Aktenzeichen B 5 K 16.116
Leitsatz
1 Der Bayerische Gesetzgeber hat im Zuge der Neuregelung des Bayerischen Beamtenrechts zum 01.01.2011 in Art. 47 Abs. 1 S. 1 BayBeamtVG ausdrücklich die Schriftform für die Meldung von Dienstunfällen verlangt. Dies lässt den Schluss zu, dass nur schriftliche Meldungen aus Gründen der Klarheit und Nachweisbarkeit als Dienstunfallmeldungen anerkannt werden und mündliche Meldungen nicht (mehr) ausreichend sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die zweijährige Frist des Art. 47 Abs. 1 S. 1 BayBeamtVG für die Meldung von möglichen Dienstunfällen ist eine Ausschlussfrist. Ist sie verstrichen, ist die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall ausgeschlossen, weil der originäre Anspruch selbst erlischt und nicht mehr geltend gemacht werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Kenntnis einer möglichen Ursächlichkeit eines Körperschadens (Art. 47 Abs. 2 S. 2 BayBeamtVG) ist ausreichend, dass lediglich mit einer solchen Möglichkeit zu rechnen ist; hingegen ist es nicht erforderlich, eine exakte Einordnung der Beschwerden oder gar eine medizinische Diagnose zu vermuten oder sogar zu kennen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf Anerkennung eines Dienstunfalls sowie hieraus resultierender Dienstunfallfolgen bezüglich des Ereignisses vom 30.12.2012 (dazu unten Buchstabe a)) noch einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Dienstunfallfürsorge (dazu unten Buchstabe b)), § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
a) Eine Anerkennung als Dienstunfall bzw. eine Anerkennung von Dienstunfallfolgen bezüglich dieses Ereignisses kann nicht erfolgen, da die Klägerin die hierfür zu beachtende Meldefrist nicht gewahrt hat.
Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, dem oder der Dienstvorgesetzten innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls schriftlich zu melden.
Die schriftliche Dienstunfallmeldung der Klägerin vom 26.05.2015 – abgezeichnet von ihrem Dienstvorgesetzten am 16.06.2015 – bezüglich des Ereignisses vom 30.12.2012 erfolgte nicht innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG.
Eine mündliche Meldung, wie sie hier im Gespräch von der Klägerin mit ihrem stellvertretenden Inspektionsleiter möglicherweise zwischen dem 14. und 29.10.2014 erfolgt sein könnte, ist für die Wahrung der Meldefrist nicht ausreichend, da das Gesetz hierfür die Schriftform verlangt. Letzterer kommt auch konstitutive Bedeutung zu. Abweichend von der auch für Beamte des Freistaats Bayern bis zum 31.12.2010 geltenden Regelung des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes (BeamtVG) in § 31 BeamtVG hat der Bayerische Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des Bayerischen Beamtenrechts nach der Föderalismusreform zum 01.01.2011 in Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ausdrücklich die Schriftform für die Meldung von Dienstunfällen verlangt. Dies lässt nur den Schluss zu, dass nur schriftliche Meldungen – wohl aus Gründen der Klarheit und Nachweisbarkeit – als Dienstunfallmeldungen anerkannt werden und mündliche Meldungen nicht (mehr) ausreichend sein sollen. Dem Schriftformerfordernis kommt also nicht nur eine bloße Ordnungsfunktion zu. Vielmehr stellt es eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung für die Meldung eines Dienstunfalls dar. Denn nur so kann die vom Bayerischen Gesetzgeber in Abweichung von der bundesrechtlichen Norm getroffene Regelung sinnvoller Weise verstanden werden und zum Tragen kommen. Nur indem mündliche Meldungen generell unbeachtlich sind, können Unklarheiten über den Inhalt und die Bedeutung mündlicher Meldungen und hieraus resultierende Streitfragen von vornherein ausgeschlossen werden.
Die Frage, ob die Klägerin von ihrem stellvertretenden Inspektionsleiter in dem zwischen dem 14. und 29.10.2014 erfolgten Gespräch auf die Meldefrist für Dienstunfälle hingewiesen wurde, kann offen bleiben, da es hierauf nicht streitentscheidend ankommt. Denn, wie die von der Klägerin unter dem 19.11.2014 bezüglich des Vorfalls vom 04.10.2014 abgegebene formgerechte Dienstunfallmeldung zeigt, war der Klägerin das Prozedere für die Meldung von Dienstunfällen grundsätzlich bekannt.
Zudem handelt es sich bei der Meldefrist des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG schon nach dem Wortlaut der Norm um eine Ausschlussfrist. Letztere ist verstrichen, ohne dass durch die Klägerin eine fristgerechte schriftliche Dienstunfallmeldung erfolgte. Damit ist der streitgegenständliche Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall und die Feststellung von Dienstunfallfolgen in jedem Fall ausgeschlossen, weil nach Ablauf einer Ausschlussfrist – unabhängig von einer etwaigen Verschuldensfrage – der originäre Anspruch selbst erlischt und nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Auch der Vortrag der Klägerin, dass sich die gesundheitlichen Beschwerden nicht sofort nach dem Ereignis „Festnahme Falschfahrerin“ am 30.12.2012 gezeigt hätten, sondern erst im Laufe der Zeit aufgetreten und ihr bewusst geworden seien, kann nicht zum Erfolg der Klage führen.
Gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG wird nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung auf Grund des Unfallereignisses nicht habe gerechnet werden können oder dass der oder die Berechtigte durch außerhalb seines oder ihres Willens liegende Umstände gehindert war, den Unfall zu melden. Nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG muss die Meldung, nachdem mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten erfolgen.
Die unter dem Datum des 26.05.2015 abgegebene Dienstunfallmeldung der Klägerin ist aber nicht innerhalb der dreimonatigen Frist erfolgt, nachdem die Klägerin mit einem Körperschaden bzw. einer Erkrankung auf Grund des Ereignisses vom 30.12.2012 rechnen konnte. Die Klägerin war während dieser Zeit auch nicht durch außerhalb ihres Willens liegende Umstände gehindert, die Meldung abzugeben.
Dass ihre erstmals im Laufe des Jahres 2013 aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden möglicherweise durch den Vorfall vom 30.12.2012 hervorgerufen worden sein könnten, muss der Klägerin spätestens nach den Gesprächen mit dem sozialen polizeilichen Dienst und damit spätestens am 01.12.2014 bewusst gewesen sein. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann dann die dreimonatige Frist des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG zu laufen, so dass die unter dem 26.05.2015 datierte Dienstunfallmeldung der Klägerin nicht innerhalb dieser Frist erfolgte.
Für die Kenntnis einer möglichen Ursächlichkeit ist ausreichend, dass lediglich mit einer solchen Möglichkeit zu rechnen ist, hingegen ist es nicht erforderlich, eine exakte Einordnung der Beschwerden oder gar eine medizinische Diagnose einer klassifizierten Erkrankung zu vermuten oder sogar zu kennen.
In den Gesprächen mit dem Sozialen Dienst des Polizeipräsidiums hat die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, den Hinweis erhalten, dass ihre gesundheitlichen Beschwerden möglicherweise aus einer posttraumatischen Belastungsstörung herrühren könnten. Die Klägerin erhielt ferner die Empfehlung, deshalb professionelle psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Damit musste der Klägerin klar sein, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen Körperschaden bzw. eine Erkrankung im Sinne des Dienstunfallrechts darstellen könnten.
Dass ursächlich hierfür das Ereignis „Festnahme Falschfahrerin“ vom 30.12.2012 gewesen sein könnte, hatte die Klägerin nach eigenem Bekunden bereits selbst in Erwägung gezogen. So hat sie vorgetragen, seit dem Vorfall „Festnahme mit Widerstandshandlung in der Spielothek“ am 04.10.2014 sei ihr der Vorfall vom 30.12.2012 und das dabei empfundene Gefühl der Hilflosigkeit sowie das Gefühl „alleine gelassen worden zu sein“ wieder „allgegenwärtig“ gewesen (vgl. Meldung des Dienstunfalls vom 16.05.2015, Bl. 6 der Beiakte I).
Die Kammer stellt dabei auch nicht in Abrede, dass die erst im Mai 2015 begonnene psychotherapeutische Behandlung der Klägerin die „Kern-Ursache“ ihrer gesundheitlichen Beschwerden möglicherweise verdeutlicht hat. Für die abzugebende Dienstunfallmeldung war aber das Bewusstwerden bzw. die Kenntnis der Details und des Ursachenzusammenhangs sowie deren Aufarbeitung nicht erforderlich. Hierfür war der auch schon vor der Beginn der psychotherapeutischen Behandlung bei der Klägerin vorhandene Kenntnisstand, d.h. gesundheitliche/psychische Beschwerden auf Grund des nach ihrem Vortrag nicht verarbeiteten Ereignisses „Festnahme Falschfahrerin“ ausreichend.
Zur Überzeugung der Kammer steht auch fest, dass eine Meldung der Klägerin während der dreimonatigen Meldefrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG möglich gewesen wäre, und die Klägerin nicht durch außerhalb ihres Willens liegender Umstände hieran gehindert war. Das von der Klägerin vorgelegte Attest ihres behandelnden Psychotherapeuten vom 23.02.2016 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Kammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es der Klägerin auf Grund der äußeren Umstände des Falles, der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und des von ihr gewonnenen Eindrucks, möglich war, auch vor Beginn der psychotherapeutischen Behandlung innerhalb der dreimonatigen Meldefrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG eine den formellen Anforderungen genügende Dienstunfallmeldung für das Ereignis „Festnahme Falschfahrerin“ vom 30.12.2012 abzugeben. Damit bestand auch keine Erforderlichkeit, über diese Frage noch weiter Beweis zu erheben.
Maßgeblich für die Überzeugungsbildung der Kammer war Folgendes: Die Klägerin hat in einem persönlichen Gespräch im Zeitraum vom 14. bis 29.10.2014 mit dem stellvertretenden Inspektionsleiter ihre gesundheitlichen Beschwerden und den Verdacht, dass diese auf den Vorfall vom 30.12.2012 zurückzuführen sein könnten, geschildert. Damit war es der Klägerin möglich, in einem persönlichen Gespräch mit einem Vorgesetzten ihre gesundheitlichen Beschwerden darzulegen. Im Vergleich zu einer schriftlichen Meldung setzt aber ein solches persönliches Gespräch die Überwindung einer größeren psychologischen Hürde dar. Daher muss es der Klägerin dann auch möglich gewesen sein, eine diesbezügliche schriftliche Dienstunfallmeldung abzugeben. Wie der Beklagte zutreffend anführt, wäre es hierfür seitens der Klägerin auch ausreichend gewesen, bezüglich des Geschehensablaufs auf ihre Aussage im Strafverfahren gegen die Falschfahrerin zu verweisen, und psychische Beschwerden als Dienstunfallfolge anzugeben. Auch hätte sich die Klägerin bei der Abfassung der Dienstunfallmeldung der Hilfe Dritter bedienen können, die auf Grund ihrer Angaben den Vordruck ausfüllen und ggf. auch noch eine eigene kurze Schilderung des Geschehens abfassen hätten können, so dass die Klägerin selbst nur hätte unterschreiben müssen.
Weiter war es der Klägerin auch möglich, bezüglich des Vorfalls „Festnahme mit Widerstandshandlung“ in der Spielothek” vom 04.10.2014 eine formgerechte Dienstunfallmeldung unter dem Datum des 19.11.2014 abzugeben. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin grundsätzlich zum Abfassen einer Dienstunfallmeldung im fraglichen Zeitraum in der Lage war.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid bezüglich der begehrten Anerkennung des Ereignisses „Festnahme Falschfahrerin“ vom 30.12.2012 als Dienstunfall erweist sich als rechtmäßig.
b) Mangels Anerkennung des Ereignisses vom 30.12.2012 als Dienstunfall hat die Klägerin diesbezüglich auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Unfallfürsorge gem. Art. 50 ff. BayBeamtVG.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.