Aktenzeichen 10 CS 21.772
12. BayIfSMV § 7 Abs. 1, § 28 Abs. 2
BayVersG Art. 15 Abs. 1, Art. 25
Leitsatz
1. Es ist – im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie – nicht zu beanstanden, wenn eine Versammlung, die in Form einer sich fortbewegenden, einer festen, der Tradition der Arbeiterbewegung entsprechenden künstlerischen Formation mit ca. 30 Personen durchgeführt werden soll, dergestalt beschränkt wird, dass jeweils das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für alle Teilnehmer mit Ausnahme der Versammlungsleitung bei Durchsagen sowie der Redner während Redebeiträgen angeordnet, die direkte Übergabe von Flugblättern und sonstigen Gegenständen an Dritte untersagt und die Route geändert wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Beschränkungen einer künstlerisch geprägten Versammlung sind unter Beachtung der Voraussetzungen, unter denen in das nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG eingegriffen werden kann, nicht ausgeschlossen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird das „direkte“ Verteilen von Flugblättern (oder sonstigen Gegenständen) im Wege der Übergabe von „Hand-zu-Hand“ untersagt, während andere Übergabe- bzw. Aushändigungsformen den Versammlungsteilnehmern unbenommen bleiben, ist der dadurch bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und der Kunstfreiheit mit Blick auf das hohe Gewicht der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sachgerecht und verhältnismäßig. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Prüfung, ob für Versammlungen iSv Art. 8 Abs. 1 GG Ausnahmegenehmigungen von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (§ 7 Abs. 1 S. 3 12. BayIfSMV) erteilt werden können, ist der grundsetzenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 4 S 21.481 2021-03-15 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. März 2021 anzuordnen, weiter. Mit diesem Bescheid wurden hinsichtlich der vom Antragsteller angezeigten, sich fortbewegenden Versammlungen am 15. und 16. März 2021 mehrere Beschränkungen angeordnet.
Der Antragstellerin hatte mit Anzeige vom 24. Februar 2021 Versammlungen in R… unter dem Thema „… …“ angezeigt. Geplant sei eine feste, der Tradition der Arbeiterbewegung entsprechende künstlerische Formation mit ca. 30 Personen. Am 16. März 2021 solle die Versammlung vom E.-Platz über den D**platz und die R.straße zum N.platz und nach einer Umrundung der N.kirche von dort über die G.straße zum B.platz ziehen.
Mit Bescheid vom 12. März 2021 bestätigte die Antragsgegnerin die Anzeige, beschränkte die beiden Versammlungen aber in der Weise, dass jeweils das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für alle Teilnehmer mit Ausnahme der Versammlungsleitung bei Durchsagen sowie der Redner während Redebeiträgen angeordnet (Nr. III.2) und die direkte Übergabe von Flugblättern und sonstigen Gegenständen an Dritte untersagt (Nr. III.6) sowie hinsichtlich der Versammlung am 16. März 2021 die Route geändert wurde (Nr. II.).
Am 15. März 2021 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regenburg Klage gegen die genannten Beschränkungen und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit anzuordnen. Der Antragsteller bestreite nicht die vom Sars-CoV-2-Virus ausgehenden Gefahren. Die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit einer Versammlung mit 30 Teilnehmen, die in einer künstlerischen Formation mit großen Abständen stattfinde, sei jedoch auch ohne die angegriffenen Beschränkungen gegeben. Die Antragsgegnerin habe nicht erkannt, dass die Kunstfreiheit betroffen sei, und daher ihr Ermessen falsch ausgeübt.
Mit Beschluss vom 15. März 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Die Auflagen seien geeignet, erforderlich und angemessen, um von der Versammlung ausgehende Infektionsgefahren zu verhüten. Die Antragsgegnerin habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die beiden Bereiche,,N.platz“ und “G.straße“ aus infektionsschutzrechtlicher Sicht besonders kritisch zu sehen seien. Im Hinblick darauf, dass die Versammlung an einem Wochentag von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr stattfinden solle, sei davon auszugehen, dass die Einhaltung des Mindestabstands zu Passanten kaum möglich sei. Die Abweichung vom Streckenverlauf sei nur relativ geringfügig. Auch sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die in Nr. III.2 verfügte Auflage (zur Maskenpflicht), die Darsteller nicht für die Zeit der Darstellung/künstlerischen Darbietung von der Maskenpflicht befreie. Würde der gesamte Aufzug dergestalt durchgeführt werden, dass keiner der Darsteller für die Zeit der Darstellung eine Mund-Nase-Bedeckung tragen müsste, würde das lnfektionsrisiko in erheblicher Weise erhöht werden. Der in der Maskenpflicht liegende Eingriff in die Kunstfreiheit sei aufgrund der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit gerechtfertigt. Das Verbot der direkten Übergabe von Flugblättern u.ä. sei erforderlich, um die Unterschreitung des Mindestabstands zu unterbinden. Die Versammlungsfreiheit werde dadurch nur in geringem Maße eingeschränkt, zumal der Antragsteller die Möglichkeit habe, Flugblätter über einen Leiterwagen oder mehrere stationäre Auslagen entlang der Versammlungsroute vorzuhalten.
Der Antragsteller beantragt mit seiner Beschwerde vom 16. März 2021,
unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. März 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. II, Nr. III.2, soweit Darsteller nicht für die Zeit der Darstellung/künstlerischen Darbietung von der Maskenpflicht befreit werden, und Nr. III.6 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 12. März 2021 bezüglich der noch anstehenden künstlerischen Versammlung am 16. März 2021 anzuordnen.
hilfsweise:
unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. März 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. II, Nr. III.2, soweit Darsteller nicht für die Zeit der Darstellung/künstlerischen Darbietung von der Maskenpflicht befreit werden, und Nr. III.6 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 12. März 2021 bezüglich der noch anstehenden künstlerischen Versammlung am 16. März 2021 insoweit anzuordnen, als
1. durch Nr. II. der Streckenverlauf R.straße – N.platz – (dabei wird die N.kirche umrundet) untersagt wird,
2. durch Nr. III.2 die Befreiung von der Maskenpflicht für den gesungenen Vortrag sowie für den kollektiven Sprechchor untersagt wird.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts verkenne die Kunstfreiheit und deren Reichweite. Die Auferlegung einer anderen Streckenführung sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Der Antragsteller habe Straßen gewählt, die – wie die G.straße – täglich vom R.er Altstadtbus passiert würden. Sowohl auf dem N.platz als auch auf der G.straße sei ausreichend Platz vorhanden. Die Umrundung der N.kirche werde lediglich 10 Minuten dauern und führe daher nicht zu unvertretbaren Infektionsgefahren. Sollte im weiteren eine Route durch die G.straße nicht möglich sein, sei denkbar, nach der Umrundung der N.kirche den von der Antragsgegnerin vorgesehen Weg zu gehen. Zur Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, sei anzumerken, dass die Infektionsgefahr im Freien gering sei. Singen erzeuge – anders als Schreien – nicht mehr Aerosole als Sprechen. Der Antragsteller wolle lediglich, dass die künstlerische Versammlung von der Antragsgegnerin auch als solche wahrgenommen werde. Dass lediglich Rednern, nicht aber Sängern ermöglicht werde, die Maske abzunehmen, verkenne die Kunstfreiheit. Die (Sprech-) Chöre umfassten lediglich 10 Personen, die nach ihrem Beitrag sofort wieder die Maske aufsetzen könnten. Gleiches gelte für Gruppen von Rednern. Dementsprechend habe das Verwaltungsgericht Bremen insoweit einen Kompromiss vorgeschlagen. Das Verbot der Verteilung von Flugblättern sei unverhältnismäßig Das Angebot des verschriftlichen Wortes an den Zuschauer sei Teil der künstlerischen Formation. Eine stationäre Auslage sei tatsächlich und rechtlich nicht möglich und im Übrigen kein gleichwertiger Ersatz für die Übergabe, die auch in Form einer Aktenablage stattfinden könne. Abstände ließen sich auch bei der direkten Übergabe von Flugblättern einhalten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Die räumlichen Verhältnisse in der Innenstadt von R. ließen einen Aufzug auf der gewünschten Route und in der gewünschten Form nicht zu. Außerdem habe sich die 7-Tages-Inzidenz in R. noch einmal erhöht und liege nun sogar bei 145.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller mitgeteilt, dass die künstlerischen Teile der Versammlung (insbesondere Chorgesang, Sprechgesang, Rezitationen etc.) teilweise im Gehen, teilweise im Stehen stattfinden und insoweit ineinanderübergehen würden.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
1. Im Hinblick auf die vom Antragsteller auch angegriffene „Regelung“ zur Maskenpflicht in Nr. III.2 des angegriffenen Bescheids würde einem bloßen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil sich der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung selbst im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Satz 3 Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5. März 2021, BayMBl. Nr. 171) ergäbe. Der Verwaltungsgerichtshof legt den Antrag des Antragstellers insofern sachgerecht dahingehend aus (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass er begehrt, die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, ihm gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV eine Ausnahmegenehmigung von dieser Verpflichtung im beantragten Umfang zu erteilen.
2. Hinsichtlich seiner (Haupt- und Hilfs-)Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Hinblick auf die geänderte Route der sich fortbewegenden Versammlung und die Untersagung der direkten Übergabe von Flugblättern hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage (vgl. Art. 25 BayVersG) keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
§ 7 Abs. 1 Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5. März 2021, BayMBl. Nr. 171) bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern und verlangt, dass jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden wird (Satz 1). Die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden haben, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet. Sofern diese Anforderungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063).
Ausgehend hiervon erweisen sich die angegriffenen Beschränkungen voraussichtlich als rechtmäßig, sodass bereits deswegen von einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses auszugehen ist.
a) Dies gilt zunächst für die Änderung der Route durch die Antragsgegnerin für die sich fortbewegende Versammlung am 16. März 2021 (Nr. II. des Bescheids).
Aufgrund der in der Innenstadt von R. auf der vom Antragsteller gewünschten Aufzugsroute vorherrschenden örtlichen Situation stellt sich die Änderung der Routenführung durch die Antragsgegnerin bei der nur möglichen summarischen Prüfung durch den Senat als rechtmäßig dar. Sowohl die R.straße als auch die G.straße sind abschnittsweise nur wenige Meter schmal. Die G.straße weist zudem Kreuzungen auf. Unter Berücksichtigung der Versammlungszeit in den frühen Abendstunden eines Werktags und der zentralen Lage dieser Straßen in der R.er Innenstadt erscheint die Prognose der Antragsgegnerin, in diesen Bereichen lasse sich die Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände zwischen den Teilnehmern einerseits und zu Dritten andererseits nicht verlässlich sicherstellen, nachvollziehbar und plausibel. Die allgemein gehaltenen Ausführungen in der Beschwerdeschrift zum Verhältnis verschiedener Nutzungen zueinander führen insofern zu keiner anderen Beurteilung. So vernachlässigt der Hinweis des Antragstellers, dass die Route auch von einer Buslinie befahren werde, dass die angezeigte Versammlung mit 30 singenden und rezitierenden Teilnehmern und einem nachfolgenden Pritschenwagen nach Dimensionierung, erzeugter Aufmerksamkeit und Möglichkeit des zwischenmenschlichen Kontakts mit einem Bus nicht ansatzweise vergleichbar ist. Die in der Routenänderung liegende Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Antragstellers fällt dabei angesichts der weiterhin zulässigen Route durch große Teile die R.er Innenstadt verhältnismäßig gering aus und wird durch den Schutz von Leben und Gesundheit Dritter verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
An alledem ändert sich auch dadurch nichts, dass die Versammlung (teilweise) in Form einer künstlerischen Formation stattfinden soll und damit (auch) der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG unterfällt. Denn Beschränkungen einer künstlerisch geprägten Versammlung sind unter Beachtung der Voraussetzungen, unter denen in das nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG eingegriffen werden kann, nicht ausgeschlossen. Da die Kunstfreiheit dabei ihre Grenzen in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes findet, die ein anderes in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (vgl. BVerfG, U.v. 17.6.1984 – 1 BvR 816/12 – juris Rn. 39), kommen Beschränkungen der Kunstfreiheit insbesondere zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Betracht (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris Rn. 28).
b) Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde auch hinsichtlich der angefochtenen Beschränkung bezüglich des Verteilens von Flugblättern oder sonstigen Gegenständen zur Ansicht oder Mitnahme im Wege einer direkten Übergabe an Dritte (Nr. III.6 des Bescheids).
Das Verwaltungsgericht ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass diese versammlungsrechtliche Beschränkung ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 BayVersG findet und sicherstellen soll, dass der erforderliche Mindestabstand gewahrt, jeder Körperkontakt mit Dritten vermieden und dadurch Infektionsgefahren während der Versammlung auf ein vertretbares Maß beschränkt werden. Das Verwaltungsgericht hat die Beschränkung auch zu Recht dahingehend verstanden, dass nur das „direkte“ Verteilen von Flugblättern (oder sonstigen Gegenständen) im Wege der Übergabe von „Hand-zu-Hand“ untersagt ist, während andere Übergabe- bzw. Aushändigungsformen den Versammlungsteilnehmern unbenommen bleiben. Den dadurch bewirkten Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG und der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 GG hat es mit Blick auf das hohe Gewicht der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu Recht als sachgerecht und verhältnismäßig bewertet.
Durch die Beschwerdebegründung des Antragstellers wird diese Bewertung des Erstgerichts nicht durchgreifend infrage gestellt. Zum einen wird durch die streitbefangene Beschränkung eine effektive Weitergabe bzw. Verteilung von „Flugschriften“ und künstlerisch gestalteten „Programmheften“ auch nach Auffassung des Senats gerade nicht „de facto untersagt“, weshalb entgegen der Auffassung des Antragstellers folgerichtig auch kein „schwerwiegender Grundrechtseingriff“ anzunehmen ist. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat in diesem Zusammenhang im Übrigen die Argumentation, wonach „während der beinahe gesamten künstlerischen Formation dem sich Interessierenden (Passanten)“ keine Möglichkeit bestünde, „das verschriftlichte Wort, eine Hochform der Kultur, zu erhalten, die Möglichkeit, auch in Zeiten einer Pandemie, einen kommunikativen Akt zu schaffen, die künstlerische Formation durch das schriftliche Wort hinaus zu verlängern, durch das Angebot, sich weiter zu informieren, im kommunikativen Austausch zu treten“. Einen gravierenden Eingriff in die künstlerische „Komposition“ des Antragstellers, „die ein Zusammenspiel aus Gesang, Rede und schriftlichem Wort ist“, vermag der Senat aus den genannten Gründen ebenfalls nicht zu erkennen. Schließlich sieht es (auch) der Senat als unrealistisch an, dass die „direkte“ Übergabe dieser „Flugschriften“ während des dynamischen Versammlungsgeschehens unter Einhaltung des erforderlichen Mindestabstands von 1,5 m mit jeweils ausgestreckten Armen in infektionsschutzrechtlich vertretbarer Weise stattfinden kann. Nicht entscheidend ist jedenfalls insoweit, ob damit auch „die aktive oder passive Berührung eines anderen Körpers“ verbunden ist. Schließlich ist es insbesondere mit Blick auf den durch den Antragsteller geltend gemachten Wirkbereich der Kunstfreiheit nicht Aufgabe der Versammlungsbehörde (und des Verwaltungsgerichts), andere Übergabeformen wie das vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung angesprochene „Aktenablagefach“ als „milderes Mittel“ förmlich anzuordnen.
3. Hinsichtlich der begehrten Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor.
a) Der erforderliche Anordnungsgrund besteht im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, da die Versammlung am 16. März 2021 stattfinden soll.
b) Allerdings ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV vorliegen und das Ermessen der Versammlungsbehörde auf Null reduziert ist.
Dabei geht das Gericht aufgrund der mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass die Versammlung des Antragstellers einer Ausnahmegenehmigung im Sinne von § 28 Abs. 2 12. BayIfSMV bedarf, weil die durch § 7 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV geregelte generelle Maskenpflicht bei Versammlungen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (dazu bereits BayVGH, B.v. vom 1.11.2020 – 10 CS 20.2449 – juris Rn. 18) und die Privilegierung von Versammlungsleitern und Rednern in § 7 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV jedenfalls nicht so weit reicht, dass der Antragsteller seine Versammlung in der von ihm gewünschten Form auch ohne eine Ausnahmegenehmigung durchführen könnte.
Es kann offenbleiben, ob bei der Auslegung des Begriffs „Redner während Redebeiträgen“ in der erlassenen Beschränkung Nr. III.2 des angegriffenen Bescheides und der gleichlautenden Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV im Lichte der Versammlungs- und Kunstfreiheit und gleichzeitig unter Berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit neben rein gesprochenen Vorträgen, also Redebeiträgen im engeren Sinne, auch andere Mittel der Kommunikation umfasst sind, darunter auch Gesangsbeiträge, und ob damit unter Umständen auch mehr als eine Person gleichzeitig gemeint sein kann. Denn jedenfalls ist damit dem Wortsinn nach erkennbar nicht gemeint, wie es augenscheinlich die Antragstellerseite im Hauptantrag begehrt, einen Aufzug in seiner Gesamtheit beziehungsweise, wie erstmalig in der Beschwerde dargelegt, jedenfalls im Hilfsantrag zu einem Drittel der Teilnehmenden von der Maskenpflicht auszunehmen, wobei im letzteren Fall die einzelnen Funktionen und Anteile der Darsteller (vgl. Antragsschrift, S. 13: „kollektive Sprechchöre“ u. Beschwerdeschrift, S. 6: „den Sängern [das betrifft jeweils ca. 10 Darsteller]“) nicht näher beschrieben werden. Damit würde eine Vielzahl von Personen, die im öffentlichen Raum untereinander und mit Dritten kommunikativ interagieren, ohne eine Maske zu tragen, von der Maskenpflicht ausgenommen, wobei wiederum zu berücksichtigen ist, dass sich dem Aufzug auch weitere Personen anschließen können.
Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV können Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Im Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist dafür eine völlige Risikofreiheit im Sinne einer absoluten infektionsschutzrechtlichen „Unbedenklichkeit“ nicht erforderlich (hierzu und zum Folgenden BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 juris Leitsatz 1 bis 3). Bei der nach § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV erforderlichen Prüfung, ob für Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, muss die Behörde der grundsetzenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen. Ist die Ausnahmegenehmigung für eine Versammlung infektionsschutzrechtlich vertretbar, hat die zuständige Behörde kein Versagungsermessen mehr, vielmehr besteht in diesem Fall ein Anspruch auf eine entsprechende Ausnahmegenehmigung.
Gemessen daran hat die Antragsgegnerin die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Hinblick auf die Maskenpflicht im Ergebnis zu Recht versagt. Die Einschätzung der Antragsgegnerin, ohne die Maskenpflicht wäre die Versammlung infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar, wird mit der Beschwerde nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
Die Besonderheit eines Aufzugs ist, dass die Versammlung sich fortbewegt und neue Örtlichkeiten passiert beziehungsweise dort kurz Halt macht. Angesichts des Elements der Bewegung – angereichert um das ruckartig Stockende und sowie das sich ruckartig Auseinanderziehende, das einem Aufzug eigen ist −, der stets neuen Örtlichkeiten und des Umstandes, dass sich die Darsteller auf die eigene Darbietung und die Darbietung einer nicht unbeträchtlichen Mehrzahl von anderen Darstellern sowie sonstige Dritte wie etwa Passanten, Gegendemonstranten, Zulieferer, Ladeninhaber und Polizei konzentrieren müssten, ist die der Gefahrenprognose der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Annahme, dass es zu infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbaren Gefährdungen käme, bei lebensnaher Betrachtung und summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
Was Gesangseinlagen bei einem Aufzug angeht, sind zwar zwei Szenarien denkbar, die der Gesangseinlage während des sich fortbewegenden Aufzugs und die der Gesangseinlage bei einem Zwischenstopp, der unter Umständen weniger dynamisch, geordneter und übersichtlicher gestaltet werden könnte. Allerdings hat der Antragsteller auch auf Nachfrage des Senats hierzu keine Stellungnahme abgegeben, die insoweit eine Beurteilung beziehungsweise eine näherungsweise Abgrenzung erlauben würde, da sie sich, was den Ablauf, die Personen und die Örtlichkeiten angeht, im Vagen hält.
Außerdem ist, worauf auch die Antragsgegnerin hingewiesen hat, hinsichtlich der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit neben den örtlichen Verhältnissen, der angestrebten Uhrzeit und dem Personenaufkommen die aktuelle Infektionslage zu berücksichtigen, die mittlerweile einen Inzidenzwert von 145,0 erreicht hat. Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit seinem Vorbringen, dass an der frischen Luft kein Infektionsrisiko bestünde. Schon der als Quelle zitierte Zeitungsartikel stützt die These in ihrer Undifferenziertheit nicht (vgl. Merkur, Artikel v. 16.3.2021: „Im Außenbereich kann nur dann etwas passieren, wenn Sie sehr lange sehr eng mit einer Person zusammenstehen, sich direkt gegenüberstehen und unterhalten“, abrufbar unter: https://www.merkur.de/welt/corona-aerosole-infektion-experte-regierung-massnahme-lockdown-pandemie-innenraum-draussen-ansteckung-90213539.html). Bei alledem ist die Versagung der der Sache nach begehrten Ausnahmegenehmigung bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).