Aktenzeichen AN 1 K 16.31005
Leitsatz
Es kann dahinstehen, ob die im Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen den Anforderungen der Rechtsprechung zum Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung genügen. Auch für spezielle psychische Erkrankungen wie eine Schizophrenie wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine dem landesüblichen Standard entsprechende Behandlung in der Türkei grundsätzlich gewährleistet ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Zur Begründung wurde vorgetragen, ein Anordnungsgrund liege vor, da die Ausländerbehörde nicht mehr bereit sei, den Aufenthalt des Klägers weiter zu dulden. Bei seiner Vorsprache sei dem Kläger lediglich eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgestellt worden. Der Kläger sei zur unverzüglichen Ausreise aufgefordert worden.
Auch ein Anordnungsanspruch sei glaubhaft gemacht worden. Dieser ergebe sich aus dem Sachvortrag und den Beweismitteln, wie sie bereits im Hauptsacheverfahren zur Vorlage gebracht worden seien.
Das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nach Auskunft des Klinikums am … zweifelsfrei bewiesen. Zum weiteren Nachweis der Erkrankung des Klägers werde das fachärztliche Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 29. Juli 2016 übermittelt.
Danach sei diagnostisch von einer rezidivierenden depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer dysthymen Störung und einer Panikstörung auszugehen. Auf die Selbstmordgefährdung des Klägers werde erneut hingewiesen. In der Beurteilung werde hervorgehoben, dass der Kläger an schweren psychischen Störungen leide und sich trotz intensiver psychiatrischer Pharmakotherapie eine deutliche Verschlechterung des Zustandsbildes ergeben habe. Weiterhin werde festgestellt, dass der Kläger erkrankungsbedingt weder reisenoch abschiebungsfähig sei und grundsätzlich stationärer psychiatrischer Behandlungsbedarf bestehe.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 22. September 2016 – AN 1 E 16.31384 abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 erklärten die Bevollmächtigten des Klägers ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Eine entsprechende Erklärung ist vom Bundesamt mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 für alle Verfahren nach dem Asylgesetz abgegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes vom 18. Juli 2016 ist als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die im Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 13. Januar 2014 und vom 29. Juli 2016 den Anforderungen der Rechtsprechung zum Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) genügen. Danach muss sich aus einem ärztlichen Attest nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen (vorliegend erst über vier Jahren nach der Einreise), so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist, die hier jedoch nicht vorliegt (BVerwG, U.v. 11.09.2007 – 10 C 8/07, juris; BVerwG, U.v. 11.09.2007 – 10 C 17/07. juris; BVerwG, B.v. 26.07.2012 – 10 B 21/12, juris; VGH BW, B.v. 09.07.2012 – A 9 S 1359/12, juris; BayVGH, B.v. 17.10.2012 – 9 ZB 10.30390, juris).
Die vorgetragene Erkrankung des Klägers ist jedenfalls in der Türkei behandelbar und vermag deshalb ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht zu begründen.
Dies hat das Bundesamt in der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides, auf welche gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, zutreffend dargestellt. Auch für spezielle psychische Erkrankungen wie eine Schizophrenie wird in der Rechtsprechung deshalb davon ausgegangen, dass eine dem landesüblichen Standard entsprechende Behandlung in der Türkei grundsätzlich gewährleistet ist (vgl. OVG NW, U.v. 18.1.2005 – 8 A 1242/03.A, juris; BayVGH, U.v. 7.6.2005 – 11 B 02.31096, juris; OVG Münster, U.v. 18.1.2005 -8 A 1242/03.A, juris; HessVGH, U.v. 4.2.2004 – 6 UE 3933/00.A, juris; VGH BW, U.v. 7.11.2002 – A 12 S 907/00, juris).
Die in der Türkei mögliche Behandlung psychischer Erkrankungen umfasst sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Therapien und wird sowohl durch staatliche Einrichtungen, insbesondere Krankenhäuser mit einer Abteilung für Psychiatrie, und niedergelassene Psychiater und Psychotherapeuten als auch durch verschiedene Selbsthilfeeinrichtungen und Stiftungen sichergestellt (vgl. OVG NW, U.v. 18.1.2005 – 8 A 1242/03.A, juris).
Dass der Standard der gesundheitlichen Versorgung in der Türkei u.U. nicht an den bundesdeutschen Standard heranreicht, ist rechtlich ohne Bedeutung (BayVGH, B.v. 4.10.2004 – 21 B 03.31150).
Ob inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (vorgetragene Suizidgefahr beim Kläger) bestehen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt. B.v. 21.6.2016 – 2 M 16/16, juris).
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.