Aktenzeichen M 6 S 17.16
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 46 Abs. 1
Leitsatz
Verneint ein Gutachten die Fahrtauglichkeit, weil keine ungestörte Hypoglykämiewahrnehmung vorliegt und in den letzten 3 Monaten Hypoglykämien aufgetreten sind, und fehlt zudem beim Antragsteller hinreichende Compliance bezüglich seiner Diabeteserkrankung, kann die Fahrerlaubnis entzogen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,– festgesetzt.
Gründe
I.
Der 19… geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L.
Am … Dezember 2015 verursachte der Antragsteller als Fahrer eines PKW einen Unfall mit Sachschaden. Gegen den Antragsteller erging in dieser Angelegenheit am … April 2016 Strafbefehl. Hierin wurde er beschuldigt, im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge geistiger und körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet habe, wobei er fahrlässig gehandelt und die Gefahr fahrlässig verursacht habe, strafbar als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 315c Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 3 Nr. 2, 69, 69a, 53 Strafgesetzbuch – StGB -. Die Staatsanwaltschaft war hierbei aufgrund der eigenen Einlassungen des Antragstellers davon ausgegangen, dass dieser aufgrund Unterzuckerung fahruntüchtig gewesen sei und dies bei kritischer Selbstprüfung hätte erkennen können und müssen. An der Unfallstelle betrug sein Blutzucker gegen 15:20 Uhr 27 mg/dl. Gegen den Strafbefehl hatte der Bevollmächtigte des Antragstellers zunächst mit Schriftsatz vom … April 2016 Einspruch eingelegt. In der Sitzung des Amtsgerichts Wolfratshausen am 4. Juli 2016 äußerte der Antragsteller, sein Schwächeanfall habe nichts mit Diabetes zu tun gehabt. Auf die Frage des Sachverständigen, ob er die Richtlinien für diabeteskranke Kraftfahrer kenne, antwortete der Antragsteller, davon nichts zu wissen, das sei bisher nie aktuell gewesen, Diabetes sei ja keine Krankheit.
Nach Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch befand das Amtsgericht im daraufhin ergehenden Urteil den Antragsteller schuldig der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs, wie rechtskräftig im Strafbefehl des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 20. April 2016 festgestellt. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm wurde für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge aller Art auf öffentlichen Straßen zu führen.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2016, beim Amtsgericht Wolfratshausen eingegangen am 14. Juli 2016, gab der Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Führerschein in amtliche Verwahrung zur Verbüßung des dreimonatigen Fahrverbots.
Mit Schreiben vom 18. August 2016, dem Antragsteller zugestellt am 19. August 2016, forderte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen den Antragsteller zur Vorlage eines verkehrsmedizinischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle auf. Zur Begründung wurde auf den Verkehrsunfall vom … Dezember 2015 Bezug genommen.
Mit dem Gutachten sollte folgendes geklärt werden:
1. Liegt bei o.g. eine Erkrankung vor, die nach Nr. 5 der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – die Fahreignung infrage stellt? Wenn ja: ist der Untersuchte in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II vollständig gerecht zu werden?
2. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – gegebenenfalls selbstinduzierte – Unter-oder Überdosierung] usw.) vor?
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 FeV (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja warum?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung im Sinne einer erneuten (Nach-) Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?
Am … September 2016 unterzog sich der Antragsteller einer ärztlichen Begutachtung durch die A … in A … Das ärztliche Gutachten der A … ging am … September 2016 beim Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen ein. In dem Gutachten sind die Eignungsvoraussetzungen für das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und der Gruppe 2 getrennt dargestellt. Zu der fragestellungsbezogenen gesundheitlichen Vorgeschichte des Antragstellers wird dessen Auskunft über seine Erkrankung in dem Gutachten folgendermaßen wiedergegeben: Es sei bei ihm seit 1968 ein Diabetes mellitus bekannt. Er sei in den letzten 12 Monaten nicht wegen Unterzuckerung behandelt worden. Bei Blutzuckerwerten um 27 mg/dl habe er keine Ausfallserscheinungen. Sein Blutzucker sei immer etwas niedriger. Bei Blutzuckerwerten unter 25 mg/dl bemerke er Hungergefühl, auch bei der Fahrt habe er vor der Fahrt ein Bounty gegessen. Es sei ein Schwächeanfall gewesen. Die letzte Diabetikerschulung sei vor vielen Jahren gewesen. Er bestimme bis zu sechsmal täglich seinen Blutzuckerspiegel. Er fahre normal Auto. Er steige ins Auto und fahre los. Wenn es sich unterzuckert fühle, esse er etwas und warte. Unterzucker könne gefährlich werden, weil man einen Unfall bauen könne. Aber das sei kein Unfall wegen Unterzucker gewesen. Es bestehe folgende Dauermedikation:
Verapramil, Toujeo (Langzeitinsulin), Apidra (schnell wirkendes Insulin), Ramipril.
Das Gutachten stellt zur vorgenannten Dauermedikation fest, diese könne auch bei bestimmungsgemäßen Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werde. Die zusammenfassende Befundwürdigung kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller am … Dezember 2015 einen Verkehrsunfall aufgrund einer Hypoglykämie verursacht habe. Der initial bestimmte Blutzuckerwert habe bei 27 mg/dl gelegen. Der Antragsteller habe jedoch im Rahmen der Begutachtung angegeben, dass kein Unterzucker die Ursache gewesen sei, weil er sich, nachdem er ein Bounty gegessen habe, normal gefühlt habe. Er bemerke erst bei Blutzuckerwerten unter 25 mg/dl ein Hungergefühl. Ihm mache niedriger Zucker nichts aus. Diese Angaben sprächen eindeutig für eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung. Weiterhin wird ausgeführt, aus den vorliegenden Blutzuckerselbstkontrollmessungen werde ersichtlich, dass weiterhin Hypoglykämien bis zu 32 mg/dl vorlägen. Die Blutzuckerwerte im Zeitraum vom 28. Juni 2016 bis 19. September 2016 hätten zwischen 32 und 436 mg/dl gelegen. Die Stoffwechseleinstellung sei somit trotz des guten HbA1c-Wertes von 6,9% als schlecht zu bezeichnen. Der Antragsteller sei derzeit entsprechend der Nr. 5.4 der Anlage 4 zur FeV nicht in der Lage den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II gerecht zu werden, da keine ungestörte Hypoglykämiewahrnehmung vorliege und in den letzten 3 Monaten Hypoglykämien aufgetreten seien.
Die begutachtende Stelle sah aufgrund der Mehrfachindikation außerdem eine Überprüfung der psychophysischen Leistungsfähigkeit veranlasst. Hierbei hätten sich fragestellungsrelevante psychophysische Leistungsbeeinträchtigungen gezeigt.
Unter Bezugnahme auf die Fragen der Fahrerlaubnisbehörde kommt das Gutachten zu folgendem Ergebnis:
„1. Bei Herrn B. liegt eine Erkrankung vor, die nach Nr. 5.4 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt.
Herr B. ist nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II vollständig gerecht zu werden.
2. Es liegt keine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – gegebenenfalls selbstinduzierte- Unter- oder Überdosierung] usw.) vor.“
Mit Schreiben vom 26. September 2016 wurde der Antragsteller zum Entzug seiner Fahrerlaubnis angehört. Mit Schriftsatz vom … Oktober 2016 äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers hierzu. Vom Hausarzt des Antragstellers sei am … Oktober 2016 ein Hypoglykämie Belastungstest durchgeführt worden, welcher ergeben habe, dass der Antragsteller bei Blutzuckerwerten bis zu 38 mg/dl zeitlich und örtlich stets voll orientiert gewesen sei und dass bei ihm kein kognitives Defizit und keine Bewusstseinsstörung bestanden habe. Neurologische Ausfälle seien nicht festgestellt worden. Damit sei das Gutachten der A … vom … September 2016 als widerlegt anzusehen. Dem Schriftsatz war ein Attest des Hausarztes des Antragstellers vom … Oktober 2016 beigefügt. Hierin ist ausgeführt, der Antragsteller sei Typ-1-Diabetiker und befinde sich seit 1993 in seiner fach- und hausärztlichen Betreuung. Auf Wunsch des Antragstellers sei ein Hypoglykämie Belastungstest durchgeführt worden. Bei einem Nüchternblutzucker von 64 mg% (gemeint ist wohl 64 mg/dl) sei es nach Injektion von insgesamt 5 Einheiten Altinsulin auf ein Absinken von 38-39 mg% (gemeint ist wohl 38-39 mg/dl) über einen Zeitraum von ca. 30 Minuten gekommen, mehrfach kontrolliert. Bei der körperlichen Untersuchung habe sich der Patient zeitlich und örtlich stets voll orientiert gezeigt. Es habe leichte Unruhe bestanden, sowie leichte Gang- und Standunsicherheit, jedoch keine neurologischen Ausfälle, kein Zittern oder Schwitzen, keine Bewusstseinsstörung.
Mit Bescheid des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom 8. Dezember 2016, dem Bevollmächtigten zugestellt am 9. Dezember 2016, wurde ihm die Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L entzogen (Nr. 1 des Bescheids), die Abgabe des Führerscheins bis spätestens 5 Tage nach Zustellung des Bescheids angeordnet (Nr. 2), für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angeordnet (Nr. 3) und in Nr. 4 die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 angeordnet.
Zur Begründung führte der Antragsgegner unter ausführlicher Darstellung des Sachverhaltes aus, dass der Antragsteller seit … Dezember 1966 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse 4 sei. Am … Februar 1969 habe er seine Fahrberechtigung um die Klasse 3 erweitert. Die Fahrerlaubnisklasse 1 habe er am … März 1988 erworben. Die Berechtigung umfasse das Führen von Kraftfahrzeugen der neuen Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L.
Die Fahrerlaubnisbehörde habe die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Die verkehrsmedizinische Untersuchung bestätige ein Diabetes mellitus. Es seien Blutzuckerprotokolle für den Zeitraum vom 28. Juni 2016 bis 19. September 2016 vorgelegt worden. Diesen seien weitere Hypoglykämien bis zu 32 mg/dl zu entnehmen. Der Antragsteller erfülle die Anforderungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 5.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – FeV – derzeit nicht, weil bei ihm eine gestörte Hypoglykämie Wahrnehmung vorliege. Ein weiterer Fahreignung ausschließender Tatbestand werde vom Antragsteller nach Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV erfüllt. Aufgrund einer Dauerbehandlung mit Arzneimitteln werde die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das für Fahrzeuge der Gruppe 2 erforderliche Maß beeinträchtigt. Bei dem Testverfahren “Corporal Plus Aufmerksamkeit“ habe der Antragsteller nur unzureichende Ergebnisse erreicht und im Vergleich zur Norm kein normgerechtes Leistungsbild gezeigt. Die Fahrerlaubnisbehörde schließe sich dem verkehrsmedizinischen Gutachten der A …Begutachtungsstelle an. Das vom Hausarzt nachgereichte ärztliche Attest erschüttere nicht die Ergebnisse der verkehrsmedizinischen Begutachtung.
Zur Begründung des Sofortvollzugs wird auf Seite 4 des Bescheids vom 8. Dezember 2016 ausgeführt, es bestehe ein dringendes öffentliches Interesse, die Allgemeinheit vor den Gefahren, die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehen zu schützen. Ein erhöhtes Risiko, das erwarten lasse, dass anderen Verkehrsteilnehmern Nachteile für Leben, Gesundheit und Eigentum drohen, ergebe sich bei Diabetes in erster Linie durch das Auftreten einer Hypoglykämie mit Kontrollverlust, Verhaltensstörungen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen. Es könne mit dem Vollzug nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit oder der Beendigung der aufschiebenden Wirkung nach § 80b VwGO gewartet werden, weil der beschriebene Gesundheitszustand des Betroffenen zu einem nicht verhältnismäßigen Verkehrsrisiko führe. Der Antragsteller sei bereits an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen, für den er die Verantwortung zu tragen habe. Nur durch Zufall habe der Sachschaden überwogen und Personen seien nicht verletzt.
In der Akte des Antragsgegners (Blatt 99) befindet sich eine Kopie einer Verlustanzeige des Antragstellers. Danach hat dieser am … Dezember 2016 bei der Polizeiinspektion B … den Verlust seines Führerscheins der Klassen 1, 2, 3 angezeigt. Per E-Mail teilte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen am 11. Mai 2017 dem Verwaltungsgericht München mit, dass diese Verlustanzeige der Fahrerlaubnisbehörde als Glaubhaftmachung des Verlusts des Führerscheins genüge und keine Zwangsgelder erhoben würden.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016, beim Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen per Telefax eingegangen am 22. Dezember 2016, legte der Bevollmächtigte für den Antragsteller Widerspruch ein. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2016, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 3. Januar 2017, stellte der Bevollmächtigte für den Antragsteller Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Er beantragte,
1.Die sofortige Vollziehung des Bescheids des Antragsgegners vom 8. Dezember 2016 wird ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt.
2.Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die vom Antragsteller abgelieferten Führerscheine unverzüglich wieder an den Antragsteller zurückzugeben und ihm für den Fall der Unbrauchbarmachung einen neuen Führerschein der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E und L auszustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei im Umgang mit etwaigen Symptomen eines Unterzuckers, der Prüfung des Blutzuckers, der Eigenverabreichung von Insulin, der angemessenen Ernährung und einer schnellen Reaktion auf die Symptome eines Unterzuckers bestens und aus jahrzehntelanger Erfahrung vertraut. Die Anordnung des sofortigen Vollzugs sei wegen der Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts der Fahrerlaubnisentziehung unzulässig. Außerdem sei von der Fahrerlaubnisbehörde das Überwiegen des besonderen öffentlichen Interesses nicht nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht worden.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2017, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 13. Februar 2017, den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die vom Antragsgegner vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet und daher insgesamt ohne Erfolg. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22. Dezember 2016 gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2016 war hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 des Bescheids nicht wiederherzustellen.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids unzulässig, weil ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris). Die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids ist als erfüllt anzusehen, denn der Antragsteller hat am … Dezember 2016 bei der Polizeiinspektion B … den Verlust seines Führerscheins angezeigt und die Verlustanzeige der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld gleichwohl noch beitreiben wird, vielmehr hat der Antragsgegner mitgeteilt, das Zwangsgeld nicht fällig zu stellen.
2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.
2.1 Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 8. Dezember 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die Begründung des Antragsgegners. Er hat (auf Seite 4 des Bescheids) dargelegt, warum konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet wurde.
Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.
2.2 Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 8. Dezember 2016 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22. Dezember 2016 bezüglich der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen.
2.2.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
2.2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 8. Dezember 2016 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist.
Das erkennende Gericht nimmt zunächst Bezug auf die Gründe des Bescheids des Antragsgegners vom 8. Dezember 2016 und macht sich die darin enthaltenen zutreffenden rechtlichen Ausführungen zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Der Antragsgegner führt unter Wiedergabe der Rechtsgrundlagen ausführlich und nachvollziehbar aus, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil bei ihm eine Erkrankung (Diabetes mellitus) nach der Nr. 5 der Anlage 4 der FeV vorliegt, aufgrund der im Falle des Antragstellers die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Das Gutachten der A … am … September 2016 kam in der zusammenfassenden Befundwürdigung zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung (…9.2016) nicht in der Lage war, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II gerecht zu werden, da keine ungestörte Hypoglykämiewahrnehmung vorliegt und in den letzten 3 Monaten Hypoglykämien aufgetreten sind. Dies ist in der abschließenden Stellungnahme des Gutachtens (siehe oben I) klar ausgeführt.
Infolge des Ergebnisses des Gutachtens ist der Antragsgegner zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids folgerichtig von der Nichteignung des Antragstellers hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L ausgegangen. Ein Ermessen stand dem Antragsgegner hinsichtlich der Entziehung nicht zu (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV).
Das erkennende Gericht hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens. Das Explorationsgespräch ist wiedergegeben. Die einzelnen Befunde sind ausführlich dargestellt und bewertet worden. Das Gutachten begründet schlüssig, warum von einer schlechten Stoffwechseleinstellung ausgegangen wird. Insbesondere wird dargelegt, warum aus den vorliegenden Blutzuckerselbstkontrollmessungen ersichtlich ist, dass weiterhin Hypoglykämien im gemessenen Zeitraum vom 28. Juni 2016 bis 19. September 2016 vorlagen. Das Gutachten berücksichtigt sowohl den unauffälligen Allgemein- und Ernährungszustand als auch das unauffällige Ergebnis der körperlichen Untersuchung, andererseits aber auch die durch Dauermedikation entstandenen psychophysischen Leistungsbeeinträchtigungen des Antragstellers.
Seitens des Antragstellers wird nichts vorgetragen, das die Ergebnisse des Gutachtens in Frage stellen könnte. Das Attest des behandelnden Hausarztes des Antragstellers vom … Oktober 2016 vermag das A … Gutachten nicht zu entkräften. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass der behandelnde Hausarzt des Antragstellers über spezielle Erfahrungen in der Verkehrsmedizin verfügt. Dementsprechend trifft sein ärztliches Attest vom … Oktober 2016 auch keine Aussagen zur Fahreignung des Antragstellers. Zum anderen soll gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV der begutachtende Facharzt nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein.
Insgesamt hat das erkennende Gericht nach Würdigung aller Umstände erhebliche Zweifel, ob beim Antragsteller hinreichende Compliance bezüglich seiner Diabeteserkrankung gegeben ist. Aus dem Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 4. Juli 2016 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller beharrlich einen Zusammenhang zwischen dem von ihm verursachten Unfall und der zum Unfallzeitpunkt gegebenen Unterzuckerung bestreitet, obwohl dieser angesichts der gemessenen Werte auf der Hand liegt. Das Verwaltungsgericht hat deshalb den Eindruck, dass der Antragsteller das Problem seiner Diabeteserkrankung und die Folgen, die diese für eine Teilnahme am Straßenverkehr haben kann unterschätzt.
2.2.3 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV. Deshalb kann auch der Folgenbeseitigungsantrag in Nr. 2 des Antrags des Bevollmächtigten vom 29. Dezember 2016 keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).