Medizinrecht

Erfolglose Klage auf Erstattung der Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung mittels des sog. ICSI-Verfahrens

Aktenzeichen  14 B 15.2621

Datum:
12.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG BBesG aF § 69 Abs. 2
SG SG § 31 Abs. 4
SGB V SGB V § 27a
BBhV BBhV § 34
GG GG Art. 3 Abs. 1
BBesG BBesGVwV § 2 zu § 69 Abs. 2 BBesG aF

 

Leitsatz

1 Eine Übernahme der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung setzt voraus, dass die ungewollte Kinderlosigkeit durch eine Gesundheitsstörung der anspruchsberechtigten Soldatin oder des anspruchsberechtigten Soldaten verursacht ist (sog. Verursacherprinzip). Zudem muss die durchgeführte (oder beabsichtigte) künstliche Befruchtungsmethode die zur Behandlung der konkreten Gesundheitsstörung notwendige und angemessene medizinische Leistung sein (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
2 § 31 Abs. 4 SG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Nachrang der Beihilfe gegenüber dem Anspruch auf Heilfürsorge nur in den Fällen eingreift, in denen nach den insoweit maßgebenden Verwaltungsvorschriften überhaupt eine Leistung vorgesehen ist (Rn. 26). (redaktioneller Leitsatz)
3 Dass truppenärztliche Versorgung und Beihilfe bei Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im anspruchsbegründenden Zeitraum unterschiedlichen Voraussetzungen unterlagen, stellt keine gleichheitswidrige Benachteiligung der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn die Sicherungssysteme “truppenärztliche Versorgung” und “private Eigenversorgung mit ergänzender Beihilfe” weisen grundlegende Strukturunterschiede auf (Rn. 27). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 14.579 2015-04-21 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. April 2015 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dahinstehen kann, ob der auf Neuverbescheidung gerichtete Klageantrag nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2013 – 5 C 29.12 – (BVerwGE 148, 116) zur Verfassungsmäßigkeit des § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BBesG (i.d. bis 31.5.2015 geltenden Fassung – § 69 BBesG a.F.) hätte präzisiert werden müssen. Jedenfalls kann die Klägerin Erstattung ihrer Aufwendungen für die bei ihr durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung weder nach den Vorschriften über die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung verlangen noch kann sie ausnahmsweise hierfür subsidiäre Beihilfe beanspruchen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.
I.
Maßgeblich für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ist – sowohl im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung als auch aufgrund des behaupteten (subsidiären) beihilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs – die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 29.12 – BVerwGE 148, 116 Rn. 10 m.w.N.). Die bei der Klägerin vorgenommenen ärztlichen Behandlungen zur künstlichen Befruchtung wurden von September bis Oktober 2012 sowie von April bis Mai 2013 durchgeführt und im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an die Behandlungen in Rechnung gestellt. Maßgeblich abzustellen ist daher auf die Sach- und Rechtslage von Ende 2012 bis Ende 2013.
II.
Die Klägerin kann eine Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht aufgrund ihres bestehenden gesetzlichen Anspruchs auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung verlangen. Die Klägerin hat nicht den Nachweis geführt, dass die durchgeführten Maßnahmen nach dem sog. ICSI-Verfahren (extracorporale Befruchtung mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion) einschließlich der verordneten Medikamente zur Behandlung ihrer Fertilitätsstörung notwendig waren.
1. Der nach § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BBesG a.F. gewährte Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung gehört zu den Sachbezügen der Soldatinnen und Soldaten (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten – Soldatengesetz – SG). Nähere Bestimmungen zum Umfang des Anspruchs auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung und zur Art und Weise seiner Verwirklichung waren bis 31. Mai 2015 – und damit im Zeitraum, in dem die streitgegenständlichen Behandlungen abgerechnet wurden – in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. enthalten. Dies galt grundsätzlich auch für die Frage, in welchen Fällen eine Behandlung außerhalb der Versorgung durch Truppenärzte stattfinden durfte. Das Bestehen und der Umfang eines Anspruchs konnte regelmäßig nur aus der gesetzlichen Regelung in Verbindung mit der hierzu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift hergeleitet werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 29.12 – BVerwGE 148, 116 Rn. 11 m.w.N.).
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in Anlehnung an seine Rechtsprechung zum Beihilferecht (vgl. U.v. 17.6.2004 – 2 C 50.02 – BVerwGE 121, 103) und zum Heilfürsorgerecht für die Bundespolizei (vgl. U.v. 12.9.2013 – 5 C 33.12 – BVerwGE 148, 1) mit Urteil vom 10. Oktober 2013 – 5 C 29.12 – (BVerwGE 148, 116 Rn. 15 ff.) entschieden, dass die Bestimmungen über die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts entsprochen haben, gleichzeitig jedoch festgestellt, dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift bis zum Erlass entsprechender gesetzlicher Vorschriften für eine Übergangszeit weiter anzuwenden ist. Ausgenommen hiervon sind danach jedoch die Bestimmungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die den Zweck der truppenärztlichen Versorgung auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienst- und Einsatzfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten begrenzen und Maßnahmen der künstlichen Befruchtung von der Versorgung ausnehmen (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 a.a.O. Rn. 23). Diese in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. nach dem 17. Juni 2004 – als Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht – aufgenommenen Leistungsbeschränkungen seien weder Bestandteil des zu Beginn der Übergangszeit Mitte 2004 vorhandenen Systems der Verwaltungsvorschriften gewesen noch hätten sie dem vom Gesetzgeber vorgegebenen normativen Programm entsprochen (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 a.a.O. Rn. 30 ff.).
3. Auf der Grundlage dieser Ausführungen hat die Klägerin weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für das angewendete sog. ICSI-Verfahren (a) noch auf Erstattung der in diesem Zusammenhang verordneten Medikamente (b).
a) Die ärztliche Behandlung der Klägerin erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzungen der übergangsweise anzuwendenden Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. (i.d. bis 31.10.2014 geltenden Fassung vom 25.6.2009). Danach umfasst die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen zur Gesunderhaltung, Verhütung und frühzeitigen Erkennung von gesundheitlichen Schäden sowie die zur Behandlung einer Erkrankung spezifisch erforderlichen medizinischen Leistungen; sie erfasst damit alle regelwidrigen Körper- und Geisteszustände, die einer Behandlung bedürftig und einer Therapie zugänglich sind.
Eine Übernahme der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung setzt somit voraus, dass die ungewollte Kinderlosigkeit durch eine Gesundheitsstörung der anspruchsberechtigten Soldatin oder des anspruchsberechtigten Soldaten verursacht ist (sog. Verursacherprinzip). Zudem muss die durchgeführte (oder beabsichtigte) künstliche Befruchtungsmethode – hier das angewendete ICSI-Verfahren – die zur Behandlung der konkreten Gesundheitsstörung notwendige und angemessene medizinische Leistung sein. Inwieweit der im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2013 ergangene Zentralerlass des Bundesministeriums der Verteidigung „Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung“ – B-1455/1 -, der nach seiner Nr. 2.5 auch für bereits vor dem 10. Oktober 2013 beantragte Kostenübernahmen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gilt, bei denen die Genehmigungs-/Erstattungsverfahren noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossen sind, über die Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift hinausgehende weitere Voraussetzungen formuliert, bedarf keiner Erörterung. Einseitige Anweisungen, Erlasse, Hinweise oder Rundschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung können die nach § 69 Abs. 2 BBesG a.F. erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften nicht einschränken, ändern oder authentisch interpretieren (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2003 – 2 C 38.02 – BVerwGE 119, 265).
Grundsätzlich stellt eine organisch bedingte Sterilität, also die Unfähigkeit, auf natürlichem Wege genetisch eigene Nachkommen empfangen zu können, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2003 – 2 C 38.02 – BVerwGE 119, 265) einen regelwidrigen Körperzustand dar, der von der generell bestehenden Fortpflanzungsfähigkeit erwachsener Menschen als Normalzustand abweicht. Liegt eine organisch bedingte Sterilität vor, hat die Soldatin oder der Soldat Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung im Umfang der notwendigen und angemessenen Behandlungsmaßnahmen. Dabei trägt die Soldatin oder der Soldat nach den allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände (BayVGH, B.v. 30.10.2013 – 14 ZB 11.1202 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die Klägerin hat vorliegend nicht den Nachweis geführt, dass die geltend gemachten Aufwendungen für das durchgeführte ICSI-Verfahren zur Behandlung der bei ihr (wohl) vorliegenden organisch bedingten Sterilität notwendig waren. Dabei ist den vorgelegten ärztlichen Attesten bereits nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Klägerin tatsächlich unter einer ovariellen Dysfunktion mit anovulatorischen Zyklen leidet. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Zentrums für Reproduktionsmedizin, Medizinische Genetik und Pränataldiagnostik vom 22. April 2015 besteht bei der Klägerin diese Fertilitätsstörung, die im Falle einer Kinderwunschtherapie immer eine hormonelle Stimulationsbehandlung erfordere. Auch im ärztlichen Brief des Zentrums für Reproduktionsmedizin, Medizinische Genetik und Pränataldiagnostik vom 28. März 2017 wird ein regelmäßiges Zyklusgeschehen, jedoch mit anovulatorischen Zyklen, bestätigt, so dass im Falle einer Sterilitätstherapie ungeachtet der Methode immer eine Indikation zur hormonellen Stimulation bestehe. Allerdings ist im Schreiben vom 28. März 2017 als Diagnose von einem „Verdacht auf anovulatorische Zyklen“ die Rede. Letztlich bedarf es keiner weiteren Klärung, ob die Klägerin tatsächlich an einer ovariellen Dysfunktion mit anovulatorischen Zyklen leidet. Denn selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten vom Vorliegen dieser Fertiliätsstörung ausgeht, hat sie trotz mehrfacher Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof – unter anderem in der Ladung vom 6. April 2017 zur mündlichen Verhandlung – nicht nachgewiesen, dass die durchgeführte Behandlung nach dem sog. ICSI-Verfahren speziell zur Behandlung dieser Erkrankung notwendig war. Vielmehr lässt sich den vorgelegten Attesten entnehmen, dass die zusätzlich beim Ehemann bestehende andrologische Subfertilität der Grund dafür war, dass eine extracorporale Befruchtung mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) die einzige Therapieoption mit hinreichender Erfolgsaussicht war und die Indikation zur IVF/ICSI-Behandlung aufgrund des eingeschränkten andrologischen Befunds bestanden hat. Der fehlende Nachweis der (medizinischen) Notwendigkeit der geltend gemachten Aufwendungen geht zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.
Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für das ICSI-Verfahren ergibt sich auch nicht – im Wege der Anspruchserweiterung – aus dem Zentralerlass des Bundesministeriums der Verteidigung B-1455/1. Nach Nr. 2.1 muss die Behandlung eine Heilbehandlung in Form eines Funktionsausgleichs zur natürlichen Fähigkeit, genetisch eigene Kinder zu empfangen, darstellen. Somit ist auch hiernach die Erstattungsfähigkeit von entsprechenden Aufwendungen an den Nachweis der Notwendigkeit geknüpft. Dieser wurde vorliegend nicht erbracht.
b) Die Klägerin kann nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. auch nicht die Erstattung der in diesem Zusammenhang verordneten Medikamente verlangen. Ausweislich der mit Schreiben vom 16. Mai 2017 vorgelegten Bescheinigungen des Zentrums für Reproduktionsmedizin, Medizinische Genetik und Pränataldiagnostik vom 15. Mai 2017 wurden der Klägerin bei der IVF/ICSI-Behandlung zwar die aufgelisteten und in ihrer Wirkung beschriebenen Medikamente verordnet. Trotz des mehrfachen richterlichen Hinweises, dass eine Kostenerstattung im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung nur möglich ist, wenn die Aufwendungen zur Behandlung ihrer Erkrankung notwendig waren, geht aus keiner der vorgelegten ärztlichen Atteste hervor, dass die verordneten Medikamente – unabhängig vom konkret durchgeführten ICSI-Verfahren – ausschließlich zur Behandlung der ovariellen Dysfunktion mit anovulatorischen Zyklen notwendig waren. Die in den Bescheinigungen vom 22. April 2015 und 28. März 2017 enthaltenen Hinweise auf die Erforderlichkeit einer hormonellen Stimulationsbehandlung belegen nicht die Notwendigkeit der konkret verordneten Medikamente zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin. Der fehlende Nachweis geht zu Lasten der auch insoweit beweispflichtigen Klägerin.
III.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von subsidiärer Beihilfe für die von ihr geltend gemachten Aufwendungen.
Nach § 31 Abs. 4 SG (i.d. bis 22.5.2015 geltenden Fassung, die in ihrem wesentlichen Regelungshalt dem heutigen § 31 Abs. 4 SG entspricht) sind nicht beihilfefähig Aufwendungen von Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, denen aufgrund von § 69 Abs. 2 BBesG a.F. – nach heutiger Regelung aufgrund von § 69a BBesG – unentgeltliche truppenärztliche Versorgung zusteht. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Nachrang der Beihilfe gegenüber dem Anspruch auf Heilfürsorge nur in den Fällen eingreift, in denen nach den insoweit maßgebenden Verwaltungsvorschriften – zu § 69 Abs. 2 BBesG a.F. – überhaupt eine Leistung vorgesehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1982 – VI C 8.77 – BVerwGE 65, 87).
Zwar werden im Unterschied zu dem im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung maßgeblichen Verursacherprinzip Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach Bundesbeihilferecht auf der Grundlage des dort geltenden Körperprinzips erstattet (§ 43 BBhV i.V.m. § 27a SGB V). Danach ist das Vorliegen eines regelwidrigen Körperzustands bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht erforderlich und es können grundsätzlich diejenigen Aufwendungen beansprucht werden, die am Körper des jeweiligen Ehepartners erforderlich sind. Da die Klägerin bei Vorliegen der Voraussetzungen – entsprechende eigene Erkrankung und Nachweis der Notwendigkeit der geplanten/vorgenommenen Behandlung – grundsätzlich einen Anspruch auf Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung hat, greift der Nachrang der Beihilfe gegenüber dem Anspruch auf Heilfürsorge. Die Frage eines subsidiären Beihilfeanspruchs stellt sich somit vorliegend nicht. Dass truppenärztliche Versorgung und Beihilfe bei Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im anspruchsbegründenden Zeitraum unterschiedlichen Voraussetzungen unterlagen (seit Einführung des § 69a Abs. 4 BBesG zum 28.10.2016 und der dort geregelten Kostenübernahme in entsprechender Anwendung des § 27a SGB V erhalten Soldatinnen und Soldaten Leistungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung unter den gleichen Voraussetzungen wie Beihilfeberechtigte des Bundes), stellt keine gleichheitswidrige Benachteiligung der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn die Sicherungssysteme „truppenärztliche Versorgung “ und „private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe“ weisen grundlegende Strukturunterschiede auf. So deckt die truppenärztliche Versorgung – anders als die Beihilfe – nur die Ansprüche der Soldatinnen und Soldaten im Krankheits- und Pflegefall ab und sichert grundsätzlich nicht deren Angehörige. Zudem unterscheidet sie sich insoweit von der Beihilfe, als der Dienstherr bei der Beihilfe nur einen Teil der Aufwendungen für Heilfürsorgemaßnahmen übernimmt und die Beamtin oder der Beamte den verbleibenden Teil durch Eigenvorsorge zu bestreiten hat, während die truppenärztliche Versorgung grundsätzlich die gesamte Heilfürsorge abdeckt, die den Soldatinnen und Soldaten unentgeltlich erbracht wird und nicht zwingend einer Ergänzung durch deren Eigenvorsorge bedarf. Eine Besonderheit der truppenärztlichen Versorgung liegt ferner darin, dass sie grundsätzlich als Sachleistung gewährt wird (§ 30 Abs. 1 Satz 2 SG), d.h. die gesundheitsvorbeugenden, gesundheitserhaltenden und gesundheitswiederherstellenden Maßnahmen vorrangig von der Beklagten mit eigenem Personal, in eigenen Einrichtungen und mit eigenem Material durchgeführt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 29.12 – BVerwGE 148, 116 Rn. 15). Auch die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht (Art. 33 Abs. 5 GG) führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Fürsorgepflicht der Beklagten gegenüber ihren Soldatinnen und Soldaten in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen wird grundsätzlich durch die Vorschriften über die truppenärztliche Versorgung konkretisiert. Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen der Soldatin bzw. des Soldaten berühren (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 31.12 – BVerwGE 148, 106 Rn. 25 zur entsprechenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten). Es ist weder erkennbar noch von der Klägerin geltend gemacht worden, dass ihre amtsangemessene Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt wird, weil die Gewährung von truppenärztlicher Versorgung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung an das Verursacherprinzip anknüpft.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

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