Aktenzeichen 2 K 1783/14
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das FA die geltend gemachten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Sie liegen nach der ständigen Rechtsprechung dann vor, wenn sie durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (vgl. z. B. Bundesfinanzhof -BFHUrteile vom 8. April 2014 IX R 45/13, BStBl II 2015, 635, vom 27. August 2013 VIII R 3/11, BStBl II 2014, 560). Danach ist es erforderlich, dass objektiv ein Zusammenhang der Aufwendungen mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung der steuerlich relevanten Tätigkeit getragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BStBl II 1981, 368). Gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind die Werbungskosten bei derjenigen Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Werbungskosten sind auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Dabei kann auch ein mittelbarer Zusammenhang genügen, wenn der wirtschaftliche Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit gewahrt bleibt; das auslösende Moment für die Aufwendungen muss der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen sein (Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 9 Rz 43 ff., m.w.N.).
Im Streitfall stehen die vom Kläger geltend gemachten Zinsaufwendungen nicht in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit vom Kläger erzieltem Arbeitslohn, so dass Schuldzinsen aus der angeblichen Finanzierung des Nutzungsentgelts nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind.
a) Der Kläger hat als angestellter Chefarzt aus den gesondert abgerechneten wahlärztlichen Leistungen im stationären Bereich Arbeitslohn in Höhe der Nettoliquidationseinnahmen bezogen, da er diese Leistungen innerhalb seines Dienstverhältnisses erbracht hat.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.
Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Ein Chefarzt eines Krankenhauses kann wahlärztliche Leistungen selbständig oder unselbständig erbringen. Ob das eine oder das andere im Einzelfall zutrifft, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse; insbesondere danach, ob wahlärztliche Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden. Bei der danach erforderlichen Gewichtung und Abwägung der für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale ist daher u.a. bedeutsam, ob die Tätigkeit zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen zu den dem Krankenhausträger vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben gehört, ob der Arzt nach dem Dienstvertrag -mit Ausnahme der rein ärztlichen Tätigkeitden Weisungen des Krankenhausträgers unterliegt, ob der Chefarzt hinsichtlich der Erbringung der wahlärztlichen Leistungen in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses eingebunden ist und inwieweit Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko vorliegen bzw. fehlen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. August 2009 VI B 46/08, BFH/NV 2009, 1814, und BFH-Urteil vom 5. Oktober 2005 VI R 152/01, BStBl II 2006, 94; Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Verfügung vom 24. April 2006, Deutsches Steuerrecht 2006, 1041).
Im Streitfall hat in den Streitjahren Laut dem zwischen dem Krankenhaus und dem Kläger -damals noch als Oberarztvereinbarten Dienstvertrag ist der Kläger als Angestellter verpflichtet gewesen, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Krankenhauses zu stellen und die ihm obliegenden Arbeiten entsprechend den allgemeinen und besonderen Weisungen des Arbeitgebers durchzuführen. Die Ausübung einer eigenen Praxis oder einer Praxisvertretung ist dem Kläger dagegen untersagt gewesen und jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben sollte der schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers bedürfen (vgl. § 6 des Dienstvertrags). Auch nach Übernahme der Chefarzt-Tätigkeit hat sich daran nichts geändert.
Der nichtselbständige Charakter der Chefarzt-Tätigkeit des Klägers und damit die insoweit nichtunternehmerische Tätigkeit zeigen sich auch in dem Umstand, dass der Kläger und seine Kollegen als (Chef-)Ärzte bei der Ausübung der wahlärztlichen Leistungen dienstvertraglich eng in die Gesamtorganisation des Krankenhauses eingebunden gewesen sind. Der Kläger selbst hat ärztliche Wahlleistungen mit stationären Patienten nicht vereinbaren können, im Verhinderungsfall des Klägers sind die wahlärztlichen Leistungen von seinem Vertreter zu erbringen gewesen, und Ärzte, denen -wie dem Kläger in der Nebenabrede vom 6. Mai 1994- zwar ein beschränktes Liquidationsrecht vom Krankenhaus eingeräumt worden ist, hätten die Behandlung von Patienten im Rahmen der Ausübung ihrer Dienstaufgaben nicht ablehnen können.
Der dienstlich vereinbarte Umfang der Aufgaben des Klägers mit dem Krankenhaus hat der Erfüllung des zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus geschlossenen Behandlungsvertrags samt der abgeschlossen Vereinbarung über ärztliche Wahlleistungen zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses entsprochen (vgl. die in den Streitjahren verwendete Mustervereinbarung, FG-Akte, Bl. 77). In dieser Vereinbarung hat sich das Krankenhaus -und nicht der Klägergegenüber dem Patienten zur Erbringung der vereinbarten wahlärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligter und zur Liquidation berechtigten Ärzte des Krankenhauses verpflichtet. Dementsprechend sind die Patienten, die mit dem Krankenhaus eine Wahlleistungsvereinbarung eingegangenen sind, dem Krankenhaus zur Zahlung der während ihres Krankenhausaufenthalts in Anspruch genommenen wahlärztlichen Leistungen verpflichtet gewesen.
Der Kläger hat in Bezug auf die wahlärztlichen Leistungen schon deshalb kein Kostenrisiko getragen, weil Vertragspartner über die wählärztlichen Leistungen das Krankenhaus und die Patienten gewesen sind. Dem Krankenhaus sind die Bruttohonorareinnahmen zuzurechnen gewesen und das Krankenhaus hat sich bei tatsächlichen Zahlungseingängen sein Nutzungsentgelt von vornherein aus den Bruttohonorareinnahmen zurückbehalten. Der Kläger dagegen ist aufgrund der mit dem Krankenhaus eingegangenen Nebenabrede vom 6. Mai 1994 nur befugt gewesen, ein auf die vom Krankenhaus abgerechneten ärztlichen Wahlleistungen beschränktes Liquidationsrecht auszuüben (vgl. Nebenabrede vom 6. Mai 1994 zum Dienstvertrag, Kostenerstattung und Investitionszuschuss, Abs. 3; BP-Akte, Bl. 203). Der Kläger ist also keinerlei Risiken eingegangen; vielmehr haben sich für ihn nur Vorteile durch die Einräumung eines beschränkten Liquidationsrechts seitens des Krankenhauses ergeben, z.B. die Abrechnung seiner Nettoliquidationseinnahmen oder Rechnungseinzug samt Mahnverfahren durch das Krankenhaus.
Der Qualifizierung der Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Arbeit steht nicht entgegen, dass die Patienten die vom Krankenhaus in Rechnung gestellten ärztlichen Wahlleistungen auf das Geschäftskonto des Klägers gezahlt haben.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger sind dem Kläger lediglich die Nettoliquidationseinnahmen als Arbeitslohn zugeflossen, d.h. der Differenzbetrag der Bruttohonorareinnahmen abzüglich des Nutzungsentgelts des Krankenhauses.
Zwar sind die Bruttohonorareinnahmen dem Geschäftskonto des Klägers gutgeschrieben worden. Jedoch verschaffen Fremdgelder keine Verfügungsmacht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1975 IV R 190/71, BStBl II 1975, 776).
Der Kläger hat die Bruttohonorareinnahmen als Fremdgelder im Namen und für Rechnung des Krankenhauses und damit als durchlaufenden Posten vereinnahmt (vgl. BFH-Urteile vom 4. November 2004 III R 5/03, BStBl II 2005, 277, und vom 15. Mai 2008 IV R 25/07, BStBl II 2008, 715). Dies ergibt sich aus dem Dienstvertrag, der Nebenabrede vom 6. Mai 1994 und der Wahlleistungsvereinbarung.
Nach dem Dienstvertrag ist das Liquidationsrecht des Klägers ausgeschlossen gewesen.
Die Vertragspartner der Wahlleistungsvereinbarung sind das Krankenhaus und der Patient gewesen. Das Krankenhaus hat dementsprechend die Rechnungen über die ärztlichen Wahlleistungen an die Patienten gestellt. Die in den Rechnungen gewählte Formulierung „im Auftrag des Klägers“ deutet nur darauf hin, dass die Abrechnung der wahlärztlichen Leistungen im Einzelnen auf Angaben des Klägers hinsichtlich der von ihm ausgeübten Tätigkeiten beruht hat. Der Patient ist nach der mit dem Krankenhaus abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet gewesen, die Bruttohonorare an das Krankenhaus zu zahlen.
Laut der Nebenabrede vom 6. Mai 1994 hat das Krankenhaus dem Kläger im Rahmen seines Direktionsrechts lediglich ein auf die Nettoeinnahmen beschränktes Liquidationsrecht eingeräumt. Bereits die Voranstellung der Regelung des Nutzungsentgelts in dieser Nebenabrede deutet darauf hin, dass die Liquidationseinnahmen nur soweit die Klinik ihren Honoraranteil als gedeckt angesehen hat, zwischen dem Kläger und dem Krankenhaus verhandelbar gewesen sind. Darüber hinaus ist der Kläger laut der Nebenabrede verpflichtet gewesen, die Bruttohonorare unverzüglich nach deren Gutschrift auf seinem Geschäftskonto an das Krankenhaus weiterzureichen. Dem Kläger hat das Krankenhaus folglich von vornherein im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses nur einen Anspruch in Höhe der Nettoliquidationseinnahmen zugebilligt. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass das Krankenhaus nach Durchführung seiner monatlichen Abrechnungen die Nettoliquidationseinnahmen dem Kläger auf seinem Geschäftskonto belassen hat. Dementsprechend hat das Krankenhaus auch nur die Lohnsteuer hinsichtlich der Nettoliquidationseinnahmen an das FA abgeführt und der Kläger seinen Bruttoarbeitslohn bestehend aus BAT-Gehalt und Nettoliquidationseinnahmen in den Einkommensteuererklärungen erklärt.
Unabhängig von der Tatsache, dass der Kläger nicht dargelegt und nachgewiesen hat, dass er dem Krankenhaus über sein Geschäftskonto keine Verfügungsmacht eingeräumt hat, obwohl das Krankenhaus dieses Geschäftskonto als Abrechnungskonto für sämtliche ambulante und stationäre Tätigkeiten des Klägers, für Lohnsteuerabzüge sowie Poolausschüttungen genutzt hat, ist der Kläger jedenfalls nicht über die Bruttohonorareinnahmen, die bei ihm als Fremdgelder eingegangen sind, verfügungsbefugt gewesen.
c) Die behaupteten Zinsaufwendungen haben somit nicht in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit den dem Kläger zugeflossenen Nettohonoraren gestanden, so dass angebliche Schuldzinsen zur Finanzierung des Nutzungsentgelts jedenfalls nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind.
2. Im Übrigen kann dahinstehen, ob die im Zusammenhang mit den selbständig ambulant erbrachten ärztlichen Leistungen als Betriebsausgaben geltend gemachten Schuldzinsen (2009 in Höhe von 46.138,24 € und 2010 in Höhe von 46.877,41 €) vollständig – wie es das FA gemacht hat- oder nur teilweise als betriebliche Schuldzinsen anzuerkennen sind.
Zwar ist nach den Feststellungen des Gerichts nicht auszuschließen, dass die streitigen Schuldzinsen mit Entnahmen vom Geschäftskonto im Rahmen eines betrieblichen Mehrkontenmodells beglichen worden sind oder aus betrieblich veranlassten Darlehen herrühren (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2015 IX R 29/15, BFH/NV 2016, 1698) -wovon der Prüfer ausgegangen ist.
Gegen die in den Streitjahren vom Prüfer ermittelten Überentnahmen haben sich die Kläger nicht gewandt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung sind auch unter Berücksichtigung der Angaben in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre nicht ersichtlich (vgl. BP-Akte, Bl. 87, 97, 279). Bei den Betriebsausgaben im Rahmen der selbständigen Einkünfte des Klägers aus ambulanter Tätigkeit sind vom FA Schuldzinsen in Höhe von 46.138,24 € im Jahr 2009 und in Höhe von 46.877,41 € im Jahr 2010 berücksichtigt worden. Im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG sind dagegen dem Gewinn aus selbständiger Tätigkeit nur 44.088,24 € im Jahr 2009 und 42.161,01 € im Jahr 2010 zugerechnet worden.
Jedoch kommt eine Herabsetzung der als Betriebsausgaben vom FA anerkannten Schuldzinsen aufgrund des Verböserungsverbots nicht in Betracht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erkennbar nicht erfüllt sind.