Aktenzeichen L 4 P 59/13
SGG § 99, § 106a, § 124 Abs. 2
SGB V § 13 Abs. 2, Abs. 3, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 28, § 33 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 4, § 37 Abs. 3, § 128, § 139
HKP § 3 Abs. 3
SGB IV § 19
Leitsatz
1. Zum (nachrangigen) Anspruch auf Kostenerstattung für zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel.
2. Der monatliche Bedarf an zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln kann im Rahmen der entwickelten Verwaltungspraxis auch durch ein entsprechendes Gutachtensergebnis nachgewiesen werden.
3. Es kann von der Pflegeperson nicht generell verlangt werden, dass Pflegehilfsmittel kostengünstig bei einem Discounter erworben werden.
4. Für eine zukünftige Kostenübernahme ist der Abschluss einer Kostenübernahmeerklärung oder die Stellung eines neuen Kostenerstattungsantrags erforderlich.
5 Die Pflegekasse ist zuständig, wenn der Einsatz eines Hilfsmittels der Erleichterung der Pflege, der Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen oder der Ermöglichung einer selbstständigen Lebensführung für den Pflegebedürftigen dient. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 8 P 73/12 2013-09-16 GeB SGREGENSBURG SG Regensburg
Tenor
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16. September 2013 wird unter Nr. I aufgehoben und die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2012 verurteilt, dem Kläger ab 10. Mai 2012 die Kosten für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel in Höhe von monatlich 31.- EUR und ab 1. Januar 2015 in Höhe von 40.- EUR monatlich unter Anrechnung bereits erbrachter Kostenerstattung zu erstatten.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte erstattet ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Es besteht ein Anspruch auf den Höchstbetrag nach § 40 Abs. 2 SGB XI (erst) ab 10. Mai 2012. Hinsichtlich des beantragten persönlichen Budgets für Inkontinenzeinlagen ist die Klage unzulässig.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben.
Streitgegenständlich ist nur der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2012. Dabei ist die Beklagte als Pflegekasse der AOK Bayern zu unterscheiden von der Beigeladenen als Krankenkasse. Es handelt sich jeweils um selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht streitgegenständlich sind damit die Bescheide der Beigeladenen vom 9. August 2012 und 24. Mai 2012 sowie vom 1. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2014.
1. Der Rechtsstreit ist auf Leistungen nach dem SGB XI gerichtet. Inhaltlich hat die Beklagte nur über die Gewährung des Höchstbetrags von 31.- EUR nach § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI entschieden. Ein Anspruch des Klägers auf ein persönliches Budget, der sich nach § 17 SGB IX richtet, ist damit nicht Gegenstand der angegriffenen Verwaltungsakte. Dem klägerischen Berufungsantrag auf eine verzinste Nachzahlung in Form eines persönlichen Budgets für den Zeitraum seit Februar 2009 sowie künftig eine monatliche Leistung als persönliches Budget ist damit nicht statt zu geben, da die Klage insoweit unzulässig ist. Eine entsprechende Klageerweiterung ist vor diesem Hintergrund als nicht sachdienlich im Sinne des § 99 SGG anzusehen und daher nicht zulässig. Insoweit wird ergänzend auf den Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2014 (L 4 KR 440/14 B ER) verwiesen; anders als die Beigeladene in diesem Verfahren nach § 17 Abs. 2 S. 1 SGB IX in Verbindung mit § 37 Abs. 3 SGB V hat die Beklagte wie dargelegt in vorliegendem Verfahren nicht über einen Antrag auf Übernahme von Kosten im Rahmen eines persönlichen Budgets entschieden.
2. Der weitere klägerische Antrag, der auf eine Nachzahlung in Höhe von monatlich 31.- EUR seit Februar 2009 zzgl. Zinsen und auf eine künftige Zahlung von monatlich 31.- EUR bzw. 40.- EUR seit 1. Januar 2015 (BT-Drs. 18/1798 S. 27) für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel gerichtet ist, ist nur für die Zeit ab 10. Mai 2012 begründet.
Nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu gewähren sind. Die Aufwendungen der Pflegekassen für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel dürfen nach § 40 Abs. 2 SGB XI in den vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2014 gültigen Fassungen monatlich den Betrag von 31.- EUR, seit 1. Januar 2015 von 40.- EUR nicht übersteigen. Ferner bestimmt § 78 Abs. 2 S. 2 SGB XI: Die Spitzenverbände der Pflegekassen erstellen als Anlage zu dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V ein Verzeichnis der von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung umfassten Hilfsmittel (Pflegehilfsmittel-Verzeichnis), soweit diese nicht bereits im Hilfsmittelverzeichnis nach § 28 SGB V enthalten sind, und schreiben es regelmäßig fort. Dabei sind bestimmte aufgeführte Pflegehilfsmittel gesondert auszuweisen.
Vorrangig wäre die Beigeladene als Krankenkasse zuständig, wenn ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich ist; die Beklagte als Pflegekasse ist zuständig, wenn der Einsatz eines Hilfsmittels der Erleichterung der Pflege, der Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen oder der Ermöglichung einer selbstständigen Lebensführung für den Pflegebedürftigen dient (vgl. auch Udsching, SGB XI, 4. Aufl. 2015, § 40 Rn. 8). Hilfsmittel sind zum Verbrauch bestimmt, wenn sie wegen ihrer Beschaffenheit oder aus hygienischen Gründen nicht häufig, in der Regel nur einmal benutzt werden können wie z.B. Einmalhandschuhe oder Krankenunterlagen (Udsching, a.a.O., Rn. 21). Aber auch hier ist die Krankenversicherung zuständig, wenn die Hilfsmittel in der Regel dem Ausgleich einer Behinderung dienen, wie z.B. Inkontinenzartikel. Grundsätzlich sind auch die zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel vom Sachleistungsprinzip umfasst. Die Regelung zur Kostenerstattung nach § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI stellt hiervon aber eine Ausnahme dar.
a) Ein vorrangiger Anspruch gegen andere Leistungsträger, hier die beigeladene Krankenkasse, scheidet aus. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Hilfsmitteln und nach Nr. 4 die häusliche Krankenpflege. Ein derartiger Anspruch des Klägers gegen die beigeladene Krankenkasse besteht nicht.
(1) Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2014 ausgeführt, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V zwingend eine ärztliche Verordnung voraussetzt, die gemäß § 3 Abs. 3 der Häuslichen Krankenpflegerichtlinie (HKP) nur dann entbehrlich wäre, wenn eine im Haushalt des Versicherten lebende Person die erforderlichen Maßnahmen durchführen könnte. Da der Kläger aber gerade das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts mit seiner als Pflegeperson benannten Tochter bestreitet, müsste damit auch zur Feststellung der HKP-Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets zunächst eine ärztliche Verordnung ausgestellt werden. Eine ärztliche Verordnung wurde aber nicht ausgestellt; dies wird bestätigt durch die Angaben der Dres. W./H. im Attest vom 16. September 2015, wonach sich der Kläger die Inkontinenzeinlagen immer selbst besorgte.
(2) Auch eine Leistung durch die Beigeladene über §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 33, 139 SGB V in Verbindung mit dem Hilfsmittelverzeichnis kommt vorliegend nicht in Betracht. Zu den Hilfsmitteln gehören nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei können allerdings die Hilfsmittelverzeichnisse wie dem der Pflegeversicherung oder auch der Krankenversicherung die Zugehörigkeit zum jeweiligen Leistungsumfang des Versicherungsträgers nicht rechtlich verbindlich festlegen; ihnen kommt keine normative Wirkung zu (siehe im Einzelnen: Bayer. Landessozialgericht, Urt. vom 26.07.2006, L 2 P 30/04). Bei den Hilfsmitteln ist zu unterscheiden: Zu den zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB XI zählen wie dargelegt z.B. Einmalhandschuhe oder Krankenunterlagen. Dienen die Hilfsmittel hingegen in der Regel dem Ausgleich einer Behinderung, fallen sie in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse. Hierzu zählen z.B. auch Inkontinenzartikel oder Katheter (Udsching, SGB XI, 4. Aufl., § 40 SGB XI, Rn. 21). Soweit davon auszugehen ist, dass es sich bei den vom Kläger selbst angeschafften Einlagen um derartige Inkontinenzmittel handelt, sind diese grundsätzlich im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V erfasst. Für eine Hilfsmittelversorgung mit entsprechenden Inkontinenzvorlagen ist jedoch eine vertragsärztliche Verordnung erforderlich. Grundsätzlich erfolgt die Versorgung dann als Sachleistung. Unstreitig liegt eine ärztliche Verordnung aber nicht vor.
(3) Auch eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V durch die Beigeladene für verauslagte Kosten zur Beschaffung von Inkontinenzeinlagen scheidet aus. § 13 Abs. 3 SGB V gibt für den Ausnahmefall einen Kostenerstattungsanspruch, dass eine unaufschiebbare Leistung von der Krankenkasse nicht rechtzeitig erbracht wird oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kläger begehrte von der Beigeladenen jedoch nicht eine Sachleistung, sondern von vornherein Kostenerstattung in Höhe des pauschalen Höchstbetrages von 31.- EUR bzw. 40.- EUR. Da Klageziel ausdrücklich der Höchstbetrag ist, scheidet § 13 Abs. 3 SGB V als Anspruchsgrundlage aus, da dieser Anspruch auf die Erstattung der insoweit tatsächlich angefallenen Kosten gerichtet ist, die zu belegen sind. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V ist vom Kläger auch nach eigenem Vorbringen nicht gewollt. Entsprechendes gilt für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V.
(4) Mit nichtstreitgegenständlichen Bescheiden vom 24. Mai 2012 und 9. August 2012 lehnte die Beigeladene eine weitere Kostenerstattung ab, nachdem allerdings für den Zeitraum vom Februar 2009 bis Mai 2012 Leistungen erbracht wurden. Diese Leistungsgewährung erfolgte jedoch ausdrücklich aus Kulanzgründen. Ein Vertrauensschutz für zukünftige Leistung ist damit ausgeschlossen.
b) Der Kläger hat nur einen (nachrangigen) Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit gegen die Beklagte ab 10. Mai 2012.
Der Kläger macht Kosten zum einen für Inkontinenzartikel geltend, zum anderen für Einmalhandschuhe, Bettschutzeinlagen, Desinfektionsmittel und Flächendesinfektionsmittel.
Unstreitig ist, dass auch insoweit eine ärztliche Verordnung jeweils nicht vorliegt. Auch wird keine Kostenerstattung analog § 13 Abs. 3 SGB V geltend gemacht: Vielmehr ist das Klageziel gemäß dem zweiten Teil des Berufungsantrags eindeutig auf die Gewährung des Pauschalbetrags nach § 40 Abs. 2 SGB XI gerichtet. Wie oben dargelegt ergibt sich vom Grundsatz eine Zuständigkeit der Beklagten für die zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel im Rahmen der Pflege gemäß § 40 Abs. 1, 2 SGB XI, also für die Kosten für Einmalhandschuhe, Bettschutzeinlagen, Desinfektionsmittel und Flächendesinfektionsmittel – aber nicht für Inkontinenzartikel.
Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI kann die Leistung auch in Form einer Kostenerstattung erbracht werden. Grundsätzlich ist auch für einen Anspruch auf Kostenerstattung der Aufwendungen nach § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI vom Anspruchsteller nachzuweisen, dass und in welcher Höhe Kosten angefallen sind. Üblicherweise geschieht dies durch die Vorlage von Zahlungsbelegen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger dieser Nachweispflicht nur in geringem Umfang und vor allem erst im Rahmen des Berufungsverfahrens nach Setzung einer Frist gemäß § 106 a SGG nachgekommen ist. Insbesondere fehlt es weiterhin an einem Nachweis durch Belege für den gesamten oder überwiegenden Zeitraum seit Februar 2009.
Die Kostenerstattung nach § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI eröffnet den Krankenkassen ein Ermessen („kann“). Dabei ist jedoch eine entwickelte Verwaltungspraxis zu berücksichtigen. In einem Gemeinsamen Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes (Gem.RdSchr. v. 17. April 2014, 08f) ist zu § 40 SGB XI geregelt, dass aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in Fällen, in denen ein monatlicher Bedarf an zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln in Höhe von mindestens 31.- EUR nachgewiesen ist, auf die monatliche Vorlage von entsprechenden Belegen verzichtet werden kann. Das Gemeinsame Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften vom 17. April 2014 (in der Fassung vom 18. Dezember 2015) geht weiterhin von einem grundsätzlich notwendigen Nachweis des Verbrauchs aus, der als gegeben angesehen wird, „wenn beispielsweise im letzten halben Jahr der Leistungsanspruch stets voll ausgeschöpft wurde und dies auch zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist“ (1.2. zu § 40 SGB XI). D.h., die volle Ausschöpfung im letzten halben Jahr ist nur exemplarisch genannt und somit nicht unbedingte Voraussetzung für die Annahme der Verwaltungspraktikabilität. Ein monatlicher Bedarf an zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln kann daher insbesondere auch durch ein entsprechendes Gutachtensergebnis nachgewiesen werden. Sofern z.B. aus einem Gutachten hervorgeht, dass die anfallenden Aufwendungen generell 40.- EUR im Monat übersteigen, zahlen die Pflegekassen in der Regel aus Vereinfachungsgründen ohne weiteren Nachweis den Betrag aus (KassKomm-Leitherer, § 40 SGB XI, Rn. 22 mit Verweis auf: Rd.Schr. v. 28. Oktober 1996/ 09.07.1999, s. bei Udsching, SGB XI, 2. Aufl., S. 542; Gem.RdSchr. v. 17. April 2013 [Rn. 4] Nr. 1.2 Abs. 1 zu § 40).
Dementsprechend besteht die Verwaltungspraxis gemäß o.g. Gem.RdSchr, nach der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung im Rahmen des § 40 Abs. 2 SGB XI auf die monatliche Vorlage von entsprechenden Belegen verzichtet wird. Grundsätzlich zahlen die Pflegekassen den Höchstbetrag dann ohne weiteren Nachweis den Betrag aus.
(1) Immerhin hat der Kläger nun im Berufungsverfahren Belege eingereicht für den Monat März 2015: Hieraus ergeben sich Kosten für Hygieneeinlagen in Höhe von 31,84 EUR, für Einmalhandschuhe in Höhe von 4,99 EUR, für Desinfektionsspray in Höhe von 3,50 EUR und 13,36 EUR sowie für Bettunterlagen von 19,84 EUR. Auf Inkontinenzeinlagen entfallen somit 31,84 EUR, auf zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB XI 41,69 EUR. Ergänzend hat der Kläger dargelegt, dass er o mindestens 1 Bettschutzeinlage täglich benötigt, o im Monat mindestens 200 Stück Einmalhandschuhe verbraucht werden, o dass 250 ml Desinfektionsmittel pro Monat und o mindestens 500 ml Flächendesinfektionsmittel pro Monat benötigt werden. Monatlich ergäben sich somit nach diesen Angaben des Klägers Kosten in Höhe von 40,16 EUR.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20. April 2017 statt 41,69 EUR nur 28,33 EUR als erstattungsfähig nachgewiesen angenommen; offensichtlich nicht anerkannt wurde Octenisept mit Sprühpumpe (13,36 EUR), das vorwiegend der Desinfektion von Wunden dient.
Dabei ist nach Ansicht des Senats aber auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bzw. die Pflegeperson offensichtlich um einen kostengünstigen Einkauf bemüht ist und nicht bzw. nur ausnahmsweise einen Einkauf in einer Apotheke oder einem Sanitätsgeschäft tätigt. Es kann jedoch nicht generell verlangt werden, dass die Pflegehilfsmittel kostengünstig bei einem Discounter wie `Netto´ erworben werden.
(2) Im Berufungsverfahren hat der Kläger ferner folgende Belege vorgelegt, die jedoch nicht den Bedarf eines kompletten Monats abdecken: o 2 Belege vom Juni 2014, wohl Inkontinenzvorlagen 14 Stück, jeweils 1,99 EUR o 2 Belege vom Mai und Juli 2013, wohl Desinfektionsmittel, jeweils 13,36 EUR o 1 Beleg vom April 2013, Einmalhandschuhe mittel, 4,99 EUR o 1 Beleg vom April 2013, Flächendesinfektionsmittel, 1,95 EUR Dementsprechend hat sich die Beklagte diesbezüglich bereit erklärt, aufgrund dieser vorgelegten Nachweise einmalig den Betrag von 33,66 EUR für Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe und Flächendesinfektionsmittel zu erstatten. Die Gewährung des Höchstbetrages von damals 31.- EUR lehnte sie aber insoweit folgerichtig ab, da die Rechnungen in einem Zeitraum von 17 Monaten bezahlt worden sind.
(3) Es finden sich ferner Belege für September 2014, die ebenfalls entsprechende Ausgaben des Klägers in Höhe von 31,80 EUR belegen – nämlich für Desinfektionsmittel (13,36 EUR), Einmalhandschuhe und Hygieneartikel (4,99 EUR und 9,95 EUR) und Hygienespray (3,50 EUR). Die Beklagte geht hier mit Schriftsatz vom 20. April 2017 davon aus, dass für September 2014 der Betrag von 31.- EUR durch entsprechende Belege nachgewiesen ist.
(4) Darüber hinaus weist der Kläger wiederholt und insoweit zutreffend vor allem auf das Gutachten des MDK vom 8. August 2011 hin. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass bei dem Kläger sowohl ein Hämorroidalleiden als auch ein Harnnachtröpfeln bestehen. Der MDK hat in dem Pflegegutachten dargelegt, dass aufgrund der Neigung zu Hämorroidenblutung eine Versorgung mit kleinen Einlagen und Papiervorlagen erfolgt. Als Hilfsmittel, die genutzt werden, werden „kleine Inkontinenzeinlagen“ aufgeführt. Im Rahmen der Bewertung des täglichen Hilfebedarfs für die Grundpflege nach den damaligen §§ 14, 15 SGB XI gab der Gutachter an, das siebenmal täglich Hilfe für das Wechseln kleiner Vorlagen notwendig ist, wofür eine Hilfebedarf von sieben Minuten pro Tag angesetzt wurde.
Gegenüber dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. E. vom 21. Dezember 2009 ist durch das MDK-Gutachten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und eine Erhöhung des Pflegebedarfs belegt, was auch zur Anerkennung der Pflegestufe II gemäß diesem Gutachten ab Juli 2011 durch die Beklagte führte. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. E. bestand als Randdiagnose nur das Hämorroidalleiden; eine Harninkontinenz ist danach noch nicht belegt. Dr. E. gibt an, dass der Kläger wegen blutender Hämorrhoiden „täglich eine Einlage“ benutzt. Es wird festgestellt, dass die Blasenentleerung selbstständig erfolgt. Auch Dr. E. hatte in der Anamnese angegeben, dass der Kläger wegen blutender Hämorrhoiden täglich eine Einlage benutzt. Die Notwendigkeit der Verwendung von zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB XI ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. E. somit noch nicht. Wegen der dargestellten Verschlechterung steht das Gutachten des Dr. E. aber nicht im inhaltlichen Widerspruch zu dem späteren Gutachten des MDK.
(5) Bestätigt wird dies ferner durch die ärztlichen Atteste der Allgemeinärzte Dres. W./H. vom 16. September 2015, wonach der Kläger an einer Harninkontinenz mit spontanem Urinabgang schon bei leichter Erhöhung des abdominellen Drucks leidet. Der Arzt bestätigte ferner im Attest vom 31. März 2015 eine Harninkontinenz Grad I, während er in dem Attest vom 28. September 2009 nur einen „V.a. Hämorrhoidenblutung“ angab (siehe Verfahren S 2 P 55/09).
Hieraus ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass aufgrund der Hämorroidenblutungen und der neu hinzugekommenen Harninkontinenz sowohl Inkontinenzartikel – für die als Behandlungspflege allerdings ggf. die Beigeladene nach den Vorgaben des SGB V leistungspflichtig wäre – als auch Hilfsmittel zum Verbrauch im Rahmen der Pflege in Form von Einmalhandschuhen, Handdesinfektionsmitteln, Flächendesinfektionsmitteln und Bettschutzeinlagen/Krankenunterlagen notwendig sind. Dabei berücksichtigt der Senat, dass reine Inkontinenzunterlagen wie z.B. auch kleine saugende Vorlagen unter das Hilfsmittelverzeichnis (Gruppe 15) fallen. Aus dem Gutachten geht aber nicht nur hervor, dass der Kläger wegen der Hämorrhoidenblutungen mit „kleinen Einlagen“ und „Papiervorlagen“ bzw. wegen der Harninkontinenz mit „kleinen Inkontinenzeinlagen“ versorgt wird, sondern dass er beim Urinieren wiederholt sich und die Umgebung verunreinigt. Zweimal pro Nacht tritt ein nächtliches Wasserlassen (Nykturie) auf. Nachreinigung und Bekleidung erfolgten durch die Pflegeperson. Der Bedarf fällt täglich an – dies ausgehend gemäß dem Gutachten des MDK ab Juli 2011. Zusätzlich übernimmt die Pflegeperson nach dem Gutachten des MDK vollständig die hauswirtschaftliche Versorgung einschließlich Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche.
Vor dem Hintergrund dieses Pflegegutachtens und der vorliegenden Pflegesituation erscheint dem Senat das klägerische Vorbringen, dass neben den primär benötigten Inkontinenzartikeln auch ein täglicher Bedarf vor allem an Einmalhandschuhen, Händedesinfektionsmittel, Flächendesinfektionsmittel und Krankenunterlagen zum Bettschutz anfallen, ohne Weiteres schlüssig und nachvollziehbar – auch wenn, wie von der Beklagten vorgetragen, die Verwendung von Bettschutzeinlagen in dem MDK-Gutachten nicht ausdrücklich erwähnt wird. Tatsächlich hat die Beklagte auch für einzelne Monate einzelne Aufwendungen (insb. Einmalhandschuhe, Handdesinfektionsmittel, Flächendesinfektionsmittel und auch Bettunterlagen) erstattet bzw. als erstattungsfähig angesehen.
Der Senat gelangt deshalb unter maßgeblicher Berücksichtigung des Gutachtens des MDK und unter Einbezug der im Berufungsverfahren vorgelegten Belege zu der Überzeugung, dass die anfallenden Aufwendungen beim Kläger für zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel seit Höherstufung in die Pflegestufe II ab 1. Juli 2011 generell 31.- EUR und ab 1. Januar 2015 auch 40.- EUR im Monat übersteigen. Gemäß der Verwaltungspraxis, an die sich die Beklagte gemäß Art. 3 Grundgesetz (GG) festhalten lassen muss, ist dieser monatliche Höchstbetrag vorliegend ohne weitere Nachweise zu zahlen. Für die Zeit davor ist ein derartiger Bedarf nach Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, da sich, wie dargelegt, die Pflegesituation, wie sie sich aus dem Gutachten des Dr. E. ergibt, noch anders darstellte, insbesondere die Harninkontinenz noch nicht bzw. bei Weitem noch nicht so stark ausgeprägt war.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass Leistungen auch nach § 40 Abs. 2 SGB XI nur auf Antrag zu gewähren sind. Dabei gilt für Leistungen nach den §§ 36 ff SGB XI allerdings nicht § 33 Abs. 1 S. 1 SGB XI, sondern § 19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) (so z.B. auch Udsching, a.a.O., § 33 Rn. 4). Der Kläger beantragte am 20. Februar 2009 zwar Pflegeleistungen, jedoch in Form von ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung (hier als Pflegegeld). Ein Antrag auf Kostenerstattung für die zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel ging erst am 10. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Auch wenn der Kläger diesen Antrag mit der Notwendigkeit der Verwendung von „Einlagen“ begründete, ist dieser Antrag nicht an die Beigeladene, sondern an die Beklagte gerichtet. Es ist auch aus Empfängersicht eindeutig zu erkennen, dass der Antrag auf Leistungen nach § 40 Abs. 2 SGB XI gerichtet ist; die ausdrückliche Benennung dieser Vorschrift ist nicht erforderlich. Der Kläger verweist auf „Hilfsmittel zum Verbrauch“, auf den Betrag von „31 EUR“ und auf die Pflegegutachten. Damit wurde ein wirksamer Antrag auf Leistungen nach § 40 Abs. 2 SGB XI am 10. Mai 2012 gestellt und entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erst mit Schreiben vom 26. Juni 2012, das im Übrigen an die Krankenkasse gerichtet war und als „letzte Mahnung“ vom Kläger betitelt war.
Aufgrund des Antragsprinzips sind rückwirkende Leistungsgewährungen grundsätzlich ausgeschlossen.
Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 44 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I).
Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Zukunft ist nicht gegeben. Der Anspruch nach § 40 Abs. 2 S. 2 SGB XI stellt eine Ausnahme vom Sachleistungsprinzip dar. Er ist auf Kostenerstattung gerichtet. Ein gerichtlicher Ausspruch der Kostenübernahme für die Zukunft kann vor diesem Hintergrund nicht erfolgen, zumal sich der weitere Bedarf eines Versicherten an Pflegehilfsmitteln zukünftig ändern kann. Dementsprechend beantragte der Kläger zunächst zutreffend mit Schriftsatz vom 21. September 2013 die Erbringung des Höchstbetrages „bis aktuell“. Insoweit wäre der Abschluss einer Kostenübernahmeerklärung zwischen dem Kläger und der Beklagten für die Zukunft oder ein neuer Antrag auf Kostenerstattung durch den Kläger erforderlich (zum Ganzen siehe auch: Udsching, a.a.O., Rn. 22).
Die Kostenregelung ergibt sich aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger brauchbare Belege erst im Rahmen des Berufungsverfahrens und weitere Unterlagen erst nach Fristsetzung durch den Senat gemäß § 106 a SGG vorgelegt hat.
Da die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, unterbleibt insoweit ein Kostenausspruch.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.