Medizinrecht

Ende der für den Anspruch auf Tagegeld in der Unfallversicherung maßgeblichen ärztlichen Behandlung

Aktenzeichen  8 U 636/18

Datum:
14.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 50701
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUB 2008 Ziff. 2.5

 

Leitsatz

Über das Ende der nach Ziff. 2.5 AUB 2008 für den Anspruch auf Tagegeld in der Unfallversicherung maßgeblichen ärztlichen Behandlung entscheidet der Tag der letzten ärztlichen Behandlung oder Untersuchung, an dem der Arzt entweder die volle Wiederherstellung der versicherten Person feststellt oder wegen der Konsolidierung des Gesundheitszustands der versicherten Person eine weitere regelmäßige Behandlung nicht mehr für erforderlich hält. Nicht entscheidend für den Abschluss der ärztlichen Behandlung ist dagegen, ob der eingetretene Gesundheitsschaden noch eine Behandlung dahingehend erfordert, dem Patienten gewisse Erleichterungen zB durch Massagen oder Bewegungstherapien zu verschaffen; denn dies sind „Betreuungsmaßnahmen“, die zum einen im Regelfall nicht durch den Arzt vorgenommen werden und zum anderen zwar die nachteiligen Folgen der Gesundheitsbeeinträchtigung möglichst gering halten sollen, nicht jedoch dem Bereich der eigentlichen Heilbehandlung bzw. der Wiederherstellung der Gesundheit („Ursachenbekämpfung“) zuzuordnen sind. (Rn. 38 und 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

32 O 647/17 2017-12-13 Endurteil LGREGENSBURG LG Regensburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 13.12.2017, Az. 32 O 647/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Regensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.645,40 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um weitere Tagegeldleistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag, den der Kläger als Versicherungsnehmer bei der Beklagten unter der Nr. UP-SV 92790841.7 – 00467-0245 mit Versicherungsbeginn 01.01.2011 auf der vereinbarten Grundlage der AUB 2008 (künftig: AUB) hält. Versichert war im fallrelevanten Zeitraum auch ein „Tagegeld ab dem 1. Tag“ in unstreitiger Höhe von 97,00 €.
Insoweit enthalten die AUB (vgl. Anl. BLD 1) folgende Regelungen (Hervorhebungen durch den Senat):
2.5 Tagegeld
2.5.1 Voraussetzungen für die Leistung:
Die versicherte Person ist unfallbedingt
– in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und
– in ärztlicher Behandlung.
2.5.2. Höhe und Dauer der Leistung:
Das Tagegeld wird nach der vereinbarten Versicherungssumme berechnet. Es wird nach dem festgestellten Grad der Beeinträchtigung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung abgestuft. Das Tagegeld wird für die Dauer der ärztlichen Behandlung, längstens für ein Jahr, vom Unfalltag an gerechnet, gezahlt.
Der Kläger (beruflich als Selbständiger im Ein-Mann-Betrieb als Trockenbauer tätig) erlitt – unstreitig – am 04.04.2016 ein versichertes Unfallereignis, bei dem er sich den vierten Finger der rechten Hand verletzte.
Er war deshalb ab dem 11.04.2016 in ärztlicher Behandlung bei dem Facharzt für Chirurgie – Handchirurgie Dr. B in Regensburg. In diesem Zusammenhang war der Kläger zuletzt am 16.06.2016 in der Praxis Dr. B. Da er damals über ein andauerndes Bewegungsdefizit des verletzten Fingers klagte, stellte Dr. B am 16.06.2016 noch ein Rezept folgenden Inhalts aus (vgl. Anl. K 6):
D: Bewegungseinschränkung nach Distorsion PIP 4 re u. Teilläsion A2-Ringband
10 x Krankengymnastik Allg (Einzel).
Nachdem der Zeuge Dr. B im September 2016 von der Beklagten beauftragt wurde, eine gutachterliche Stellungnahme über die Unfallverletzung des Klägers zu fertigen, bestellte er den Kläger in die Praxis ein, untersuchte ihn am 21.09.2016 (vgl. Anl. K 4, Seite 3, Antwort zu FB5) und erstattete unter dem 28.09.2016 die erwünschte „Gutachterliche Äußerung“ (vgl. Anl. K 4), in welcher zu der Frage „Ist die Behandlung abgeschlossen, ggf. wann oder wann voraussichtlich?“ als Antwort eingetragen ist: „Die Behandlung wurde am 16.06.2016 abgeschlossen.“ (vgl. Anl. K 4, Seite 3 letzte Zeile, Antwort zu FB6).
Letztmals hat sich dann der Kläger am 01.02.2017 in der Praxis des Zeugen Dr. B eingefunden, wegen fortbestehenden Bewegungseinschränkungen am verletzten Finger wurden noch einmal Behandlungseinheiten Physiotherapie verordnet (vgl. Attest Anl. K 5).
Daneben war der Kläger ausweislich einer „Ärztlichen Bescheinigung wegen Arbeitsunfähigkeit nach Unfall“ vom 06.06.2016 (vgl. Anl. K 7) in der Zeit vom 05.04.2016 „bis dato“ (hier: 06.06.2016) in ärztlicher Behandlung in der Allgemeinarztpraxis Dres. H. in M. .
Unstreitig sind bei dem Kläger als Unfallfolge gestaffelte Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit eingetreten wie folgt, von beiden Parteien übernommen aus der „Gutachterlichen Äußerung“ des Zeugen Dr. B vom 28.09.2016 (vgl. Anl. K 4, Seite 4, Antwort zu TG3):
bis 16.06.2016 zu 100% vom 17.06.2016
bis 30.06.2016 zu 80% vom 01.07.2016
bis 31.08.2016 zu 50% vom 01.09.2016
bis 15.09.2016 zu 30% ab 16.09.2016
bis auf weiteres zu 10%.
Die Beklagte hat mit Abrechnungsschreiben vom 13.10.2016 (Anl. K 3; unter Verrechnung einer Vorschusszahlung) Unfalltagegeld in versicherter Höhe bis einschließlich 16.06.2017 geleistet. Mit der Behauptung, am 16.06.2016 sei die ärztliche Behandlung der Unfallverletzung beendet gewesen, verweigert sie weitere Leistungen.
Mit seiner unter dem 13.04.2017 erhobenen Klage verlangte der Kläger unter Heranziehung der obengenannten Staffelung weitere Tagegeldleistungen wie folgt:
„vom 17.06.2016 bis 30.06.2016: 97,00 € x 80% = 77,60 € x 13 Tage = 1.008,80 €
vom 01.07.2016 bis 31.08.2016: 97,00 € x 50% = 48,50 € x 62 Tage = 3.007,00 €
vom 01.09.2016 bis 15.09.2016: 97,00 € x 30% = 29,10 € x 15 Tage = 436,50 €
vom16.09.2016 bis 31.01.2017: 97,00 € x 10% = 9,70 € x 123 Tage = 1.193,10 €
Klageforderung
Summe 5.645,40 €
Mit Klageerweiterung aus der Replik vom 19.07.2017 verlangte der Kläger zusätzlich für den letzten Behandlungstag in der Praxis Dr. B am 01.02.2017 noch ein anteiliges Tagegeld in Höhe von weiteren 9,70 €.“
Die Beklagte lehnt unter Verweis auf das Ende der ärztlichen Behandlung am 16.06.2016 weitere Leistungen ab.
Im Übrigen wird wegen des unstreitigen Sachverhalts, der Antragstellung und des erstinstanzlichen Parteivorbringens auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. B und dann mit Endurteil vom 13.12.2017 die Hauptforderung in Höhe des Klageerweiterungsbetrages nebst Zinsen und anteiligen außergerichtlichen Anwaltskosten zugesprochen, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Tragende Begründung für die Klageabweisung war die Feststellung, dass mit Ende der ärztlichen Behandlung am 16.06.2016 auch die tarifliche Tagegeldzahlungspflicht entfallen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Klageansprüche, soweit abgewiesen, unverändert weiterverfolgt.
Die Beklagte nimmt ihre geringfügige Verurteilung hin.
Im Berufungsrechtszug beantragt der Kläger:
I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Regensburg vom 13.12.2017, Az. 32 O 647/17, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger weitere 5.645,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% – Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2016 zu bezahlen.
II. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche weitere Anwaltskosten in Höhe von 478,02 € zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Zustimmung der Parteien wurde durch Beschluss vom 07.12.2018 eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angeordnet und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, der 21.12.2018 bestimmt.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und mit zutreffenden Erwägungen die eingeklagten weiteren Tagegeldansprüche des Klägers aus dem bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherungsvertrag wegen des streitgegenständlichen Versicherungsfalls (Unfallereignis vom 04.04.2016, Verletzung des vierten Fingers der rechten Hand) im Wesentlichen abgelehnt und folgerichtig die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.
Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 03.04.2018 noch auszuführen (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO):
1. Der Kläger hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).
2. a) Entgegen dem Berufungsvorbringen hat das Landgericht weder Wortlaut noch Sinngehalt der vertraglich vereinbarten Leistungsbedingungen (AUB) verkannt.
An keiner Stelle des Ersturteils wird ausgeführt, dass eine Leistungspflicht der Beklagten „nur für die Tage“ bestehe, „an denen sich der Kläger tatsächlich beim Arzt befand“.
Vielmehr ist der Erstrichter zutreffend von der Regelung in Nr. 2.5.2 AUB 2008 (vgl. Anl. BLD 1) ausgegangen, wonach das Tagegeld „für die Dauer der ärztlichen Behandlung, längstens für ein Jahr, vom Unfalltag an gerechnet“ gezahlt wird. Der Erstrichter hat deshalb folgerichtig auf Beginn und Ende der bedingungsgemäßen „ärztlichen Behandlung“ abgestellt (vgl. EU S. 5).
b) Dass jene unfallindizierte ärztliche Behandlung durch den vom Landgericht als Zeugen vernommenen damaligen Behandler des Klägers, Dr. B, am 16.06.2016 mit der Ausstellung einer abschließenden Physiotherapieverordnung – aus persönlicher Sicht dieses mit besonderer Sachkunde behafteten Zeugen – zunächst abgeschlossen war, hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben.
Die Bekundungen des Zeugen (vgl. LG-Protokoll Seiten 3-5; Wiedergabe in Auszügen und verkürzt),
– er habe am 16.06.2016 bei der Vorstellung des Klägers in der Praxis wegen fortdauernder Beschwerden in Form eines Beugedefizits beim 4. Finger der linken Hand (Hinweis des Senats: offensichtliche Verwechslung, unstreitig war ein Finger an der rechten Hand betroffen) Physiotherapie (10 Termine) verordnet;
– es habe dann am 21.09.2016 eine erneute Vorstellung des Klägers stattgefunden, dies sei aber kein regulärer Termin gewesen, sondern sei vielmehr auf Veranlassung der ERGO Versicherung zur Beurteilung des Sachverhalts geschehen;
– schließlich habe am 01.02.2017 die derzeit letzte Vorstellung des Klägers stattgefunden, es seien nach wie vor Beschwerden wegen eines Beugedefizits an dem Finger festgestellt worden, deshalb habe er als Therapie noch weitere 10 Termine Physiotherapie verordnet;
– auf Vorhalt der vom Zeugen im Auftrag der Beklagten erstellten „Gutachterlichen Äußerung“ vom 28.09.2016 (vgl. Anl. K 4) und der dort auf Seite 3 zur Frage FB6 (“Ist die Behandlung abgeschlossen, ggf. wann oder wann voraussichtlich?“) vermerkten Antwort: „Die Behandlung wurde am 16.06.2016 abgeschlossen“:
Zum Zeitpunkt der Beantwortung habe ich keine Notwendigkeit mehr gesehen, noch was zu unternehmen. Ich habe zwar am 16.06.2016 noch ein Beugedefizit gemessen, weil aber bis zu meiner schriftlichen Antwort keine Vorstellung mehr erfolgt ist und ich dem Kläger am 16.06.2016 bereits Physiotherapie verordnet habe, hatte ich zum Zeitpunkt der schriftlichen Antwort die Behandlung abgeschlossen. Es ist immer eine Frage, wann man die Behandlung abschließt. Man wird nicht immer eine vollständige Funktion der verletzten Hand erreichen. Da sich der Kläger aber seit dem 16.06.2016 nicht mehr vorgestellt hat, war für mich die Behandlung zum Zeitpunkt der schriftlichen Antwort am 28.09.2016 abgeschlossen. Ich habe zum Zeitpunkt meiner schriftlichen Antwort die Krankengeschichte des Klägers durchgesehen und habe mich dann daraufhin entschlossen, die Behandlung als abgeschlossen zu sehen, da seit der letzten Vorstellung am 16.06.2016 keine Vorstellung durch den Kläger mehr stattgefunden hat und ich in der Zwischenzeit bereits Physiotherapie verordnet hatte. Zum Zeitpunkt der Beantwortung war die letzte Vorstellung immerhin schon 3 Monate her.
– auf Vorhalt des Umstandes, dass sich der Kläger wegen anhaltender Beschwerden am 01.02.2017 erneut in der Praxis vorgestellt habe: Das ist das täglich Brot in der Sprechstunde. Man beendet die Behandlung und dann taucht der Patient aber wieder auf und sagt, er hat noch Beschwerden.
bestätigen nachvollziehbar und widerspruchsfrei die subjektive Einschätzung des Zeugen von einer durch ihn am 16.06.2016 beendeten ärztlichen Behandlung der Unfallverletzung.
Die Versuche der Berufung, in die Bekundungen des Zeugen den Inhalt zu legen, auch aus dessen Sicht könne frühestens von einem Ende der Behandlung am 28.09.2016 ausgegangen werden, überzeugen nicht.
Denn ersichtlich dienten die entsprechenden Angaben des Zeugen der Erklärung, warum er in seiner „Gutachterlichen Äußerung“ für den Versicherer das Behandlungsende auf den 16.06.2016 festgelegt hatte. Eine inhaltliche Änderung seiner gutachterlichen Äußerungen oder eine zeitliche Verschiebung des Behandlungsendes nach hinten hat der Zeuge zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen.
Es erscheint auch sinnwidrig, das Ende einer ärztlichen Behandlung mit dem Datum der Erstellung einer schriftlichen „Gutachterlichen Äußerung“ zu verknüpfen, da dieses je nach Arbeitsbelastung des Arztes oder wegen sonstiger unfallversicherungsfremder Faktoren im Rahmen einer gewissen Bearbeitungsdauer beliebig und variabel erscheint.
Schließlich hat der Zeuge auch davon unabhängig unter dem 01.02.2017 ein gesondertes „Ärztliches Attest“ ausgestellt (vgl. Anl. K 5), in dem es heißt (Hervorhebungen durch den Senat):
„Der (Kläger) befand sich aufgrund der Distorsion des 4. Fingers rechts in meiner Behandlung bis 16.06.2016 und am 01.02.2017. Bei der Untersuchung am 16.06.2016 sowie am 01.02.2017 wurde aufgrund der Verletzungsfolgen Physiotherapie verordnet.“
All dies zusammen bewertet trägt auch nach Auffassung des Senats die beweiswürdigende Feststellung, der Zeuge sei von einem „Behandlungsende 16.06.2016“ ausgegangen.
Dieses Beweisergebnis ist – zunächst einmal und für sich genommen – für das Berufungsgericht bindend (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3. Die streitgegenständliche Leistungspflicht der Beklagten besteht „für die Dauer der ärztlichen Behandlung“. Das ist der Zeitraum zwischen Beginn und Ende der ärztlichen Behandlung. Behandlungsbeginn ist die erste Konsultation des Arztes. Wie das „Ende der ärztlichen Behandlung“ in diesem Sinne zu bestimmen ist, wird in der Rechtsprechung und in der Fachliteratur kontrovers beurteilt (Hervorhebungen in den nachfolgenden Belegstellen durch den Senat).
a) Nach Leverenz (in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, AUB Ziff 2.3, Rn. 20 m.w.N.) ist von folgendem Streitstand auszugehen:
Nach einer Ansicht ist der Zeitpunkt des letzten Arztbesuchs maßgebend. Abzustellen ist demnach auf den Tag der letzten ärztlichen Behandlung oder Untersuchung, an dem der Arzt entweder die volle Wiederherstellung der versicherten Person feststellt oder wegen der Konsolidierung des Gesundheitszustands der versicherten Person eine weitere regelmäßige Behandlung nicht mehr für erforderlich hält.
Die Gegenauffassung setzt den Behandlungsabschluss nicht notwendig mit dem Zeitpunkt des letzten Arztbesuchs gleich. Entscheidend sei vielmehr, wann die ärztlichen Anordnungen (zur Medikamenteneinnahme) oder Weisungen für ein bestimmtes Verhalten (z.B. zur Ruhe, Rehabilitation, Gymnastik, Ernährungsweise) enden bzw. die ärztliche Therapie, manifestiert am letzten Tag der „Krankschreibung“, (faktisch) abgeschlossen sei; denn bis zu diesem Zeitpunkt müsse die versicherte Person den ärztlichen Anordnungen zur Vermeidung einer Obliegenheitsverletzung (Ziff. 7.1 AUB 99/2008, § 9 Abs. 1 S. 2 AUB 88/94) nachkommen.
Zuzustimmen ist der erstgenannten Ansicht.
Für die Maßgeblichkeit des letzten Arztbesuchs ist allerdings nicht ein Vergleich zwischen den AUB 61 und den AUB 88/94/99 relevant. Aus dem Wegfall von § 8 Abs. 3 Nr. 2 AUB 61 (Anspruch auf Tagegeld nach Abschluss der ärztlichen Behandlung bei Bescheinigung der Fortdauer der Beeinträchtigung durch den behandelnden Arzt) lässt sich für die Auslegung der neueren AUB nichts ableiten; denn auf die Entstehungsgeschichte kann es nicht ankommen, da diese dem VN als Adressaten der Bedingungen typischerweise nicht bekannt sind.
Entscheidender ist, dass nach dem Verständnis des durchschnittlichen VN die Dauer der ärztlichen Behandlung nach dem letzten persönlichen Kontakt mit dem Arzt endet. Dieser Tag stellt eine deutliche Zäsur dar. Der Arzt hat letztmalig die Gelegenheit, den Gesundheitszustand des Patienten und den Erfolg des Heilungsprozesses mit eigenen Augen zu analysieren. Trifft der Arzt – typischerweise nach einer Abschlussuntersuchung – die Aussage, dass die versicherte Person wegen der unfallbedingten Verletzung nicht wieder kommen muss, so wird die versicherte Person „offiziell“ aus der ärztlichen Verantwortung und Fürsorge entlassen. Nicht entscheidend für den Abschluss der ärztlichen Behandlung ist dagegen, ob der eingetretene Gesundheitsschaden noch eine Behandlung dahingehend erfordert, dem Patienten gewisse Erleichterungen z.B. durch Massagen oder Bewegungstherapien zu verschaffen; denn dies sind „Betreuungsmaßnahmen“, die zum einen im Regelfall nicht durch den Arzt vorgenommen werden und zum anderen zwar die nachteiligen Folgen der Gesundheitsbeeinträchtigung möglichst gering halten sollen, nicht jedoch dem Bereich der eigentlichen Heilbehandlung bzw. der Wiederherstellung der Gesundheit („Ursachenbekämpfung“) zuzuordnen sind.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nur ein Abheben auf den fest bestimmbaren Tag des letzten Arztbesuchs es im alltäglichen Massengeschäft erlaubt, im Rahmen der Leistungsregulierung das Tagegeld zügig und einfach abzurechnen. Käme es auf andere Kriterien an (z.B. Ende der Medikamenteneinnahme), würde die Prüfung erschwert.
Es entspricht indes der Intention der Bedingungsgeber, wenn in der Praxis für den Zeitraum der Krankschreibung nicht kleinlich verfahren wird. Eine völlige Wiederherstellung der versicherten Person tritt erfahrungsgemäß erst einige Tage oder längsten einige Wochen nach dem letzten Arztbesuch ein.
b) Nach Naumann (in: H.W. van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2017, § 16 Rn. 225 m.w.N.) gilt:
Strittig ist, wann das Behandlungsende anzunehmen ist. Ob der Tag des letzten Arztbesuchs als Behandlungsende anzunehmen ist, oder der Zeitpunkt, an dem die ärztlichen Anordnungen enden, ist letztlich eine Beweisfrage.
c) Grimm (in: Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 2. Rn. 60 m.w.N., zit. nach beckonline) vertritt folgende Auffassung:
Tagegeld wird für die Dauer der ärztlichen Behandlung gezahlt; das ist der Zeitraum zwischen Beginn und Ende der ärztlichen Behandlung. Behandlungsbeginn ist die erste Konsultation des Arztes, nicht jedoch eine bereits vorher bestehende Behandlungsbedürftigkeit der beim Unfall erlittenen Verletzungen.
Fraglich kann jedoch sein, wann das Ende der ärztlichen Behandlung anzusetzen ist. Die Verfasser der AUB 88 setzen die letzte Konsultation als Behandlungsabschluss an (Konen/Lehmann S. 46), empfehlen jedoch, in der Praxis nicht kleinlich zu verfahren, weil nach der Erfahrung die völlige Wiederherstellung häufig erst einige Tage nach dem letzten Arztbesuch eintrete und insbesondere unselbstständig Tätige noch kurze Zeit über die letzte Konsultation hinaus „krankgeschrieben“ würden. In solchen Fällen solle der Tagegeldanspruch nicht durch das Behandlungsende begrenzt werden.
Dem kann mit anderer Begründung zugestimmt werden.
Der Normzweck und das Interesse des Versicherten an einer sicheren Leistungsbestimmung erfordern, als Ende der ärztlichen Behandlung den letzten Tag der ärztlichen „Krankschreibung“ als dem eigentlichen Ende der Therapie anzusehen (zust. Prölss/Martin/Knappmann Ziff. 2 AUB 2008 Rn. 48).
Bis zu diesem Zeitpunkt erstreckt sich die ärztliche Fürsorge und Verantwortung, und bis zu diesem Zeitpunkt muss der Versicherte ärztlichen Anordnungen (Obliegenheit nach § 9 I Satz 2 AUB 88) nachkommen, z. B. Medikamente anwenden, Krankengymnastik durchführen u.a. (so auch OLG Düsseldorf VersR 1997, 1387; AG Köln VersR 1995, 950 m. Anm. Günther; ähnlich AG Hameln r+s 1996, 379 = VersR 1996, 1403 [Ls.]: als Dauer der ärztlichen Behandlung sei der Zeitraum zwischen dem ersten und letzten Arztbesuch bzw. der Fortwirkung bestimmter ärztlicher Maßnahmen nach dem letzten Besuch zu verstehen).
d) Nach Knappmann (in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, AUB 2010 § 2 Rn. 55 m.w.N., zit. nach beckonline) soll gelten:
Voraussetzung ist (Teil-)invalidität, die keine dauernde zu sein braucht, und ärztliche Behandlung (nicht ausreichend ist Behandlungsbedürftigkeit) der Unfallfolgen. Behandlung durch einen Heilpraktiker reicht nicht. Damit entfällt ein Anspruch auf Tagegeld (eventuell zeitweise), wenn die ärztliche Behandlung, gleich aus welchen Gründen, noch nicht aufgenommen (anders aber wohl dann, wenn sie situationsbedingt nicht vorgenommen werden konnte, da z. B. keine ärztliche Versorgung erreichbar) oder unterbrochen wird oder, wenn zwischenzeitlich eine Arbeitsunfähigkeit noch nicht oder nicht mehr besteht.
Die ärztliche Behandlung endet nicht automatisch mit dem letzten Arztbesuch (AG Köln mit abl. Anm. Günther VersR 1995, 950; anders B/M/Leverenz Ziff. 2.3 AUB 2008 Rn. 20), sondern erst dann, wenn die ärztliche Therapie abgeschlossen ist, z. B. Medikamente und Anwendungen abgesetzt sind (ähnlich Grimm Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 60).
Auch längere Behandlungspausen (Ruhephasen) unterbrechen nicht, wenn sie im Therapiekonzept vorgesehen sind (z. B. von Anfang an vorgesehene Nachbehandlung) (anders Naumann/Brinkmann § 5 Rn. 286). Reines Abwarten des natürlichen Heilungsverlaufs mit abschließender Befundkontrolle ist jedoch keine ärztliche Behandlung.
e) Das AG Köln hat in einer – in vorstehenden Literaturnachweisen mehrfach zitierten – Entscheidung vom 26.04.1995 (130 C 591/94, juris, VersR 1995, 950) unter dem Leitsatz:
Unter dem Ende der ärztlichen Behandlung i. S. d. § 7 III AUB 88 ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem die ärztlichen Anordnungen enden.
zur näheren Begründung ausgeführt:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf restliches Tagegeld aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung gem. § 7 III Nr. 1 AUB 88 zu. Nach der ärztlichen Bescheinigung war der Kläger durch den Unfall in seiner Leistungsfähigkeit „zu 100% vom 10. bis 28. 1.1994“ beeinträchtigt, so daß er das Tagegeld auch für die streitigen sieben Tage vom 22. bis 28. 1. 1994 verlangen kann. Daß der Kläger unstreitig letztmalig am 21. 1. 1994 die Ärztin aufgesucht hat, ist unerheblich. Die zitierte Bestimmung definiert nicht, was unter „Dauer der ärztlichen Behandlung“ zu verstehen ist, insbesondere ergibt sich daraus nicht, daß die letzte Konsultation des Arztes den Abschluß der ärztlichen Behandlung darstellt. Soweit nach Grimm (Unfallversicherung 2. Aufl. § 7 AUB Rdn. 47) die Verfasser der AUB dies gemeint haben, hat dies in dem Text der Bedingung keinen Ausdruck gefunden, so daß davon auch nicht zu Lasten des Klägers ausgegangen werden darf (§ 5 AGBG). Somit ist als Ende der ärztlichen Behandlung der Zeitpunkt anzusehen, zu dem ärztliche Anordnungen, etwa Medikamenteneinnahmen und Weisungen für bestimmtes Verhalten, etwa bezüglich Ruhe, Gymnastik, Ernährungsweise u. ä., enden. Dies kann nach der Lebenserfahrung durchaus noch einen Zeitraum nach dem letzten Arztbesuch betreffen (so auch zutreffend Grimm aaO). Daher hat die ärztliche Bescheinigung, die hier sogar ausdrücklich gegenüber der Beklagte abgegeben wurde, die Vermutung für sich, daß derartige ärztliche Maßnahmen und Weisungen bis zu dem Zeitpunkt fortwirken, bis zu dem die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bescheinigt ist .
Hierzu hat Dirk-Carsten Günther nachfolgende Anmerkung in VersR 1995, 951 veröffentlicht:
Der – nicht berufungsfähigen – Entscheidung kann nicht gefolgt werden. Nach § 7 III Nr. 1 AUB 88 wird ein Tagegeld „für die Dauer der ärztlichen Behandlung“ gezahlt. Was hiermit gemeint ist, bestimmt sich nach dem für die Auslegung von AVB maßgeblichen Sprachgebrauch des täglichen Lebens. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, wie ein durchschnittlicher VN bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung des Wortlauts die AVB verstehen muß. Aus der Sicht dieses „typischen“ VN bezeichnet die Dauer einer ärztlichen Behandlung den Zeitraum zwischen dem ersten und dem letzten Arztbesuch. Sowie vor dem ersten Besuch keine Behandlung möglich ist, gilt dies für den Zeitraum nach dem letzten Arztbesuch. Hier ist die persönliche Begegnung zwischen Arzt und Patient entscheidend, denn nur dann kann der Arzt „behandeln“, d. h. im wahrsten Sinne des Wortes „Handanlegen“. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Nach § 8 III Nr. 2 AUB 61 bestand ein Tagegeldanspruch auch nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt wurde. Diese Bestimmung ist in den AUB 88 ersatzlos weggefallen. Wenn daher der Arzt nach Abschluß der Behandlung noch für den nachfolgenden Zeitraum eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, besteht für diese Zeit nach den AUB 88 kein Tagegeldanspruch. Das Abstellen auf den Arztbesuch ist zudem ein klares Abgrenzungskriterium, das sich im alltäglichen Massengeschäft gut bewährt. Würde man hingegen auch auf den Zeitraum nach dem letzten Arztbesuch abheben, wäre die Abrechnungspraxis mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren belastet, die eine zügige Bearbeitung durch den Versicherer unmöglich machen. Es entspricht nämlich der Erfahrung, daß insbesondere unselbständig Tätige noch kurze Zeit über die letzte Konsultation hinaus „krank geschrieben“ werden. Die Arbeitsunfähigkeit gegen Ende der „Krankschreibung“ ist die Ausnahme. Anstatt auf den leicht festzustellenden Zeitpunkt des letzten Arztbesuches abzuheben, müßte in jedem Einzelfall – gegebenenfalls durch Einholung von Gutachten – festgestellt werden, ob die „Behandlung“ noch andauert. Daher sprechen sowohl Wortlaut und Entstehungsgeschichte als auch Sinn und Zweck des § 7 III AUB 88 dafür, für den Zeitraum nach dem letzten Arztbesuch kein Tagegeld mehr zu zahlen. Da somit schon die objektive Auslegung zu einem Ergebnis führt, blieb für die Unklarheitenregel des § 5 AGBG, auf die das AG vorschnell abstellte, kein Raum.
f) Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung vom 04.6.1992 (16 U 130/91, NJW-RR 1993, 217) ausgeführt (juris Rn. 9 ff):
Nach § 20 II AUB a.F. war der Anspruch des Erblassers auf Zahlung der Invaliditätsrente mit dem Abschluß der ärztlichen Behandlung, spätestens mit Ablauf des auf den Unfall folgenden Jahres entstanden. Die ärztliche Behandlung war hier, wie das LG im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, vor Ablauf dieses Jahres, nämlich bereits am 16.7.1986, abgeschlossen, als der Erblasser aus der S.-Klinik in B. entlassen wurde Die ärztliche Behandlung ist i.S.d. § 20 II AUB a.F. abgeschlossen, wenn entweder die Gesundheit wieder voll hergestellt ist oder der Gesundheitszustand soweit konsolidiert ist, daß dessen Verbesserung durch eine weitere ärztliche Behandlung nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Wussow/Pürckhauer, AUB, 6. Aufl. 1990, § 7 Rn. 59; § 14 Rn. 5). Denn der Abschluß der ärztlichen Behandlung soll nach den Versicherungsbedingungen in der Unfallversicherung eine Zäsur schaffen zwischen verschiedenen versicherbaren Risiken. So kann der VN nach § 8 AUB a.F. neben der Versicherung des Invaliditätsrisikos eine Tagegeldversicherung abschließen, welche bei einer unfallbedingten Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit für die Dauer der ärztlichen Behandlung eintritt. Nach Abschluß dieser Behandlung kommt bei verbleibender fortdauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit die Invaliditätsversicherung durch Entrichtung einer Rente zum Zuge. Insofern können also zwei möglicherweise nacheinander eintretende Risiken versichert werden, und die Zäsur zwischen ihnen ist der Abschluß der ärztlichen Behandlung, die auch dann für das Entstehen des Rentenanspruchs maßgebend ist, wenn wie hier keine Tagegeldversicherung abgeschlossen worden ist. Der Sinn dieser Regelung geht demnach dahin, daß in erster Linie Tagegeld zu zahlen ist, also noch keine Invalidenrente, solange aufgrund einer ärztlichen Behandlung die Möglichkeit besteht, daß durch sie die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit beseitigt oder verringert wird. Die Tagegeldversicherung soll demnach in erster Linie für den Zeitraum gewährt werden, in dem aufgrund einer ärztlichen Behandlung mit einer Wiederherstellung oder Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Alle darauf abzielenden Maßnahmen fallen noch unter eine solche Behandlung. Ist jedoch ein Gesundheitszustand erreicht, der nicht mehr durch weitere Behandlungen beeinflußt werden kann, also keine Verbesserung in der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit erwarten läßt, so ist die ärztliche Behandlung abgeschlossen, und der Anspruch auf Rentenzahlung entsteht. Nicht entscheidend für den Abschluß der ärztlichen Behandlung ist dagegen, ob der eingetretene Gesundheitsschaden noch eine Behandlung dahin erfordert, dem Patienten gewisse Erleichterungen zu verschaffen, etwa durch Massagen oder eine Bewegungstherapie. Dies sind lediglich ärztliche Betreuungsmaßnahmen, die dazu verhelfen, die nachteiligen Folgen einer verbliebenen Gesundheitsbeeinträchtigung möglichst gering zu halten, nicht aber mehr der Heilbehandlung dienen. Die Frage, ob in diesem Sinne eine ärztliche Behandlung abgeschlossen ist, ist nach einer rückblickenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Nur sie läßt eine eindeutige Bewertung zu und schafft damit klare Verhältnisse. Andernfalls würde auch der Beginn des Versicherungsschutzes für das Invaliditätsrisiko in unangemessener Weise hinausgeschoben. Denn es liegt auf der Hand, daß bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise der Unfallversicherer bei ärztlich eingeleiteten Maßnahmen, selbst wenn sie letzten Endes zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes mehr geführt haben, jeweils dahin argumentieren würde, der behandelnde Arzt sei der Überzeugung gewesen, damit noch eine Verbesserung zu erreichen, und habe demgemäß eine Heilbehandlung durchgeführt. Insofern kann der Beginn des Versicherungsschutzes nicht davon abhängen, ob erstellte Prognosen eingetreten sind oder nicht. Maßgebend muß vielmehr der eindeutig zu bestimmende Zeitpunkt sein, ob – rückblickend betrachtet – eingeleitete ärztliche Maßnahmen noch zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt haben. Die ärztliche Behandlung des Erblassers war hier nach der gebotenen nachträglichen Betrachtungsweise mit seiner Entlassung aus der S.-Klinik am 16.7.1986 abgeschlossen, wie die Vorinstanz zu Recht entschieden hat. Allerdings ist dafür entgegen der Ansicht des LG nicht allein darauf abzustellen, ob der eingetretene Invaliditätsgrund noch beeinflußbar war oder nicht. Denn eine ärztliche Behandlung dient in erster Linie dazu, die wie hier durch einen Unfall beeinträchtigte Gesundheit bestmöglich wieder herzustellen und zu festigen. Bei dem endgültigen Verlust eines Auges, den der Erblasser erlitten hat, steht der dadurch eingetretene Invaliditätsgrad von Anfang an endgültig fest. Dennoch ist eine ärztliche Behandlung zur Versorgung und Ausheilung der Wunde erforderlich und bevor diese Heilbehandlung nicht abgeschlossen ist, liegt keine Beendigung der ärztlichen Behandlung i.S.d. § 20 II AUB vor. Demnach ist vorliegend für das Entstehen des Rentenanspruchs nicht maßgebend, daß die Heilbehandlung des Erblassers bei seiner Entlassung aus der Klinik in B. am 17.3.1986 zwar in dem Sinne abgeschlossen war, daß die damals bereits eingetretene 100%-ige Invalidität durch nachfolgende Behandlungen nicht mehr verbessert werden konnte. Denn damals war nach dem übrigen Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme der Gesundheitszustand des Erblassers noch nicht soweit gefestigt, daß der Erblasser einer weiteren Heilbehandlung zur Konsolidierung seines Zustandes nicht bedurft hätte. Nach den Aussagen der behandelnden Ärzte konnte der Erblasser vielmehr bei seiner anschließenden Einlieferung in die S.-Klinik in B. am 18.3.1986 aufgrund der bestehenden Bewegungseinschränkung und seines allgemein geschwächten Zustandes sich weder selbst an- und ausziehen noch selbständig Körperhygiene betreiben. Er war nicht in der Lage, sich allgemein zu versorgen. Er war abgemagert und befand sich in einem allgemeinen Schwächezustand, so daß er zunächst nur liegen konnte. Nach seinem Erscheinungsbild war er gem. dem Eindruck, den die Zeugin bei einer ersten Untersuchung in der S.-Klinik am 24.3.1986 gewonnen hat, ein schwerkranker Mann, der dringend ärztlich versorgungsbedürftig war. Demgemäß bedurfte er zur Festigung seines Gesundheitszustandes noch weiterer ärztlicher Behandlung, die mit seiner Entlassung aus der S.-Klinik am 16.7.1986 abgeschlossen war. Denn danach konnte er sich wieder, wenn auch mit Hilfe einer Pflegekraft, weitgehend selbst versorgen. Eine Verbesserung seiner Gesundheit war nicht mehr zu erreichen. Demnach war zu diesem Zeitpunkt seine ärztliche Behandlung i.S.d. § 20 II AUB a.F. abgeschlossen. An diesem Ergebnis ändert nichts der Umstand, daß der Erblasser auch in der Folgezeit wegen der verbliebenen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit in Behandlung stand und Massagen sowie Bewegungstherapien erhielt. Diese Maßnahmen dienten, wie bereits ausgeführt, nicht mehr der Wiederherstellung seiner Gesundheit.
g) Das AG Hameln hat in einer – in vorstehenden Literaturnachweisen mehrfach zitierten – Entscheidung vom 16. 02. 1996 (22 C 524/95 (5), RuS 1996, 379, VersR 1996, 1403, zit. nach beckonline) unter dem Leitsatz:
Als Dauer der ärztlichen Behandlung ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers der Zeitraum zwischen dem ersten und letzten Arztbesuch bzw. der Fortwirkung bestimmter ärztlicher Maßnahmen nach dem letzten Besuch zu verstehen. Bei einem einmaligen Besuch eines Unfallarztes besteht deswegen nur für diesen Tag Anspruch auf Krankentagegeld.
zur näheren Begründung ausgeführt:
Nach § 7 III Nr. 1 AUB 88 wird ein Tagegeld „für die Dauer der ärztlichen Behandlung” gezahlt. Was hiermit gemeint ist, bestimmt sich nach dem maßgeblichen Sprachgebrauch des täglichen Lebens. Insoweit kommt es darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung des Wortlauts die AVB verstehen muß. Aus der Sicht dieses typischen Versicherungsnehmers bezeichnet die Dauer der ärztlichen Behandlung den Zeitraum zwischen dem ersten und dem letzten Arztbesuch. Denn nur in dieser Zeitspanne kann ein Arzt behandeln. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitnehmer den Unfallarzt nur einmal aufgesucht und kann insofern auch nur für diesen einen Tag Tagegeld beanspruchen. Die Beklagte hat der Klägerin auch das Tagegeld für diesen einen Tag ausbezahlt. Es mag zwar bedauerlich sein, daß der Arbeitnehmer keinen weiteren Arztbesuch folgen ließ, doch stellt diese Anforderung ein klares Abgrenzungskriterium dar. Ansonsten müßte in jedem Einzelfall gegebenenfalls durch Einholung von Gutachten festgestellt werden, ob eine „Behandlung” auch noch nach dem letzten Arztbesuch andauert. Eine andere Entscheidung wäre nur möglich gewesen, wenn die Klägerin vorgetragen hätte, daß bestimmte ärztliche Maßnahmen und Anordnungen auch für einen Zeitraum nach dem letzten Arztbesuch fortwirken sollten, so daß man auch für diesen nachfolgenden Zeitraum von einer „ärztlichen Behandlung” hätte ausgehen können. Anhaltspunkte hierfür liegen jedoch nicht vor.
h) Das LG Frankfurt hat in einer Entscheidung vom 12.12.1997 (2/18 O 200/97 juris, r+s 1999, 168) ausgeführt:
Gemäß § 7 Abs. 3 AUB 88 wird im Fall der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit als Unfallfolge für die Dauer der ärztlichen Behandlung Tagegeld gezahlt. Ob eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers hier vorlag, kann dahinstehen, denn Tagegeld wird nur für die Dauer der ärztlichen Behandlung gezahlt (§ 7 Abs. 3 (1) S. 1 AUB 88).
Unter der Dauer der ärztlichen Behandlung wird der Zeitraum zwischen Behandlungsbeginn und Ende der ärztlichen Behandlung verstanden. Der Behandlungsbeginn ist die erste Konsultation des Arztes.
Die Behandlung des Klägers war am 30.8.95 beendet, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, über den letzten Behandlungstag hinaus krankgeschrieben gewesen zu sein. Mit der Befundkontrolle am 30.8.95 endete die ärztliche Behandlung. Bis zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich die ärztliche Fürsorge, bis zu diesem Zeitpunkt mußte der Kläger den ärztlichen Anordnungen nachkommen. Eine weiterführende Behandlung ordnete der behandelnde Arzt nicht an. So verschrieb er keine Krankengymnastik unter medizinischer Aufsicht, sondern empfahl nur intensive Übung nach Anleitung. Es handelte sich also nicht mehr um unter ärztlicher Aufsicht durchzuführende Rehabilitationsmaßnahmen, sondern nur um vom Patienten in eigener Regie auszuführende Belastungssteigerungen.
i) Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 03.12.1996 (4 U 222/95, VersR 1997, 1387) ausgeführt:
Ob der Kläger auch in der Folgezeit arbeitsunfähig war, wie er behauptet, kann dahinstehen, weil er die weitere Anspruchsvoraussetzung, die Fortdauer der ärztlichen Behandlung, nicht ausreichend substantiiert vorgetragen hat. Der Kläger mußte hierzu konkret vortragen, da die Beklagte die ärztlichen Behandlungen über August 1994 hinaus zulässigerweise bestritten hat. … Der Vortrag des Klägers, er sei bis Januar 1995 in ärztlicher Behandlung gewesen, ist nicht ausreichend konkret. Er trägt weder Daten der ärztlichen Untersuchungen vor noch die Art und den Umfang der Behandlung. Insbesondere im Hinblick auf die von ihm vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wonach ab September 1994 keine Arbeitsunfähigkeit mehr bestand, ist sein Vorbringen zu pauschal. Soweit er sich auf Zeugen für die ärztliche Behandlung beruft, war dem nicht nachzugehen. Denn im Hinblick auf den fehlenden Sachvortrag wäre die Beweiserhebung ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Es kann dahinstehen, ob der Kläger Krafttraining betreibt, wie es von Prof. Dr. K. im Arztbericht vom 10.5.1994 empfohlen wurde. Denn zum einen hat Prof. Dr. K., dessen Untersuchung der Abklärung der Diagnose und des weiteren ärztlichen Vorgehens diente, damit nicht die Behandlung des Klägers übernommen, zum anderen ist ein derart allgemeiner Therapievorschlag keine ärztliche Behandlung i. S. d. § 7 III AUB 88. Die von dem Kläger vorgetragene Behandlung bei einer Heilpraktikerin ab Januar 1995 ist der ärztlichen Behandlung im Sinne der Vertragsbedingung nicht gleichzusetzen. § 7 III AUB 88 stellt ausdrücklich auf die Dauer der ärztlichen Behandlung ab. Dies ist im Hinblick auf die durch einen Arzt zu bescheinigende Arbeitsunfähigkeit und die Gewähr einer erfolgversprechenden Behandlung auch sinnvoll. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn der Vorschlag, einen Heilpraktiker aufzusuchen, von Prof. Dr. K. ausging, wie der Kläger behauptet.
Wie dargestellt, war Prof. Dr. K. aufgrund der einmaligen Untersuchung nicht der behandelnde Arzt des Klägers. Der Vorschlag des Prof. Dr. K. ist selbst keine ärztliche Behandlung. Die Regelung des § 7 III AUB 88 stellt auf den Zeitraum ärztlicher Fürsorge und Verantwortung ab (vgl. Grimm, Unfallversicherung 2. Aufl. § 7 AUB Rdn. 47). Ärztliche Verantwortung für die Behandlung wollte Prof. Dr. K. auch nach dem Vorbringen des Klägers durch einen allgemeinen Vorschlag, einen Heilpraktiker aufzusuchen, nicht übernehmen, zumal er keinen bestimmten Heilpraktiker oder eine bestimmte Behandlungsmethode genannt hat.
4. Auch in der Sparte „Krankenversicherung“ sind entsprechende Tagegeldleistungen versicherbar, nämlich als Krankentagegeld (vgl. § 192 Abs. 5, § 196 VVG).
Im Krankentagegeldtarif setzt die Leistungspflicht voraus, „dass die versicherte Person während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch einen niedergelassenen approbierten Arzt oder Zahnarzt bzw. im Krankenhaus behandelt wird“ (vgl. MB/KT § 4 Abs. 5). Da der Versicherte sich im Falle der Arbeitsunfähigkeit in aller Regel durch einen Arzt, Zahnarzt oder im Krankenhaus behandeln lässt und dies im Übrigen dem Versicherer auch „durch Bescheinigung des behandelnden Arztes oder Zahnarztes nachzuweisen“ hat (vgl. MB/KT § 4 Abs. 7), erscheint die Frage nach dem konkreten Ende der ärztlichen Behandlung vor dem Hintergrund der korrespondierenden Behandlungs-Obliegenheit des Versicherten (vgl. MB/KT § 9 Abs. 4: „Die versicherte Person hat für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu sorgen; sie hat insbesondere die Weisungen des Arztes gewissenhaft zu befolgen und alle Handlungen zu unterlassen, die der Genesung hinderlich sind.“) nur von geringer Relevanz (vgl. Wilmes in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, MB/KT § 4 Rn. 21 m.w.N.).
Allein schon durch den dort geltenden Begriff des „gedehnten Versicherungsfalls“, dessen Vorliegen durch „eine medizinisch notwendige Heilbehandlung“ definiert ist (vgl. § 192 Abs. 1 VVG) und dessen Ende mit den Worten beschrieben wird, „er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht“ (etwa MB/KK 2009 § 1 Abs. 2), ergeben sich aber entscheidende Unterschiede zur Privaten Unfallversicherung.
Wegen der spezifischen Besonderheiten im Krankenversicherungsrecht gerade auch im Bereich „Beginn und Ende des Versicherungsfalls“ einerseits und „Beginn und Ende der Tagegeldleistungspflicht“ andererseits (vgl. BGH 09.05.2018, IV ZR 23/17 juris Rn. 22 m.w.N., VersR 2018, 808) erscheint es dem erkennenden Senat nicht möglich, in einer Parallelwertung aus dieser Versicherungssparte heraus Weiterführendes zur Klärung der Begrifflichkeit „Ende der ärztlichen Behandlung“ im Tagegeldtarif einer privaten Unfallversicherung abzuleiten.
5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der erkennende Senat der Auffassung, die zur Tagegeldbezugsberechtigung führende Dauer der ärztlichen Behandlung der Unfallfolgen bei dem Kläger endete am Tag der letzten persönlichen Vorstellung des Klägers in der Praxis seines behandelnden Arztes am 16.06.2016.
Der Senat folgt damit im Wesentlichen der Argumentation von Leverenz (vgl. oben unter 3.a)) und Günther (vgl. oben unter 3.e)).
Der Senat hat sich hierbei insbesondere von folgenden Überlegungen leiten lassen:
a) Bedenken gegen die Wirksamkeit der fraglichen Bestimmung in Nr. 2.5.2 der vereinbarten AUB bestehen nicht. Sie ist weder intransparent noch unklar. Sie entspricht in ihrem Wortlaut den Regelungen von Ziff. 2.3 AUB 2010, § 7 III AUB 94/98 sowie § 8 (1) und (4) AUB 61 (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 2. Rn. 58) und steht deshalb seit Jahrzehnten mit ihrem Regelungsgehalt in der Rechtspraxis, ohne dass – soweit für den Senat erkenntlich – Wirksamkeitsbedenken formuliert würden. Der Begriff „ärztliche Behandlung“ ist verständlich und auch für den Versicherungsnehmer als Laien abgrenzbar. Ärztliche Behandlung meint Behandlung durch einen Arzt. Es kommt zum Ausdruck, dass weder die Behandlung durch Physiotherapeuten noch eine solche etwa durch Heilpraktiker oder durch Masseure unter diesen Begriff fallen. Eine Gleichstellung dieser „Behandlungen“ hätte bestimmt werden können, wurde aber nach dem eindeutigen Wortlaut (und im Gegensatz zu Regelungen in anderen Versicherungsarten) gerade nicht vorgenommen.
b) Entscheidend ist schließlich auch, dass der vom Landgericht ausführlich als Zeuge vernommene behandelnde Arzt des Klägers, Dr. B, wie oben dargelegt, das Behandlungsende auf den abschließenden Praxisbesuch des Klägers am 16.06.2016 festlegt. Diese Einordnung des besonders fachkundigen Behandlers verdeutlicht, dass nicht nur nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers die Dauer der ärztlichen Behandlung nach dem letzten persönlichen Kontakt mit dem Arzt endet, sondern dass diese Bewertung hier auch und gerade vom Willen des behandelnden Arztes selbst getragen war.
Dieser Tag stellt – für Arzt und Patient – eine deutliche Zäsur dar. Der Arzt hat letztmalig die Gelegenheit, den Gesundheitszustand des Patienten und den Erfolg des Heilungsprozesses mit eigenen Augen zu analysieren. Trifft der Arzt – wie im vorliegenden Fall – die Aussage, dass die versicherte Person wegen der unfallbedingten Verletzung nicht wieder kommen muss, so wird die versicherte Person „offiziell“ aus der ärztlichen Verantwortung und Fürsorge entlassen.
Im Falle des Klägers wurden am 16.06.2016 weder Folgetermine, noch Kontrolltermine, und auch keine Begleittermine parallel zur verordneten Physiotherapie (etwa zur Überwachung gewisser Behandlungsfortschritte) vereinbart. Deshalb steht hier der Datierung des Abschlusses der ärztlichen Behandlung auf den 16.06.2016 auch nicht entgegen, dass der bei dem Kläger als Unfallfolge offenbar eingetretene Gesundheitsschaden auch nach dem 16.06.2016 noch eine Behandlung durch physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen erforderte.
Denn diese in der Zukunft liegenden „Maßnahmen“ sollten weder durch einen Arzt vorgenommen noch von einem solchen überwacht werden. Die vom Zeugen Dr. B am 16.06.2016 ausgestellte Verordnung „10 x Krankengymnastik Allg. (Einzel)“ (vgl. Anl. K 6) verdeutlicht, dass der Arzt weder Verantwortung für die Person des Therapeuten noch für die Auswahl und die Art der Durchführung konkreter physiotherapeutischer Behandlungsschritte übernommen hat. All dies lag im alleinigen Verantwortungsbereich des behandelnden Physiotherapeuten.
c) Schließlich erscheint es dem Senat auch naheliegend, dass es im alltäglichen Massengeschäft der abgeschlossenen Unfallversicherungsverträge und vor dem Hintergrund des gerichtsbekannten Ablaufs von Vorgängen in einer Arztpraxis einer handhabbaren Festlegung des „Endes der ärztlichen Behandlung“ bedarf, um durch diese nach außen hin dokumentierte Zäsur eine zügige und einfache Abrechnung von Tagegeld im Rahmen der Leistungsregulierung zu ermöglichen. Je klarer diese Abgrenzung gelingt, umso weniger anfällig für Missbrauch erscheint sie. Ein Abheben auf den fest bestimmbaren Tag des letzten Arztbesuchs erfüllt diese Anforderungen.
Wollte man ein „Ende der ärztlichen Behandlung“ erst mit Auslaufen des letzten Rezepts zu einer – wie auch immer gearteten – weiteren Behandlung der unfallbedingt verletzten Gliedmaße annehmen, ergäben sich für den Patienten allein schon durch die Wahl des Therapeuten (etwa eine Physiotherapiepraxis mit erheblichen Wartezeiten) und durch Ausgestaltung der Behandlungsintervalle (etwa: 2 mal pro Woche oder alle 2 Wochen ein Termin) vielfältige „Gestaltungsmöglichkeiten“, die vom Versicherer nicht beeinflussbar wären und gleichzeitig Tagegeldzahlungspflichten begründen könnten.
Eine derart beliebige Bestimmung vertraglicher Leistungspflichten erscheint dem Senat im standardisierten Privatkundengeschäft der Versicherer nicht sachgerecht.
Hier hat der Kläger nicht vorgetragen, ob überhaupt und wenn ja zu welchen Terminen er die am 16.06.2016 verordneten Einheiten krankengymnastischer Behandlungen hat durchführen lassen.
Nach Aktenlage gibt es – eingedenk der beruflichen Selbständigkeit des Klägers im Ein-Mann-Betrieb im Bereich Trockenbau – auch keine über den 06.06.2016 (vgl. Anl. K 7) hinausreichende ärztliche Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit. 8 U 636/18 – Seite 19 – letzten persönlichen Arzt-Patienten-Kontaktes geeignet, die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nach dem „Ende der ärztlichen Behandlung“ zuverlässig zu beantworten.
Nach diesem Maßstab endete die ärztliche Behandlung des Klägers mit dem letzten Besuch in der Arztpraxis des Zeugen Dr. B am 16.06.2016, so dass ihm die für einen Leistungszeitraum ab 17.06.2016 eingeklagten Tagegeldbeträge – unabhängig von der Frage fortbestehender Beeinträchtigungen seiner Arbeitsfähigkeit – nicht mehr zustehen.
Das insoweit klageabweisende Ersturteil erweist sich deshalb als richtig, so dass die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückzuweisen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO.
Die Wertfestsetzung ergibt sich unter Anwendung von §§ 47, 48 GKG.
Die Revision wird zugelassen. Mit seiner Auffassung, dass die ärztliche Heilbehandlung des Klägers mit dem Tag des letzten persönlichen Kontakts zwischen behandelndem Arzt und Patient sowie unabhängig von der ärztlichen Verordnung künftiger physiotherapeutischer Behandlungseinheiten beendet ist, weicht der Senat von der oben zitierten Rechtsprechung anderer Gerichte ab. Zudem ist die Streitfrage nach dem konkreten Ende der ärztlichen Behandlung in der Unfalltagegeldversicherung von Bedeutung für eine Vielzahl von bestehenden Versicherungsvertragsverhältnissen. Das hat nach § 543 Abs. 2 Zif. 2 ZPO die Zulassung der Revision wegen dieses Streitpunktes zur Folge, da – soweit ersichtlich – eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch nicht vorliegt.
Verkündet am 14.01.2019

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