Medizinrecht

Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung

Aktenzeichen  L 19 R 388/17

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 130409
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 210 Abs. 1a
BayBeamtVG Art. 85 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Beiträge werden gem. § 210 Abs. 1a SGB VI auch an Versicherte erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. (Rn. 16)
2. Die Anrechnung von Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Alterspension aus dem Beamtenverhältnis ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (Rn. 18)

Verfahrensgang

S 15 R 816/16 2017-05-17 GeB SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.05.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 17.05.2017 die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2016 einen Anspruch des Klägers auf Beitragsrückerstattung nach § 210 SGB VI abgelehnt.
Gemäß § 210 Abs. 1 SGB VI werden Beiträge auf Antrag erstattet:
1.Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,
2.Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben,
3.…
Gemäß § 210 Abs. 1a SGB VI werden Beiträge auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben.
Der Kläger befindet sich in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit; er ist deswegen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Anspruch auf Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1a SGB VI scheitert aber an der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB VI. Der Kläger hat unstreitig 66 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und hat damit die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (= 60 Monate) erfüllt.
Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei § 210 SGB VI um eine eindeutige Regelung handelt, die weder zu Gunsten noch zu Ungunsten eines Versicherten ausgelegt werden kann und bei der auch wirtschaftliche Erwägungen eines Versicherten keine Rolle spielen können. Weiter hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Problematik der Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Alterspension aus dem Beamtenverhältnis nicht aus dem SGB VI ergibt, sondern aus der hier einschlägigen Regelung des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG. Dass eine solche Anrechnung sowohl beamtenrechtlich als auch verfassungsrechtlich zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuletzt in seinem Beschluss vom 23.05.2017 (Az. 2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14) nochmals bestätigt. Das BVerfG hat in diesem Beschluss unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BVerfGBVerfGE 55, 207, 239; 76, 256, 298, 357 – und Summer (Beiträge zum Beamtenrecht, 2007, Alimentationsprinzip gestern und heute, Seite 1, 6) ausdrücklich ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums durch Anrechnungs- und Ruhensvorschriften das Ziel verfolgen dürfe, eine Doppel- oder Überversorgung eines Beamten zu vermeiden, und den Versorgungsberechtigten gegebenenfalls auch in einem bestimmten Rahmen auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse zu verweisen, sofern diese ebenfalls zur Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt seien (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 82, veröffentlicht bei juris). Der Senat schließt sich dieser Ansicht des BVerfG uneingeschränkt an.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt, geht diese Argumentation grundlegend fehl. Jeder Beamte, der auf Lebenszeit verbeamtet ist und vor Eintritt in sein Beamtenverhältnis eine Versicherungspflicht von 66 Kalendermonaten – wie der Kläger – zurückgelegt hat, hat keinen Anspruch auf Beitragsrückerstattung. Wenn weniger als 60 Monate an Beitragszeiten vorliegen, würde jeder, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet, auf entsprechenden Antrag hin seine Beiträge erstattet bekommen. Insoweit liegen bereits kein vergleichbarer Sachverhalt und deshalb auch keine Ungleichbehandlung vor. Darauf hatte sowohl die Beklagte als auch das SG bereits zutreffend hingewiesen. Der Kläger hat mit seinen 66 Beitragsmonaten auch unverfallbare und eigentumsrechtlich nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Anwartschaften auf Gewährung einer Altersrente erworben, so dass er mit Erreichen der Regelaltersgrenze auch eine Rentenleistung von der Beklagten verlangen kann und diese auch erhalten wird. Dies ist bei Personen mit weniger als 60 Kalendermonaten grundsätzlich nicht der Fall. Ob und inwieweit eine Anrechnung auf die Versorgungsbezüge als Beamter erfolgt, regelt das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz, das hier nicht zu überprüfen ist.
Von der Verhängung von Verschuldenskosten wurde abgesehen.
Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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