Aktenzeichen RN 8 K 17.1810
Leitsatz
1. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung richtet sich nach § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG, so dass insoweit anderweitige Anforderungen an die Vorsorge durch die „gute fachliche Praxis“ der landwirtschaftlichen Bodennutzung und deren Grundsätze der „nachhaltigen Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens“ sowie durch die Konkretisierungen aus § 17 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 bis 7 BBodSchG verdrängt werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG enthält keine Befugnisnorm zur Anordnung von vorsorgebezogenen Maßnahmen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, für die behördliche Durchsetzung der Einhaltung der guten fachlichen Praxis eine Ermächtigungsnorm für Anordnungen zu schaffen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 18.9.2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Landratsamtes Passau vom 18.9.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war deshalb aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die vom Landratsamt herangezogene Befugnisnorm in § 10 Abs. 1 BBodSchG trägt die streitgegenständlichen Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 18.9.2017 nicht. Denn die vom Landratsamt in den Ziffern 1 bis 3 vorgegebene Maßgaben für die Bewirtschaftung des Feldstücks mit den Fl-Nrn. 1320, 1325 und 1327 Gemarkung H* … dienen der Einhaltung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft nach § 17 BBodSchG und damit der Vorsorgepflicht und nicht der Gefahrenabwehr. Für Anordnungen zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft im Sinne des § 17 BBodSchG enthält das BBodSchG aber keine Rechtsgrundlage.
Zweck des BBodSchG ist es, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Hierzu sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen (vgl. § 1 Sätze 1 und 2 BBodSchG). Schädliche Bodenveränderungen im Sinne des BBodSchG sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen (vgl. § 2 Abs. 3 BBodSchG).
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 BBodSchG und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 BBodSchG erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten treffen. § 4 BBodSchG enthält Pflichten zur Gefahrenabwehr im Hinblick auf schädliche Bodenveränderungen, § 7 BBodSchG Vorsorgepflichten im Hinblick auf die Entstehung schädlicher Bodenveränderungen. Die aufgrund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 BBodSchG erlassenen Rechtsverordnungen sind hier ersichtlich nicht einschlägig.
Vorliegend dienen die Anordnungen der Erfüllung der Vorsorgepflicht im Hinblick auf die Entstehung schädlicher Bodenveränderungen. § 7 BBodSchG bestimmt zur Vorsorgepflicht, dass der Grundstückseigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück und derjenige, der Verrichtungen auf einem Grundstück durchführt oder durchführen lässt, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen können, verpflichtet sind, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können. Vorsorgemaßnahmen sind geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht. Zur Erfüllung der Vorsorgepflicht sind Bodeneinwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies auch im Hinblick auf den Zweck der Nutzung des Grundstücks verhältnismäßig ist. Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen dürfen nach Satz 4 des § 7 BBodSchG nur getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 BBodSchG festgelegt sind.
Besonderheiten bestehen allerdings für die hier vorliegende landwirtschaftliche Bodennutzung. Nach § 7 Satz 5 BBodSchG richtet sich die Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung nach § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG. Damit werden insoweit anderweitige Anforderungen an die Vorsorge verdrängt durch die „gute fachliche Praxis“ der landwirtschaftlichen Bodennutzung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG und deren Grundsätze der „nachhaltigen Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens“, § 17 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, sowie durch die Konkretisierungen aus § 17 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 BBodSchG (vgl. Verstyl in Verstyl/Sondermann, BBodSchG, Kommentar, 2. Aufl. 2005, Rn. 20 zu § 7 BBodSchG). Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis gehört nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BBodSchG insbesondere auch, dass Bodenabträge durch eine standortangepasste Nutzung, insbesondere durch Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung, möglichst vermieden werden. Um diese Aspekte der Einhaltung der „guten fachlichen Praxis“ der landwirtschaftlichen Bodennutzung zur Vermeidung von Bodenabträgen geht es dem Beklagten hier. Dies ergibt sich u.a. aus den Stellungnahmen des AELF (u.a. vom 16.9.2016) im Verwaltungsverfahren und den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, insbesondere aber auch aus den Erläuterungen der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung hat der vom Landratsamt beigezogene Vertreter des AELF erläutert, dass den Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 des angefochtenen Bescheids die Ermittlung eines zu erwartenden mittleren Bodenabtrags pro Jahr aufgrund bestimmter Faktoren zugrunde liege. Mithilfe eines Rechenprogramms ergebe sich ein durchschnittlicher Bodenabtrag in Tonnen pro Hektar und Jahr, der mit dem sogenannten tolerierbaren Bodenabtrag verglichen werde. Der tolerierbare Bodenabtrag sei abhängig von der Bodenzahl, d.h. von der Qualität des Bodens, nicht aber von weiteren konkreten standortbezogenen Faktoren, wie z. B. der Hangneigung. Der vom AELF ermittelte zu erwartende Bodenabtrag beziehe sich auf mehrere Jahre. Es sei richtig, dass in dem Jahr, in dem eine Reihenkultur angebaut werde, ein höherer Bodenabtrag zu erwarten sei, als in dem Jahr, in dem Wintergetreide angebaut werde. Maßgeblich sei für das AELF aber der mittlere jährliche Wert. Dabei seien nur bis zu zehnjährige Starkregenereignisse in die Bewertung eingeflossen, seltenere Ereignisse dagegen nicht. Die Beurteilung, ob eine gute fachliche Praxis eingehalten werde, bestimme sich danach, ob eben der zu erwartende mittlere Bodenabtrag nicht zu groß sei. Die Verhinderung von Bodenabtrag bei Einzelereignissen sei nicht entscheidend. Konkret bezogen auf die vom AELF vorgeschlagene Bewirtschaftungsweise ergebe sich, dass bei einer entsprechenden Fruchtfolge im zweijährigen Wechsel für die Zukunft auf mehrere Jahre betrachtet ein tolerierbarer Bodenabtrag noch eingehalten werde. Es sei hier entscheidend, dass ein Anteil von Reihenkulturen von 50% nicht überschritten wird.
Daraus ergibt sich, dass es dem Beklagten bei den streitgegenständlichen Anordnungen um die Sicherstellung der „guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft“ im Sinne des § 17 BBodSchG geht und nicht um Gefahrenabwehr. Es geht um die Sicherstellung eines tolerierbaren Bodenabtrages im Rahmen einer Betrachtung über mehrere Jahre und nicht um die Vermeidung hinreichend wahrscheinlicher und erkennbarer konkreter Schadensverläufe in einem zeitlich und räumlich begrenzten Rahmen (vgl. dazu Verstyl, a.a.O., Rn. 17 zu § 4 BBodSchG; Frenz, NuR 2004, 642/647). Der zugrunde gelegte Bodenabtrag ist nach den Erläuterungen des AELF abhängig von der Bodenzahl und nicht von konkreten standortabhängigen Faktoren. Welcher Bodenabtrag beim Starkregenereignis am 13.5.2016 tatsächlich stattgefunden hat, konnten die Vertreter des Beklagten nicht sagen, dieser ist auch nicht festgestellt worden. Der bei Starkregenereignissen stattgefundene Bodenabtrag ist nach den Äußerungen des Vertreters des AELF in der mündlichen Verhandlung auch nicht entscheidend. Es geht dem Beklagten damit im Rahmen der Betrachtung über mehrere Jahre um die mittel- bis langfristige Sicherung der Bodenbeschaffenheit im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung eines zu großen Bodenabtrags bzw. das Halten des Bodens auf den Flächen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Hierfür spricht auch, dass – zumindest im Wechsel – die Bewirtschaftung mit Reihenkulturen trotz der Nachteile im Hinblick auf die Vermeidung von Abschwemmung erheblicher Mengen Bodenmaterials bei konkreten Geschehen (z.B. Starkregenereignissen) akzeptiert wurden, weil allein maßgeblich auf eine Betrachtung über mehrere Jahre im Rahmen einer abstrakten Berechnung abgestellt wurde. Dass die angeordneten Maßnahmen insgesamt betrachtet auch positive Effekte im Hinblick auf kurzfristige Geschehen haben dürften, führt vor diesem Hintergrund nicht dazu, dass die Anordnungen als Maßnahmen der Gefahrenabwehr anzusehen sind. Auf die Frage, ob bzw. inwieweit nach § 17 Abs. 3 BBodSchG im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis noch Raum bleibt für Anordnungen zur Erfüllung der Gefahrenabwehrpflichten nach § 4 BBodSchG, kommt es daher vorliegend nicht an.
Wie bereits ausgeführt dürfen Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen nach § 7 Satz 4 BBodSchG grundsätzlich nur getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 BBodSchG festgelegt sind. Demgegenüber richtet sich aber die Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung gemäß § 7 Satz 5 BBodSchG nach § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG. § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG enthält aber keine Befugnisnorm zur Anordnung von vorsorgebezogenen Maßnahmen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, für die behördliche Durchsetzung der Einhaltung der guten fachlichen Praxis eine Ermächtigungsnorm für Anordnungen zu schaffen (vgl. Versteyl, a.a.O., Rn. 10 f zu § 17 BBodSchG; Kobes, NVwZ 1998, 786/795; Peine, DVBl. 1998, 157/160; Frenz, NuR 2004, 642/646 unter Hinweis auf die parlamentarische Auseinandersetzung). Die Anordnung in den Ziffern 1 – 3 des Bescheids vom 18.9.2017 waren deshalb mangels Rechtsgrundlage aufzuheben.
Als Folge ergibt sich, dass auch die in Ziffer 5 des Bescheids vom 18.9.2017 hierauf bezogenen Androhungen von Zwangsgeldern aufzuheben waren.
Nach alledem hat die Klage umfänglich Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124a Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die angesprochene Frage, ob es um hier eine Maßnahme der Gefahrenabwehr oder um eine Vorsorgemaßnahme geht, eine Frage der Beurteilung des konkreten Einzelfalls.