Medizinrecht

Beschränkende Verfügungen im Versammlungsrecht

Aktenzeichen  M 7 K 15.1110

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 7 Nr. 2, Art. 15 Abs. 1
GG GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Art. 8
VwGO VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1 Eine das Feststellungsinteresse im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage begründende Wiederholungsgefahr setzt bei versammlungsbeschränkenden Verfügungen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung voraus sowie das voraussichtliche Festhalten der Behörde an ihrer Rechtsauffassung. Es darf nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden.   (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Versammlung, auf der bei Fackelschein Trommeln geschlagen werden, erfüllt die Voraussetzung für das Militanzverbot des Art. 7 Nr. 2 BayVersG, dass durch die paramilitärische Prägung der Versammlung eine einschüchternde Wirkung entsteht. Das Einschüchterungspotential von Trommeln ist jedoch bei einer stationären Versammlung gering; ein generelles Verbot des Mitführens von Trommeln ist demgemäß nicht verhältnismäßig. Die Begrenzung des Einsatzes von Fackeln auf zwei Fackeln entspricht dagegen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Mitführen von Fahnen auf einer Versammlung fällt neben Art. 8 GG auch unter Art. 5 Abs. 1 GG. Gemessen an diesem Maßstab kann das Mitführen von schwarzen und schwarz-weiß-roten Fahnen sowie Fahnen mit schwarzer Sonne auf einer Versammlung nicht generell verboten werden. (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Rufen von Parolen auf einer Versammlung kann auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, wenn sich die Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergibt. Dies kann bei den Parolen “Wir sind wieder da” und “Zionisten – Mörder und Faschisten” der Fall sein. Ein Verbot von Parolen und Sprechchören, die generell Assoziationen zu verbotenen Organisationen und Vereinigungen hervorrufen, ist dagegen zu unbestimmt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.
II.
Es wird festgestellt, dass die beschränkenden Verfügungen Nrn. 6.1, 6.2 (soweit im Klammerzusatz schwarze Fahnen, schwarz-weiß-rote und Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ untersagt werden) und 6.4 Satz 4 (soweit Parolen und Sprechchöre verboten sind, die die Assoziation zu verbotenen Organisationen und Vereinigungen hervorrufen) des Bescheides der Landeshauptstadt München vom 27. Februar 2015 rechtwidrig gewesen sind.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Kläger und Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
V.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Indessen begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 36). Hier liegt jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr vor. Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. Dabei reicht auf Seiten des Klägers aus, wenn sein Wille erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004, a. a. O. Rn. 41, 42). Die vom Kläger mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemachte Wiederholungsgefahr hat sich inzwischen sogar realisiert. So hat er für den … August 2015 bei der Beklagten erneut eine stationäre Kundgebung angemeldet und die Beklagte hat mit Ausnahme der Begrenzung der Fackeln gleiche beschränkende Verfügungen erlassen. Die Beklagte hat weiter in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Kläger in Zukunft auch mit einer Beschränkung des Einsatzes von Fackeln rechnen müsse, wenn diese in der Dämmerung/Dunkelheit eingesetzt werden sollten.
Die beschränkenden Verfügungen Nr. 6.1 (generelles Verbot von Trommeln), Nr. 6.2 (soweit schwarze Fahnen, schwarz-weiß-rote und Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ untersagt werden) und Nr. 6.4 Satz 4 (soweit Parolen und Sprechchöre verboten sind, die die Assoziation zu verbotenen Organisationen und Vereinigungen hervorrufen) des Bescheides der Beklagten vom 27. Februar 2015 waren rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Soweit die Beklagte den Einsatz von Fackeln auf 2 Stück begrenzt hat (Nr. 6.3 Satz 1 des Bescheides vom 27.2.2015) und die Parolen „Wir sind wieder da!“ und „Zionisten – Mörder und Faschisten!“ (Aufzählung in Nr. 6.4 Satz 2 des Bescheides vom 27.2.2015) untersagt waren, waren diese Beschränkungen rechtmäßig. Die Klage war insoweit abzuweisen.
Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 u. a. – juris Rn. 39 ff.). Dabei wird den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung gewährleistet (vgl. BVerfG, B. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u. a. – juris Rn. 61). Ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 15). Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage.
Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010, a. a. O., Rn. 17). Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. Unter „öffentlicher Ordnung“ wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat zurückzutreten, wenn dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Bei der Auslegung und Anwendung versammlungsbeschränkender Gesetze ist die Bedeutung der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u. a. – juris Rn. 77, 79, 80). Nach Art. 7 Nr. 2 BayVersG ist es verboten, an einer öffentlichen oder nicht öffentlichen Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon nach dem äußeren Erscheinungsbild paramilitärisch geprägt wird, sofern dadurch eine einschüchternde Wirkung entsteht. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits vor Erlass dieser gesetzlichen Regelung ausgeführt, dass Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich sind, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Aufmärsche mit paramilitärischen oder sonst wie einschüchternden Begleitumständen werden von Art. 8 GG nicht geschützt (vgl. BVerfG, B. v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01 – juris Rn. 30; v. 5.9.2003 – 1 BvQ 32/03 – juris Rn. 24; v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 23).
Das Verbot von Trommeln, bestimmten Fahnen und die Beschränkung auf den Einsatz von 2 Fackeln hat die Beklagte auf Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Nr. 2 BayVersG gestützt. Dabei lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein generelles Verbot der Trommeln und das Verbot des Mitführens von schwarzen Fahnen, schwarz-weiß-roten Fahnen und Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ nicht vor.
Trommeln und Fackeln, aber auch Fahnen, sind typische Kundgebungsmittel, die unter das Militanzverbot des Art. 7 Nr. 2 BayVersG fallen. Voraussetzung für ein Verbot ist neben der paramilitärischen Prägung der Versammlung, dass hierdurch eine einschüchternde Wirkung entsteht. Die Einschätzung der Beklagten, dass sich durch die geplante Inszenierung des Klägers, mit Trommelschlägen und im Fackelschein auf den Völkermord an den Deutschen und den generell drohenden Volkstod in Deutschland aufmerksam zu machen, ein paramilitärisches Erscheinungsbild und das Gepräge einer nationalsozialistischen Gedenkfeier ergibt, das geeignet ist, bei der Bevölkerung den Schrecken des NS-Regimes wachzurufen und die Angst vor gewaltbereiten Rechtsradikalen zu schüren, ist zutreffend. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet aber, mit Beschränkungen nicht stärker in die Versammlungsfreiheit einzugreifen, als dies zur Abwehr der unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Das Einschüchterungspotential von Trommeln, das insbesondere bei Aufzügen als Marschtaktgeber besteht, ist gering, wenn die Trommeln bei einer stationären Kundgebung zum Einsatz kommen und nur dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf einen Redebeitrag zu lenken. Auch kann die Versammlungsbehörde die Anzahl der Trommeln verringern, den Einsatz der Trommeln zeitlich beschränken sowie die gleichzeitige Verwendung von Trommeln und Fackeln verbieten und damit eine einschüchternde Wirkung verhindern (vgl. BayVGH, U. v. 25.5.2010 – 10 BV 09.1480 – juris Rn. 20). Einer Beschränkung des Einsatzes der Trommeln stand auch nicht entgegen, dass der Kläger in dem kurzen Telefongespräch vor der Versammlung nicht bereit war, von sich aus auf einzelne Kundgebungsmittel zu verzichten. Er hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass er nicht willens sei, die Versammlung ggf. mit beschränkenden Verfügungen durchzuführen. Die Versammlungsbehörde darf ohne konkrete Hinweise nicht davon ausgehen, dem Veranstalter sei hilfsweise nicht auch an einer Versammlung mit eingeschränkt zu verwendenden Kundgabemitteln gelegen (vgl. BVerfG, B. v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01 – juris Rn. 33; BayVGH, U. v. 25.5.2010, a. a. O.). Das generelle Verbot des Mitführens von Trommeln war daher nicht rechtmäßig.
Soweit die Beklagte dem Kläger untersagt hat, schwarze Fahnen, schwarz-weiß-rote und Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ mitzuführen, ist dieses Verbot, das sich auf die Gefahrträchtigkeit des Symbolgehalts der Fahnen bezieht, auch am Maßstab des Art. 5 Abs. 1, 2 GG zu messen. Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen kommt, soweit sie nicht dem Schutze der Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre dient, nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere im Rahmen der Strafgesetze, in Betracht. Ergibt sich die Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung, sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, B. v. 29.3.2002 – 1 BvQ 9/02 – juris Rn. 15; BVerfG, B. v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 20 ff.). Auf den Symbolgehalt von schwarzen Fahnen als Ersatzsymbole für nationalsozialistische Verbote bzw. Identifikationsmerkmale der rechtsextremistischen Szene ist die Beklagte im Bescheid vom 27. Februar 2015 in der Begründung nicht eingegangen, auch in der Klageerwiderung wird dieses Verbot nicht näher erläutert. Nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für das Gefahrenpotential des Mitführens schwarzer Fahnen werden daher nicht angegeben. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 29. März 2002 (a. a. O. Rn. 9) ausgeführt hat, haben schwarze Fahnen keine eindeutig auf den Nationalsozialismus bezogene Symbolik. Tatsächliche Anhaltspunkte für die angenommene einschüchternde Wirkung des Mitführens der Fahnen hat die Beklagte nicht benannt. Soweit in Verbindung mit anderen Kundgebungsmitteln Assoziationen zu nationalsozialistischen Aufmärschen erwachsen, hätte einer Gefahr im Übrigen durch eine Beschränkung der Zahl schwarzer Fahnen begegnet werden können (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 13.2.2012 – 3 L 257/10 – juris Rn. 8).
Auch das Zeigen der schwarz-weiß-roten Fahne ist nicht strafbar, sie ist nicht Kennzeichen einer verbotenen nationalsozialistischen Organisation. Die schwarz-weiß-rote Fahne hat ebenfalls keine eindeutig auf den Nationalsozialismus bezogene Symbolik. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die schwarz-weiß-rote Flagge heute in der politischen Auseinandersetzung nicht vorrangig für einen monarchistischen Gehalt steht, wie der Kläger vortragen lässt, sondern insbesondere vom äußersten rechten Rand des politischen Spektrums verwendet wird, um eine Affinität zum Dritten Reich herzustellen. So wurden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzflagge gemeinsam gehisst, später war Reichs- und Nationalflagge nur die Hakenkreuzflagge mit den Reichsfarben schwarz-weiß-rot (vgl. Schwarz-Weiß-Rot – Wikipedia; VGH BW, B. v. 15.6.2005 – 1 S 2718/04 – juris Rn. 22). Soweit mit dem Zeigen von schwarz-weiß-roten Fahnen in Verbindung mit den Kundgebungsmitteln Trommeln und Fackeln die Erinnerung an Aufmärsche in der NS-Zeit geweckt werden sollte (vgl. BayVGH, B. v. 14.11.2008 – 10 CS 08.3016 – juris Rn.10), wovon die Beklagte ausgeht, ist zu berücksichtigen, dass mit dem Mitführen einzelner Fahnen bei einer stationären Versammlung mit wenigen Versammlungsteilnehmern jedenfalls keine einschüchternde Wirkung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 BayVersG entsteht. Dies mag bei dem Mitführen einer übergroßen Anzahl von Fahnen anders zu beurteilen sein. Ist eine solche Gefahrenlage zu befürchten, kann eine Beschränkung der Zahl der Fahnen in Betracht kommen (vgl. VG Würzburg, U. v. 19.12.2013 – W 5 K 13.265 – juris Rn. 64).
Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass die „schwarze Sonne“ von der Neonazi-szene in Deutschland als Erkennungssymbol verwendet wird, kann hieraus kein Verbot abgeleitet werden. Es ist nicht verboten, sich als Rechtsextremisten zu erkennen zu geben (vgl. BVerfG, B. v. 5.9.2003 – 1 BvQ 32/03 – juris Rn.19 ff.; B. v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 18). Für die Prognose der Beklagten, dass durch das Mitführen von Fahnen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ eine einschüchternde Wirkung entstehe, fehlen nachvollziehbare Anhaltspunkte (vgl. VG Augsburg, U. v. 4.4.2007 – Au 4 K 06.1058 – juris Rn. 51; VG Gießen, B. v. 16.4.2010 – 9 L 867/10 – juris Rn. 12; VG Würzburg, U. v. 21.1.2015 – W 5 K 13.346 – juris Rn. 114).
Hingegen hat die Beklagte die Begrenzung des Einsatzes von Fackeln auf 2 Stück zu Recht auf Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Nr. 2 BayVersG gestützt. Wie das Gericht bereits oben ausgeführt hat, war die geplante Inszenierung des Klägers, mit Trommelschlägen und im Fackelschein auf den Völkermord an den Deutschen und den generell drohenden Volkstod in Deutschland aufmerksam zu machen, geeignet, bei der Bevölkerung den Schrecken des NS-Regimes wachzurufen und die Angst vor gewaltbereiten Rechtsradikalen zu schüren. Insbesondere in der NS-Zeit wurden Fackelzüge zu Propagandazwecken eingesetzt und die Neonazis stellen sich vor allem im Osten Deutschland mit Fackelumzügen in diese Tradition. Auch der Begriff „Volkstod“ stammt aus dem Vokabular der Nationalsozialisten und war die völkische Begründung für die Bevölkerungs- und Rassenpolitik im Dritten Reich. Mit der Begrenzung auf den Einsatz von zwei Fackeln hat die Beklagte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen und die Versammlung nur soweit beschränkt, dass von ihr keine einschüchternde Wirkung mehr ausging. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, abgebrannte Fackeln zu ersetzen, ergibt sich dies nicht aus der angegriffenen Beschränkung in Nr. 6.3 Satz 1 des Bescheides vom 27. Februar 2015. Damit wurde, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, nur der Einsatz von Fackeln beschränkt.
Die Beschränkung hinsichtlich der Parolen und Sprechchöre hat die Beklagte darauf gestützt, dass Bestrebungen, die die nationalsozialistische Diktatur und deren Werteordnung glorifizierten, verharmlosten oder sonst wiederbelebten, für die Mehrheit der Bevölkerung so unerträglich seien, dass sie die öffentliche Ordnung in einem erheblichen Maß auch dann gefährdeten, wenn mit ihnen die Schwelle der Strafbarkeit noch nicht erreicht sei. Sie hat daher in Nr. 6.4 des Bescheides vom 27. Februar 2015 bestimmte Parolen untersagt. Soweit der Kläger mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots der Parolen „Wir sind wieder da!“ und „Zionisten – Mörder und Faschisten“ beantragt, ist dieses Begehren unbegründet. Die Beklagte hat diese Parolen zu Recht untersagt.
Wird der Versammlung verboten, in bestimmter Weise Meinungsinhalte zu artikulieren, so beschränkt dies ihre Möglichkeit, in einer selbst bestimmten Weise an der öffentlichen Meinungsbildung durch gemeinschaftliche Erörterung oder Kundgebung teilzuhaben. Beschränkungen in der Kombination des Inhalts und der versammlungsspezifischen Ausdrucksform von Meinungen betreffen ebenfalls die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und sind auch vor Art. 5 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. Überschreiten die zu erwartenden Meinungsäußerungen nicht die Schwelle der Strafbarkeit – davon geht die Beklagte in Bezug auf die genannten Parolen aus -, so verlieren sie nicht allein wegen rechtsextremistischer Inhalte den Schutz der Art. 5 und Art. 8 GG. Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung sind aber verfassungsrechtlich unbedenklich, als sich die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergibt. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung kann bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Die öffentliche Ordnung kann verletzt sein, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – juris Rn. 20 ff.; B. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 – juris Rn. 14 ff.).
Zur Herkunft der Parole „Wir sind wieder da!“ hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass es sich hier um die Losung der 1972 in den USA gegründeten NSDAP/AO handelt, deren Ziel die Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland ist. Bei dem Verbot der Parole hat die Beklagte nicht auf den Inhalt der Äußerung abgestellt, sondern seine Wirkung im Zusammenhang mit der vom Kläger geplanten Inszenierung beurteilt. Wird mit dem angezeigten Szenario, bei Fackelschein auf den generell drohenden Volkstod in Deutschland aufmerksam zu machen, die Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit wachgerufen, dient ein lautes Skandieren der Parole „Wir sind wieder da!“ dazu, diesen Gesamteindruck zu verstärken und andere Bürger einzuschüchtern. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Einzelnen die Herkunft der Parole geläufig ist. Soweit die Rechtsprechung in Einzelfällen die Parole „Wir sind wieder da!“ für zulässig gehalten hat, folgt dem die Kammer nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Gefahrenprognose nur aufgrund der konkret vorliegenden Umstände erstellt werden kann, zum Teil lag dieser Rechtsprechung schon kein vergleichbarer Sachverhalt vor (vgl. SächsOVG, B. v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 – juris Rn. 28). Ein Skandieren der Parole „Zionisten – Mörder und Faschisten“ erzeugt bereits für sich eine militante, aggressive und fremdenfeindliche Stimmung. Dabei steht das Wort „Zionist“ nicht nur für einen Anhänger des Zionismus, sondern ist im Sprachgebrauch des Antisemitismus ein Codewort für „Jude“ (vgl. Zionist – Wikipedia). Hinzu kommen das Versammlungsthema und die geplante Inszenierung. Die Beklagte ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass diese Parole bei der angezeigten Versammlung die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus und die antisemitischen Pogrome des Dritten Reichs rechtfertigen sollte und geeignet war, eine gewalttätige Stimmung gegen Juden zu erzeugen sowie Bürger im Hinblick auf eine Wiederholung der Geschichte einzuschüchtern.
Soweit in der beschränkenden Verfügung Nr. 6.4 Satz 4 des Bescheides vom 27. Februar 2015 Parolen und Sprechchöre verboten sind, die die Assoziation zu verbotenen Organisationen und Vereinigungen hervorrufen, ist diese Regelung unbestimmt und damit rechtswidrig. Assoziation bedeutet die ursächliche Verknüpfung von Vorstellungen. Die bewusste oder unbewusste Verknüpfung von Gedanken ist dabei nicht einheitlich, sondern geprägt von den Erfahrungen, Erlebnissen und der Lerngeschichte des Einzelnen. Ein vollziehbarer Inhalt der angegriffenen Regelung ist damit nicht gegeben (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 18.5.2010 – 14 K 5459/08 – juris Rn. 159 ff.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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