Aktenzeichen Au 9 E 20.715
2. BayIfSMV § 2 Abs. 4
2. BayIfSMV § 2 Abs. 5
GG Art. 3, Art. 12
BayV Art. 118
BauNVO § 11 Abs. 3
BayBO Art. 2 Abs. 4 Nr. 4
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie berechtigt ist, ihr in … gelegenes Textileinzelhandelsgeschäft mit einer auf 800 m² abgetrennten Verkaufsfläche für den Publikumsverkehr zu öffnen.
Die Antragstellerin betreibt auf dem Gebiet der Antragsgegnerin die Filiale eines Textileinzelhandelsgeschäfts mit einer Verkaufsfläche von ca. 5.700 m². Dieses Ladengeschäft ist infolge der bislang ergangen Regelungen zur Ausbreitung der Corona-Pandemie seit dem 18. März 2020 geschlossen.
Nach der zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art untersagt. Nach Satz 2 des § 2 Abs. 4 der 2. BayIfSMV sind hiervon ausgenommen, der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel. § 2 Abs. 5 der 2. BayIfSMV bestimmt abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels, wenn deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m² nicht überschreiten (Nr. 1) und der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m² Verkaufsfläche. § 10 der 2. BayIfSMV bestimmt weiter, dass die Verordnung am 20. April 2020 in Kraft und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft tritt (Satz 1). Nach § 10 Satz 2 der 2. BayIfSMV treten abweichend von Satz 1 §§ 2 Abs. 4 Satz 4, 2 Abs. 5, § 4 Satz 2 und 3 am 27. April 2020 in Kraft.
Mit Schriftsatz vom 23. April 2020 beantragte die Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO):
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass § 2 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 der zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 und andere, auf deren Basis erlassene Rechtsvorschriften den Betrieb eines Textilhandelsgeschäftes in den in der,, gelegenen Geschäftsräumen der Antragstellerin zu den jeweils geltenden Ladenöffnungszeiten für den Publikumsverkehr ab dem 27. April 2020 nicht entgegen stehen, sofern sie die Verkaufsfläche wirksam auf 800 m² begrenzt und die jeweils geltenden Vorgaben zur Zutrittssteuerung, Vermeidung von Warteschlangen und zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragstellerin bereits am 15. April 2020 in allen ihren Häusern eine Fläche von 800 m² mit Kassenzone abgetrennt habe und dies durch Foto und E-Mail dokumentiert habe. Am 20. April 2020 habe die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass eine Teilöffnung nach Absperrung nicht möglich sei. In dem vorliegenden Verfahren wende sich die Antragstellerin gegen das behördliche Bestreiten der Möglichkeit, eine Verkaufsfläche von 800 m² zu eröffnen. Die Antragstellerin werde durch die Auslegung der 2. BayIfSMV, wonach eine Verkleinerung der Fläche nicht zu einer Zulässigkeit der Öffnung dieser begrenzten Fläche führe, in ihren Grundrechten aus Art. 2, 3, 12 jeweils i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Die „FAQ-Corona-Krise und Wirtschaft“ sei nach eigener Aussage nur Auslegungshinweise, dienten also lediglich der Anwendung durch die Verwaltung. Es handele sich hierbei um keine gegenüber der Antragstellerin wirksamen Rechtsakte, die einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könnten. Jede Betriebsschließung greife per se in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung, die Berufsausübungsfreiheit und die Freiheit der Nutzung des Eigentums ein. Der Eingriff müsse daher notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig sein. Zunächst sei schon die Rechtsgrundlage der Corona-Verordnung in Zweifel zu ziehen. Weder Art. 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch Art. 32 IfSG würden die gegenständlichen Einschränkungen vorsehen. Art. 12 und Art. 14 GG seien durch die genannten Normen ausdrücklich nicht der Einschränkung unterworfen. Hierauf komme es jedoch vorliegend nicht an, da bereits die Zweckmäßigkeit der Verordnung nicht gegeben sei. Die einzige erkennbare Zweckbestimmung, die Verkaufsöffnung so zu begrenzen, dass die Kundenfrequenz auf ein unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes vertretbares Maß begrenzt bleibe, werde durch die Unterscheidung mit Unterschreiten von Geschäften, deren Fläche von vorne herein auf 800 m² begrenzt sei und solchen, bei denen dies zumindest zum Zeitpunkt der Wiederöffnung der Fall sei, nicht berührt. Damit sei eine Auslegung, die keine Flächenverkleinerung als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Öffnung gestatte, unverhältnismäßig. Hinzu komme, dass die Antragstellerin bereits aufgrund personeller und organisatorischer Planung und Ressourcen deutlich besser in der Lage sei, die örtlichen Infektionsschutzvoraussetzungen umzusetzen. Nicht zuletzt führe aber auch der Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung und somit die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu demselben Ergebnis, wenn die Gestattung der Öffnung nur solchen Konkurrenzunternehmen gestattet sei, die mehr oder minder zufällig die festgelegte Quadratmeterzahl nicht überschritten, den übrigen aber eine entsprechende Verkleinerung der Fläche verwehrt bleibe. Das Feststellungsinteresse der Antragstellerin ergebe sich aus der Sichtweise der Antragsgegnerin, die in die Grundrechte der Antragstellerin eingreife und aufgrund derer bei einer Öffnung des reduzierten Ladengeschäftes mit Sanktionen zu rechnen sei. Die Eilbedürftigkeit der Anordnung ergebe sich aus dem stetig fortschreitenden Umsatzverlust und somit einer Unternehmens- und Arbeitsplatzgefährdung. Eine Abwägung der Grundrechtsinteressen der Antragstellerin gegen den behördlich einzig vorbringenswerten Gesundheitsschutz falle eindeutig aus. Die Antragstellerin sei mindestens so gut in der Lage, die entsprechenden Anforderungen der Vorschriften zu erfüllen die Einzelhändler mit einer von vorne herein begrenzten Fläche. Die Vorwegnahme der Hauptsache sei zulässig, da der Antragstellerin andernfalls erhebliche Nachteile entstünden, die in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten oder unzumutbar seien.
Auf den weiteren Vortrag im Antragsschriftsatz vom 23. April 2020 wird ergänzend verwiesen.
Der Antrag wurde der Antragsgegnerin zur Stellungnahme zugeleitet. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
2. Vorliegend ist die mit der Antragstellung begehrte Feststellung, dass die Antragstellerin das von ihr betriebene Textileinzelhandelsgeschäft mit einer auf maximal 800 m² begrenzten Verkaufsfläche dem Publikumsverkehr zugänglich machen kann, einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugänglich.
Die auf bloße Feststellung gerichtete einstweilige Anordnung ist vorliegend ausnahmsweise statthaft, da sich die Frage der Betriebsöffnung unmittelbar nach der 2. BayIfSMV vom 16. April 2020 beurteilt, ohne dass hierzu eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Es liegt auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, da unter den Beteiligten streitig ist, ob die Antragstellerin bei einer Begrenzung ihrer Verkaufsfläche auf 800 m² die Begünstigung in § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 der 2. BayIfSMV für sich in Anspruch nehmen kann. Der Verstoß gegen die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 1 bzw. 2 Abs. 5 der 2. BayIfSMV ist auch nach § 7 Nr. 5 der 2. BayIfSMV bußgeldbewehrt. Danach handelt ordnungswidrig im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 2 Abs. 4 und 5 der 2. BayIfSMV Ladengeschäfte des Einzelhandels öffnet. Im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG ist es der Antragstellerin auch wegen der Bußgeldbewehrung in der 2. BayIfSMV nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung das Geschäft zunächst zu öffnen und erst gegen eine etwaige spätere behördliche Untersagungsverfügung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der hier gestellte Antrag nach § 123 VwGO nicht durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem eventuellen Normenkontrollverfahren gegen die Verordnung selbst ausgeschlossen.
3. Der Antrag erweist sich jedoch als unbegründet.
a) Zwar liegt zugunsten der Antragstellerin ein Anordnungsgrund vor. Dieser ist darin zu sehen, dass die fortdauernde Betriebsschließung ihres Textileinzelhandelsgeschäfts einen massiven Eingriff in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit darstellt und mit gravierenden finanziellen Einbußen verbunden ist. Auch hat die Antragstellerin plausibel auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen verwiesen. Die Eilbedürftigkeit wurde damit ausreichend dargelegt.
b) Es wurde jedoch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin, die nach ihren eigenen Angaben im Bereich der Antragsgegnerin ein Textileinzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche von etwa 5.700 m² betreibt, ist nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt, die Regelung des § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV für sich in Anspruch zu nehmen, wonach abweichend von § 2 Abs. 4 Satz 1 und 5 der 2. BayIfSMV die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig ist, wenn deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m² nicht überschreiten. Nichts Anderes gilt für den Fall, dass die Antragstellerin durch eigene Abgrenzungsmaßnahmen ihre Verkaufsfläche auf unter 800 m² reduziert. Der Inanspruchnahme der Begünstigung des § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV stehen bereits der Wortlaut in § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2.BayIfSMV, aber auch nach der Intention des Verordnungsgebers zwingende Gründe des Infektionsschutzes entgegen.
Die Inanspruchnahme der begehrten Begünstigung ist bereits nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 5 Nr. 1 2.BayIfSMV ausgeschlossen. Dieser spricht von „Verkaufsräumen“ der jeweiligen Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels und stellt damit auf deren abstrakte, baurechtlich genehmigte Größe vor der Anordnung der Betriebsschließung ab. Dafür spricht auch der vom Normgeber gewählte Anknüpfungspunkt von 800 m², der offensichtlich aus dem Baurecht entnommen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass dem einzelnen Gewerbetreibenden hierbei eine individuelle Gestaltung der jeweiligen Verkaufsfläche ermöglicht werden sollte, finden sich nicht. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass auch größere Geschäfte ihre Verkaufsfläche reduzieren können, so wäre zu erwarten gewesen, dass er dies explizit deutlich macht.
Eine derartige Auslegung, wie sie die Antragstellerin begehrt, würde auch gegen die erkennbare Intention des Verordnungsgebers beim Normerlass verstoßen. Die Entscheidung des Verordnungsgebers, eine weitergehende Öffnung von Einzelhandelsgeschäften bis zu einer festgelegten Obergrenze der Verkaufsfläche (800 m²) zuzulassen, beruht auf einer Abwägung zwischen den Versorgungsinteressen der Bevölkerung und den auch grundrechtlich geschützten Interessen des Einzelhandels an einer Wiedereröffnung auf der einen Seite und der weiteren notwendigen Begrenzung des Risikos einer Ausweitung des Infektionsgeschehens auf der anderen Seite. Im Rahmen einer solchen Abwägung ist es dem Verordnungsgeber unbenommen, im Wege einer pauschalierenden und typisierenden Betrachtung, wie sie im Rahmen einer Rechtsverordnung üblich ist, zu berücksichtigen, dass Groß- und Einzelhandelsunternehmen typischerweise in höherem Maße alternative Betriebswege und finanzielle Reserven zur Verfügung stehen als kleineren Betrieben. Auch kann berücksichtigt werden, dass von derartigen Betrieben – wie auch dem der Antragstellerin – eine größere Anziehungskraft für einen größeren Kundenkreis aus einem wiederum größeren räumlichen Einzugsbereich ausgeht. Dieses führt zu einer Intensivierung von persönlichen Kontakten im Umfeld solcher Geschäfte und lässt damit eine Vergrößerung der infektionsschutzrechtlichen Risiken befürchten.
Nach der im Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung scheint nach Auffassung der Kammer auch die Anknüpfung an eine Fläche von 800 m² bezogen auf den baurechtlich genehmigten Verkaufsraum mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG, Art. 118 BV) vereinbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unangemessen zu sein. Die in der 2. BayIfSMV gewählte Begrenzung auf einen Verkaufsraum von 800 m² ist an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 14.04 – BVerwGE 124, 376; BVerwG, B.v. 16.7.2019 – 4 B 9/19 – NVwZ 2020, 83) angelehnt worden. Nach dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass für Betriebe jenseits dieser Größenordnung besondere Anforderungen in raumordnerischer bzw. städtebaulicher Hinsicht bestehen, da diese eine hohe Anziehungskraft auf Kunden ausüben. Dieser Ansatz lässt sich auf das Infektionsschutzgesetz und die hierzu erlassenen Verordnungen übertragen. Des Weiteren kann auf Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 Bayerische Bauordnung (BayBO) verwiesen werden, wonach Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Fläche von insgesamt mehr als 800 m² haben, als Sonderbau mit den hieraus folgenden Besonderheiten zu behandeln sind.
Nach dem Willen des Verordnungsgebers ist es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht ausgeschlossen, dass das einzelne Unternehmen, dessen Verkaufsräume 800 m² (abstrakt) überschreiten – wie bei der Antragstellerin – durch organisatorische Maßnahmen die Verkaufsfläche derart reduziert, dass es die Begünstigung des § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV für sich in Anspruch nehmen kann. Die Sicht des Normgebers, dass eine derartige Maßnahme die Anziehungskraft eines originär großflächigen Einzelhandelsbetriebes im Sinne von § 11 BauNVO bzw. Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 BayBO nicht signifikant verringern würde, ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Anders als das VG Sigmaringen in seiner Entscheidung vom 21. April 2020 (Az. 14 K 1360/20) annimmt, trägt nach Auffassung des Verordnungsgebers nämlich auch das Warenangebot des jeweiligen Ladengeschäfts maßgeblich zur Attraktivität und somit zur Sogwirkung des jeweiligen Einzelhandelsbetriebs bei. Diese Sogwirkung entfällt nicht dadurch, dass Verkaufsflächen lediglich beschränkt werden, da bereits der in der Regel marktbekannte Name von Unternehmen dieser Größenordnung Kunden weit mehr anzieht, als dies bei originär kleineren Einzelhandelsbetrieben der Fall ist. Eine größere Verkaufsfläche korreliert unter normalen Umständen regelmäßig auch mit der Breite und Vielfalt des jeweils vorgehaltenen Warensortiments. Bei Reduzierung der Verkaufsfläche auf 800 m² führt nicht zwangsläufig dazu, dass die betroffenen Einzelhandelsbetriebe auch ihr Warenangebot entsprechend reduzieren. Vielmehr ist anzunehmen, dass bei einer Beschränkung der Verkaufsfläche auf engerem Raum nahezu dasselbe Sortiment lediglich in geringerer Stückzahl angeboten wird. Damit würde aber gerade die vom Verordnungsgeber bezweckte Reduzierung der Attraktivität und der Verringerung der Anziehungskraft größerer Einzelhandelsbetriebe unterlaufen werden. Diese sachlichen Erwägungen des Normgebers zu der von ihm gewählten differenzierenden Betrachtung bleiben gerichtlich unbeanstandet.
Aus den sachgerechten Erwägungen des Normgebers ergibt sich, dass zugunsten der Antragstellerin kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3, 19 Abs. 3 GG vorliegt. Die vom Verordnungsgeber gewählte Differenzierung ist jedenfalls nicht willkürlich, sondern von sachlichen Argumenten getragen. Ob diese Einschätzungen des Verordnungsgebers zum künftigen Kundenverhalten letztlich zutreffend sind, ist einer darüber hinaus gehenden gerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Insoweit kommt dem Verordnungsgeber eine Einschätzungsprärogative zu, von der er vorliegend zumindest sachgerecht Gebrauch gemacht hat.
Auf etwaige abweichende Regelungen in anderen Bundesländern kann vorliegend nicht zurückgegriffen werden, da einerseits unterschiedliche Strategien in den Ländern verfolgt werden können, andererseits das Infektionsgeschehen auch nicht identisch ist.
Ein Verstoß gegen Art. 12 GG liegt im Ergebnis nicht vor, da Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit zwar nur im Interesse des Gemeinwohls und nur zur Lösung solcher Sachaufgaben vorgenommen werden dürfen, die ein Tätigwerden des Normgebers überhaupt zu rechtfertigen vermögen und der Wertordnung des Grundgesetzes nicht widersprechen. Vorliegend rechtfertigen jedoch die vom Verordnungsgeber angeführten Ziele des Infektionsschutzgesetzes – Eindämmung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie – eine die Berufsfreiheit einschränkende Regelung. Die mit der Verordnung verbundene Einschränkung für den großflächigen Einzelhandel erscheint im Hinblick auf die Schutzrichtung der Verordnung als noch verhältnismäßig. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit gilt es auch zu berücksichtigen, dass die 2. BayIfSMV zeitlich befristet ist (§ 10 der 2. BayIfSMV). Deshalb hat nach Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung eine neue Risikoabschätzung zu erfolgen, die der dynamischen Entwicklung der Erkrankung Rechnung trägt. Auch ein Verstoß gegen das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) liegt nicht vor, da die von der Antragstellerin als verletzt angeführten Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG bereits nicht hierunter fallen.
Schließlich lässt sich die von der Antragstellerin begehrte Feststellung auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung begründen. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren bzw. geäußerten Willen des Normgebers in Widerspruch treten würde. Andernfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Normgebers vorgreifen oder diese unterlaufen (vgl. BVerfG, B.v. 31.10.2016 – 1 BvR 871/13 – juris Rn. 34). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts seine eigenen Vorstellungen zur Möglichkeit der Steuerung des Infektionsgeschehens an die Stelle der rechtspolitischen Entscheidungen des Verordnungsgebers zu setzen.
Folglich fehlt es bereits an einer den Erlass der einstweiligen Anordnung gebietenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Auf die Frage, ob mit der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung eine ausnahmsweise zulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden wäre, kommt es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an.
4. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer hat vorliegend den in der Hauptsache gebotenen Streitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) für geboten erachtet, da sich das gerichtliche Verfahren auf den Eilrechtsschutz beschränkt.