Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen eine vorläufige Wegnahme von Tieren wegen unterlassener ordnungsgemäßer Pflege der Tiere

Aktenzeichen  AN 10 S 17.02023, AN 10 K 17.02019

Datum:
28.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145685
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2 Nr. 1, § 15 Abs. 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 5, § 166
ZPO § 114

 

Leitsatz

1. Gegen das Gebot des § 2 Nr. 1 TierSchG wird verstoßen, wenn Tiere nicht angemessen gepflegt werden. Dazu gehört auch die Verpflichtung, im Falle akut auftretender Krankheiten entsprechenden tierärztlichen Rat zu suchen, um dort nicht nur eine Erstbehandlung, sondern eine umfangreiche Diagnostik durchführen zu lassen, um das Tier entsprechend krankheitsgerecht behandeln zu können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine vorläufige Wegnahme von Tieren ist erforderlich, wenn der Tierhalter nicht in der Lage ist, sich um die ordnungsgemäße Pflege seiner Tiere zu kümmern. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht mit dem Grundgedanken des Tierschutzes vereinbar, einem Tier aufgrund einer instabilen psychischen Situation des Tierhalters vermeidbare Leiden zuzumuten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin* …, wird abgelehnt.

Gründe

I.
Am 4. Dezember 2016 wurde in der Wohnung der Klägerin und Antragstellerin (künftig: Klägerin) während deren Abwesenheit ein Wasserschaden festgestellt. Die Feuerwehr öffnete die Wohnung, wobei u. a. festgestellt worden war, dass die 28 m2 große Wohnung nicht nur verdreckt und verschimmelt, sondern auch verkotet war. Aus der Wohnung wurden letztendlich 48 Katzen geborgen, die ins Tierheim verbracht und dort untersucht wurden. Eine erhebliche Mehrheit der Katzen war verängstigt, andere waren verbissen u. ä. Die Klägerin erklärte sich in der Folge am 5. bzw. am 20. Dezember 2016 bereit, die Katzen an andere Personen abzugeben.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 war die Klägerin zum Verbleib des ebenfalls von ihr gehaltenen Hundes angehört worden. Im Zuge von Verhandlungen kam es am 4. Januar 2017 zu einer Vereinbarung, worin sich die Klägerin verpflichtete, künftig keine Katzen mehr zu halten. Gleichzeitig verpflichtete sich die Klägerin, ihren Hund in zweimonatlichen Abstand beim Veterinäramt vorzuführen. Am 20. Juli 2017 führte die Klägerin ihren Hund erneut, wie vereinbart, beim Veterinäramt der Beklagten vor, wo festgestellt wurde, dass der Hund an einem unbändigen Juckreiz leide und die Haut, vor allem im Bauch- und Achselbereich sowie in der Flankengegend feuerrot gewesen sei. Dies sei alles mit einer dicken Schicht weißer Zinksalbe überdeckt gewesen. Am 1. August 2017 fand dann nach übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten ein Tierarzttermin statt, bei dem allerdings aufgrund der Geldprobleme der Klägerin auf eine Diagnostik verzichtet worden war, sondern nur eine Erstbehandlung gegen Milben durchgeführt und ein Shampoo gegen Hefen und Bakterien abgegeben worden war. Die Klägerin wurde aufgefordert, nach spätestens 14 Tagen zur Kontrolle und zur Behandlung zu kommen, was sie allerdings nicht tat.
Am 15. August 2017 fand eine unangekündigte Kontrolle bei der Klägerin statt, bei der die Klägerin nach anfänglichem Leugnen zugeben musste, wieder eine Katze zu halten. Diese Katze war stark verschnupft und hatte einen röchelnden Atem, ein Auge war durch Katzenschnupfen bedingt bereits zerstört. Der Hund der Klägerin war in unverändertem Zustand vorgefunden worden. Die Tiere wurden der Klägerin weggenommen, woraufhin diese Selbstmordgedanken äußerte.
Mit Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin (künftig: Beklagte) vom 25. August 2017 wurde die mündlich angeordnete Wegnahme des Hundes und der Katze schriftlich bestätigt und die Klägerin verpflichtet, die anderweitig pflegliche Unterbringung der Tiere weiterhin zu dulden. Sofortvollzug wurde angeordnet.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2017 ließ die Klägerin dagegen Klage erheben. Die Klage wurde in der Folge damit begründet, dass die Wegnahme deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin eine verantwortungsvolle Hundehalterin sei. Obwohl die Wohnung klein sei, verfüge sie über genügend Platz. Die Klägerin sei auch beim Tierarzt gewesen, nachdem sich seit ca. Juli 2017 ein Ausschlag gebildet habe. Diese Otitis sei allerdings nur langfristig zu behandeln, weswegen die Behandlung zum Zeitpunkt der Wegnahme der Tiere am 15. August 2017 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Allerdings sei der Hund immer korrekt behandelt worden.
Die Klägerin ließ beantragen,
unter Abänderung des Bescheids vom 25.08.2017 die angeordnete Wegnahme des Hundes und die anderweitige pflegliche Unterbringung aufzuheben.
Des Weiteren wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Des Weiteren wurde Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Die Beklagte hatte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klagebegründung sei unzutreffend und verwies auf den Vermerk der Amtstierärztin der Beklagten vom 11. Oktober 2017. Dort wurde ausgeführt, dass die Klägerin auf die massive Erkrankung des Hundes nicht ausreichend reagiert habe und auch die Anweisungen des Tierarztes nicht befolgt habe. Sie habe keinerlei Vereinbarung eingehalten. Nach der Wegnahme habe man im Tierheim feststellen müssen, dass der Hund an einer allergischen chronischen Dermatitis gelitten habe, die im Tierheim entdeckt und entsprechend behandelt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Klinikums … vom 15. November 2017 vor, wonach die Klägerin seit der Wegnahme des Hundes an Suizidgedanken leide und deshalb eine positive Entscheidung empfohlen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die vorgelegten Behördenakten einschließlich der amtstierärztlichen Stellungnahmen vom 14. September 2017 und vom 4. Oktober 2017 sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde gemäß § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründet. Es ist nachvollziehbar, dass, eine tierschutzwidrige Haltung des Hundes durch die Klägerin vorausgesetzt, nicht abgewartet werden kann, bis der zugrundeliegende Bescheid bestandskräftig geworden ist, da dies mit Tierwohlgesichtspunkten nicht zu vereinbaren wäre. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist somit formell rechtmäßig erfolgt.
Aber auch inhaltlich ist der streitgegenständliche Bescheid nicht zu beanstanden.
Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen, wie vorliegend, die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dagegen ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
Nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen für ein tierschutzrechtliches Einschreiten gegen die Klägerin vor, so dass der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2017 zu Recht ergangen ist. Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Gründe im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Das Gericht sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des Verwaltungsaktes folgt.
Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass die Kammer keine Zweifel daran hat, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG vorliegen. Danach kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist.
Diese Voraussetzungen sind nach Aktenlage vorliegend erfüllt, was bereits mehrfach durch die beamtete Tierärztin der Beklagten festgestellt wurde, der gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt. Das Gericht musste und durfte daher von den von ihr getroffenen tierschutzrechtlichen Einschätzungen ausgehen (BVerwG, B.v. 2.4.2014, Az.: 3 B 62/13, juris). Zwar hat die Klägerin schriftsätzlich vortragen lassen, sie habe alle Anforderungen an das Tierwohl eingehalten, wobei die festgestellten Hautausschläge des Hundes der Klägerin ordnungsgemäß nach den Vorgaben des Tierarztes durchgeführt worden seien, doch ist dieser eher allgemein gehaltene Sachvortrag durch das Gutachten der Amtstierärztin vom 4. Oktober 2017 dezidiert widerlegt. Wie sich auch aus dem dort im Anhang befindlichen Befundbericht der tierärztlichen Klinik … ergibt, ist der Hund der Klägerin über weite Hautflächen hinweg schwer erkrankt gewesen. Er litt an einer chronischen Dermatitis, wobei auch ein Ektoparasitenbefall nicht auszuschließen gewesen ist. Die Katze der Klägerin war so schwer krank, dass sie deswegen ihr rechtes Auge verloren hat.
Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung, dass die Klägerin die Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt hat. Insbesondere hat die Klägerin gegen das Gebot nach § 2 Nr. 1 TierSchG verstoßen, indem sie ihre Tiere nicht angemessen gepflegt hatte. Hierzu gehört nämlich nach allgemeiner Meinung auch die Verpflichtung, im Falle akut auftretender Krankheiten entsprechenden tierärztlichen Rat zu suchen, um dort nicht nur eine Erstbehandlung, sondern eine umfangreiche Diagnostik durchführen zu lassen, um das Tier entsprechend krankheitsgerecht behandeln zu können (vgl. hierzu: Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 2 TierSchG, Rn. 27 m.w.N.).
Zwar hat die Beklagte das ihr bei der Wegnahme bzw. Unterbringung der Tiere zustehende Ermessen nur sehr knapp ausgeführt, indem sie davon ausgegangen ist, dass im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens keine andere Entscheidung möglich gewesen sei, doch sind diese sehr knappen Ermessenserwägungen vorliegend gerade noch ausreichend. Es ist nachvollziehbar, dass der Tierschutz vorliegend im Vordergrund zu stehen hat, wenn die Klägerin nach den Vorfällen von Dezember 2016 und der daraufhin erfolgten Vereinbarung vom 4. Januar 2017 in einem Zeitraum von ca. acht Monaten erneut gegen die Regelung des § 2 Nr. 1 TierSchG verstößt. Ermessensfehler liegen daher nicht vor. Selbst aber wenn man davon ausgehen sollte, dass das der Behörde eingeräumte Ermessen durch das Gebot der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist, ist der Bescheid nicht zu beanstanden.
Aus den vorgelegten Akten, die mit der Wohnungsräumung von Dezember 2016 beginnen, lassen sich bereits erhebliche Zweifel daran entnehmen, ob die Klägerin tatsächlich dem Grunde nach geeignet ist, Tiere zu halten und zu betreuen. Schien es zunächst so, dass die Klägerin nur durch die Vielzahl der von ihr gehaltenen Tiere überfordert war, worauf sie sich auch einsichtig gezeigt hat und die Vereinbarung vom 4. Januar 2017 abgeschlossen hatte, lässt der neuerliche Vorfall von August 2017, bei dem es sich nur um zwei Tiere handelte, erkennen, dass die Klägerin – möglicherweise auch aufgrund von Geldproblemen – grundsätzlich nicht in der Lage ist, sich um die ordnungsgemäße Pflege der ihr anvertrauten Tiere zu kümmern. Aus diesen Gründen stellt es auch eine erforderliche Maßnahme im Sinne von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG dar, der Klägerin ihre Tiere vorläufig wegzunehmen, um mittelfristig die Haltungsziele des § 2 TierSchG zu erreichen. Jedenfalls ist durch die Klägerin derzeit nicht gewährleistet, dass sie sich, der Vereinbarung von Januar 2017 folgend, auch nur um eine geringe Anzahl von Tieren kümmern kann, so dass die im Bescheid vom 25. August 2017 verfügte Wegnahme und Unterbringung ihrer Tiere gerechtfertigt ist, um die Ziele des Tierschutzgesetzes zu gewährleisten. Es ist bereits auch nach dem Sachvortrag der Klägerin selbst nicht erkennbar, dass eine Anforderung des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sichergestellt wäre; vielmehr erschöpft sich der Sachvortrag der Klägerin damit, ihr bisheriges Verhalten zu rechtfertigen, aber eine hier voraussetzende Verhaltensänderung nebst der hierfür notwendigen Einsicht ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen.
Auch im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung kann die Klägerin damit nicht durchdringen, dass sie einen Umgang mit Tieren dazu bräuchte, um ihre angeschlagene Gesundheit zu stabilisieren. Eine solche Vorgehensweise ließe das Tierschutzgesetz gerade nicht zu. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass das Tierschutzgesetz nach seinem Wortlaut und der herrschenden Auslegung gewisse Einschränkungen des Tierwohls hinnimmt, wäre es jedenfalls nicht mit dem Grundgedanken des Tierschutzes vereinbar, einem Tier, wie beispielsweise dem Hund der Klägerin, aufgrund einer instabilen psychischen Situation des Tierhalters vermeidbare Leiden zuzumuten. Insofern ist das ärztliche Attest vom 15. November 2017 nicht nachvollziehbar.
Dies hat zur Folge, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vollumfänglich abzulehnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls abzulehnen. Weder die Klage, noch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO haben hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO. Dies hat zur Folge, dass auch die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach § 121 Abs. 2 ZPO ausscheiden muss.
Für die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO (Ziffern 1 bis 3 des Beschlusses) gilt folgende

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