Aktenzeichen S 15 KR 1508/18
SGG § 183, § 193
Leitsatz
Eine irrtümliche Annahme eines falschen Sachverhalts – sei es vom Vertretungsarzt oder vom Versicherten – begründet keinen Ausnahmefall, der zum weiteren Bezug von Krankengeld berechtigen würde. (Rn. 27 – 30)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften über den 03.06.2018 hinaus bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch entsteht gemäß § 46 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 16.07.2015 (gültig bis zum 10.05.2019), nunmehr a.F., bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (§ 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V a. F.), im Übrigen vom Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a. F.). Der Begriff „Arbeitsunfähigkeit“ ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßgeblich ist der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 14 Rn. 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 Rn. 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 2 Rn.12).
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger in der Zeit bis zum 03.06.2018 arbeitsunfähig war und zum Zeitpunkt der Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten wegen Beschäftigung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) gesetzlich krankenversichert war; eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 7 Rn. 10). Zum 06.06.2018 war der Kläger wegen Beschäftigungsendes am 06.12.2017 grundsätzlich nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Auch dieser Sachverhalt ist unstrittig.
Denn endet das Beschäftigungsverhältnis, so endet damit grundsätzlich auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung (§ 190 Abs. 2 SGB V). Die Mitgliedschaft bleibt jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder eine der sonstigen dort genannten Leistungen besteht. § 192 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch. Besteht – wie vorliegend vom Kläger behauptet und als wahr unterstellt – fortlaufend Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Erkrankung, wird aber das Krankengeld aufgrund befristeter Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit nur abschnittsweise bewilligt, so ist jeder Abschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist dann erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 Rn. 16; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 6 Rn. 24; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 Rn.17). Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nach beendetem Leistungsbezug beruht damit allein auf einer nahtlosen Krankengeldbewilligung aus der Zeit vor dem Beschäftigungsende (vgl. dazu eingehend BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5 Rn.12 ff.). Da der Krankengeldanspruch gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a. F. erst mit dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entsteht, muss eine erneute ärztliche Feststellung dabei grundsätzlich spätestens am nächsten Werktag der befristet attestierten Arbeitsunfähigkeit erfolgen, § 46 S. 2 SGB V a.F.
Im Falle des Klägers lag mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von zuletzt Dr. D. eine nahtlos attestierte Arbeitsunfähigkeit nur bis einschließlich 03.06.2018 vor.
In der Rechtsprechung besteht darüber hinaus Einigkeit, dass es bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nach Beschäftigungsende grundsätzlich dem Versicherten obliegt, eine Nahtlosigkeit der ärztlichen Feststellungen sicherzustellen (so zuletzt BSG Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R). Dieser Obliegenheit ist der Kläger jedenfalls bezogen auf den 03.06.2018 unstreitig nicht nachgekommen.
Es liegt auch keine Ausnahmekonstellation vor, aufgrund derer ausnahmsweise die Feststellung erst zum 06.06.2020 ausreichen würde. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 11. Mai 2017 (Az.: B 3 KR 22/15 R -, Rn. 34, juris) hierzu ausgeführt:
„Dem Krankengeldanspruch Versicherter steht eine nachträglich erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegen, wenn
1.der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,
2.er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und
3.er – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.“ (Hervorhebung durch Kammer)
Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall war die Klägerin tatsächlich beim Vertragsarzt und hat sich ärztlich untersuchen lassen, dieser hat sich aber aufgrund eines Rechtsirrtums verweigert, die AU-Bescheinigung auszustellen und die Klägerin auf die Vorstellung beim Kollegen am nächsten Tag verwiesen.
Im hiesigen Fall hat sich der Kläger tatsächlich weder am 04. noch am 05.06.2018 beim Vertragsarzt vorgestellt, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Er ist auch nach seinem eigenen Sachvortrag nicht dahingehend vom Vertretungsarzt beraten worden, dass eine Neuvorstellung erst am 06.06.2018 erforderlich sein würde, sondern der Kläger ist – irrtümlich – davon ausgegangen, dass die AU-Feststellung bis zum 06.06.2018 reichen würde. Die Aufklärung des Sachverhalts wäre aber mit einem Blick auf die AU-Folgebescheinigung möglich gewesen. Der Kläger hätte sodann erkennen müssen – gerade auch wegen der Belehrung der Beklagten vom 21.12.2017 -, dass eine Neuvorstellung am 06.06.2018 nicht ausreicht.
Der Vortrag des Klägers, dass er die AU-Folgebescheinigung sofort an die Beklagte versandte, kann insoweit als wahr unterstellt werden. Denn gemäß der Aussage in der mündlichen Verhandlung hat er die Kopie, die für den Versicherten bestimmt ist, zuhause zu seinen Akten genommen. Er hatte also durchaus die Gelegenheit, auf das von Dr. D. notierte Enddatum zu schauen und sich den Termin für die notwendige Wiedervorstellung (04.06.2018) zu notieren.
Daher ist die Ausnahmekonstellation des zitierten Urteils des BSG vom 11.05.2017 gerade nicht gegeben: Der Kläger hat sich nicht „rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch“ – hier spätestens am 04.06.2018 – bei einem Vertragsarzt zur Untersuchung vorgestellt.
Der Irrtum des Vertragsarztes über das Ende des Urlaubs des Kollegen bzw. über die vom Kläger erwünschte Zeitdauer der AU-Feststellung kann daher nicht zu einem anderen Ergebnis führen, zumal der Vertragsarzt (hier: Dr. D.) auch nicht verpflichtet gewesen wäre, den Kläger bis zum 05.06.2018 krankzuschreiben. Denn die AU-Feststellung unterliegt alleine der ärztlichen medizinischen Einschätzung und bei einer (noch) kürzeren Dauer der AU-Feststellung hätte der Kläger auch erneut einen Vertragsarzt seiner Wahl zur Verlängerung der AU-Dauer aufsuchen müssen.
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.