Aktenzeichen S 11 R 311/15
AVG § 7 Abs. 2
SGG § 87, § 90, § 105, § 193
SGB X § 34
Leitsatz
Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 231 Abs. 1 S. 1 SGB VI); Arbeitgeberwechsel; Rückkehr zum früheren Arbeitgeber.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.10.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist für die Tätigkeit bei der D. Bank AG nicht von der Versicherungspflicht befreit.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 01.03.1989 als Rechtsanwalt aufgrund der Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht befreit. Diese Befreiung gilt jedoch nicht für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit. Der in § 7 Abs. 2 AVG enthaltene Befreiungstatbestand ist nach Aufhebung des AVG in § 6 SGB VI geregelt. Für die Befreiungen, die nach dieser Vorschrift ausgesprochen wurden, schreibt§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI vor, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt ist. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Rechtsanwalt bei der jetzigen Arbeitgeberin tätig zu sein. Da die Befreiung entgegen der Auffassung des Klägers nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen erfolgte und erfolgt, musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden (vgl. hierzu auch LSG Berlin Bandenburg vom 04.09.2013, L 1 KR 125/12 mit weiteren Nachweisen).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05.12.2017 (B 12 KR 11/15 R) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Befreiungsbescheide jeweils mit dem Wechsel in der Beschäftigung ihre Wirkung verloren. Das BSG führt in o.g. Urteil weiter aus, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung abstellt, wobei eine „andere Beschäftigung“ schon dann vorliegt, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird.
Der Kläger hatte 1989 eine Befreiung von der Versicherungspflicht für seine Tätigkeiten in der Rechtsanwaltskanzlei E. in E-Stadt erhalten. Die Tätigkeit bei der D. Bank AG ist daher eine „andere Beschäftigung“. Durch den Wechsel der Tätigkeiten musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden.
Aus dem Schreiben vom 18.08.1989 ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger für jedwede Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit ist. Insoweit kann aus diesem Schreiben kein Vertrauensschutz abgeleitet werden.
Das Schreiben vom 18.08.1989 enthält auch keine Zusicherung i.S. des § 34 SGB X. Vielmehr wird der Kläger zur Klärung seiner Frage, ob er als freier Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei der Versicherungspflicht unterliegt, an die zuständige Einzugsstelle verwiesen. I.ü. gibt die Beklagte im Schreiben vom 18.08.1989 lediglich die Gesetzeslage wieder; es erfolgt jedoch gerade keine Subsumtion und Beantwortung der Frage, ob weiterhin Versicherungspflicht als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei bestünde.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Der Kläger ist nicht aufgrund seiner Beschäftigung bei der D. Bank AG Pflichtmitglied in der berufsständigen Versorgungeinrichtung.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten und auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich Kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Anwalt dort beschäftigt zu sein. Für sogenannte Syndikus-Anwälte hat das BSG mit Urteil vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R) klargestellt, dass selbst Syndikus-Anwälte bei nichtanwaltlicher Arbeitgebern nicht gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden können.
Der Kläger genießt auch keinen Vertrauensschutz im Rahmen des § 231 SGB VI. Der Kläger ist nicht nach § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit. Auch bezieht sich – wie oben ausgeführt – der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht auf die jetzige Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für den in § 231 SGB VI normierten Vertrauensschutz nicht erfüllt sind.
Im Übrigen würde es sich bei der Prüfung, inwieweit gemäß § 231 Abs. 4 b, c SGB VI rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit werden kann, um eine neues Verwaltungsverfahren handeln, welches zunächst von den zuständigen Rechtsträgern durchgeführt werden müsste (vgl. LSG Sachsen vom 06.09.2016, L 4 R 391/15, LSG Baden-Württemberg vom 20.07.2017, L 1 R 3495/15).
Da der Kläger weder durch den Bescheid der Beklagten vom 01.03.1989 dauerhaft und unwiderruflich von der Versicherungspflicht für jedwede Tätigkeit befreit ist, noch der Kläger gemäß § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht als Beschäftigter bei der D. Bank AG befreit werden kann, waren sowohl der Antrag als auch der Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Ihre Kosten waren daher nicht zu erstatten.