen festzustellen, dass durch die Mitwirkung des Landtags wie auch der Kommunen ein breit angelegter Beteiligungsprozess verschiedenster Interessengruppen institutionalisiert ist (Thüringer Landtag, Drs. 7/2459). Hinzuweisen ist überdies auch auf die Begleitung des Handelns der Landesregierung im Bereich der Bekämpfung des Coronavirus durch einen Wissenschaftlichen Beirat (https://www.landesregierung-thueringen.de/regierung/wissenschaftlicher-beirat). Es muss dem Hauptsacheverfahren sein, zu prüfen, ob und inwieweit der Antragsgegner diesen Prozess der Beteiligungen und Entscheidungsfindung in den Verordnungsmaterialien hinreichend dargelegt und dokumentiert hat (vgl. zur materiell-rechtlichen Bedeutung dieses Nachweises: Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 431).
(3) Hiervon ausgehend erweist sich die angegriffene Maßnahme der 2G-Regelung für den Einzelhandel als geeignetes Mittel zur Eindämmung der Pandemie und zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke des Gesundheitsschutzes.
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 185 f. m. w. N.) hat zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben anknüpfend an seine ständige Rechtsprechung zuletzt ausgeführt, dass für die Eignung bereits die Möglichkeit genügt, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dieser Spielraum reicht nicht stets gleich weit. Insoweit hängt sein Umfang vielmehr einzelfallbezogen etwa von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Für Letzteres kann auch das Eingriffsgewicht in Bezug auf die Eigenart des vom Eingriff betroffenen Rechts eine Rolle spielen. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Erfolgt aber der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht in Frage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen.
Zunächst ist das auch der 2G-Regelung zugrunde liegende Ziel der Kontaktreduzierung ersichtlich geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen. SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Delta-Variante und möglicherweise noch mehr für die Omikron-Variante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spielt – v. a. in Innenräumen – eine besondere Rolle. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln) reduziert werden. Bevölkerungsbezogene kontaktreduzierende Infektionsschutzmaßnahmen können das Infektionsrisiko zusätzlich mindern (RKI, Risikobewertung vom 21. Dezember 2021, abrufbar unter: www.rki.de).
Soweit die 2G-Regelung zugunsten von Geimpften und Genesenen von einer ausnahmslosen Kontaktreduzierung absieht, stellt dies nicht die Eignung der Maßnahme in Zweifel. Wie vorstehend ausgeführt, zeigt die Entwicklung der Infektionszahlen – insbesondere aber auch der Erkrankungszahlen – deutliche Unterschiede von Geimpften bzw. Genesenen zu Nichtgeimpften bzw. Nichtgenesenen auf, was eine Differenzierung rechtfertigt und das grundsätzliche Ziel, einen geeigneten Infektionsschutz zu erreichen, nicht in Frage stellt. Das RKI schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als geringer eingeschätzt (RKI, Risikobewertung vom 21. Dezember 2021, abrufbar unter: www.rki.de).
Ob diese Bewertung angesichts der fortschreitenden Verbreitung der Omikron-Variante sowohl bei geimpften als auch ungeimpften Personen aufrecht zu erhalten ist, ist angesichts der derzeit noch unzureichenden Studienlage nicht abschließend festzustellen.
Dem Einwand der Antragstellerin, dass der Feststellung der Eignung der 2G-Regelung im Einzelhandel zur Erreichung des Gesundheitsschutzes Aussagen des RKI und die MODUS-COVID-Modellierungsstudie entgegenstünden, folgt der Senat nicht. Er schließt sich insofern den Ausführungen des OVG Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 21. Dezember 2021 – 13 B 1858/21.NE – in dem von der Antragstellerin dort angestrengten Verfahren zur vergleichbaren nordrhein-westfälischen Rechtslage an und macht sich diese zu eigen (juris Rn. 49 – 63):
„Mit seiner Bewertung, dass Zugangsbeschränkungen für nicht immunisierte Personen zum Einzelhandel zur Erreichung des vom Verordnungsgebers verfolgten Zwecks geeignet sind, überschreitet dieser auch nicht deswegen seine Einschätzungsprärogative, weil – wie die Antragstellerin meint – er Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts ignoriert. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass das Robert Koch-Institut in seinem letzten COVID-19-Strategiepapier mit Stand vom 22. September 2021 selbst bei Stufe 2 – nach der gewählten Staffelung die Stufe mit dem intensivsten Infektionsgeschehen – für den Einzelhandel nur die Anwendung der 3G-Regelung und eines Schutzkonzepts vorsieht.
Vgl. Robert Koch-Institut, Aktualisierung der Control-COVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/2022, Stand 22. September 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile.
Das Robert Koch-Institut hat diese Empfehlungen mit Blick auf die beginnende pandemische Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron inzwischen aktualisiert und empfiehlt nun – wie vom Verordnungsgeber bereits eingeführt – unter anderem für den Zugang zu Ladengeschäften die sofortige Umsetzung und Kontrolle der 2G-Regel.
Vgl. Robert Koch-Institut, ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron, Stand 21. Dezember 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-12-21.pdf?__blob=publicationFile.
Eine Würdigung der von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahme von Nagel und Müller (Teil des „MODUS-COVID Teams“), die diese im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur sog. Bundesnotbremse eingereicht haben, lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, der Verordnungsgeber habe mit der streitgegenständlichen Maßnahme seinen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Eignung von Zugangsbeschränkungen zum Einzelhandel überschritten.
A. A. Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 52 ff.
In dieser Stellungnahme, die sich auf die zum Zeitpunkt des Erlasses der sog. Bundesnotbremse seinerzeit herrschende Alpha-Variante des Virus bezog, führen die Autoren aus, dass der Beitrag des Einzelhandels zum R-Wert 0,1 betrage, mit durchgehender eingehaltener FFP2-Maskenpflicht betrage dieser nur noch 0,01. Hieraus ist zwar zu schließen, dass im Einzelhandel nicht der Schwerpunkt der Infektionstätigkeit stattfindet. Wenn man die Annahmen der Autoren unterstellt, ist er mit einem Einfluss von 0,1 auf den Reproduktionsfaktor indes auch nicht irrelevant.
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 279, wonach Ausgangsbeschränkungen, die den R-Wert um 0,1 reduzieren, keine offensichtlich wirkungslose Maßnahme bedeuten.
Infektionsschutzmaßnahmen in diesem Bereich können dazu beitragen, diesen auf ein erwünschtes Maß zu drücken. Ob eine FFP2-Maskenpflicht das Infektionsgeschehen in gleicher Weise eindämmen könnte, ist keine Frage der Geeignetheit, sondern der Erforderlichkeit der Maßnahme. Ferner dürfte zu berücksichtigen sein, dass das von den Autoren aufgestellte Modell offenbar allein die direkten Wirkungen einer Schließung des Einzelhandels berücksichtigt, d. h. untersucht, inwieweit Infektionen in Verkaufsstellen des Einzelhandels durch Zugangsbeschränkungen vermieden werden. Nicht erkennbar ist jedenfalls, dass auch indirekte Effekte in den Blick genommen werden. Denn an anderer Stelle, wo die Autoren diese berücksichtigt haben, verweisen sie hierauf ausdrücklich (z. B. im Anhang der Stellungnahme zu den Schulschließungen). Der Verordnungsgeber, der laut Begründung durch ein umfassendes Maßnahmenpaket darauf abzielt, insbesondere Kontakte von nicht immunisierten Personen einzuschränken, weil diese in besonderem Maße zu einer drohenden Überlastung der medizinischen Kapazitäten beitragen,
vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021, S. 4, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211213_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_ab_9._dez_2021.pdf,
verfolgt aber offenbar das Ziel – wie sein Verweis auf die Maßnahmen der sog. Dritten Welle zeigt – die Kontakte und das Aktivitätsniveau von Ungeimpften umfassend einzuschränken. Damit dürfte er durch die 2G-Regelung im Einzelhandels auch indirekte Effekte erzielen wollen, wie eine Einschränkung der Mobilität durch das Fehlen entsprechender Anreize und einer dadurch bedingten Minderung von Infektionsrisiken.
Vgl. zur möglichen Berücksichtigung auch indirekter Effekte bereits z. B.: OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2020 – 13 B 1657/20.NE -, juris, Rn. 36, sowie speziell für den Einzelhandel: Beschluss vom 19. März 2021 – 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 37.
Auch nach der Modellierung von Nagel und Müller kann z. B. der Personenverkehr erheblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Modellierung gegebenenfalls unter Verbreitung der ansteckenderen Delta-Variante nur bedingte Aussagekraft zukommt.
Vgl. auch Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 26.
Es entspricht – wie aufgezeigt – auch der Intention des Thüringer Verordnungsgebers, wie sie in der Amtlichen Begründung zum Ausdruck kommt, Kontakte von nicht immunisierten Personen angesichts deren besonderer Vulnerabilität umfassend einzuschränken.
(4) Dem Senat drängt sich weiterhin nicht die mangelnde Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahme auf.
Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 203 – 204 m. w. N.) ist das Merkmal der Erforderlichkeit so zu verstehen, dass Grundrechtseingriffe nicht weitergehen dürfen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
Der Vorhalt der Antragstellerin, als milderes Mittel gegenüber der Anordnung der 2G-Regelung käme die Anwendung der Regelungen für den der Grundversorgung dienenden Einzelhandel in Betracht, verkennt die grundsätzliche oben genannte Zielrichtung der Maßnahme. Die Verordnung ist darauf gerichtet, in Zeiten eines erheblichen Infektionsgeschehens mit hohen Inzidenzwerten Kontakte ganz zu vermeiden oder, um sie überhaupt zu ermöglichen, dies auf einem möglichst hohen Schutzniveau zu gewährleisten. Dieses Schutzniveau wird jedoch in geschlossenen Räumen mit Publikumsverkehr allein durch die Anwendung der allgemeinen Hygieneregelungen – wie der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und des Abstandshaltens – nicht effektiv erreicht; diese bleibt erkennbar hinter dem Schutzniveau bei beschränktem Zugang für Geimpfte und Genesene zurück. Die Maßnahmen erzielen einen unterschiedlichen effektiven Infektionsschutz (vgl. nur zur Pflicht zur Benutzung eine Mund-Nasen-Bedeckung zuletzt: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Dezember 2021 – 13 B 1858/21.NE – juris Rn. 71 ff.).
Dies gilt ebenso im Hinblick auf die Anwendung der 3G-Regelung im Einzelhandel. Auch insoweit erreicht diese Zugangsbeschränkung nicht das vom Verordnungsgeber gewollte möglichst hohe Schutzniveau bei einer – jedenfalls in Thüringen bestehenden – dramatischen Infektionslage. Die Zulassung auch von Getesteten schränkt zwar weithin den Zugang zum Einzelhandel ein, stellt sich jedoch nicht als ein gleichwertiges Mittel dar. Ein negatives Testergebnis lässt nicht sicher den Schluss darauf zu, dass eine Person nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert ist. Dies kann sich vor allem darauf stützen, dass auf dem deutschen Markt – lediglich – Antigentests mit einer in unabhängigen Validierungsstudien bestimmten klinischen Sensitivitäten von 40 % – 80 % verfügbar sind (vgl. RKI, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung in Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2001, S. 16, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile). Die Aussagekraft eines negativen Befundes bei Antigentests ist insbesondere bei asymptomatisch oder präsymptomatisch Infizierten limitiert (vgl. RKI, Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 – Antigennachweise – Leistungsfähigkeit und Aussagekraft, 9. Dezember 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html;jsessionid=43D84C0D95FA928CF163FF47B7C13B9D.internet071?nn=13490888#doc13490982bodyText24).
Soweit das OVG Niedersachsen (Beschluss vom 22. Dezember 2021 – 13 MN 477/21 – juris Rn. 34 ff.) eine andere Beurteilung für das dortige Landesrecht vornimmt, folgt dem der Senat für die Thüringer Rechtslage angesichts eines erheblich abweichenden Infektionsgeschehens und im Hinblick auf den plausiblen Ansatz des Verordnungsgebers, in dieser dramatischen Situation infektionsübertragende Kontakte insbesondere stärker gefährdeter Personengruppen grundsätzlich zu unterbinden, nicht. Dies muss umso mehr im Hinblick auf die wesentlich erhöhte Übertragbarkeit der Omikron-Virusvariante gelten.
(5) Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zwingend anzunehmen, dass die Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen unangemessen ist.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (vgl. hierzu wie zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 216 – 217 m. w. N.). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die bei gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
Der Vortrag der Antragstellerin zeigt jedenfalls nicht auf, dass das von ihr angegriffene Erfordernis zusätzlicher Testung offensichtlich außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht.
Die Maßnahme führt zwar zu Grundrechtseinschränkungen. So sind die Einzelhändler vorrangig in Bezug auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen; ein Eingriff in das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) ist hingegen eher zu verneinen, weil die durch die Maßnahme eingeschränkten Umsatz- und Gewinnchancen von der Eigentumsgarantie nicht umfasst werden. Eingegriffen wird ferner in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der von der Zugangsbeschränkung erfassten Personen, also vor allem potentieller, nicht immunisierter Kunden.
Diese Rechte – wie auch andere Grundrechtspositionen – werden jedoch nicht unbeschränkt gewährt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt. Dass den hier betroffenen Grundrechten im Ergebnis ein unbedingter Vorrang gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gebührt, ist nicht festzustellen. Die Berufsausübung und selbst die existenzsichernde Erzielung von Einnahmen in einem Bereich von gefahrerhöhender Tätigkeit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit können vorübergehend gegenüber der Durchsetzung überragend gewichtiger Gemeinwohlbelange zurückzustehen haben. Ungeachtet dessen, ob die Maßnahmen überhaupt existenzbedrohende Folgen haben, zeigt der Vortrag der Antragstellerin jedoch angesichts einer in Thüringen dramatischen pandemischen Lage mit hohen Infektions-, Krankheits- und Todesraten den unbedingten Vorrang dieser Rechte vor dem staatlichen Auftrag zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht auf.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin nicht ihre Geschäftstätigkeit vollständig entzogen ist, sondern ihre Besucher – lediglich – aufgefordert sind, einen Nachweis über die Impfung oder Genesung zu erbringen.
Überdies zeigt der Vortrag der Antragstellerin auch nicht auf, inwieweit ihr staatliche Hilfsangebote aus Programmen des Bundes und der Länder, wie etwa die erweiterten Möglichkeiten der Gewährung von Kurzarbeitergeld, der Aussetzung von Insolvenzverfahren und von branchenspezifischen Hilfsprogrammen, zur wirtschaftlichen Bewältigung der Pandemiefolgen zugänglich sind. Auch dem ausgeschlossenen Kundenkreis ist eine Versorgung mit Produkten der Grundversorgung möglich, ungeachtet dessen, dass ihm eine Vielzahl kontaktloser Einkaufsmöglichkeiten (Online-Handel, Außenverkauf u. a.) offensteht.
ff. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Vortrag im Wesentlichen eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung zwischen dem Einzelhandel, für den die 2G-Zugangsbeschränkung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO gilt, und dem davon nicht betroffenen Einzelhandel behauptet, führt dies nicht zwingend auf eine Annahme der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme.
Hierbei ist schon zweifelhaft, ob und inwieweit der Vorwurf gleichheitswidriger Behandlung zu den Gewerbebereichen, in denen ein vermindertes Zugangs- oder Hygieneregime gilt, überhaupt im Eilverfahren auf eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen führen muss (Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. April 2020 – 20 NE 20.793 – juris). Wird ein solcher Rechtsverstoß unterstellt, ist dem Verordnungsgeber – soweit nicht andere rechtserhebliche Gesichtspunkte Anderes gebieten (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29.96 – juris Rn. 36; auch: Beschluss des Senats vom 22. Mai 2020 – 3 EN 341/20 – juris) – dann nämlich erneut ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies würde vorliegend insbesondere auch nicht ausschließen, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen erhöhte Zugangsbeschränkungen gegebenenfalls auch für weitere Bereiche des Wirtschaftslebens einzuführen, für die diese bislang nicht gelten.
Ungeachtet dessen muss die Klärung der Frage der Legitimität der von der Antragstellerin angesprochenen Ungleichbehandlung ersichtlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat zu den Anforderungen des insoweit im Bundes- und Landesrecht inhaltlich nicht wesentlich divergierenden allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf infektionsschutzrechtliche Regelungen ausgeführt (Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 511 ff.):
Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hierbei verbleibt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen erst überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht und willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 -, BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Es ist insoweit nicht Sache eines Verfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern lediglich, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (zur entsprechenden Beschränkung seines Prüfungsumfangs siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 – 2 BvR 1067/80 -, BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27). Dieser aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf für den parlamentarischen Gesetzgeber resultierende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, allerdings ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger, da ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht (vgl. insoweit zu den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 – 1 BvR 265/62 -, BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22), sondern muss vielmehr den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 18). In den Grenzen des ihm zustehenden Ermessens muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und sich von sachfremden Erwägungen freihalten (vgl. BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22; BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39).
Dies hat zur Folge, dass sich die Regelungen an den Zwecken dieser bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung auszurichten haben, wenn durch diese Ungleichbehandlungen erfolgen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 – juris, Rn. 19). Ungleichbehandlungen dürfen somit grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 19). Über diese infektionsschutzrechtlichen Gründe hinaus kommen allenfalls noch andere überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls in Betracht, um Ungleichbehandlungen rechtfertigen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 20).
Nach diesen Maßstäben ist eine Rechtfertigung der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierung nicht ausgeschlossen. Die in der Regelung des § 18 ThürSARS-CoV-2-MaßnVO angelegte Etablierung unterschiedlicher Zugangsbeschränkungen knüpft zunächst erkennbar an von ihm differenziert eingeschätzte Infektionsgefahren an. Die Unterscheidung von Einzelhandel der Grundversorgung und sonstigem Einzelhandel lässt sich zwar nicht allein mit Infektionsschutzerwägungen begründen. So dürfte sich die Infektionsgefahr in beiden Bereichen des Einzelhandels jedenfalls nicht wesentlich unterscheiden, im Bereich des hoch frequentierten Einzelhandels der Grundversorgung sogar tendenziell höher sein.
Eine Betrachtungsweise, die daraus allerdings eine im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ableiten will, übersieht jedoch, dass – wie oben ausgeführt – der Verordnungsgeber hinsichtlich der Bestimmung der Bereiche, in denen die 2G- oder auch die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gelten sollen, neben der typischen Infektionsgefahr auch die spezifische Relevanz des jeweiligen Lebensbereichs für die Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen und Gütern des Alltagsbedarfs als weiteren Differenzierungsaspekt berücksichtigen kann. Eine solche Differenzierung ermöglicht ihm auch § 28a Abs. 6 IfSG, der vorliegend nach § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG Anwendung findet. Danach sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist.
Der Senat kann sich – jedenfalls bei summarischer Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – nicht der Argumentation verschließen, dass darin auch im Hinblick auf die vorliegend streitigen Regelungen sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen und Differenzierungen liegen können, die im Sinne der gesetzlichen Regelung von Belang sein können. Kommen in solchen Fallkonstellationen der Rechtsgüterabwägung verschiedene Lösungen in Betracht, steht dem Normgeber über rein infektionsschutzrechtliche Überlegungen hinaus ein Gestaltungsspielraum offen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann für solche Situationen nicht gefordert werden, die über die Infektionsschutzgründe hinaus beachtlichen Unterschiede zu nivellieren. Auch ist es nicht geboten, dass der Normgeber hinsichtlich mehrerer möglicher Lösungen die zweckmäßigste oder gar die „vernünftigste“ wählt. Eine strikte Beachtung eines Gebots innerer Folgerichtigkeit kann insoweit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 Bs 48/20 – juris Rn. 13; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. April 2020 – 13 MN 98/20 – juris Rn. 64; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2020 – 1 S 1101/20 – juris Rn. 52). Insbesondere im Falle von Massenerscheinungen, die sich wie das vorliegende weltweite Infektionsgeschehen auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, ist dem Normgeber zuzugestehen, dass er auch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen kann, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (vgl. Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 21. Oktober 2020 – Vf. 26-VII-20 – juris Rn. 24).
Auch die weitere Entscheidung des Verordnungsgebers, dem nicht der 2G-Zugangsbeschränkung unterliegenden Einzelhandel den Weitervertrieb von Sortimentsteilen jenseits von Lebensmitteln und Getränken zu gestatten, obwohl die Geschäfte, die allein oder überwiegend nicht privilegierte Waren anbieten, den Zugangsbeschränkungen unterworfen sind, kann ebenso eine sachliche Rechtfertigung finden. Wie der Senat bereits im Hinblick auf diese Unterscheidung ausgeführt hat (Beschluss des Senats vom 23. März 2021 – 3 EN 119/21 – juris Rn. 132), konnte der Antragsgegner ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass, nachdem er den Einzelhandel zum Zwecke der Grundversorgung auch ohne die 2G-Zugangsbeschränkung öffnete, der Verkauf von anderen Produkten in diesen Geschäften jedenfalls dann, wenn dieser nur von untergeordneter Bedeutung ist, zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung des Einzelhandels ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen würde. Eine Öffnung aller Geschäfte würde im Gegensatz dazu aus den oben genannten Gründen voraussichtlich einen Anstieg dieser Infektionsquellen nach sich ziehen.
gg. Unter Anlegung der genannten Maßstäbe kann der Senat in der Anwendung der 2G-Regelung auch nicht ohne weiteres eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung insoweit erkennen, als nicht geimpfte oder genesene Personen anders als geimpfte oder genesene Personen keinen Zugang zu bestimmten Einzelhandelsgeschäften haben. Diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Die Rechtfertigung ist zum einen darin zu sehen, dass immunisierte Personen – wie dargestellt – bei der derzeit noch dominierenden Delta-Variante weniger zum Infektionsgeschehen beitragen. Zum anderen trägt die Differenzierung dem Umstand Rechnung, dass nicht immunisierte Personen, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren, deutlich gefährdeter sind, so schwer zu erkranken, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen und somit in weitgehendem Maße dazu beitragen, dass im betreffenden Bereich des Gesundheitswesens eine Überlastungssituation droht. Dies gilt voraussichtlich auch mit zunehmender Verbreitung der Omikron-Variante, auch wenn sich mit ihr – möglicherweise – auch vermehrt doppelt geimpfte Personen infizieren werden.
b. Verbleibt es mithin bei – allenfalls – offenen Erfolgsaussichten, gebietet eine Folgenabwägung nicht, die einstweilige Anordnung zu erlassen. Dies legt weder der Vortrag der Antragstellerin nahe, noch ist dies ansonsten erkennbar. Bei der Folgenabwägung sind angesichts der Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung die Auswirkungen auf alle von der angegriffenen Regelung Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für die Antragstellerin. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die prozessuale Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen des Normenkontrollverfahrens es nur zulässt, die angegriffene Norm außer Vollzug zu setzen, mit der Folge, dass dann der gesamte Einzelhandel nicht mehr der 2G-Regelung unterfallen würde.
Würde der Aussetzungsantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, erwiese sich im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens die Verordnung aber als rechtswidrig, wären zwar die Betreiber des betroffenen Einzelhandels und auch der ausgeschlossene nicht geimpfte oder genesene potentielle Kundenkreis in ihren (Grund-)Rechten beeinträchtigt. Dies wirkt umso schwerwiegender, als infolge der Dauer der Pandemie und deren wellenmäßigem Verlauf die betroffenen Unternehmen bereits mehrfach in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beschränkt waren und daraus existenzielle Nachteile resultieren können. Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass der Einzelhandel, wenn auch mit Zugangsbeschränkungen weiterhin geöffnet haben kann. Ebenso sind dem betroffenen Kundenkreis Einkaufsmöglichkeiten nicht vollständig verschlossen. Ihm steht weiterhin eine Vielzahl von Geschäften der Grundversorgung sowie auch der Online-Handel oder andere Formen des kontaktlosen Einkaufs offen.
Würde hingegen dem Aussetzungsantrag stattgegeben, erwiese sich die Verordnung im Hauptsacheverfahren aber als rechtmäßig, träte damit eine konkrete – wie auch durch die Fallzahlenentwicklung in Thüringen, Deutschland und der Welt belegte – Steigerung der Risiko- und Gefährdungslage ein, die auch im Hinblick auf die erheblich gesteigerte Ansteckungsgefahr durch die neue Virusvariante Omikron wesentlich erhöht ist. Auch nur eine vorläufige Außervollzugsetzung kann eine konkrete Gefahr für Gesundheit, Leib und Leben einer unüberschaubaren Vielzahl von Menschen begründen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Außervollzugsetzung aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit weit über den Fall der Antragstellerin hinaus wirken würde. Ein wesentliches Element der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde in seiner Wirkung reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2020 – 1 BvQ 42/20 – juris Rn. 10), und dies zu einem Zeitpunkt mit einem weiterhin dynamischen Infektionsgeschehen. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang, effektiver zu verhindern, bliebe zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat bemisst das Interesse der Antragstellerin in Anlehnung an gewerberechtliche Untersagungsverfahren auf einen geldwerten Betrag in Höhe von 15.000,00 € (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31.05.2005/01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage, Anhang § 164 Rn. 14), der hier im Hinblick auf die nur teilweise Beschränkung des Geschäftsbetriebs sowie auf die vorübergehende Dauer der Maßnahme zu halbieren ist. Eine weitere Halbierung ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache hingegen nicht angezeigt.
Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).