Medizinrecht

Antrag auf einstweilige Anordnung der Befreiung von der Maskenpflicht wegen Unverträglichkeit

Aktenzeichen  RO 14 E 20.2849

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33574
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
8. BayIfSMV § 2 Nr. 2, § 18 Abs. 2
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um zu erreichen, das Gelände seiner Schule ohne Mund-Nasen-Bedeckung (im Folgenden: Maske) betreten und am Unterricht teilzunehmen zu dürfen.
Der Antragsteller besucht im Schuljahr 2020/2021, das am 8.9.2020 begann, die Klasse 7 … der Mittelschule N … (im Folgenden: Schule). Im Herbst 2020 führte die Entwicklung des Infektionsgeschehens mit dem Coronavirus zu einer Ausweitung der Trageverpflichtung für Masken für Schülerinnen und Schüler. Sie bezieht sich derzeit auch auf den Unterricht.
Mit E-Mail vom 1.9.2020 informierten die Eltern des Antragstellers die Schulleitung, dass es ihrem Sohn – dem Antragsteller – aus gesundheitlichen Gründen weiterhin nicht möglich sei, eine Maske zu tragen. Ein Attest werde bei Bedarf vorgezeigt.
Am 7.9.2020 zeigte der Vater des Antragstellers der Schulleitung ein Attest, das von der Praxis „Privatärztliche Praxen S …“ ausgestellt und von Dr. med. F … unterzeichnet war. Das Attest enthielt keine Diagnose und wurde der Schule nicht zur Überprüfung übergeben. Seitens der Schulleitung wurde dieses Attest zur Glaubhaftmachung einer Befreiung des Antragstellers von der Maskenpflicht nicht akzeptiert.
Im Zeitraum vom 8.9.2020 bis zum 26.10.2020 besuchte der Antragsteller die Schule, wobei er auf dem Schulgelände stets eine Maske trug.
Ab dem 27.10.2020 galt die Maskenpflicht auch im Unterricht. An diesem Tag besuchte der Antragsteller den Unterricht und trug hierbei auch eine Maske. Vom 28.10.2020 bis zum 30.10.2020 sowie vom 9.11.2020 bis 11.11.2020 fehlte er entschuldigt.
Mit Schreiben vom 27.10.2020 wandten sich die Eltern des Antragstellers an das Staatliche Schulamt im Landkreis Sch., um unter anderem abzuklären, warum das vorgelegte ärztliche Attest von der Schule nicht akzeptiert werde. Im nachfolgenden Schriftwechsel teilte das Schulamt den Eltern mit, wie eine Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gegenüber der Schule glaubhaft gemacht werden könne. Dabei wurden die Eltern darauf hingewiesen, dass weder das der Schulleitung vorgezeigte Attest noch eine eidesstattliche Versicherung der Eltern vom 30.10.2020, in der die Eltern des Antragstellers bestätigten, dass er gesundheitliche Probleme beim Tragen einer Maske habe, geeignet seien, eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen glaubhaft zu machen. Die Eltern wurden darüber hinaus darauf hingewiesen, dass der Antragsteller aufgrund der Schulpflicht zu der Teilnahme am Unterricht mit Maske in Form des Präsenzunterrichts verpflichtet sei. Komme der Antragsteller der Verpflichtung zum Tragen einer Maske ohne ausreichende Glaubhaftmachung der Befreiung von der Maskenpflicht nicht nach, könne er von der Schulleitung des Schulgeländes verwiesen werden.
Am 10.11.2020 legten die Eltern des Antragstellers ein neues Attest der Praxis „Privatärztliche Praxen S …“ vom 9.11.2020 vor, welches wiederum von Dr. med. F … unterzeichnet ist. Danach sei für den Antragsteller das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Schutzmaske, Face-Shield, Visier, etc.) im Sinne einer Maskenpflicht nach § 2 Nr. 2 der 8. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ab sofort und zeitlich unbegrenzt aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar. Als „Diagnosen codiert n. ICD 10“ ist angegeben: „Maskenunverträglichkeit, T 59.8, R 53“. Auch dieses Attest wurde seitens der Schulleitung nicht akzeptiert.
Daraufhin ließ der Antragsteller die Schulleitung mit Anwaltsschreiben vom 13.11.2020 unter Fristsetzung bis zum 16.11.2020 auffordern, zu bestätigen, dass die Kriterien für eine Befreiung von der Maskenpflicht erfüllt seien und der Kläger wieder am Schulunterricht teilnehmen dürfe. Geschehe dies nicht, werde er gerichtliche Schritte einleiten.
Am 20.11.2020 ließ der Antragsteller einen Eilrechtsschutzantrag stellen. Aus dem vorgelegten ärztlichen Zeugnis vom 9.11.2020 sei ersichtlich, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen könne. Er sei von der Maskenpflicht befreit und dürfe somit ohne Maske das Schulgelände betreten und am Unterricht teilnehmen.
Im Verlauf des gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens legte der Antragsteller ein weiteres von Dr. F … unterzeichnetes Attest vom 23.11.2020 vor. Danach habe eine Untersuchung des Patienten – also des Antragstellers – am 9.11.2020 stattgefunden. Diese habe ergeben, dass es dem Antragsteller wegen „unten aufgeführter Akut- und Spätsymptome“ in Ruhebedingungen im Sitzen bei gleichzeitig vorliegender Grunderkrankung ab sofort und zeitlich unbegrenzt aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, eine Maske im Sinne der 8. BayIfSMV zu tragen. Dies gelte umso mehr bei körperlicher Aktivität und insbesondere bei konzentriertem Arbeiten. Nachfolgend sind dann folgende Symptome im Attest eingetragen:
– Akute Symptome durch Maskeneinsatz (Tragedauer < 2 Min): R53
– Symptome durch Maskeneinsatz (Tragedauer > 2 Min): F06.7, T 59.8, R06.0, F43.8
– Diagnosen maskebedingt: F43.8, R51, R53, R42, G47.0, R68.8
– Vor-/ Grunderkrankungen: F43.8, F82.0G, F93.8Z, F90.0G, F81.9A, G47.0, Z.n. 3 x J18.9
Da der Antragsteller mehrere Grundkrankheiten im psycho-emotionalen Bereich aufweise und darüber hinaus schwerwiegende Störungen wie ADS und LRS zeige, sei zu befürchten, dass bei ihm durch das Gezwungensein, eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen zu müssen, seine ursprünglich sehr ausgeprägt vorhandenen und über aufwändige Therapien der letzten Jahre auf ein verträgliches Niveau reduzierten Symptome nicht nur, wie zu erwarten gewesen sei und aktuell berichtet werde, wieder aufgeflammt seien bzw. wieder aufflammen, sondern bei weiterer Verschlechterung eine komplette Schulunfähigkeit drohe. Eine Trageverpflichtung bezüglich einer Mund-Nasen-Bedeckung sei bei vorliegender repressiver Symptomatik unverantwortlich, beim Antragsteller kontraindiziert und daher nicht nur unzumutbar, sondern aus medizinischer Sicht nicht möglich.
Ferner ließ der Antragsteller eine handschriftliche Notiz vorlegen, in der die Eltern berichten, dass sich beim Antragsteller seit Beginn der Maskenpflicht durch das Tragen der Maske vermehrt Kopfschmerzen und Schwindel gezeigt hätten. Außerdem würden psychische Probleme aus der Vergangenheit wieder hochwachsen (T-Shirt zusammenbeißen, Ein- und Durchschlafstörungen, Unfähigkeit alleine zu schlafen, Fingernägel kauen).
Schließlich legte der Kläger mehrere ärztliche Stellungnahmen des Kinderzentrums St. M … vor, die bereits vom 3.9.2015, 3.11.2015, 11.8.2016 sowie 27.4.2017 datieren. Aus diesen ließen sich Grunderkrankungen ableiten, die für die Maskenunverträglichkeit verantwortlich seien.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller von der gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV geltenden Maskenpflicht auf dem Schulgelände gemäß § 2 Nr. 2 der 8. BayIfSMV aus gesundheitlichen Gründen befreit sei und er deshalb das Schulgelände ohne Maske betreten und am Unterricht ohne Maske teilnehmen dürfe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Aufgrund der gegenüber der Schule vorgelegten Atteste könne der Antragsteller nicht von der Maskenpflicht befreit werden. Auch in der Gesamtschau mit der eidesstattlichen Versicherung der Eltern genügten die Atteste nicht zur Glaubhaftmachung der Befreiung von der Maskenpflicht. Die insoweit geltenden Anforderungen seien in Nr. 6.1 des Rahmenhygieneplans Schulen festgelegt. Den dort geregelten Anforderungen werde nicht Genüge getan. Insbesondere fehle eine klare Begründung einer „Maskenunverträglichkeit“. Zweifel am vorgelegten Attest würden sich auch deshalb ergeben, da gleichlautende Bescheinigungen bekannt seien, die sich teilweise in den händisch ergänzten Diagnosekodierungen unterschieden. Auch die eidesstattliche Versicherung der Eltern helfe nicht weiter. Sie enthalte lediglich die allgemeine Aussage, der Antragsteller habe versichert und erklärt, aus gesundheitlichen Gründen sei es unzumutbar, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Ob das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Attest geeignet sei, eine Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft zu machen, sei zweifelhaft. Der Schulleitung sei dieses Attest noch nicht vorgelegt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Akten der Schule sowie des Staatlichen Schulamts im Landkreis Sch., die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Eilrechtsschutzantrag ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
1. Die Antragstellerseite geht davon aus, dass in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei der Antragsgegner daher zu verpflichten, dem Antragsteller Zugang zur Schule ohne Maske zu gewähren. Das Gericht ist dagegen der Auffassung, dass eine Feststellungsklage zu erheben wäre. Insoweit gelten folgende Erwägungen:
Bei der Auslegung der im Eilrechtsschutzverfahren gestellten Anträge hat sich das Gericht in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB am erkennbaren Rechtschutzziel des Antragstellers zu orientieren. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen darf, aber an die Fassung der Anträge auch nicht gebunden ist. Dies folgt aus § 88 VwGO, der gemäß § 122 Abs. 1 VwGO auf Beschlüsse entsprechend anwendbar ist. Im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO bestimmt das Gericht im Übrigen nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind, §§ 123 Abs. 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO. Hier geht es dem Antragsteller darum, am Präsenzunterricht in seiner Schule teilzunehmen und zwar ohne, dass er auf dem Schulgelände und im Unterricht eine Maske tragen muss.
Dabei ist zu bedenken, dass der Antragsteller die generelle Maskenpflicht auf dem Schulgelände, die in § 18 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV angeordnet ist, nicht angreift. Dies wäre vor dem Verwaltungsgericht auch nicht möglich, da insoweit ein Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu stellen wäre (BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 20 CE 20.2185 – juris, Rn. 14, BayVGH, B.v. 18.6.2020 – 20 CE 20.1388 – juris). Der Antragsteller macht vielmehr geltend, aus gesundheitlichen Gründen den Befreiungstatbestand des § 2 Nr. 2 der 8. BayIfSMV zu erfüllen. Die gesundheitlichen Gründe, die zur Erfüllung dieses Befreiungstatbestands führen, habe er mit der Vorlage ärztlicher Atteste sowie einer eidesstattlichen Versicherung seiner Eltern glaubhaft gemacht, sodass die Voraussetzungen eines Betretungsverbots für das Schulgelände (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 2 der 8. BayIfSMV) nicht vorliegen würden.
Da auch die Schulleitung davon ausgeht, dass weder auf dem Schulgelände noch im Unterricht eine Maske getragen werden muss, wenn die Voraussetzungen des Befreiungstatbestands glaubhaft gemacht sind, wird deutlich, dass die Erhebung einer Feststellungsklage in der Hauptsache ausreichend ist, um das angestrebte Rechtschutzziel zu erreichen. Letztendlich besteht nämlich zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit über ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, nämlich über die Frage, ob die seitens des Antragstellers vorgelegten Unterlagen ausreichend sind, um eine individuelle Befreiung des Antragstellers von der Maskenpflicht glaubhaft zu machen. Würde das Gericht eine entsprechende Feststellung treffen, so wäre das streitige Rechtsverhältnis geklärt und die Schule müsste den Antragsteller ohne Maske am Präsenzunterricht teilnehmen lassen. Der Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Hauptsache bedarf es damit nicht, sodass hier auch dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Klage in der Hauptsache überhaupt zulässig wäre.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs. Ferner besteht hier die Besonderheit, dass im Falle der Gewährung von Eilrechtschutz die Hauptsache vorweggenommen würde, was dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Dies wäre hier jedoch der Fall; denn selbst die vorläufige Feststellung der begehrten Art bis zur Entscheidung über die Hauptsacheklage, die noch nicht erhoben worden ist, würde die Hauptsache im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Geltung der Maskenpflicht in Schulen (vgl. § 28 Satz 1 der 8. BayIfSMV) vorwegnehmen. Andererseits ist es anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache, dann möglich ist, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris = – BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris = BVerwGE 146, 189; BVerwG, B.v. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris = BVerwGE 109, 258; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Zwar wurde ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht. Ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache würde für den Antragsteller zu erheblichen Nachteilen führen, da er bis zur rechtskräftigen Entscheidung seitens der Schulleitung nicht auf das Schulgelände gelassen würde und er somit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könnte. Zwar ist es aufgrund des Infektionsgeschehens nicht auszuschließen, dass künftig vermehrt Distanzunterricht (Homeschooling) stattfindet. Zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts findet jedoch an der Schule des Antragstellers Präsenzunterricht statt, von dem der Antragsteller aufgrund des Verbots, das Schulgelände zu betreten, ausgeschlossen ist.
a) Der Antragsteller hat jedoch nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV besteht auf dem Schulgelände Maskenpflicht. Da diese das gesamte Schulgelände betrifft, besteht die Verpflichtung auch in den Klassenzimmern während des Unterrichts. Gemäß § 2 Nr. 2 der 8. BayIfSMV sind jedoch Personen von der Trageverpflichtung befreit, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist. Nachdem der Antragsteller nicht vorgetragen hat, eine Behinderung zu haben, verbleibt lediglich die Möglichkeit, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, der Maskenpflicht nachzukommen.
Die Antragstellerin hat weder gegenüber der Schulleitung noch gegenüber dem Gericht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Eilrechtschutzverfahren ärztliche Bescheinigungen oder andere Unterlagen vorgelegt, die für eine Glaubhaftmachung des gesundheitlichen Befreiungstatbestands ausreichend sind.
Soweit der Befreiungstatbestand durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht werden soll, ist die Vorlage eines ärztlichen Attestes erforderlich, das nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthält. Hierbei ist die rechtliche Situation nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber einem Arbeitgeber, die aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben über den Befund und die Diagnose enthält. Mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen zur Glaubhaftmachung eines Befreiungstatbestands im Hinblick auf die Maskenpflicht soll eine überwiegende Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass Personen aus gesundheitlichen Gründen von der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sind. In derartigen Konstellationen muss die Verwaltung bzw. das Gericht, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbständig zu prüfen. Anders als etwa bei einem Attest zur Befreiung vom Schulbesuch wegen Krankheit sind hier auch Grundrechtspositionen insbesondere von anderen Schülerinnen und Schülern sowie des Schulpersonals – das Recht auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) – betroffen, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trägt. Die Maskenpflicht dient dazu, andere vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Schule im Grundsatz berechtigt, die in einem solchen Attest enthaltenen personenbezogenen Daten der Schülerin oder des Schülers zu verarbeiten. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 85 Abs. 1 BayEUG in Verbindung mit §§ 2 und 18 der 8. BayIfSMV (so ausdrücklich: BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 20 CE 20.2185 – juris, Rn. 19 zur Regelung in der 7. BayIfSMV; so im Ergebnis auch: OVG NRW, B.v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris; OVG NRW, B.v. 7.10.2020 – 13 B 1370/20; VG Würzburg, B.v. 22.10.2020 – W 8 E 20.1564; VG Würzburg, B.v. 16.9.2020 – W 8 E 20.1301 – juris; VG Neustadt (Weinstraße), B.v. 10.9.2020 – 5 L 757/20.NW).
Konkret und nachvollziehbar sind die Angaben in der ärztlichen Bescheinigung, wenn neben dem vollständigen Namen und dem Geburtsdatum aus dem Attest hervorgeht, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, müssen diese konkret bezeichnet werden. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (vgl. Sächsische Landesärztekammer: Inhaltliche Vorgaben für ein ärztliches Attest, 9.11.2020, abrufbar unter: https://www…de/de/04/pressemitteilungen/2020/inhaltliche-vorgaben-fuer-ein-aerztliches-attest.php).
Ein diesen Anforderungen entsprechendes ärztliches Attest hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt vorgelegt.
Das ärztliche Zeugnis vom 9.11.2020 von Dr. F … ist völlig ungeeignet, eine Befreiung von der Tragepflicht aus gesundheitlichen Gründen glaubhaft zu machen. Es enthält keine Befundtatsachen und auch keine nachvollziehbare Diagnose, aufgrund derer eine überwiegende Wahrscheinlichkeit belegt wird, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit ist. Das Attest erschöpft sich in der allgemeinen Aussage, dass es für den Antragsteller („o.g. Menschen“) aus gesundheitlichen Gründen ab sofort und zeitlich unbegrenzt nicht möglich oder zumutbar sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Als Diagnose ist „Maskenunverträglichkeit, T59.8, R53“ angegeben. Handschriftlich ist darüber hinaus eingetragen F43.8, G43.8. Es liegt auf der Hand, dass die Bescheinigung, die unverständlicherweise mit „Ärztliches Zeugnis gemäß § 20 Abs. 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG)“ – eine Rechtsnorm die Schutzimpfungen betrifft – überschrieben ist, nicht geeignet ist, zu belegen, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen kann. Dem Attest ist nicht zu entnehmen, worauf die Maskenunverträglichkeit beruht und wie sich diese in gesundheitlicher Hinsicht beim Antragsteller auswirkt. Auch unter Einbeziehung der im Attest angegebenen Codenummern nach ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, englisch: International Statistical Classification of Diseases and Health Problems) lassen sich diesbezüglich keine näheren Erkenntnisse gewinnen. Danach steht T59.8 für „Toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches“ und R53 für „Unwohlsein und Ermüdung“. In welchem kausalen Zusammenhang diese im Kapitel XIX „Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen“ und Kapitel XVIII „Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die andernorts nicht klassifiziert sind“ des ICD-10 aufgelisteten Symptome mit der Verpflichtung, eine Maske zu tragen, stehen, ergibt sich aus der Bescheinigung nicht. Auch bei den handschriftlich eingetragenen ICD-Codes (F43.8: Sonstige Reaktionen auf schwere Belastung; G43.8: Sonstige Migräne) handelt es sich um unspezifizierte Aussagen und Symptome, bei denen ein Zusammenhang mit dem Tragen einer Maske nicht hergestellt werden kann. Die Angaben sind somit nicht hinreichend konkret und nachvollziehbar, weshalb dieses Attest nicht geeignet ist, eine Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft zu machen.
Auffällig ist darüber hinaus, dass es sich bei dem ärztlichen Zeugnis um einen Vordruck zur Befreiung von der Maskenpflicht handelt, den das Gericht in gleicher Form und vom gleichen Arzt bereits aus anderen Verfahren kennt. Für das Gericht ergibt sich somit der Eindruck, dass ein entsprechendes ärztliches Zeugnis regelmäßig und ohne nähere Prüfung ausgestellt wird. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass die Schülerinnen und Schüler, die entsprechende formularmäßigen Atteste in anderen Verfahren vorgelegt haben, in unterschiedlichen Regionen in der Oberpfalz und Niederbayern leben und zum Teil auch in beträchtlicher Entfernung zur Praxis des Arztes.
Auch aus dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Attest ergibt sich nichts Anderes. Hier wird nunmehr zwar erstmals ausgeführt, dass bezüglich des Antragstellers am 1.8.2020 eine Erstuntersuchung stattgefunden habe und dass aufgrund einer Untersuchung am 9.11.2020 das Attest erstellt worden sei. Merkwürdig ist insoweit aber, dass das Attest vom 9.11.2020 offenbar aufgrund derselben Untersuchungen ausgestellt wurde, aber wesentlich weniger Symptome und Diagnosen auflistet als das spätere Attest vom 23.11.2020. Auch insoweit verhärtet sich der Eindruck, dass der die Atteste ausstellende Arzt das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung generell als kritisch ansieht und Atteste ohne Betrachtung des Einzelfalls und der sich für jeden Patienten differenziert darstellenden medizinischen Besonderheiten erstellt.
Nach dem nunmehr vorliegenden Attest stelle sich ein Unwohlsein und eine Ermüdung (R53) bereits nach einer Maskentragedauer von weniger als 2 Minuten ein. Bei längerer Tragedauer würden eine leichte kognitive Störung (F06.7), Kopfschmerzen (R51), Schwindel und Taumel (R4.2), Schlafstörungen (G47.0) und eine vegetative Dysbalance/innere Anspannung (R68.8) hinzukommen. Als maskenbedingte Diagnosen werden akute Belastungsreaktion o.n.A (F43.8), Kopfschmerzen (R51), Unwohlsein und Ermüdung (R53), Schwindel (R42), Schlafstörungen als Ein- und Durchschlafstörungen (G47.0) sowie vegetative Dysbalance/innere Anspannung (R68.8) genannt. Als Vorerkrankungen werden eine akute Belastungsreaktion o.n.A (F43.8), Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (F82.9G), eine emotionale Störung mit Ängstlichkeit (F93.8Z), eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0G), LRS (F81.0A) eine Schlafstörung in Form von Ein- und Durchschlafstörungen (G47.0) sowie ein Zustand nach 3-maliger Infektion mit nicht näher bezeichneten Pneumonie Erregern (J18.9) aufgeführt.
Im Ergebnis erschöpft sich das Attest damit in einer Auflistung zahlreicher Symptome sowie Vor- und Grunderkrankungen, ohne dass eine irgendwie geartete Verknüpfung zwischen den Erkrankungen und den Symptomen dargelegt wird. Inwieweit zudem aus den Erkrankungen eine Maskenunverträglichkeit resultieren soll, wird nicht dargelegt. Auch bei den aufgelisteten Symptomen ist unklar, ob diese Resultat der vorliegenden Erkrankungen sind oder ob und warum die Erkrankungen zu einer Massenunverträglichkeit führen, die wiederum weitere Symptome verursacht. Ferner wird in dem Attest nicht dargelegt, wie die aufgelisteten maskenbedingten Symptome ermittelt worden sind. So erscheint es wenig überzeugend, dass durch eine Untersuchung des Antragstellers am 9.11.2020, die offenbar in der Praxis des Arztes stattgefunden hat, maskenbedingte Ein- und Durchschlafstörungen festgestellt werden konnten. Hier erscheint es allenfalls plausibel, dass der Antragsteller bei der Untersuchung von derartigen Störungen berichtet hat. Dadurch ergibt sich jedoch noch keine Kausalität zwischen dem Tragen einer Maske und den Schlafstörungen. Insoweit muss man Ausführungen im Attest erwarten.
Ferner lässt das Attest offen, warum – wie im Attest ausgeführt – aufgrund der aufgelisteten Grunderkrankungen im psycho-emotionalen Bereich und darüber hinaus den schwerwiegenden Störungen wie ADS und LRS zu befürchten sein soll, dass der Antragsteller schulunfähig werden sollte, wenn er eine Maske tragen muss. Nicht erkennbar und nicht nachvollziehbar ist etwa ein möglicher Zusammenhang zwischen einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) und einer Maskenunverträglichkeit. Umso mehr gilt dies für die beim Antragsteller vorliegende Lese- und Rechtschreibstörung (LRS). Dass aufgrund einer derartige Störung das Tragen einer Maske nicht möglich oder unzumutbar ist, ist für das Gericht nicht plausibel. Sollten derartige Kausalzusammenhänge bestehen, so ist es Aufgabe des Arztes, diese darzulegen, damit der den Befreiungstatbestand des § 2 Nr. 2 BayIfSMV Beurteilende, der in den meisten Fällen kein Mediziner sein wird, nachvollziehen kann, warum die Erkrankungen eine Befreiung von der Maskenpflicht erfordern.
Nichts anderes ergibt sich im Übrigen auch unter Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Äußerungen des Kinderzentrums St. M … Aus diesen geht im Ergebnis nur hervor, dass der Antragsteller Probleme hat, sich zu konzentrieren. Außerdem wird schwankende Aufmerksamkeit attestiert. Im Übrigen ergibt sich aus den medizinischen Stellungnahmen, dass der Antragsteller schon zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchungen an Schlafstörungen litt, die sich allerdings im Laufe der Zeit verbesserten. Warum nunmehr die Schlafstörungen auf das Tragen einer Maske zurückzuführen sein sollen, bleibt in den Attesten von Dr. F …, die eine Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft machen sollen, offen.
Schließlich sagt auch die eidesstattliche Versicherung der Eltern des Antragstellers nichts aus. Darin versichern die Eltern, dass es ihrem Kind – dem Antragsteller – aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen textilen Schutzvorrichtung sei gesundheitlich kontraindiziert und es sei wissenschaftlich belegbar gesundheitsschädlich, insbesondere da die erhöhte CO₂ Rückatmung Gesundheitsrisiken hervorrufe. Einerseits ergibt sich aus dieser Erklärung der Eltern nicht, worauf diese ihre Erkenntnis stützen, wonach das Tragen einer Maske gesundheitliche Risiken in sich berge. Dass die Eltern fachlich kompetent sind, um derartige Aussagen zu treffen, ist nicht erkennbar und wohl auch nicht der Fall. Im Übrigen kritisieren die Eltern des Antragstellers in der eidesstattlichen Versicherung letztendlich die Maskenpflicht allgemein. Sie berufen sich auf eine vermeintliche Gesundheitsschädlichkeit des Masketragens, also auf einen Umstand, der nicht nur den Antragsteller betrifft, sondern jeden Benutzer eines Mund-Nasen-Schutzes. Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse – lägen Sie denn vor – würden daher allenfalls die allgemein in der 8. BayIfSMV geregelte Maskenpflicht an Schulen und auch an anderen Orten infrage stellen, nicht aber zu einem Ausnahmetatbestand für eine Einzelperson führen. Bereits oben wurde dargestellt, dass gegen die Maskenpflicht im Allgemeinen nicht vor dem Verwaltungsgericht vorgegangen werden kann. Insoweit wäre der Antragsteller auf die Normenkontrolle nach § 47 VwGO vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu verweisen. Auch insoweit könnte dann der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt werden.
Aufgrund der aufgezeigten Unzulänglichkeiten der vorgelegten Unterlagen sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die Person des Erstellers der Atteste vom 9.11.2020 und vom 23.11.2020 kann das Gericht im Eilrechtsschutzverfahren nicht mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ein mögliches Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolgreich sein würde. Vielmehr spricht vieles dafür, dass im Hauptsacheverfahren festgestellt werden würde, dass aufgrund der derzeit vorliegenden Unterlagen nicht glaubhaft gemacht ist, dass der Antragsteller von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Bedeckung befreit ist.
Ein Anordnungsanspruch ist nach alledem nicht glaubhaft gemacht.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG). Dabei hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil durch den Antrag die Hauptsache vorweggenommen wird.

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