Medizinrecht

Corona-Pandemie – Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch bayerische Rechtsverordnung

Aktenzeichen  20 NE 20.1196

Datum:
14.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14609
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 28 Abs. 1, § 32
VwGO § 47 Abs. 6
BayLStVG Art. 51 Abs. 2
BayIfSMV § 21 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) erscheint in der derzeitigen Situation als grundsätzlich geeignet, die Infektionszahlen zu reduzieren. Diese Eignung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der Rückkehr zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, indem das allgemeine Gebot zum Tragen einer MNB in bestimmten infektionsanfälligen Lebenssituationen, zusätzlich zur Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln und Abstandsgebote, ermöglichen kann, die Beschränkungen und Verbote zu lockern bzw. aufzuheben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch die Anordnung zum Tragen von „Alltags-“ oder „Community-Masken“ ohne Qualitätsnachweis dürfte noch vom Wortlaut des § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt sein, weil nach derzeitiger Erkenntnislage zumindest viel dafür spricht, dass solche Masken bei sachgemäßer Anwendung und ergänzender Beachtung der allgemein geltenden Abstands- und Hygieneregel ebenso einen gewissen Fremdschutz gewährleisten und das Infektionsrisiko insoweit verringern können, als der Tröpfchenauswurf in die Umgebungsluft durch eine stoffliche Barriere vor Mund und Nase reduziert wird. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aufgrund der Umstände, dass die Pflicht zum Tragen einer MNB überwiegend auf verhältnismäßig kurzfristige Situationen beschränkt ist und die Normadressaten in Härtefällen von der Tragepflicht befreit sind bzw. ein Abnehmen des MNB aus zwingenden Gründen erlaubt ist, wäre das Gewicht eines rechtswidrigen Eingriffs weniger hoch einzuschätzen als die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der Normen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin nach Umstellung ihres Antrags mit Schriftsatz vom 2. Juni 2020 das Ziel, den Vollzug der Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (5. BayIfSMV) vom 29. Mai 2020 (2126-1-8-G, BayMBl. 2020 Nr. 304) einstweilen auszusetzen, soweit sie durch § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Satz 1 Nr. 2, § 8 Satz 1, § 9 Abs. 2 Nr. 8 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 4 Satz 2 und § 14 Satz 1 Nr. 3 5. BayIfSMV zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) verpflichtet wird. Außerdem hat sie die Außervollzugsetzung beantragt, soweit ein Verstoß nach § 21 Nr. 8 4. BayIfSMV (nunmehr § 21 Nr. 5 5. BayIfSMV) bußgeldbewehrt ist.
1. Der Antragsgegner hat am 29. Mai 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die in der Hauptsache streitgegenständliche Verordnung erlassen, die am 30. Mai 2020 in Kraft getreten ist (§ 23 Satz 1 5. BayIfSMV).
2. Die in Bayern lebende Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14. Mai 2020, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 18. Mai 2020, einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die Bestimmungen zum Tragen einer MNB beantragt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass die Verordnung bereits formell rechtswidrig sei, da aufgrund des in Bayern ausgerufenen Katastrophenfalls § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung nicht mehr gelte und die 5. BayIfSMV gemeinsam vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hätte erlassen werden müssen. Auch genüge die angegriffene Verordnung nicht dem Parlamentsvorbehalt. § 1 Abs. 2 Nr. 3 5. BayIfSMV sei zu unbestimmt, da niemand wissen könne, was „zwingende Gründe“ seien.
Es gebe zahlreiche Infektionskrankheiten weltweit, der auch in Deutschland jährlich viele Menschen zum Opfer fielen. Sars-CoV-2 unterscheide sich von diesen Infektionskrankheiten weder in der Schwere der Erkrankung noch in den Zahlen tödlicher Verläufe. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei zu keinem Zeitpunkt der Pandemie überlastet gewesen. Der Ausbreitung von Infektionskrankheiten könne generell mit der Einhaltung von Hygieneregeln begegnet werden. Auch sei das Immunsystem des Menschen für die Abwehr solcher Keime geschaffen. Die Verpflichtung zum Tragen einer MNB sei nicht gerechtfertigt, da nicht erwiesen sei, dass dadurch die Infektionszahlen verringert werden könnten; manche Materialien der selbst hergestellten Masken könnten ihrerseits Gesundheitsgefahren durch Einatmen hervorrufen; dasselbe gelte für das Tragen dieser Masken, da durchfeuchtete Masken Brutstätten für Keime aller Art seien. In geschlossenen Räumen könne das Tragen einer MNB durch die eingeschränkte Atmung zu dem „sick-building-Syndrom“ führen (wird ausgeführt). Eine gute Händehygiene und das Beachten der Abstandsregeln seien wesentlich besser zur Verringerung der Infektionsgefahr geeignet. Außerdem eröffneten die Normen der §§ 28, 32 IfSG nicht den Spielraum, landesweit infektionsschutzrechtliche Verordnungen zu erlassen. Der Adressatenkreis sei zu weit, da die gesamte Bevölkerung von den Maßnahmen betroffen sei. Der Antragsgegner könne nicht „jedermann“, insbesondere nicht gesunde und keiner Risikogruppe zugehörige Personen, zur Mitarbeit im Rahmen von Hand- und Spanndiensten verpflichten. Die Verpflichtung zum Tragen einer MNB verletze die Antragstellerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG, insbesondere bestehe eine erhebliche Gesundheitsgefahr durch das Tragen einer MNB. Auch sehe sie sich in Art. 6 Abs. 2 GG verletzt, da die Antragstellerin befürchte, dass der Anblick von Personen mit MNB ihre Kinder psychisch irritieren könnte. Zu einem Eingriff in Art. 6 GG ermächtige § 32 IfSG nicht. Außerdem sei das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG im Hinblick auf die Bußgeldbewehrung verletzt, weil völlig unklar sei, was mit dem Begriff „Maske“ gemeint sei und der Verordnungstext selbst von einer MNB spreche.
Mit weiteren Schriftsätzen ergänzte sie unter anderem, jeder Mensch habe das Recht auf Krankheit und die Maskenpflicht diskriminiere Menschen mit Hörbehinderung, da diese durch das bedeckte Gegenüber gezwungen seien, ihre Hörbehinderung preiszugeben.
Im Rahmen einer möglichen Folgenabwägung sei das Risiko einer Infektionsgefahr durch das Tragen der Maske im Verhältnis zu dem zu erreichenden Infektionsschutz vor Covid 19 zu sehen, wobei das Infektionsgeschehen stark rückläufig sei.
3. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die bisherige verwaltungsgerichtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, auf die vom Robert-Koch-Institut (RKI) bestätigte Eignung der MNB, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 reduzieren zu können sowie auf die in der Verordnung geregelten Ausnahmetatbestände.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen
II.
1. Der Eilantrag ist unzulässig, soweit er nach Außerkrafttreten der ursprünglich angefochtenen 4. BayIfSMV darauf gerichtet ist, die rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Bestimmungen des § 21 Nr. 5 5. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen. Da der Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von Normen entscheidet, unterliegen seiner Prüfung nur solche Bestimmungen, aus deren Anwendung sich Rechtsstreitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 7/2019, § 47 Rn. 32; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 27). Auf reine Bußgeldbestimmungen erstreckt sich die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OWiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2005 – 7 CN 6/04 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 27.7.1995 – 7 NB 1/95 – juris Rn. 21, OVG LSA, U.v. 17.3.2010 – 3 K 319/09 – juris Rn. 57).
2. Soweit der Eilantrag zulässig ist, hat er in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht vor.
a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9).
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung ‒ trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ‒ dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12).
b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon aus, dass die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache voraussichtlich nicht gegeben sind (aa). Die zu treffende Folgenabwägung führt darüber hinaus dazu, dass eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen nicht dringend geboten erscheint (bb).
aa) Die Anordnung zum Tragen einer MNB in Gottesdiensten, den Geschäften des Einzelhandels, im öffentlichen Personennah- und fernverkehr, in Sporteinrichtungen, Gaststätten und Beherbergungsbetrieben ist voraussichtlich formell wirksam (1), und die angegriffene Verpflichtung dürfte von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt sein (2).
(1) Der Senat geht davon aus, dass die angegriffenen Bestimmungen der Verordnung formell wirksam, insbesondere ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sind. Auch wenn die Verordnung im Hinblick auf die in § 21 5. BayIfSMV normierten Ordnungswidrigkeiten als bewehrte Verordnung anzusehen ist, dürfte nach der zum 1. Mai 2020 erfolgten Aufhebung der bisherigen Veröffentlichungspflicht im Gesetz- und Verordnungsblatt nach Art. 51 Abs. 2 LStVG a.F. durch § 2 Nr. 2 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Land- und Amtsarztgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 27. April 2020 (GVBl. 2020 S. 236, vgl. auch LT-Drs 18/7347) die hier erfolgte Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Bayerischen Ministerialblatt ausreichend sein.
(2) Da die streitgegenständliche Verordnung auf §§ 32 Satz 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG beruht, ist nach § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zuständig. Anhaltspunkte für eine davon abweichende Zuständigkeitsregelung im Katastrophenfall finden sich weder im Infektionsschutzgesetz des Bundes, noch lässt sich dem Bayerischen Katastrophenschutzgesetz selbst eine abweichende Zuständigkeitsregelung entnehmen; die Delegation der Zuständigkeit für Rechtsverordnungen auf das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege entspricht auch dem den §§ 28 und 32 zugrundeliegenden Regelungskonzept. Dass eine landesweite Verordnung, die für einen unbestimmten Adressatenkreis Geltung beansprucht, in der derzeitigen pandemischen Lage nicht zulässig sein sollte, lässt sich § 32 Satz 1 IfSG nicht entnehmen. Auch ist ein abstrakt-genereller Regelungsgehalt typisch für eine Rechtsverordnung (Uhle in Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand 1.12.2019, Art. 80 GG Rn. 1-4).
(3) Im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage der angegriffenen Bestimmungen hat sich der Senat bereits in mehreren Eilentscheidungen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – juris; B.v. 9.4.2020 – 20 NE 20.663 – BeckRS 2020, 5446; 20 NE 20.688 – BeckRS 2020, 5449; 20 NE 20.704 – BeckRS 2020, 5450; B.v. 28.4.2020 – 20 NE 20.849) mit der Außervollzugsetzung von Teilregelungen der 1. und 2. BayIfSMV auseinandergesetzt. Dabei ist der Senat im Rahmen der Eilverfahren davon ausgegangen, dass die Bestimmungen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG grundsätzlich eine ausreichende Rechtsgrundlage finden dürften (vgl. zum Begriff der Schutzmaßnahme auch BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 9 ff.).
Nach den in den genannten Entscheidungen dargestellten Maßstäben ist die von der Antragstellerin angegriffene Verpflichtung zum Tragen einer MNB als Bestandteil des der 5. BayIfSMV zugrunde liegenden Gesamtkonzepts zum Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung bzw. zur Kontrolle des Infektionsgeschehens voraussichtlich von der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt. Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die Behörde bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, worunter eine Anordnung zum Tragen von Schutzmasken grundsätzlich fallen dürfte (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 15.5.2020 – 20 NE 20.1102 – juris).
Nach dem aktuellen Situationsbericht des nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG besonders zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufenen Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 2. Juni 2020 handelt es sich weltweit und in Deutschland weiterhin um eine „sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation.“ Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/Neuartiges_ Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-02-de.pdf?_blob=publicationFile), wobei die Anzahl der neu übermittelten Fälle derzeit rückläufig ist. In einer solchen Situation obliegt es dem Verordnungsgeber im Rahmen des § 28 Abs. 1 IfSG, der die Behörden zu einem infektionsschutzrechtlichen Tätigwerden verpflichtet und ihnen dabei ein weites Handlungsermessen einräumt (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 74; BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – NJW 2012, 2823), alle Maßnahmen zu ergreifen, solange und soweit diese die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt (Grzeszick in Maunz-Dürig, GG, Stand 10/2019, Art. 20 Rn. 112). So liegt es hier. Das Tragen einer MNB erscheint in der derzeitigen Situation als grundsätzlich geeignet, die Infektionszahlen zu reduzieren. Diese Eignung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der Rückkehr zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, indem das allgemeine Gebot zum Tragen einer MNB in bestimmten infektionsanfälligen Lebenssituationen, zusätzlich zur Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln und Abstandsgebote, ermöglichen kann, die Beschränkungen und Verbote zu lockern bzw. aufzuheben.
Dass die Antragstellerin persönlich das Infektionsgeschehen davon abweichend bewertet und einen anderen Umgang mit der Pandemie wünscht, ist für die Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Anordnung ohne Belang.
Qualitätsanforderungen an die Schutzfunktion stellen die hier angegriffenen Normen der 5. BayIfSMV nicht auf, sodass grundsätzlich jegliche Bedeckung den Anforderungen der Verordnung gerecht wird. Insoweit ist auch der Einwand, es sei nicht klar, was mit „Maske“ gemeint ist, nicht geeignet, an der notwendigen Bestimmtheit der Regelungen zu zweifeln. Der Senat geht davon aus, dass nur Schutzmasken mit der Kategorie FFP2 und FFP3 für den Träger selbst das Infektionsrisiko vermindern (vgl. Übersicht der Schutzwirkung verschiedener Arten von MNB etwa bei Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsge-staltung-im-Betrieb/Coronavirus/pdf/Schutzmasken:pdf?_blob=publi-cationFilev=13). Für medizinische Mund-Nasen-Bedeckungen und FFP1-Masken ist nachgewiesen, dass sie als Spuck- und damit Fremdschutz wirksam sind und für den Träger das Risiko von Schmierinfektionen durch den Schutz der Berührung von Mund und Nase verringern können. Insoweit sieht der Senat keinen Anlass, an der grundsätzlichen Wirksamkeit einer Verpflichtung zum Tragen einer MNB in Bezug auf die Verringerung des Infektionsrisikos zu zweifeln.
Die Eignung sog. „Alltags-“ oder „Community-Masken“ als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen ist zwar bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen (so auch NdsOVG, B.v. 5.5.2020 – 13 MN 119/20 – juris Rn. 46). Gleichwohl dürfte auch die Anordnung zum Tragen von MNB ohne Qualitätsnachweis noch vom Wortlaut des § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt sein, weil nach derzeitiger Erkenntnislage zumindest viel dafür spricht, dass auch die Community-Masken bei sachgemäßer Anwendung (vgl. dazu die allgemein zugängliche Anleitung des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte, https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinpro-dukte/DE/schutzmasken.html) und ergänzender Beachtung der allgemein geltenden Abstands- und Hygieneregeln (vgl. insbesondere § 1 Abs. 1 5. BayIfSMV) einen gewissen Fremdschutz gewährleisten und das Infektionsrisiko insoweit verringern können, als der Tröpfchenauswurf in die Umgebungsluft durch eine stoffliche Barriere vor Mund und Nase reduziert wird (vgl. auch NdsOVG, B.v. 5.5.2020 – 13 MN 119/20 – juris Rn. 45). Das nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG besonders zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufene RKI empfiehlt ein generelles Tragen einer MNB in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck zu reduzieren. Die Schutzfunktion der Community-Masken ist nach Einschätzung des RKI jedenfalls „plausibel“ und ihre Verwendung als zusätzlicher Baustein neben anderen Maßnahmen zur Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus geeignet (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html mit Verweis auf „Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von Covid-19”, 3. Update vom 7.5.2020, Epid Bull 19/2020, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf? blob=publicationFile).
Soweit die Antragstellerin vor allem auf die möglichen gesundheitsschädigenden Aspekte hinweist, fehlt es an nachvollziehbaren Belegen dafür, dass mit dem Tragen der MNB über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende konkrete gesundheitliche Risiken verbunden sind, zumal weder eine bestimmte Beschaffenheit noch ein bestimmtes Material der MNB vorgeschrieben ist und die Situationen, in denen für die Antragstellerin eine Tragepflicht besteht, regelmäßig von kurzer Dauer sind. Soweit die Antragstellerin gesundheitliche Risiken auf einen nicht sachgemäßen Gebrauch der MNB zurückführt, ist nicht erkennbar, dass ein solcher unsachgemäßer Gebrauch unvermeidbar wäre; abgesehen davon sind Personen, die zu einem sachgemäßen Umgang nicht in der Lage sind, von der Tragepflicht befreit (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 5. BayIfSMV).
Im Ergebnis bestehen jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine durchgreifenden Zweifel, dass es sich bei der Anordnung zum Tragen einer (auch Community)-MNB in Gottesdiensten, in den Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennah- und fernverkehrs und den dazugehörenden Einrichtungen, in den Ladengeschäften des Einzelhandels, der Gastronomie sowie in Beherbergungsbetrieben um eine grundsätzlich geeignete Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handelt.
Die Zweifel, die der Senat im Hinblick auf eine fehlende Befreiungsmöglichkeit vom Tragen einer MNB insbesondere in Personenfernverkehrszügen im Hinblick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes formuliert hat, wurden durch die Aufnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 3 5. BayIfSMV ausgeräumt, wobei die Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm nach Art. 103 Abs. 2 GG gewahrt sein dürften (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 20 NE 20.849 – BeckRS 2020, 7227 Rn. 35). Eine Auslegung nach dem Wortlaut der Norm ergibt, dass der Normgeber bei grundsätzlicher Verpflichtung zum Tragen einer MNB nach dem Regelungskonzept der Verordnung ein Abnehmen der MNB und damit ein zeitlich beschränktes Absehen von der grundsätzlichen Verpflichtung zulässt, wenn und solange dies aus Gründen der unabweisbaren Befriedigung von Bedürfnissen wie z.B. Essen und Trinken aus Sicht eines vernünftig und besonnen handelnden Teilnehmers am öffentlichen Leben notwendig erscheint. Damit ist der unbestimmte Rechtsbegriff „aus sonstigen zwingenden Gründen“ für die Rechtsanwendung sowohl zur Beurteilung der Frage, ob das Abnehmen der MNB in einer konkreten Situation erforderlich ist als auch des Vorliegens eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes nach § 21 Nr. 5 5. BayIfSMV in einem etwaigen Bußgeldverfahren voraussichtlich geeignet.
bb) Selbst wenn man jedoch die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens als offen betrachten würde, führt eine Folgenabwägung dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen (so im Ergebnis auch NdsOVG, B.v. 5.5.2020 – 13 MN 119/20 – juris Rn. 47 ff.; VGH He, B.v. 5.5.2020 – 8 B 1153/20.N – juris Rn. 46 ff.). Durch den Vollzug der angegriffenen Verordnung kommt es zwar zu Eingriffen in die Freiheitsgrundrechte aller Menschen, die sich im Geltungsbereich der Verordnung aufhalten. Aufgrund der Umstände, dass die Pflicht zum Tragen einer MNB aber überwiegend auf verhältnismäßig kurzfristige Situationen beschränkt ist und die Normadressaten in Härtefällen von der Tragepflicht befreit sind bzw. ein Abnehmen des MNB aus zwingenden Gründen erlaubt ist, wäre das Gewicht eines rechtswidrigen Eingriffs weniger hoch einzuschätzen als die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der Normen. Würde der Vollzug der angegriffenen Bestimmungen ausgesetzt, wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit vermehrten Infektionsfällen zu rechnen. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird deshalb derzeit insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch (Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts v. 2.6.2020 S. 11, https://www.rki.de/DE/Content/ InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-02-de.pdf?_blob=publi-cationFile). Dies gilt umso mehr, als der Pflicht zum Tragen einer MNB insbesondere im Hinblick auf die weitere Lockerung der zunächst strengen Handlungsbeschränkungen und -verbote eine wesentliche Bedeutung im Maßnahmenkonzept des Antragsgegners zur Bekämpfung der Infektion zuzukommen scheint.
Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender, vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 16) und derzeit nur auf wenige und kurzzeitige Situationen des Alltags beschränkter Eingriffe in das Grundrecht der Normadressaten auf persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (so im Ergebnis auch BVerfG, B.v. 29.4.2020 – 1 BvQ 47/20 -, 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, 9.4.2020 – 1 BvQ 29/20 -, 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 – alle juris; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 13 ff.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 14. Juni 2020 außer Kraft tritt (§ 23 Satz 1 5. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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