Medizinrecht

Anbringung von Sperrpfosten

Aktenzeichen  RN 5 K 17.1921

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10593
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
StVO § 45 Abs. 1, Abs. 9

 

Leitsatz

1. Verkehrsteilnehmer oder Anlieger können gegenüber einer Verkehrsbeschränkung jedenfalls unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen der auch sie treffenden Regelung lägen nicht vor oder ihre Belange seien bei der behördlichen Ermessensausübung rechtsfehlerhaft abgewogen worden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine privatrechtliche Personengesellschaft kann sich gegenüber einem Verkehrszeichen zwar nicht auf Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 19 Abs. 3 GG, ggf. aber auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berufen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anordnung von Beschränkungen und Verboten des fließenden Verkehrs setzt eine auf besonderen örtlichen Gegebenheiten beruhende und dadurch das allgemeine Risiko der Beeinträchtigung relevanter Rechtsgüter übersteigende konkrete Gefahr voraus (vgl. BVerwG BeckRS 2010,56021 Rn. 27, BayVGH BeckRS 2014, 48661 Rn. 11). (Rn. 32 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine solche Gefahrenlage ist zu bejahen, wenn ohne die Anordnung von Sperrpfosten mit Verkehrsbeschilderung der für einen öffentlichen Feld- und Waldweg beschränkte Widmungszweck nicht erreicht werden kann und ein dem Widmungszweck widersprechendes unzumutbares Verkehrsaufkommen besteht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Anfechtungsklage § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Bei verkehrsrechtlichen Anordnungen, die durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen zum Ausdruck gebracht werden, handelt es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen nach Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG (BVerwGE 27, 181). Wie bei anderen öffentlichen Bekanntmachungen entfalten Verkehrszeichen dann bereits ihre Rechtswirkungen, wenn sie so aufgestellt wurden, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt erfassen kann, unabhängig davon, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (BVerwGE 102, 316). So liegt der Fall hier.
Die Anfechtungsklage wurde fristgemäß erhoben. Für den Fristlauf entscheidend ist unter Rechtsschutzgesichtspunkten die erstmalige Konfrontation des Verkehrsteilnehmers mit dem Verkehrszeichen. Dieses wird nach Art. 43 BayVwVfG gegenüber demjenigen, für den es bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem es ihm gegenüber bekannt wurde. Die Frist für die Anfechtung einer verkehrsrechtlichen Anordnung, die durch Verkehrszeichen bekannt gegeben wird, beginnt für einen von dem Verkehrszeichen Betroffenen aber erst dann zu laufen, wenn er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft. Sie wird allerdings nicht erneut ausgelöst, wenn er sich dem Verkehrszeichen später ein weiteres Mal gegenübersieht (vgl. BVerwGE 138, 121). Da weder die verkehrsrechtliche Anordnung noch das Verkehrszeichen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen sind, läuft anstelle der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese war zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 7.11.2017 noch nicht abgelaufen, da das streitgegenständliche Verkehrszeichen erst nach dem 8.11.2016 aufgestellt worden ist. Durch den Beschluss des Marktgemeinderates vom 8.11.2016 ist eine neue Rechtsgrundlage für das Verkehrszeichen und den Sperrpfosten geschaffen worden.
Die Kläger sind auch klagebefugt im Sinne des§ 42 Abs. 2 VwGO. Die Klagebefugnis ist dann zu bejahen, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass der Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Mithin reicht die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung aus, um die Klagebefugnis zu begründen. Ein Verkehrsteilnehmer oder Anlieger kann gegenüber einer Verkehrsbeschränkung geltend machen, dass die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen der auch sie treffenden Regelung nicht vorlägen oder seine Belange bei der behördlichen Ermessensausübung rechtfehlerhaft mit den für die Anordnung sprechenden Belangen abgewogen worden sind. Der Kläger zu 1) kann sich insofern jedenfalls auf Art. 2 Abs. 1 GG in Form seiner allgemeinen Freiheitsgewährleistung berufen, da er das Fehlen der Voraussetzungen des § 45 StVO geltend macht.
Auch die Klägerin zu 2) ist klagebefugt. Sie kann sich als privatrechtliche Personengesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft zwar nicht auf Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG berufen, da es sich bei dem Verkehrszeichen um eine Allgemeinverfügung mit Dauerwirkung handelt. Als solche entfalten die Verkehrszeichen als Handlungsgebote oder Handlungsverbote Rechtswirkungen nur gegenüber demjenigen, von dem sie wahrgenommen werden können (BayVGH BayVBl 1999, 564). Insofern können sich allein natürliche Personen darauf berufen. Die Klägerin zu 2) kann sich aber jedenfalls auf ihre über Art. 19 Abs. 3 GG zustehende Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG sowie ihre Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG berufen, da eine Verletzung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
II.
Die Klage ist aber unbegründet.
Die dauerhafte Unterbrechung des F.wegs durch den Sperrpfosten ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung (BVerwG vom 23.09.2010 – 3 C 37/09). Das streitgegenständliche Verkehrszeichen und der Sperrpfosten sind nunmehr durch den Marktgemeinderatsbeschluss vom 8.11.2016 gedeckt.
Der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der streitgegenständlichen Anordnung ergibt sich aus § 45 Abs. 1, 9 StVO. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen – abgesehen von hier aufgeführten Ausnahmen – Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter – also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – erheblich übersteigt. § 45 Abs. 1 StVO, der als Ermächtigungsgrundlage mit der Anführung von § 45 Abs. 9 StVO zwar modifiziert, aber nicht ersetzt worden ist, setzt somit i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die zum einen auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und zum anderen das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter, insbesondere Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum übersteigt.
Eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, liegt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.09.2018 – 3 C 37/09) nicht erst dann vor, wenn ohne ein Handeln der Straßenverkehrsbehörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusätzlich Schadensfälle zu erwarten wären. Es reicht, dass eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt. Konkret wird die Gefahr dadurch, dass auf die besonderen örtlichen Gegebenheiten und die sich daraus ergebende Gefahrenlage abgestellt wird (BayVGH vom 24.02.2014, Az. 11 ZB 13.1224, Rn. 11).
Eine solche Gefahrenlage ist hier zu bejahen. Der ohne den Sperrpfosten und streitgegenständliche Verkehrsbeschilderung stattfindende Zu- und Abfahrtsverkehr auf dem F.weg führt dazu, dass der für den F.weg angeordnete Widmungszweck der ausschließlichen Nutzung durch die Landwirtschaft und durch Fußgänger sowie Radfahrer nicht erreicht werden kann. Ferner besteht ein unzumutbares Verkehrsaufkommen für den Nachbarn, der von einer dem Widmungszweck entsprechenden Nutzung ausgehen darf. Der F.weg stellt eine für Kunden und Lieferanten attraktive, da insbesondere kürzere Anfahrts Straße zum klägerischen Betrieb dar. Diese Attraktivität führt dazu, dass die Nutzungsbegrenzung faktisch eine nur geringe Wirkung aufweist, da der Verkehr trotzdem über den F.weg erfolgt. Dies liegt zum Teil auch daran, dass entsprechende Navigationsgeräte den F.weg als schnellste und kürzeste Zufahrt ausweisen. Dadurch entsteht ein Verkehrsaufkommen, das für den Nachbarn nicht mehr zumutbar ist. Insbesondere ist zu beachten, dass der F.weg relativ schmal ist und kaum Ausweichmöglichkeiten bei Gegenverkehr bietet. Ferner führt die unmittelbare Nähe zum Haus des Nachbarn dazu, dass die Belästigungen als besonders intensiv empfunden werden können. Darüber hinaus führt das zweckwidrige und erhöhte Verkehrsaufkommen in Kombination mit der Beengtheit des F.wegs dazu, dass eine besondere Gefahrenlage für die Anwohner besteht. Diese Gefahrenlage spiegelt sich auch in den jahrelangen Beschwerden der Anlieger wider, die entgegen der Meinung der Kläger nicht nur bloße subjektive Empfindungen betreffen. Vielmehr führen die ausgeführten Gegebenheiten objektiv zu einer konkreten Gefahrenlage.
Auch die Ermessenentscheidung des Beklagten ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Diese ist durch das Gericht nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, § 114 Satz 1 VwGO.
§ 45 Abs. 1, 9 Satz 1, 2 StVO gewährt der zuständigen Behörde ein Ermessen. Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die Behörde hat dabei insbesondere ein Auswahlermessen bei der Auswahl ihrer Mittel (BVerwG vom 23.09.2010 – 3 C 37/09). Der Straßenverkehrsbehörde ist es im Grundsatz vorbehalten, festzulegen, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht. Hier kamen keine milderen Mittel in Betracht. Insbesondere musste sich die Behörde nicht mehr allein auf das Anbringen der entsprechenden Nutzungsbeschränkung verweisen lassen. Die faktische Unterwanderung durch die Verkehrsteilnehmer zeigt, dass das Anbringen des Verkehrszeichens, dass die Nutzung nur durch die Landwirtschaft und durch Fußgänger sowie Radfahrer erfolgen darf, kein geeignetes Mittel mehr darstellte. Dafür sprechen die trotzdem weiterhin erfolgten zahlreichen Verkehrsverstöße. Das Anbringen eines Sperrpfosten sowie des Verkehrszeichens 357 (Sackgasse) war notwendig, um weitere Verstöße abzuwehren.
Die angefochtene Verkehrsregelung ist auch angemessen. Hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht hinreichend dargetan, dass ein Eingriff vorliegt. Voraussetzung für die Anerkennung einer faktischen Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit ist, dass ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs besteht und dass nicht nur vom Staat ausgehende Veränderungen der Marktdaten oder allgemeinen Rahmenbedingungen eintreten, sondern eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennbar ist (BVerwG NVwZ 2014, 527, 529). Eine solche objektiv berufsregelnde Tendenz ist nicht gegeben. Die streitgegenständlichen Verkehrszeichen betreffen nicht typischerweise die Berufsausübung der Kläger. Der Betrieb kann ohne nennenswerten Aufwand über die Zufahrts Straße S. erreicht werden. Es ist nichts dargetan und auch nichts ersichtlich, inwiefern die Berufsausübung betroffen ist. Dies gilt auch für Art. 14 Abs. 1 GG. Sofern man das Recht am ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb als vom Schutzbereich umfasst ansieht, ist nicht erkennbar, inwiefern ein Eingriff vorliegen sollte.
Sofern in Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen wird, ist der Eingriff verhältnismäßig. Die Versetzung des Pfostens an den Einmündungsbereich F.weg/G. Straße ist nicht zwingend notwendig. Dies würde zu einer übermäßigen Belastung zum einen des Nachbarn, zum anderen des Straßenverkehrs an sich führen. Es würden gefährliche Situationen entstehen, wenn der Nachbar stets vor Erreichen seines Hauses im Einmündungsbereich stoppen und den Sperrpfosten umlegen müsste. Auch hier ist zu bedenken, dass der Einmündungsbereich sich als beengt darstellt und insbesondere für Radfahrer, aber auch andere Fahrzeuge eine Gefahrensituation entstehen würde.
Die bereits angedrohte Wegnahme des Schlüssels bei Verstößen ist angemessen, da der Kläger zu 1) durch sein missbräuchliches Verhalten bereits früher dazu beitrug, dass das Aufstellen des Sperrpfostens zunächst wirkungslos blieb. Auch dies verdeutlicht, dass ein Sperrpfosten notwendig ist, um den Verstößen der Verkehrsteilnehmer zu entgegnen. Die Brandmeldezentrale ist für den Kläger zu 1) auch weiterhin in der zulässigen Zeit erreichbar. Die Errichtung eines versenkbaren Sperrpfostens konnte der Beklagte aus Kostengründen zu Recht ablehnen.
Ferner hat die Behörde einen Hinweis im Einmündungsbereich angebracht, wie der klägerische Betrieb anderweitig über die Zufahrts Straße S. zu erreichen ist. Damit hat sie den Belangen der Kläger, sofern diese überhaupt schutzwürdig sind, hinreichend Rechnung getragen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 Alt. 1 ZPO.
Die Kammer hat die Berufung nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Entscheidung des Gerichts von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht (vgl. §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO.

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