Medizinrecht

Änderung des Familiennamens nach Ehescheidung in den Geburtsnamen der Mutter

Aktenzeichen  M 30 K 17.5564

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20433
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3
NamÄndVwV Nr. 27, Nr. 28
BGB § 1355

 

Leitsatz

1 Ein wichtiger Grund iSd § 3 Abs. 1 NamÄndG liegt vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen bisherigen Namen abzulegen und den neuen Namen zu führen, Vorrang hat einerseits vor dem schutzwürdigen Interesse der Träger des bisherigen und des neuen Namens, die durch eine Namensänderung betroffen sind, und andererseits vor den Grundsätzen der Namensführung, die in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommen sind und zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein wichtiger Grund iSd § 3 Abs. 1 NamÄndG ergibt sich grundsätzlich nicht allein aus der Gefahr des Aussterbens eines Familiennamens. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage auf Änderung des Familiennamens der Klägerin in den Geburtsnamen ihrer Mutter ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Änderung ihres Namens. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Dies ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann der Fall, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen bisherigen Namen abzulegen und den neuen Namen zu führen, Vorrang hat einerseits vor dem schutzwürdigen Interesse der Träger des bisherigen und des neuen Namens, die durch eine Namensänderung betroffen sind, und andererseits vor den Grundsätzen der Namensführung, die in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommen sind und zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören (BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris; B.v. 17.5.2001 – 6 B 23.01 – juris). Dabei sind die Wertungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Namensrecht für den entsprechenden Lebensbereich zu berücksichtigen. Das bürgerliche Recht regelt das Namensrecht dem Grundsatz nach abschließend und umfassend, so dass es sich verbietet, die vom Gesetzgeber bewusst gezogenen Grenzen durch öffentlich-rechtliche Namensänderungen zu umgehen (BayVGH, B.v. 21.1.1998 – 5 B 97.193 – juris Rn. 16). Die öffentlich-rechtliche Namensänderung hat vielmehr Ausnahmecharakter. Sie dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, nicht aber dazu, die gesetzlichen Wertungen des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts zu revidieren (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.2017 – 6 B 50/16 – NJW 2017, 2361; B.v. 6.9.1985 – 7 B 197/84 – NJW 1986, 601; vgl. auch  Nr. 27 Abs. 1 NamÄndVwV).
Nach diesem Maßstab hat die Klägerin keinen Anspruch auf öffentlich-rechtliche Änderung ihres Familiennamens.
Die Namensführung des geschiedenen Ehegatten ist in § 1355 Abs. 5 BGB geregelt. Nach § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB behält der geschiedene Ehegatte den Ehenamen. Er kann jedoch gemäß § 1355 Abs. 5 Satz 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Standesamt seinen Geburtsnamen oder den Namen wieder annehmen, den er bis zur Bestimmung des Ehenamens geführt hat. Die zivilrechtlichen Regelungen sehen demnach im Grundsatz die Weiterführung des Ehenamens (Grundsatz der Namenskontinuität) vor, ermöglichen dem geschiedenen Ehegatten jedoch daneben die Wiederannahme seines Geburtsnamens oder des zur Zeit der Bestimmung des Ehenamens geführten Namens. Dementsprechend ist die Möglichkeit einer Erklärung gemäß § 1355 Abs. 5 BGB auch ausdrücklich in Nr. 27 Abs. 2 Buchst. b NamÄndVwV als vorrangig vor einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung zu prüfende namensgestaltende Erklärung genannt.
Das Namensänderungsbegehren der Klägerin zielt in der Sache darauf ab, die Möglichkeiten der Namensführung nach Ehescheidung über die in § 1355 Abs. 5 BGB vorgesehenen Möglichkeiten hinaus zu erweitern, da ihr nach ihrem Vorbringen eine Wiederannahme ihres Geburtsnamens nicht möglich sei. Für eine Korrektur des Namensrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann die öffentlich-rechtliche Namensänderung jedoch nur in Ausnahmefällen herangezogen werden, die sich durch das Vorliegen den Einzelfall kennzeichnender Besonderheiten auszeichnen. Ein die öffentlich-rechtliche Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund i.S.d. § 3 NamÄndG verlangt dementsprechend ein besonderes, die persönliche Situation des Namensträgers prägendes Interesse, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf welcher der Name beruht (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.2017 – 6 B 50/16 – NJW 2017, 2361; B.v. 6.9.1985 – 7 B 197/84 – NJW 1986, 601).
Ein derartiges persönliches, sich von vergleichbaren Fällen deutlich abhebendes Interesse an der begehrten Namensänderung lässt das Vorbringen der Klägerin nicht erkennen. Unter Berücksichtigung der aufgrund der Regelung in § 1355 Abs. 5 BGB bestehenden verschiedenen Möglichkeiten der Namensführung kann eine ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Namensänderung bereits nur dann in Betracht kommen, wenn hinsichtlich jedes der einem geschiedenen Ehegatten zur Auswahl stehenden Familiennamen ein wichtiger Grund für eine öffentlich-rechtliche Namensänderung vorliegen würde. Andernfalls würden die Wertungen der vorrangig vor einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung zu prüfenden bürgerlich-rechtlichen Regelungen umgangen. Dabei kommt als wichtiger Grund im vorgenannten Sinne grundsätzlich auch eine nicht zumutbare seelische Belastung in Betracht, die einer Führung sämtlicher nach den bürgerlich-rechtlichen Regelungen möglicher Familiennamen entgegenstünde.
Eine seelische Belastung kann dabei nur dann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris). Dies setzt nicht voraus, dass die Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Die Namensänderung kann vielmehr auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Namensträger vor solchen Folgen bewahrt werden soll. Ist die seelische Belastung aber nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund vor (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris; VGH BW, B.v. 7.6.2018 – 1 S 583/18 – juris). Bei Geltendmachung eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung aufgrund einer seelischen Belastung durch die Namensführung obliegt es dem Namensträger, konkret und substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Umstände sein Name für ihn eine seelische Belastung begründet und wie sich diese auswirkt (vgl. VGH BW, B.v. 7.6.2018 – 1 S 583/18 – juris).
Sowohl hinsichtlich ihres in zweiter Ehe erworbenen Familiennamens „…“ als auch hinsichtlich des in der Vorehe erworbenen Familiennamens „…“ hat die Klägerin bis auf die Scheidung von ihrem jeweiligen Ehemann keinen weiteren Grund für eine öffentlich-rechtliche Namensänderung substantiiert und plausibel vorgetragen. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens führte die Klägerin lediglich aus, dass es wohl verständlich sei, dass sie den Familiennamen ihres geschiedenen Mannes nicht mehr tragen möchte. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie mit ihrem zweiten Ehemann 20 Jahre zusammen gelebt habe und um die Ehe gekämpft sowie deshalb auch eine Therapie gemacht habe. Sie seien wegen der Kinder zusammen geblieben. Misshandelt oder dergleichen habe ihr Mann sie nicht. Mit ihrem ersten Mann sei sie vier Jahre zusammen gewesen. Die erste Ehe sei vor dem Hintergrund der familiären Verwerfungen gescheitert.
Ein besonderes, die persönliche Situation der Klägerin prägendes Interesse, das als solches nicht bereits in die maßgebliche allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, kann dem klägerischen Vorbringen nicht entnommen werden und ist auch sonst nicht ersichtlich. Da die Regelung in § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB als Grundsatz die Fortführung des Ehenamens auch nach der Scheidung regelt, kann allein die Scheidung vom namensgebenden Ehegatten – ohne das Hinzutreten weiterer hinreichend gewichtiger Gründe – noch keinen eine öffentlich-rechtliche Namensänderung rechtfertigen Grund darstellen. Dies würde die Wertung der bürgerlich-rechtlichen Regelungen revidieren.
Es ist auch nicht substantiiert vorgetragen oder ersichtlich, dass gesundheitliche Gründe einer Führung eines jeden der drei in Betracht kommenden Namen entgegenstünden und eine Änderung des Familiennamens der Klägerin in „…“ sich positiv im Hinblick auf eine bestehende behandlungsbedürftige Krankheit oder Krise auswirken bzw. die Klägerin vor einer solchen bewahren würde. Aus dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich ihrer beiden geschiedenen Ehen ergibt sich schon nicht, dass der Klägerin das Führen der Namen „…“ und „…“ aufgrund einer seelischen Belastung unzumutbar wäre. Lediglich hinsichtlich des bereits seit vielen Jahren nicht mehr geführten Namens „…“ hat die Klägerin ausgeführt, dass ihr dessen Wiederannahme – zu welcher die Klägerin allerdings nicht gezwungen ist – aufgrund des Verhaltens ihres Vaters unmöglich sei. Sie hat jedoch, auch nach mehrfacher Aufforderung durch das Landratsamt zur weiteren Begründung des Antrags, keine substantiierten Angaben zu einer aktuell vorhandenen seelischen Belastung aufgrund der aktuellen und möglichen künftigen Namensführung gemacht.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts zwar ergänzend zum Verhalten ihres Vaters ausgeführt. Auch im Gerichtsverfahren erfolgten aber keine substantiierten Angaben zum Bestehen und den Folgen einer etwaigen seelischen Belastung. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unter anderem ausgeführt, dass sie vor sieben oder acht Jahren eine Therapie gemacht habe, in welcher von den Avancen ihres Vaters aber nur ganz am Rande gesprochen worden sei. Weiter hat sie angegeben, ihren Weg damals anders gemacht zu haben. Sie habe eine eigene Familie gegründet und weder Zeit noch Kraft gehabt, die Situation mit ihrem Vater mit professioneller Hilfe zu bewältigen. Ferner hat sie auf Nachfrage des Gerichts vorgetragen, dass im Rahmen der Unterhaltsklage ihres Vaters die Frage seiner Unwürdigkeit keine Rolle gespielt und das Verfahren mit einem Vergleich geendet habe. Nähere Angaben zu Art und Ausmaß einer etwa vorhandenen seelischen Belastung durch die Namensführung bzw. die vorhandenen Möglichkeiten der Namensführung erfolgten nicht.
Bei diesem Sachstand fehlt es an einem ausreichenden Vortrag zu einer seelischen Belastung, die eine öffentlich-rechtliche Namensänderung rechtfertigen würde. Trotz mehrfacher Aufforderungen führte die Klägerin allenfalls zum Verhalten ihres Vaters aus, war aber nicht dazu bereit oder in der Lage darzustellen, wie sich dies bzw. die Situation hinsichtlich ihrer Namensführung insgesamt auf ihren (aktuellen) Gesundheitszustand auswirkt. Auf die Bitte des Landratsamtes, ihr Vorbringen mit einem Gutachten zu untermauern, reagierte die Klägerin vielmehr mit der Frage, auf was sie untersucht werden solle. Auch diese Reaktion bestätigt das Substantiierungsdefizit hinsichtlich einer seelischen Belastungssituation.
Schließlich vermag auch der Wunsch der Klägerin, den Namen „…“ in dieser Schreibweise zu erhalten, keinen wichtigen Grund i.S.d. § 3 NamÄndG zu begründen, da sich ein solcher grundsätzlich nicht allein aus der Gefahr des Aussterbens eines Familiennamens ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 – 5 ZB 08.262 – juris; B.v. 29.12.2000 – 5 ZB 00.3462 – juris; vgl. auch Nr. 48 NamÄndVwV).
Entgegen der Auffassung der Klägerin entfällt auch nicht jedes öffentliche Interesse an der Führung eines der Namen, die ihr nach den bürgerlich-rechtlichen Regelungen zur Verfügung stehen. Diese hat die Klägerin bereits im Rechtsverkehr geführt, sodass sie ein Kennzeichen für die Personenidentität darstellen. Im Gegensatz hierzu wurde der Namen „…“ bislang zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin geführt.
Mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 3 NamÄndG ist dem Änderungsbegehren der Klägerin daher keine Rechnung zu tragen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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