Medizinrecht

Anspruch auf plastische Operationen nach Magen-Bypass-Operation

Aktenzeichen  S 5 KR 700/16

Datum:
7.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16734
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 1 Sa.1, § 2 Abs. 4, § 39 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Postbariatrische Operationen können in Einzelfällen bei dermatologischer Indikation zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin zwei postbariatrische Operationen an den Oberarmen und der Brust als Sachleistung zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand, soweit er die mit der Klage noch begehrten Operationen ablehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf die Kostenübernahme für eine beidseitige Oberarme- und eine beidseitige Bruststraffung durch operative Maßnahmen. Derartige postbariatrische Operationen können in Einzelfällen bei dermatologischer Indikation zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (vgl. etwa SG C-Stadt, Urteil vom 01.09.2016 – S 3 KR 381/15 – unter Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 27.03.2015 – S 33 KR 1376/12 -; SG Mannheim, Urteil vom 21.01.2014 – S 9 KR 2546/12 -; SG Wiesbaden, Urteil vom 25.09.2013 – S 1 KR 295/10 -)
Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. E. vom 15.12.2017 hat die Kammer die volle Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin Anspruch auf Krankenhausbehandlung und eine Kostenübernahme der Operationen zur Oberarmstraffung beidseits und Bruststraffung beidseits hat. Das Gutachten von Dr. E. vom 15.12.2017 belegt, dass die -von allen behandelnden Ärzten der Klägerin und dem Universitätsklinikum E. – empfohlene mehrseitige Operation zur Oberarmstraffung beidseits und Bruststraffung beidseits eine geeignete Maßnahme ist, um die Gesundheit der Klägerin zu erhalten, wiederherzustellen oder den Gesundheitszustand der Klägerin zu bessern (vgl. § 1 Satz 1 SGB V). Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin – denn um solche handelt es sich nach dem Gutachten von Dr. E. vom 15.12.2017 bei den Hautüberschüssen im Oberarm- und Brustbereich – mit ambulanten Maßnahmen und ggf. psychiatrischen Maßnahmen behandelt werden kann. Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den beantragten postbariatrischen Operationen auch nicht um Schönheitsoperationen, sondern um Operationen, die die Funktionsfähigkeit der Oberarme der Klägerin und die funktionalen Beschwerden der Klägerin im Brustbereich beheben werden, während die Beklagte die Klägerin auf eine dauerhafte -möglicherweise lebenslange – Symptombehandlung verweist.
Die Kammer vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Behebung der Dysfunktionen Vorrang hat vor einer dauerhaften Symptombehandlung. Die Entscheidung der Kammer widerspricht auch nicht der Vorschrift des § 2 Abs. 4 SGB V, wonach Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte darauf zu achten haben, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Mit den Operationen werden die Dysfunktionen (Haut-/Weichteilüberschuss) dauerhaft beseitigt mit der Folge, dass für die Beklagte künftig keine Kosten für die Symptombehandlung (Hautarzttermine, ggf. Arzneimittel) anfallen werden.
Dementsprechend war die zu der Übernahme der Kosten für die beantragten Operationen zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

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