Aktenzeichen RO 5 E 21.1912
Leitsatz
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung, im Rahmen derer vorläufig festgestellt werden soll, dass ein Bescheid des Landratsamts Schwandorf, mit dem die Vorlage eines ausreichend begründeten ärztlichen Attests zum Nachweis einer medizinischen Kontraindikation gegen die Masernimpfung bis zum 20.7.2021 verlangt wurde, rechtswidrig gewesen sei. Darüber hinaus begehren sie den Erlass einer weiteren einstweiligen Anordnung, mit der vorläufig festgestellt werden soll, dass ein dem Gesundheitsamt des Landratsamts Schwandorf bereits vorliegendes ärztliches Zeugnis, welches eine medizinische Kontraindikation gegen die Masernschutzimpfung bestätigt, den gesetzlichen Vorgaben entspreche.
Die Antragsteller sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eines 2-jährigen Sohnes, der im Oktober 2020 in einer Kinderkrippe aufgenommen wurde. Die Antragsteller legten dort ein „Ärztliches Zeugnis gemäß Infektionsschutzgesetz § 20 Abs. 6 und § 20 Abs. 8 Satz 4 über eine Freistellung von der Impfpflicht“ vom 14.4.2020 vor. Ausweislich des nicht leserlich unterzeichneten ärztlichen Zeugnisses mit dem Kopf der Privatärztlichen Praxen … wurde der Sohn der Antragsteller heute – also am 14.4.2020 – vom Unterzeichnenden eingehend untersucht. Die Risiko-Nutzen-Abwägung am heutigen Tage habe ergeben, dass o.g. Patient/-in ohne Gefahr für seine/ihre Gesundheit oder sein/ihr Leben nicht geimpft werden könne und aufgrund medizinischer Kontraindikation von der Impfpflicht freizustellen sei. Die Freistellung von Impfung gelte aufgrund medizinischer Kontraindikation für o.g. Person ab sofort und zeitlich unbegrenzt für jede Art von Impfstoff.
Dies teilte die Einrichtungsleitung dem Landratsamts Schwandorf – Gesundheitsamt – auf Rückfrage mit E-Mail vom 24.6.2021 mit. Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt werde dieses Attest von der Einrichtung nicht anerkannt; die Eltern seien schriftlich hierüber in Kenntnis gesetzt und dazu aufgefordert worden, einen Impfnachweis vorzulegen. Daraufhin informierte das Landratsamt Schwandorf – Gesundheitsamt – die Antragsteller mit Schreiben vom 30.6.2021 über das seit 1.3.2020 geltende Masernschutzgesetz, aus dem sich die Verpflichtung zur Vorlage eines Nachweises zum individuellen Masern(impf) schutz vor Eintritt in eine Einrichtung ergebe. Bei der durch die Einrichtung durchgeführten Überprüfung des Impfstatus des Sohnes der Antragsteller seien keine oder nicht eindeutige Nachweise/Bescheinigungen vorgelegt worden. Die Antragsteller würden daher zu einem Beratungsgespräch in das Gesundheitsamt eingeladen. Falls der Impfschutz zwischenzeitlich vervollständigt worden sei, solle ein entsprechender Nachweis bis 11.8.2021 an das Gesundheitsamt Schwandorf weitergeleitet werden. Alternativ könne ein Attest des behandelnden Arztes nach einem beiliegenden Vordruck vorgelegt werden.
Ebenfalls mit Datum vom 30.6.2021 erging ein weiteres Schreiben des Landratsamts Schwandorf – Gesundheitsamt -, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen war, an die Antragsteller. Ein Zustellungsnachweis findet sich in den Akten des Landratsamts nicht. Das Attest vom 14.4.2020 könne nicht als gültiger Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) akzeptiert werden. Die Häufigkeit der vom unterzeichnenden Arzt ausgestellten Atteste übertreffe um ein Vielfaches die Zahl der statistisch zu erwartenden Erkrankungen/Dispositionen, die eine Impfkontraindikation rechtfertigen würden. In Einzelfällen fielen überdies Unstimmigkeiten zwischen Aussagen der Eltern bezüglich des Gesundheitszustands ihres Kindes und dem Inhalt des vorgelegten Attests auf. Zusammenfassend seien die vorliegenden Anhaltspunkte ausreichend für begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vorgelegten Attests. Die Antragsteller würden aufgefordert, bis 20.7.2021 ein neues Attest von einem anderen Arzt vorzulegen. Dieses Attest solle den Zeitraum benennen, wie lange das Kind von dem Arzt ärztlich betreut worden sei, wie lange voraussichtlich eine Impfkontraindikation bestehen werde und gegen welche Art von Impfstoff Kontraindikation vorliege. Zudem werde darauf hingewiesen, dass nach § 73 Abs. 1a Nr. 7c IfSG ordnungswidrig handele, wer entgegen § 20 Abs. 12 Satz 1, auch i.V.m. § 20 Abs. 13 IfSG einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt. Die Nichtvorlage eines weiteren, den genannten Anforderungen entsprechenden Attests trotz Aufforderung könne zumindest als sorgfaltswidrig und damit fahrlässig angesehen werden. Der Antragsgegner wies zudem darauf hin, dass bei Nichtvorlage des angeforderten Nachweises innerhalb der gesetzten Frist ein Betretungsverbot der in § 20 genannten Einrichtungen nach § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG verfügt werden könne.
Der Sohn der Antragsteller wechselte inzwischen von der Krippe in den Kindergarten; auch dort wird das ärztliche Attest nicht anerkannt, weil es nicht eindeutig sei.
Am 3.8.2021 ließen die Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.6.2021 erheben, die unter dem Aktenzeichen RO 5 K 21.1546 geführt wird. Mit Datum vom 21.9.2021 ließen sie um vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO nachsuchen.
Einerseits sei vorläufig festzustellen, dass die Aufforderung im Bescheid vom 30.6.2021, ein weiteres Attest von einem anderen Arzt vorzulegen, rechtswidrig gewesen sei. In der Hauptsache könne eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog erhoben werden. Der Verwaltungsakt habe sich durch Zeitablauf erledigt, da der Forderung des Landratsamts Schwandorf – Gesundheitsamt – bis zum 20.7.2021 nicht mehr Folge geleistet werden könne. Es bestehe für die Antragsteller jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Bescheid rechtswidrig gewesen sei. Die Klage in der Hauptsache sei sogar fristwahrend eingelegt worden, was teilweise gefordert werde. Das berechtigte Interesse ergebe sich aus mehreren Aspekten: Es bestehe konkret Wiederholungsgefahr, da mit einem erneuten Bescheid gerechnet werden müsse. Auch sei die richterliche Feststellung für einen etwaigen Amtshaftungsprozesses von Relevanz. Es sei den Antragstellern außerdem nicht zumutbar, einen Bußgeldbescheid abzuwarten. Der Antrag unter Nr. 1 sei auch begründet. Der Bescheid des Antragsgegners vom 30.6.2021 sei rechtswidrig gewesen und habe die Antragsteller in ihren Rechten verletzt. Das Attest erfülle die gesetzlichen Anforderungen. Die Begründung des Antragsgegners zur Nichtanerkennung sei ungenügend bzw. sogar falsch und sachfremd.
Darüber hinaus sei die vorläufige Feststellung erforderlich, dass das bereits vorliegende Attest der Privatärztlichen Praxen … vom 14.4.2020 ausreichend sei, eine medizinische Kontraindikation gegen eine Masernimpfung nachzuweisen. Dieser Antrag unter Nr. 2 sei zulässig und begründet. Statthaft sei die Feststellungsklage. Die Antragsteller hätten ein ärztliches Attest mit einer ärztlichen Diagnose bezüglich einer Befreiung von der Impfpflicht bezüglich der Masernimpfung vorgelegt. Die Antragsteller hätten gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 IfSG einen Anspruch darauf, dass ihr Sohn aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, also auch an einer weiteren Begutachtung durch einen Zweitarzt, teilnehmen müsse. Ferner hätten sie einen Anspruch darauf, dass im Sinne von § 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG festgestellt werde, dass ihr Kind aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden könne und dass ein ausreichender Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG vorgelegt worden sei, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlägen.
Der Anordnungsgrund ergebe sich jeweils aus der Eilbedürftigkeit einer raschen Entscheidung, damit nicht die negativen Folgen von Bußgeldern und/oder Betretungsverboten eintreten könnten. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache sei keinesfalls zuzumuten.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
1.vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass der Bescheid des Landratsamts Schwandorf – Gesundheitsamt – vom 30.6.2021 rechtswidrig gewesen ist, und
2.vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass das ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 zugunsten von …, geb. …, die gesetzlichen Anforderungen an ein Masernimpfbefreiungsattest bezüglich einer medizinischen Kontraindikation erfüllt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Der Antrag nach § 123 VwGO unter Nr. 1 sei schon unzulässig. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage in der Hauptsache sei ein Antrag nach § 123 VwGO nicht statthaft und denklogisch nicht möglich. Zudem liege ein Feststellungsinteresse aufgrund von Amtshaftung fern. Im Bereich von Ordnungswidrigkeitenverfahren und dem Ausspruch von Betretungsverboten seien eigene Rechtsmittel gegeben und vorrangig zu ergreifen.
Der Antrag nach § 123 VwGO unter Nr. 2 der Antragsschrift sei ebenfalls unzulässig. Die Feststellungsklage sei gegenüber der Anfechtungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär. Auch eine vorbeugende Feststellungsklage sei nicht möglich. Die Anträge seien darüber hinaus unbegründet. Die summarische Prüfung ergebe, dass in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg bestehe. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragsteller ihrer Nachweispflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen seien. Das vorgelegte Attest sei inhaltlich nicht geeignet, um nachzuweisen, dass der Sohn der Antragsteller tatsächlich nicht geimpft werden könne. Darüber hinaus bestehe auch kein Anordnungsgrund.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren sowie im Hauptsacheverfahren (RO 5 K 21.1546) Bezug genommen. Außerdem haben dem Gericht die Akten des Landratsamts Schwandorf vorgelegen.
II.
Die Anträge waren abzulehnen.
1. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, der – wie der Antrag unter Nr. 1 – auf die vorläufige Feststellung gerichtet ist, dass ein erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist unzulässig. Er ist in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft. Eine entsprechende Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil das Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigt, in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden kann. Die aufgrund summarischer Prüfung ergehende einstweilige Anordnung dient der Sicherung eines Rechts oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; sie führt jedoch nicht zu einer rechtskräftigen Klärung einer Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit hinsichtlich eines Verwaltungsaktes. Eine verbindliche Entscheidung über diese Frage trotz zwischenzeitlicher Erledigung der Hauptsache herbeizuführen, ist aber gerade Sinn der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO; sie ist daher nur in einem Hauptsacheverfahren möglich (so BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 10 CE 19.444 – juris, Rn. 8 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 27.1.1995 – 7 VR 16/94 – juris, Rn. 27; BayVGH, B.v. 16.8.2012 – 8 CE 11.2759 – juris, Rn. 19; OVG NW, B.v. 15.3.2007 – 18 B 257/07 – juris, Rn. 10; Schoch in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 123 Rn. 36).
2. Der Antrag unter Nr. 2 ist jedenfalls unbegründet.
a) Zulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund geltend gemacht sind. Diese Voraussetzung entspricht der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO im Hauptsacheverfahren. Die Antragsteller müssen somit schlüssig und plausibel darlegen, dass ihnen der geltend gemachte Anordnungsanspruch zustehen kann. Zudem muss nach dem Vortrag der Antragsteller ein Anordnungsgrund möglich sein (vgl. Schoch/Schneider/Schoch, 40. EL Februar 2021, VwGO § 123, Rn. 107).
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von den Antragstellern vorgelegte ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 einen gültigen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG darstellt. Sie beantragen die Feststellung, dass das ärztliche Zeugnis zugunsten ihres Sohnes die gesetzlichen Anforderungen an ein Masernimpfbefreiungsattest bezüglich einer medizinischen Kontraindikation erfüllt. Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssen unter anderem Personen, die nach dem 31.12.1970 geboren sind und die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nrn. 1 bis 3 IfSG betreut werden, entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen. Zu den genannten Gemeinschaftseinrichtungen gehören Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte (§ 33 Nr. 1 IfSG), die nach § 43 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch erlaubnispflichtige Kindertagespflege (§ 33 Nr. 2 IfSG) sowie Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen (§ 33 Nr. 3 IfSG). Nach § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG besteht ein ausreichender Impfschutz gegen Masern, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Nach § 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG gilt die Impfverpflichtung des § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG jedoch nicht für Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können. Zum Nachweis haben solche Personen gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG der Leitung der jeweiligen Einrichtung ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können. Wird ein (ausreichender) Nachweis nicht vorgelegt, hat die Leitung der Einrichtung nach § 20 Abs. 9 Satz 4 Nr. 1 IfSG unverzüglich das Gesundheitsamt zu informieren. Gegenüber dem Gesundheitsamt ist nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG auf Anforderung ein Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Wird der Nachweis nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt, kann das Gesundheitsamt die betroffene Person gemäß § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Wird trotz der Anforderung nach Satz 1 kein Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt, so kann das Gesundheitsamt gemäß § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG untersagen, dass die betreffende Person die Gemeinschaftseinrichtung betritt. Ist die nach den Absätzen 9 bis 12 verpflichtete Person minderjährig, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht.
Jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geht das Gericht mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die soeben skizzierten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes nicht derart offensichtlich verfassungswidrig sind, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht käme (so BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris, Rn. 10), zumal auch die Antragsteller hierzu nichts vorgetragen haben.
Gegenstand der Feststellungsklage kann nur ein zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein (BVerwG, U.v. 8.6.1962 – VII C 78.61 – BayVBl. 1962, 381; U.v. 28.5.2014 – 6 A 1.13 – juris, Rn. 21 m.w.N.). Damit setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass zwischen den Parteien des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (BVerwG, U.v. 23.1.1992 – 3 C 50.89 – juris, Rn. 30 f.).
Demnach besteht zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Den Antragstellern steht die Personensorge für ihren Sohn gemeinsam zu, die Pflichten nach § 20 Abs. 9 bis 12 IfSG treffen demnach die Antragsteller. Zwischen den Beteiligten besteht ein Meinungsstreit, aus dem heraus sich der Antragsgegner berühmt, von den Antragstellern die Vorlage eines Masernschutznachweises zu verlangen, da das seitens der Antragsteller bisher vorgelegte ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 vom Antragsgegner als nicht ausreichend erachtet wird.
Für eine vorbeugende Feststellungsklage bedarf es eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich zu verneinen, solange der Antragsteller in zumutbarer Weise auf den von der VwGO im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Nicht zugemutet werden kann ein Zuwarten dagegen, wenn die Gefahr irreversibler Fakten oder nicht wiedergutzumachender Nachteile besteht (Schoch/Schneider/Schoch, 39. EL Juli 2020, VwGO § 123 Rn.45 f.; Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 123 Rn.37). Den Antragstellern ist es zuzumuten, den Erlass eines Verwaltungsaktes, durch den ein Betretungsverbot für den Sohn der Antragsteller angeordnet wird, abzuwarten und gegen dieses Verbot rechtliche Schritte einzuleiten. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis kann sich aber daraus ergeben, dass den Antragstellern konkret ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht. Wegen des entsprechenden Hinweises im Bescheid vom 30.6.2021 ist es nachvollziehbar, dass die Antragsteller bei Nichtvorlage eines weiteren ärztlichen Attests oder eines sonstigen Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens befürchten. Deswegen könnte hier unter Verweis auf die sog. „Damokles-Rechtsprechung“ (vgl. BVerwG, U.v. 23.1.2992 – 3 C 50.89 – juris, Rn. 29 ff. insb.33) ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen sein. Letztendlich kommt es hierauf aber nicht an, so dass die Frage dahinstehen kann.
b) Der Antrag unter Nr. 2 ist nämlich unbegründet. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Das vorliegende ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 ist nicht geeignet, eine medizinische Kontraindikation nachzuweisen. Zu den Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 7.7.2021 (25 CS 21.1651 – juris, Rn. 14) Folgendes aus:
„Das ärztliche Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG darf sich nicht damit begnügen, den Gesetzeswortlaut zum Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu wiederholen. Es muss vielmehr wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen (SächsOVG, B.v. 5.5.2021 – 3 B 411/20 – juris Rn. 21 ff.; VG Meiningen, B.v. 10.11.2020 – 2 E 1144/20 – juris Rn. 26 f.; Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 50; a.A. ohne Begründung Aligbe, ARP 2020, 227, 228). Hierfür sprechen neben dem Zweck der Regelung, eine ausreichend hohe Impfquote zu erreichen und hierfür u.a. dem Gesundheitsamt eine Grundlage für das weitere Vorgehen (z.B. in einem Beratungsgespräch nach § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG) zu geben, auch systematische Erwägungen, denn das IfSG unterscheidet auch an anderer Stelle die schlichte Bescheinigung vom Nachweis durch ein ärztliches Zeugnis (vgl. etwa § 43 Abs. 1 Satz 2 IfSG).“
Gemessen an diesen Anforderungen liegt es auf der Hand, dass das ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 nicht geeignet ist, für den Sohn der Antragsteller eine medizinische Kontraindikation gegen eine Masernschutzimpfung nachzuweisen. Bei dem vorliegenden ärztlichen Zeugnis handelt es sich um ein Formblatt, in das lediglich der Name des Patienten, dessen Geburtsdatum und dessen Adresse eingetragen sind. Letztendlich wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, wonach eine Kontraindikation bestehe. Eine irgendwie geartete und nachvollziehbare Begründung für diese Kontraindikation wird nicht gegeben, sodass es dem Gesundheitsamt nicht möglich ist, das Zeugnis auf seine Plausibilität hin zu überprüfen (ausführlich zu den Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG: VG Ansbach, B.v. 28.5.2021 – AN 18 S 21. 00932 – juris, Rn. 22 ff.).
Nach alledem waren die Anträge mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt auf der Homepage des BVerwG). Das Gericht geht davon aus, dass in der Hauptsache der Regelstreitwert anzusetzen wäre. Beide Anträge sind letztendlich auf das gleiche Ziel gerichtet, nämlich auf die Feststellung, dass das ärztliche Zeugnis vom 14.4.2020 ausreichend ist, eine medizinische Kontraindikation gegen die Masernimpfung nachzuweisen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich die Hälfte des Hauptsachestreitwerts anzusetzen. Da durch die beantragten einstweiligen Anordnungen die Hauptsache vorweggenommen worden wäre, hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Streitwert auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Höhe des Hauptsachestreitwerts anzuheben.