Aktenzeichen S 15 KR 8/19
BMV-Ä § 18 Abs. 8 Nr. 2, § 25a Abs. 5 S. 4
Leitsatz
1. Die Verordnung mittels Privatrezept ist bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht zulässig. Die Musterformulare gelten für die Vertragsärzte verbindlich. Sie gelten sowohl für die Verordnung im Sachleistungssystem als auch im Fall der vom Versicherten nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählten Kostenerstattung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur wenn ausdrücklich eine Privatbehandlung gewünscht ist, hat der Vertragsarzt ein Privatrezept zu benutzen, darf sich insoweit aber nicht als Vertragsarzt ausweisen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage ist in ihrem Feststellungsantrag unzulässig. Zwar hält das Gericht die Feststellungsklage (§ 55 Sozialgerichtsgesetz – SGG) im Antrag Ziffer 3 noch für statthaft, obwohl eine Elementenfeststellung (Notwendigkeit der Verordnung von Medikamenten auf Rezepten nach Muster 16 als Vorfrage für den Leistungsantrag) begehrt wird. Denn ausnahmsweise ist eine solche dann zulässig, wenn durch die Elementenfeststellung der Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 55 Rn. 9a). So liegt der Fall hier: Die Klägervertreterin möchte erreichen, dass sie ohne Sanktionen Privatrezepte bei der Beklagten im Erstattungsverfahren einreichen kann. Dieser eigentliche hinter dem Leistungsantrag stehende Streit wird mit der Entscheidung über die Elementenfeststellungsklage bereinigt.
Jedoch ist der Antrag wegen fehlenden Feststellungsinteresses als Sonderfall des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dem Kläger fehlt die rechtliche Beschwer, da das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, a.a.O., vor § 15 Rn. 16 ff.). Beim Kläger besteht kein schutzwürdiges Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O, § 55 Rn. 15a). Die mündliche Verhandlung hat ergeben, dass es der Klägervertreterin besonders darum geht, dass der Kläger „wie ein Privatpatient“ behandelt wird. Entsprechend hat sie den Kläger bei seinem behandelnden Pädiater auch als „Privatpatient“ angemeldet; erst aufgrund der Nachfrage durch die Beklagte hat die Praxis erfahren, dass der Kläger gesetzlich krankenversichert ist. Es handelt sich aber nicht um ein schutzwürdiges Interesse, den gesetzlich versicherten Kläger als Privatpatienten zu camouflieren, indem dieser Privatverordnungen erhält und damit die Legende der Privatversicherung weiter aufrechterhalten werden kann.
Auch wirtschaftliche Vorteile erhält der Kläger durch die Verordnung auf Privatrezept nicht, da lediglich der gesetzliche Leistungsumfang abgerechnet werden kann. Insoweit besteht ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, dass auf „rosa Rezept“ verordnet wird, da die Beklagte dadurch systemimmanent die Gewähr seitens des Vertragsarztes enthält, dass die verordneten Medikamente vom gesetzlichen Leistungsumfang umfasst sind. Sofern die Klägervertreterin andere Medikamente/ Packungsgrößen für ihren Sohn erhalten möchte, steht es ihr frei, den Vertragsarzt um ein Privatrezept zu bitten und die Medikamente als Selbstzahlerin zu besorgen.
Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Leistungsantrag ist hingegen zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat mit Wirkung ab dem 01.01.2018 kein Recht auf Erstattung der Medikamentenkosten, die ihm auf Privatrezept verordnet wurden. Die angegriffenen Bescheide sind rechtlich insoweit nicht zu beanstanden und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
§ 25a Abs. 2 Bundesmantelvertrag der Ärzte (BMV-Ä) lautet insoweit eindeutig: „Die Verordnung von veranlassten Leistungen ist auf den jeweils dafür vorgesehenen Vordrucken gemäß der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 dieses Vertrages) vorzunehmen. Dies gilt auch, wenn der Versicherte die ärztlichen Leistungen im Wege der Kostenerstattung erhält.“
§ 25a Abs. 5 BMV-Ä ergänzt: „Will ein Versicherter für veranlasste Leistungen Kostenerstattung in Anspruch nehmen, ist die Verordnung auf einem Vordruck gemäß der Vordruckvereinbarung vorzunehmen. Dabei ist anstelle der Angabe des Namens der Krankenkasse der Vermerk „Kostenerstattung“ anzubringen. Die Krankenkasse erstatten nach Maßgabe ihrer Satzung ihren kostenerstattungsberechtigten Versicherten hierfür die Kosten entsprechend dem Leistungsanspruch einer vertragsärztlichen Versorgung. Wird die Verordnung vom Patienten als Privatbehandlung gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 2 gewünscht, ist dafür ein Privatrezept zu benutzen. Die Verwendung des Vertragsarztstempels auf diesem Privatrezept ist nicht zulässig.
Dies bedeutet, dass die Verordnung mittels Privatrezept bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht zulässig ist. Die Musterformulare gelten für die Vertragsärzte verbindlich. Sie gelten sowohl für die Verordnung im Sachleistungssystem als auch im Fall der vom Versicherten nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählten Kostenerstattung (Schiller, Bundesmantelvertrag Ärzte, Kommentar zum gemeinsamen BMV-Ä, 2014, § 25 a Rn. 6).
Nur wenn ausdrücklich eine Privatbehandlung gewünscht ist, hat der Vertragsarzt ein Privatrezept zu benutzen, darf sich insoweit aber nicht als Vertragsarzt ausweisen.
Die Klägervertreterin liest § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä grundsätzlich falsch. § 18 Abs. 8 regelt, dass Vertragsärzte, die Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung an Stelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten verstoßen. Der Vertragsarzt darf gem. Nr. 2 nur dann eine privatärztliche Vergütung fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dies dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. Nr. 2 betrifft damit Fallkonstellationen, in denen ein Versicherter, der die Behandlung im Rahmen seines Sachleistungsanspruchs ohne weiteres kostenfrei in Anspruch nehmen könnte, dennoch die Behandlungskosten selbst tragen möchte. Die Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (Schiller, Bundesmantelvertrag Ärzte, Kommentar zum gemeinsamen BMV-Ä, 2014, § 18 Rn. 31). Eine solche Wunschbehandlung als Privatpatient liegt beim Kläger aber nicht vor, da die Klägervertreterin die Rechnungen bei der Beklagten im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens als gesetzlich Versicherter weiterhin einreichen möchte.
Somit bezieht sich § 25a Abs. 5 S. 4 BMV-Ä gerade nicht auf die Erstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V, sondern lediglich auf eine Wunschbehandlung als Privatpatient. Nur für diesen Fall ist ein Privatrezept zu verwenden. Ein gesetzlich Versicherter mit Erstattungsanspruch ist hingegen gesetzlich Versicherter mit der Pflicht, die elektronische Gesundheitskarte vorzulegen (Schiller, Bundesmantelvertrag Ärzte, Kommentar zum gemeinsamen BMV-Ä, 2014, § 13 Rn. 12).
Alleine § 13 Abs. 2 S. 1 BMV-Ä und § 25a Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 1 u. 2 BMV-Ä stellen hingegen auf die Kostenerstattung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Diese Regelung kann nur im Sinnzusammenhang zu § 13 Abs. 2 SGB V gesehen werden. Ein anderes Kostenerstattungsverfahren (mit Ausnahme vom – hier unstrittig nicht einschlägigen – § 13 Abs. 3 SGB V) sieht das SGB V nicht vor.
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.