Aktenzeichen 11 ZB 17.31632
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
Leitsatz
1 Erhebliche Gründe, welche die Verlegung eines Termins rechtfertigen, liegen in der Regel vor, wenn ein anwaltlich nicht vertretener Beteiligter am Tag der mündlichen Verhandlung verhandlungsunfähig ist und dies durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen hat (Anschluss an BVerwG BeckRS 2004, 22549 u.a.). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein zur Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes erbetenes ärztliches Attest muss vor Ende des Termins als dem letztmöglichen Zeitpunkt für eine Entscheidung über eine Terminsverlegung bzw. Vertagung vorgelegt werden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Gehörsrüge erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei Gehörsgewährung noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (Anschluss an BVerwG BeckRS 2003, 21191 u.a.). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 9 K 17.33871 2017-10-13 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Verhandlung und Entscheidung über die Klage in Abwesenheit der Kläger, die form- und fristgerecht unter Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 VwGO zum Termin geladen worden sind, hat ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), da sie ihre Verhinderung nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht und nicht substantiiert dargelegt haben (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), dass ihnen dies nicht möglich bzw. zumutbar gewesen wäre.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe“ ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris; B.v. 28.4.2008 – 4 B 47.07 – juris jeweils m.w.N.). Erhebliche Gründe liegen in der Regel vor, wenn ein anwaltlich nicht vertretener Beteiligter am Tag der mündlichen Verhandlung verhandlungsunfähig ist und dies durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen hat (BVerwG, B.v. 29.4.2004 – 3 B 119.03 – juris Rn. 4; B.v. 17.3.1989 – 6 B 65.94 – juris Rn. 4).
Dies war hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hatte anlässlich des Telefongesprächs mit der Schwester der Klägerin zu 1. am 12. Oktober 2017, dem Vortag der mündlichen Verhandlung, um 10:35 Uhr gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO eine Glaubhaftmachung des vorgetragenen Hinderungsgrundes (stationäre Krankenhausbehandlung infolge eines Fahrradunfalls) durch Vorlage eines Attests des behandelnden Krankenhauses verlangt. Dies ist der Klägerin zu 1. auch ausgerichtet worden, denn sie hat noch am selben Tag mit einem bei Gericht um 12:46 Uhr eingegangenen Telefax ein ärztliches Attest angekündigt, welches indes erst am 13. Oktober 2017 nach der mündlichen Verhandlung, nämlich um 12:43 Uhr, bei Gericht eingegangen ist. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes rügen, ist nicht ersichtlich, welches weiteren gerichtlichen Hinweises es diesbezüglich noch bedurft hätte. Insbesondere ist selbstverständlich, dass ein Attest vor Ende des Termins als dem letztmöglichen Zeitpunkt für eine Entscheidung über eine Terminsverlegung bzw. Vertagung vorzulegen ist. Hat das Gericht die Glaubhaftmachung durch Attest gefordert, darf es dessen Vorlage grundsätzlich abwarten, bevor sich hieran ggf. weitere Ermittlungen anschließen; zumal hier die Klägerin zu 1. die Beibringung des Attests selbst angekündigt hatte. Eine Glaubhaftmachung durch ärztliches Attest wäre in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster von Mittag des Vortages bis 11:00 Uhr des Verhandlungstages auch grundsätzlich zeitlich möglich und zumutbar gewesen. Davon ist offenkundig auch die Klägerin zu 1. in ihrem handschriftlichen Terminsverlegungsantrag ausgegangen, denn sie hat nicht mitgeteilt, dass ihr die rechtzeitige Beibringung einer ärztlichen Bescheinigung nicht möglich sei. Gegenteiliges wird auch in der Antragsschrift mit der unsubstantiierten Behauptung, das Attest sei wegen Arbeitsüberlastung nicht früher ausgestellt worden, nicht hinreichend dargetan. Dazu hätte insbesondere gehört mitzuteilen, wann und mit welcher Maßgabe die Klägerin zu 1. um Ausstellung des Attests gebeten hat, wann ihr dieses ausgestellt und wann und durch wen es übermittelt worden ist. Die Übermittlung erfolgte nämlich nicht durch das Krankenhaus, sondern unter derselben Telefaxnummer wie auch ihr Terminsverlegungsantrag vom Vortag. Aufgrund ihres Vortrags ist nicht erkennbar, dass sie – auch unter den Bedingungen einer stationären Behandlung – alles ihr Zumutbare unternommen hat, um auf eine rechtzeitige Ausstellung und Übermittlung des Attests hinzuwirken. Damit kommt es – was die Kläger des Weiteren rügen – nicht darauf an, ob mit der Bescheinigung einer stationären Krankenhausbehandlung stets eine Verhandlungsunfähigkeit substantiiert dargelegt ist.
Ferner sind die Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG auch deshalb nicht erfüllt, weil dem Zulassungsantrag nicht entnommen werden kann, was die Kläger bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten. Die Gehörsrüge erfordert jedoch regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei Gehörsgewährung noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 4 B 4.03 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53 = juris Rn. 4; B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4 a.E.; BVerfG, B.v. 13.3.1993 – 2 BvR 1988.92 – DVBl 1993, 601 = juris Rn. 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).