Medizinrecht

Asyl – Verfolgung als Christin in Vietnam

Aktenzeichen  AN 6 K 17.32759

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143073
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

1 Ein missionarisch auftretender Christ, der behauptet, seinen Glauben im Heimatland weiterverbreitet zu haben, muss sich zu den Inhalten dieses Glaubens differenzierter äußern und nicht nur sehr vage und oberflächlich Aspekte des christlich-evangelischen Glaubens nennen können. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Um eine Beurteilung zu ermöglichen, ob tatsächlich eine politische Verfolgung vorliegt, ist es erforderlich, dass die Klägerin die Situation, in der sie körperlich misshandelt worden sein will, so genau darstellt, dass ausgeschlossen werden kann, dass etwa die Klägerin selbst Anlass dazu gegeben hat, dass die Polizei gegen sie eingeschritten ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Beweisantrag, der ausforschen soll, ob eine Erkrankung vorliegt, obwohl die Klägerin dies durch Vorlage entsprechender Atteste, soweit die Erkrankung ärztliche Behandlung nötig gemacht hat, hätte nachweisen können, ist abzulehnen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Unerlaubter Aufenthalt im Ausland steht zwar grundsätzlich in Vietnam unter Strafe, jedoch werden die Vorschrift von den vietnamesischen Behörden bei der Rückkehr illegal nach Deutschland Ausgereister nicht mehr angewendet. Dem Auswärtigen Amt sind keinerlei entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern bekannt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Das Gericht konnte auch in Abwesenheit der Beklagten verhandeln und entscheiden, da mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage richtet sich gegen Ziffer 1 und Ziffern 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. April 2017. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Der Klägerin ist es im Verfahren nicht gelungen, die von ihr behauptete Verfolgung in ihrer Heimat als Christin glaubhaft zu machen und es liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aufgrund einer psychischen Erkrankung bei einer Rückführung in ihre Heimat einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sein könnte.
Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling setzt grundsätzlich voraus, dass die verfolgungsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen sind. Da angesichts der sachtypischen Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis von Umständen verbunden sind, die sich im Ausland zugetragen haben, solche Nachweise häufig schwer oder oft auch unmöglich zu erbringen sind, lässt die Rechtsprechung zum Nachweis solcher Ereignisse einen Nachweis minderen Grades im Sinne einer Glaubhaftmachung genügen. Als wesentliche Voraussetzung für eine solche Glaubhaftmachung ist aber von Seiten des Schutzsuchenden jedenfalls bezüglich derjenigen Umstände, die seinen eigenen Lebensbereich betreffen, ein sub-stantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier und nicht wechselnder Tatsachenvortrag zu fordern, wobei die Glaubhaftmachung gerade auch an widersprüchlichen Angaben scheitern oder bei erheblichen Widersprüchen im Sachvortrag nur bei einer überzeugenden Auflösung der Widersprüche bejaht werden kann. Das Gericht darf dabei allerdings keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und soll keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Der Klägerin ist es insbesondere nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie Christin ist und sich als solche berufen fühlt, andere zu missionieren. Das Gericht tritt hier der Auffassung der Beklagten bei, wonach die Klägerin nur sehr vage und oberflächlich Aspekte des christlichevangelischen Glaubens nennen konnte. Zutreffend weist das Bundesamt darauf hin, dass ein missionarisch auftretender Christ, der also behauptet, seinen Glauben im Heimatland weiterverbreitet zu haben, sich zu den Inhalten dieses Glaubens differenzierter äußern können muss, als dies die Klägerin getan hat. So konnte sie in der mündlichen Verhandlung keine Namen von Jüngern oder Aposteln nennen. Wenn der Bevollmächtigte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass der von der Klägerin genannte Name „Young“ eigentlich den Namen Johannes meine, kann das Gericht dies nicht nachvollziehen.
Auch den von der Klägerin behaupteten Vorfall in dem Ort … wurde nicht glaubhaft gemacht. Trotz Nachfragen lässt es die Klägerin im Dunkeln, weshalb sie weit entfernt von ihrem Heimatort missionarisch tätig gewesen sein soll. Auch die Vorfälle werden bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 3. April 2017 nicht derart detailliert beschrieben, dass es möglich ist, sich ein Bild von den Umständen der Vorfälle zu machen. Die Klägerin gab dazu lediglich an, „die haben angefangen uns festzunehmen und zu schlagen, ihr Arm tue ihr weh, die hätten sie an den Haaren gezogen und sie habe noch einige Narben an den Beinen und Schmerzen an den Armen“. Um dem Gericht eine Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich hier tatsächlich um die behauptete politische Verfolgung handelt, wäre es erforderlich gewesen, dass die Klägerin die Situation, in der sie körperlich misshandelt worden sein will, so genau darzustellen, dass ausgeschlossen werden kann, dass etwa die Klägerin selbst Anlass dazu gegeben hat, dass die Polizei gegen sie eingeschritten ist. Da die Klägerin zudem im Verfahren nicht glaubhaft machen konnte, dass sie Christin ist und missionarisch tätig war, fällt auch die Behauptung, sie sei in … wegen ihrer missionarischen Tätigkeit als evangelische Christin misshandelt worden, in sich zusammen. Die von der Klägerin behaupteten Narben und Verletzungen hätte sie auch im Verfahren nachweisen können, so dass insoweit eine Glaubhaftma-chung nicht in Frage kommt.
Mit Schreiben des Gerichts vom 6. Juli 2017 wurde die Klägerin auch aufgefordert, dem Gericht eine Liste der Ärzte vorzulegen, bei denen sie seit ihrer Einreise in Deutschland in Behandlung war und entsprechende ärztliche Atteste zu übersenden. Diese Aufforderung war befristet bis zur ersten mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2017. Jedoch hat die Klägerin weder bis zum Ablauf der Frist noch später derartige Nachweise vorgelegt.
Das Gericht sieht daher auch keinerlei Anlass durch medizinische Untersuchungen der Klägerin herauszufinden, ob Erkrankungen bei ihr vorliegen. Es handelt sich dabei um einen Beweisantrag, der ausforschen soll, ob eine Erkrankung vorliegt, obwohl die Klägerin dies durch Vorlage entsprechender Atteste, soweit die Erkrankung ärztliche Behandlung nötig gemacht hat, hätte nachweisen können. Dies hat die Klägerin jedoch unterlassen.
Aus dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2017 hat das Gericht auch keinerlei Anlass von sich aus anzunehmen, dass die Klägerin an einer psychischen Erkrankung leidet. Die im Verfahren anlässlich ihrer Schwangerschaft und Entbindung vorgelegten ärztlichen Unterlagen sind erkennbar auf die Schwangerschaft und Geburt bezogen, so dass daraus keine Schlüsse auf ihren sonstigen Gesundheitszustand abgeleitet werden können.
Der Beweisantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 18. Mai 2017 wird vom Gericht als Beweisermittlungs- oder Beweisausforschungsantrag angesehen, der zum Ziel hat, erst durch die Beweiserhebung die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufzudecken. Die Aufklärungspflicht des Gerichts findet jedoch dort seine Grenze, wo die Beteiligten ihrer aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden prozessualen Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Die Mitwirkungspflicht fordert unter anderem von den Beteiligten, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Der Beweisantrag fordert nicht durch die Einvernahme eines Sachverständigen nachzuweisen, dass eine bestimmte psychische Erkrankung bei der Klägerin vorliegt, sondern hat zum Ziel durch die Einvernahme eines Sachverständigen herauszufinden, ob eine psychische Erkrankung vorliegt.
Mangels glaubhaft gemachter Verfolgungsmaßnahmen ist die Feststellung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen, nicht zu beanstanden.
Das Gericht teilt auch die Auffassung, dass der unerlaubte Aufenthalt der Klägerin im Ausland zwar grundsätzlich in Vietnam unter Strafe steht, jedoch die Vorschrift von den vietnamesischen Behörden bei der Rückkehr illegal nach Deutschland Ausgereister nicht mehr angewendet wird. Auch tatsächlich sind dem Auswärtigen Amt keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern wegen des unerlaubten Aufenthalts im Ausland bekannt geworden. Der Klägerin droht daher eine Verfolgungsmaßnahme wegen des illegalen Verbleibs in Deutschland oder wegen der Beantragung von Asyl nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Auch Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Klägerin, die zuletzt in Vietnam als Verkäuferin gearbeitet hat und auch Handel über das Internet betrieben hat, bei einer Abschiebung nach Vietnam nicht in eine existenzbedrohende Lage kommen wird. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen und auf die ausführliche Begründung des Bescheides vom 6. April 2017 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ermessensfehler bei der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Klägerin eine in Nürnberg lebende Tante habe. Da die Klägerin im Verfahren angibt, dass sie den Kindsvater nur mit dem Vornamen kenne und eine Adresse oder Telefonnummer nicht zur Verfügung steht, durfte die Beklagte diesen Gesichtspunkt bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes außer Acht lassen.
Die Klage ist daher abzuweisen, die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

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