Medizinrecht

Anforderungen an Darlegung einer posttraumatischen Belastungsstörung bei äthiopischer Staatsangehöriger

Aktenzeichen  M 12 K 16.30989

Datum:
22.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71
VwVfG VwVfG § 51
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7
VwGO VwGO § 102 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Feststellung eines auf gesundheitlichen Gründe gestützten Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 S.1, 2 AufenthG erfordert das Vorliegen einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung, die sich nach einer Abschiebung  alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat wesentlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG BeckRS 2011, 54187). (red. LS Clemens Kurzidem)
Nach § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG muss die medizinische Versorgung im Zielstaat der Abschiebung mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleichwertig sein. Ein Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie und Medikamentenstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht. (red. LS Clemens Kurzidem)
Ein fachärztliches Gutachten, das einem Asylbewerber das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) attestiert, muss schlüssig, nachvollziehbar und transparent sein und insbesondere auf einer zutreffenden Grundlage beruhen. Dabei muss der Schutzsuchende gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachweisen bzw. glaubhaft machen, dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, da mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln ein sicherer Schluss auf das Vorliegen eines bestimmten Ereignisses nicht möglich ist (wie VGH München BeckRS 2010, 36748). (red. LS Clemens Kurzidem)
Ein fachärztliches Attest, das das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert, muss erkennen lassen, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt, weshalb Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden, erforderlich sind. Des Weiteren soll das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen der PTBS auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist (wie BVerwG BeckRS 2016, 47723). (red. LS Clemens Kurzidem)
Psychische Erkrankungen wie paranoide Schizophrenie oder eine posttraumatische Belastungsstörung sind in Äthiopien jedenfalls in Addis Abeba grundsätzlich behandelbar. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte über die Verwaltungsstreitsache entscheiden, obwohl außer der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten kein Beteiligter zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Parteien wurden ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entscheiden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 19. April 2016 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist und ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes hat (vgl. Antrag des Prozessbevollmächtigten vom … Mai 2016).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 19. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Der Antrag der Klägerin vom … Oktober 2014 stellt einen Folgeantrag i. S. d. § 71 Abs. 1 VwVfG dar, denn er wurde nach unanfechtbarer Ablehnung des früheren Asylantrags gestellt. Gem. § 71 Abs. 1 AsylG ist danach ein neues Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies setzt voraus, dass sich entweder die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr.1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder aber Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in den früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen, § 51 Abs. 2 VwVfG. Der Antrag muss binnen 3 Monaten gestellt werden, § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 51 Absatz 2 und § VwVfG sind vorliegend gegeben, da die Klägerin innerhalb der 3-Monats-Frist am … Oktober 2014 ein ärztliches Gutachten vorgelegt hat. Das Erfordernis der Antragstellung und deren Fristgebundenheit nach § 51 Abs.1 und 3 VwVfG haben zur Folge, dass der Antragsteller die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst vortragen muss (BVerwG, U. v. 30.8.1988 – 9 C 47/87 – juris).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 5 AufenthG, da dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht gegeben sind.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen (BVerwG, B. v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris). Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie und Medikamentenstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (VG Düsseldorf, U. v. 24.3.2015 – 17 K 2897/14.A – juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BayVGH, U. v. 23.7.2014 – 19 B 12.1073 – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen.
Die Klägerin kann kein Abschiebungsverbot wegen der von Dr. T., Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (…), mit fachärztlich-psychotherapeutischem Gutachten vom 21. August 2014, der Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. B… vom 10. Juni 2016 (Bl. 64 GA) und dem …-Klinikum am 20. Mai 2016 diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung und einer psychischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie beanspruchen.
Die von der Klägerin vorgelegten und oben genannten ärztlichen Atteste genügen nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer PTBS nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (BVerwG v. 17.8.2011, 10B 13/11). Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder der fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Erlebnisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen ärztlichen Untersuchung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allein mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (BayVGH B. v. 15.12.2010, 9 ZB 10.30376). Dem Umstand, dass es Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, die Frage nach der Glaubhaftigkeit und dem Wahrheitsgehalt des von dem Schutzsuchenden zur Stützung seines Begehrens im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten konkreten Sachverhalts zu beantworten, entspricht es aus medizinischer Sicht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur diagnostiziert werden kann, wenn das Trauma nachgewiesen ist, wenn also vor Gericht oder vor der Behörde, nicht vom Gutachter, nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden kann, das das behauptete traumatisierende Ereignis stattgefunden hat (VGH BW v. 20.10.2006 – A 9 S 1157/06 – juris). Hinzu kommt, dass die Symptome einer PTBS keine spezifischen Symptome für ein Krankheitsbild sind, sondern auch bei zahlreichen anderen psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B. depressiven Störungen, Angststörungen oder Anpassungsstörungen auftreten können. damit kommt der Frage des Traumas zentrale Bedeutung zu, denn ohne traumatisches Ereignis kann keine PTBS vorliegen. Entscheidend ist daher die Frage, ob das traumatische Ereignis überhaupt erlebt worden ist.
Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund dieser Eigenart des Krankheitsbildes bestehen entsprechende Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder für Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 31) regelmäßig die Vorlage eines, gewissen Mindestanforderungen genügenden, fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen der PTBS auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG v.11. 9. 2007, a. a. O.). Vorgelegte Gutachten müssen im Besonderen nachvollziehbar sein und den genannten Mindestanforderungen entsprechen (VG Düsseldorf v. 20. 2. 2003, juris).
Das Attest der Dr. T. (…) vom 21. August 2014 übernimmt in „II. Vorgeschichte“ und „IV. Diagnosen“ ungeprüft die Angaben der Klägerin zur Vorverfolgung. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss der Schutzsuchende gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachweisen bzw. wahrscheinlich machen (vgl. obige Ausführungen). Der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes wegen der Vorverfolgung wurde bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt, so dass von einer Vorverfolgung der Klägerin, die ein traumatisierendes Ereignis hätte auslösen können, nicht auszugehen ist. Das Ergebnis des bestandskräftigen Bescheides vom 10. August 2012 kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Klägerin ihre (im Asylverfahren für unglaubhaft befundene) Vorfluchtgeschichte dem Arzt erzählt und dieser daraus eine Grundlage für eine Diagnose bildet. Im Attest selbst ist darauf hingewiesen, dass die „Symptomatologie des psychopathologischen Befundes generell keine Rekonstruktion der objektiven Seite des traumatisierenden Ereignisses ermögliche“ (VII. des Gutachtens vom 14.8.2014). Es fehlt im Gutachten eine Abklärung, ob die geschilderten Erlebnisse auf wirklich Erlebtem beruhen. Es fehlt auch an einer nachvollziehbaren, fundierten und ernsthaften Auseinandersetzung der Gutachterin mit den Angaben der Klägerin. Keinesfalls ist aufgrund der attestierten Beschwerden ein Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit der Klägerin im Asylverfahren zulässig.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Attest kein Hinweis darauf, wie lange in etwa eine Therapie andauern soll. Der Hinweis darauf, dass mir einer „längerfristigen Therapie“ gerechnet werden müsse, genügt dieser Anforderung nicht. Das Gutachten gibt auch keinen Aufschluss über die Schwere der Erkrankung und keine Begründung dafür, warum die Klägerin das behauptete traumatisierende Ereignis erst fast drei Jahre nach der Einreise geltend gemacht hat. Bei der Anhörung des Bundesamtes vom 8. März 2012 (4 Monate nach der Einreise ins Bundesgebiet) hat sie darüber nichts berichtet. Darüber hinaus ist das Gutachten bereits fast zwei Jahre alt und gibt den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin nicht wieder.
Der Entlassbericht des …-Klinikum vom 20. Mai 2016 diagnostiziert eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie. Er führt aus, dass die Klägerin am 20. Mai 2016 in stabilisierter Affektlage, frei von floride psychotischem Erleben, ohne Hinweis auf akute Selbst- oder Fremdgefährdung entlassen wurde. Der Klägerin wurde medikamentöse Behandlung empfohlen.
Der Befundbericht von … vom 10. Juni 2016 stellt als Diagnose neben der posttraumatischen Belastungsstörung eine paranoide Schizophrenie fest. Aus dem Attest ist nicht konkret ersichtlich, auf welche konkreten Befunde sich diese Diagnose gründet. Die Ausführungen in der „Symptomatik im Therapieverlauf seit November 2015“ erklären nicht die Diagnose Schizophrenie. Daneben ergibt sich aus dem Attest nicht, welche konkrete Behandlung in welchem Zeitraum für die Klägerin notwendig ist.
Darüber hinaus ist die psychische Erkrankung der Klägerin – falls eine Behandlung erforderlich sein sollte – in Äthiopien behandelbar. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes ist die medizinische Grundversorgung nur in Addis Abeba zufriedenstellend (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.5.2011, IV.1.2. und vom 18.12.2011, IV. 1.2) Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren verbessert, sind aber nach wie vor eingeschränkt und – für äthiopische Verhältnisse – extrem teuer. Außerhalb der Hauptstadt gibt es auch für viele Gebiete gute Fachärzte (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.5.2011, IV.1.2.). Psychiatrische Behandlungen werden in mehreren Krankenhäusern in Addis Abeba angeboten, jedoch ist nur ein Krankenhaus auf Psychiatrie spezialisiert. Nach dem Bericht „Äthiopien: Informationen zum Gesundheitswesen“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist das äthiopische Gesundheitssystem nicht mit europäischem Standard vergleichbar. Zugang, Qualität, Stabilität und Kosten der medizinischen Versorgung variieren innerhalb von Städten, zwischen Stadt und Land sowie zwischen privatem und öffentlichem Sektor. Die Verfügbarkeit von Medikamenten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Die medizinische Versorgung mit Medikamenten ist kurzfristig möglich. In Addis Abeba bietet z. B. das Hospital des Gonder University College mit 350 Betten medizinische Versorgung und Behandlung für etwa 3,5 Millionen Äthiopier.
Zumindest in Addis Abeba könnte die psychotherapeutische Behandlung der Klägerin durchgeführt werden. Ob der Abbruch der Behandlung ein Abschiebungshindernis darstellt, ist ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das von der Ausländerbehörde vor der Abschiebung der Klägerin zu prüfen ist.
Die Kosten für medizinische Behandlungen werden von privaten Krankenversicherungen nur eingeschränkt übernommen. Eine Pflichtversicherung gibt es nicht (o.g. Lagebericht, IV. 1.2.). Bei Rückkehrern aus dem Ausland kann nicht davon ausgegangen werden, dass Krankenkosten von einer Krankenversicherung getragen werden. Es ist für die Klägerin sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Die Klägerin hat in Äthiopien 9 Jahre lang die Schule besucht. Sie hat zwar in Äthiopien nicht gearbeitet, wird aber im Bundesgebiet etwas Deutsch lernen können, so dass ihr als Rückkehrerin ein Neustart in einem einfachen Beruf gelingen kann. Es ist der Klägerin zuzumuten, die evtl. notwendigen Krankheitskosten in Äthiopien dann selbst zu tragen. Es ist ihr auch zuzumuten, sich gerade in der Anfangszeit an ihre in Äthiopien lebenden Verwandten zu wenden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

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