Aktenzeichen S 5 KR 648/18 ER
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 27.09.2018 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 27.09.2018 wird abgelehnt.
Gründe
Der Beschluss beruht auf § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
I.
Streitig ist die – vorläufige – Erstattung von Fahrtkosten einschließlich der Kosten für eine Begleitperson anlässlich einer ambulanten Befunderhebung; der Antragsteller hat die Fahrtkosten mit ca. 300,00 € beziffert..
Der 1956 geborene Antragsteller, bei dem die Voraussetzungen für einen Grad der Behinderung von 70 und der Merkzeichen „B“ und „G“ festgestellt sind, beantragte mit Telefax vom 29.07.2018 bei der Antragsgegnerin die Erstattung der notwendigen Fahrtkosten einschließlich der Kosten der notwendigen Begleitpersonen zur ambulanten Befunderhebung und der dadurch gegebenenfalls erforderlichen stationären Behandlung mit Operation im Bezirkskrankenhaus G.. Beigefügt war ein Kurzbericht von Professor Dr. L., Facharzt für Neurologie und Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie, vom 27.07.2018, wonach der Antragsteller sich bei Professor A. in der neurochirurgischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses G. vorstellen solle. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin legte der Antragsteller die Verordnung von Krankenhausbehandlung von Professor Dr. L. vom 03.08.2018 vor.
Mit Bescheid vom 07.08.2018 lehnte die Antragsgegnerin den „Antrag der Fahrkostenübernahme zur ambulanten Behandlung laut Verordnung vom 27.07.2018“ ab; auf die Begründung des Bescheides nimmt das Gericht Bezug.
Dagegen erhob der Antragsteller mit Telefax vom 29.07.2018 Widerspruch und legte eine Bescheinigung der Bezirkskliniken S. vom 09.08.2018 vor, mit der ein Termin am 19.10.2018 um 11:00 Uhr bei Frau Dr. B. bestätigt wurde.
Mit Schreiben vom 04.09.2018 fragte die Antragsgegnerin den Antragsteller, ob er an seinen Widerspruch festhalte.
Mit Telefax vom 18.09.2018 hat der Antragsteller eine kombinierte Feststellung-, Anfechtungs- und Leistungsklage sowie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erhoben und unter anderem beantragt, eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung zu erlassen mit der Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Übernahme der Fahrtkosten für den Antragsteller und eine notwendige Begleitperson einschließlich der sich daraus ergebenden Nachsorgetermine zu tragen. Ferner hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt und gebeten, ihm die Rechtsanwältin T. beizuordnen. Das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens sei dem Antragsteller nicht zumutbar. Der Termin am 19.10.2008 stehe bereits fest. Nur eine begrenzte Zahl an Krankenhäusern und Ärzten könne die Leistungen erbringen. Termine seien nur mit mehrmonatiger Vorlaufzeit im Bezirksklinikum G. zu bekommen. Eine Begleitperson sei erforderlich wegen der Medikamente und deren Auswirkungen auf die Fahrtätigkeit, Gleichgewicht, körperliches Befinden. Die Kosten einer Begleitperson beliefen sich auf ca. 33,60 € je Stunde. In Anbetracht des geringen Einkommens des Antragstellers (47,00 € täglich) sei es dem Antragsteller nicht zumutbar, mit einem Betrag von ca. 300,00 € (geschätzte 9 Stunden) in Vorleistung zu gehen. Familienangehörigen oder Dritten sei diese Aufgabe nicht zumutbar, da keine Versicherung für den gesamten Zeitraum bestehe und eine Verpflichtung zur Schadensvermeidung gegenüber den Angehörigen bestehe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig die notwendigen Fahrtkosten einschließlich der Kosten für eine Begleitperson von ca. 300,00 € für die ambulante Behandlung am 19.10.2018 im Bezirkskrankenhaus G. zu bezahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin hat mit Telefax vom 02.10.2018 mitgeteilt, es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund auf Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung im Bezirkskrankenhaus G.. Im Rahmen des Vorverfahrens habe das Bezirkskrankenhaus G. auf Anfrage der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass es sich um eine ambulante Behandlung handle. Die Antragsgegnerin hat die Verwaltungsakten (Blatt 1 bis 22) vorgelegt. Zur Ergänzung der Gründe nimmt das Gericht auf die vorgelegten Unterlagen und die ausgetauschten Schriftsätze Bezug.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreites ist die (vorläufige) Übernahme von Fahrtkosten und Kosten einer Begleitperson für die ambulante Behandlung des Antragstellers am 19.10.2018 im Bezirkskrankenhaus G.. Das Begehren des Antragstellers kann im Rahmen einer Hauptsache grundsätzlich mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht werden, so dass vorliegend § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 25.10.1998 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69 (74); Beschluss vom 19.10.1977 – 2 BvR 42/76 – BVerfGE 46, 166 (179); Beschluss vom 22.11.2002 – 2 BvR 745/88 – NJW 2003, 1236). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 86b Rn 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es fehlt vorliegend bereits an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Fahrtkosten für die beabsichtigte Fahrt zur Untersuchung in Krankenhaus G. am 19.10.2018 glaubhaft gemacht. Denn bei dieser Behandlung handelt es sich eine ambulante Behandlung, für die ein Anspruch auf Übernahme oder Erstattung von Fahrkosten nicht besteht. Das hat das Gericht abschließend – und nicht nur summarisch – geprüft.
Rechtsgrundlage für die Ablehnung ist § 60 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB V i.d.V. des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG -) vom 16.07.2015, BGBl I, S. 1368, jeweils i.V. m. § 8 Absatz 2 und 3 Satz 1 und 3 und § 9 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V – Krankentransport-Richtlinien – i. d. F. vom 22.01.2004, BAnz Nr. 18 vom 28.01.2004 S. 1342, zuletzt geändert am 21.09.2017 veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 22.12.2017 B2 in Kraft getreten am 23.12.2017 Die Verpflichtung zur vorherigen Genehmigung ergibt sich auch aus § 9 der Krankentransport-Richtlinien.
Gemäß § 8 Absatz 2 der Krankentransport-Richtlinien in der Fassung vom 22.01.2004 liegt ein Ausnahmefall (von der Nicht-Erstattungsfähigkeit) dann vor, wenn der Patient in einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und wenn diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Ein solcher Fall ist beim Antragsteller nicht gegeben.
Fahrten zur ambulanten Behandlung im Rahmen der Ausnahmeregelung sind gemäß § 8 Absatz 3 Satz 1 der Krankentransport-Richtlinien für Versicherte verordnungsfähig, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „Bl“ (blind) oder „H“ (hilflos) oder einen Einstufungsbescheid nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in den Pflegegrad 3, 4 oder 5 bei der Verordnung vorlegen und bei Einstufung in den Pflegegrad 3 wegen dauerhafter Beeinträchtigung ihrer Mobilität einer Beförderung bedürfen. Die Verordnungsvoraussetzungen sind auch bei Versicherten erfüllt, die bis zum 31.12.2016 in die Pflegestufe 2 eingestuft waren und seit 01.01.2017 mindestens in den Pflegegrad 3 eingestuft sind. Die Krankenkassen genehmigen verordnete Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen.
Diese Voraussetzungen sind bei Antragsteller nicht erfüllt.
An der Wirksamkeit der Krankenversicherung-Richtlinien als für die Krankenkassen verbindliche Regelungen besteht angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 27/14 R -) kein Zweifel.
Auf das etwaige Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt somit nicht an. Das Gericht hat keine diesbezügliche Prüfung vorgenommen
Der Antrag musste ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Angesichts der eindeutigen Rechtslage war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.