Aktenzeichen M 3 K 16.3424
BayHochSchG Art. 12 Abs. 3 Nr. 5, Art. 49 Abs. 2 Nr. 3
RDGEG § 3, § 5
Leitsatz
1. Das Überdenken einer bereits getroffenen Prüfungsentscheidung durch die Ausgangsbehörde ist in den Bereichen erforderlich, die sich einer Überprüfung durch das Gericht entziehen; dies trifft insbesondere für prüfungsspezifische Wertungen zu, die der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum eröffnen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts ist ein Rücktritt von der Prüfung nicht nur im Falle einer ausdrücklich geregelten, bereits vor oder während der Prüfung einsetzenden Prüfungsunfähigkeit möglich, sondern muss auch nach Abschluss der Prüfung möglich sein, sofern der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit erst nach Ablegung der Prüfung erkennen konnte. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Gefahr für die Chancengleichheit bei Prüfungen wird dadurch begegnet, dass bei der nachträglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn es ist Sache des Prüflings, sich grundsätzlich vor Beginn der Prüfung Klarheit darüber zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch die Krankheit erheblich beeinträchtigt ist und ggf. hieraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen; dies gilt auch für die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Nichtbestehensbescheid der Beklagten zu 1) vom 8. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten zu 1) vom 13. September 2016, sowie der Exmatrikulationsbescheid des Beklagten zu 2) vom 8. Juli 2016 werden aufgehoben.
Die Beklagte zu 1) wird verpflichtet, den Rücktritt der Klägerin von der Wiederholungs-Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) am 30. Juni 2017 aus wichtigem Grunde zu genehmigen, diese Modulteilprüfung zu annullieren und das Prüfungsverfahren fortzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte zu 2) hat die Hälfte, die Beklagte zu 1) hat 1/4 und die Klägerin 1/4 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Verpflichtungsantrags auf Genehmigung des Rücktritts der Klägerin von der Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) bezüglich des Wiederholungs-Prüfungstermins am 30. Juni 2016 begründet, bezüglich des Erst-Prüfungstermins am 10. Februar 2016 unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin persönlich hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 2. August 2016, sowohl gegen den Nichtbestehensbescheid vom 8. Juli 2016 als auch gegen den Exmatrikulationsbescheid vom 8. Juli 2016 Klage erhoben. Es ist unbeachtlich, dass die Klägerin vor der Klageerhebung bereits einen Widerspruch gegen den Nichtbestehensbescheid vom 8. Juli 2016 bei der Beklagten zu 1) eingelegt hatte. Zwar muss sich der Studierende grundsätzlich, bei fakultativem Widerspruchs- und Klageverfahren, an einer getroffenen Wahl, wie sie durch Einlegung eines Widerspruchs erfolgt, festhalten lassen. Tatsächlich bestand im vorliegenden Fall jedoch keine solche Wahlmöglichkeit, zulässig war allein die Erhebung einer Klage.
Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in der Fassung vom 22.05.2015 sieht (nur) bei „personenbezogenen“ Prüfungsentscheidungen eine Wahlmöglichkeit des Betroffenen zwischen der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und der unmittelbaren Klageerhebung vor (sog. fakultatives Widerspruchsverfahren). Der streitgegenständlichen Prüfungsbescheid vom 8. Juli 2016 enthält jedoch keine personenbezogenen Aussagen, die die Durchführung des grundsätzlich, mit AGVwGO-Änderungsgesetz 2007, abgeschafften Widerspruchsverfahrens erforderlich machen würden. Die in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AGVwGO getroffene Ausnahme zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens rechtfertigt sich der Begründung des Gesetzgebers zufolge damit, dass es Prüfungsentscheidungen gebe, die aus verfassungsrechtlichen Gründen „zwingend ein verwaltungsinternes Nachprüfungsverfahren erfordern“ (AGVwGO-Änderungsgesetz 2004, LTDrs. 15/145, S. 4; s. ausführlich zur Bedeutung der personenbezogenen Prüfungsentscheidung BayVGH, B.v. 7.8.2008 – 11 CS 08.1854 – juris). Das Überdenken einer bereits getroffenen Prüfungsentscheidung durch die Ausgangsbehörde ist in den Bereichen erforderlich, die sich einer Überprüfung durch das Gericht entziehen; dies trifft insbesondere für prüfungsspezifische Wertungen zu, die der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum eröffnen.
Vorliegend befasst sich der Prüfungsbescheid vom 8. Juli 2016 nicht mit der Frage der Prüfungsbewertung, sondern allein mit der Frage, ob das von der Klägerin eingereichte Attest einen Rücktritt von der streitgegenständlichen Prüfung rechtfertigt oder nicht. Diese Frage fällt nicht in den Beurteilungsspielraum der Verwaltung und kann somit vom Gericht vollumfänglich überprüft werden. Es bedarf somit keiner Ausnahme vom Grundsatz des Verzichts auf ein Widerspruchsverfahren. Die Möglichkeit des fakultativen Widerspruchsverfahren nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AGVwGO war hier somit nicht eröffnet.
Aus der Klageschrift vom 31. Juli 2016 geht hinreichend hervor, dass sie sich nicht allein gegen die Exmatrikulation, sondern auch gegen die zugrundeliegende Nichtbestehensentscheidung richtet; die im Klageschriftsatz vorgetragenen Gründe betreffen allein die Frage der Rechtmäßigkeit der Nichtbestehensentscheidung. Auch aus der E-Mail der Klägerin vom 1. August 2017 an die Beklagte zu 1) (Bl. 27 Verwaltungsvorgang) geht eindeutig hervor, dass die Klägerin sowohl gegen die Nichtbestehensentscheidung als auch die Exmatrikulation vorgehen wollte. Als Beklagter wird darüber hinaus die Beklagte zu 1) genannt. Dass nicht auch der Beklagte zu 2) genannt wird ist unschädlich; zwar ist die Exmatrikulation eine staatliche Angelegenheit (Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHochSchG), sodass diesbezüglich der Freistaat Bayern richtiger Beklagter ist; in der Klageschrift ist jedoch insoweit mit der Beklagten zu 1) auch die Behörde bezeichnet, die für den Beklagten zu 2) tätig geworden ist, was gemäß § 78 Abs. 1 Rn. 1 VwGO ausreicht (BayVGH, B. v. 27.08.1999 – 7 ZE 99.1921 und 7 ZE 99.2088). Schließlich hat auch das Gericht bereits bei Eingang dieser Klage sowohl den Nichtbestehensbescheid als auch die Exmatrikulation als Klagegegenstand berücksichtigt. Dies wird durch die Erfassung des Klagegegenstands als „Prüfungsrecht und Exmatrikulation“ und die Streitwertfestsetzung in Höhe von 12.500,- € (7.500,- € bezüglich der Entscheidung des Nichtbestehens; 5.000,- € bezüglich der Exmatrikulation) deutlich.
Mithin kommt es nicht auf die Einhaltung der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. September 2016 an. Abgesehen davon war hier die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit der Zustellung der Bescheide zulässig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da die Rechtsbehelfsbelehrung:zum Prüfungsbescheid vom 8. Juli 2016 unrichtig war. Da Klage gegen den Prüfungsbescheid bereits erhoben war, stellte das Schreiben vom 18. Oktober 2016 klar, dass die Klage gegen den Prüfungsbescheid fortgeführt werden sollte.
2. Die Klage ist insoweit begründet, als der Nichtbestehensbescheid der Beklagten zu 1) vom 8. Juli 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2016 und der Exmatrikulationsbescheid des Beklagten zu 2) rechtswidrig sind und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1) ihren Rücktritt von der Wiederholungs-Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) am 30. Juni 2016 aus wichtigem Grunde genehmigt, diese Modulteilprüfung annulliert und das Prüfungsverfahren fortsetzt. Die Ablehnung des für die Erstprüfung der Modulteilprüfung Italienisch am 10. Februar 2016 beantragten Rücktritts war hingegen rechtmäßig, sodass bezüglich dieses Teils des Verpflichtungsantrags, die Klage abzuweisen war.
Die Klägerin war im Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung der Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) am 30. Juni 2016 prüfungsunfähig, der (nachträgliche) Rücktritt wurde auch rechtzeitig erklärt, sodass die Ablehnung ihres Antrags auf Wiederholung dieser Prüfung rechtswidrig war.
Gemäß § 13 Abs. 1 i.V.d. Überschrift des § 13 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Hochschule für Musik und Theater … für Studiengänge mit der Abschlussbezeichnung „Bachelor of Arts (B.A.) -APO-B.A.- ist im Falle einer Prüfungsunfähigkeit die Prüfung zu wiederholen. Eine vor oder während der Prüfung eingetretene Prüfungsunfähigkeit muss unverzüglich beim Vorsitzenden des Prüfungsausschusses oder beim Vorsitzenden der Prüfungskommission schriftlich geltend gemacht werden. Nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses können Mängel oder Prüfungsunfähigkeit nicht mehr geltend gemacht werden (§ 13 Abs. 2 S. 3 APO-B.A.).
Trotz ihres Wortlauts vermag diese Regelung jedoch nicht die Geltendmachung eines nachträglichen Rücktritts wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu verhindern. Ein – wie hier – nachträglich erfolgter Prüfungsrücktritt nach Abschluss der Prüfung wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit ist weder in der APO-B.A. noch in dem Modulhandbuch für den Bachelorstudiengang Regie – Musiktheater und Schauspiel vom 13. Januar 2015 geregelt. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts ist ein Rücktritt von der Prüfung jedoch nicht nur im Falle einer ausdrücklich geregelten, bereits vor oder während der Prüfung einsetzenden Prüfungsunfähigkeit möglich, sondern muss auch nach Abschluss der Prüfung möglich sein, sofern der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit erst nach Ablegung der Prüfung erkennen konnte. Denn durch die Prüfung soll die wirkliche Befähigung des Studierenden festgestellt werden. Es widerspräche daher dem – das Prüfungsrecht beherrschenden und verfassungsrechtlich gewährleisteten – Grundsatz der Chancengleichheit, einen Teilnehmer an einem Prüfungsergebnis festzuhalten, das durch eine von ihm zunächst nicht erkannte erhebliche Störung seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wurde (vgl. BayVGH, U.v. 16.4.2002 – 7 B 01.1889 – juris Rn. 17). Der nach Abschluss der Prüfung erfolgte, auf Prüfungsunfähigkeit gestützte Rücktritt von einer Prüfung kann jedoch deshalb besonders leicht die Chancengleichheit gegenüber anderen Prüflingen verletzen, weil ein Rücktritt nach abgeschlossener Prüfung einem Prüfling eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschaffen kann. Dieser Gefahr für die Chancengleichheit wird dadurch begegnet, dass bei der nachträglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn es ist Sache des Prüflings, sich grundsätzlich vor Beginn der Prüfung Klarheit darüber zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch die Krankheit erheblich beeinträchtigt ist und ggf. hieraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen; dies gilt auch für die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit (BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 12). Nur dadurch kann ein Missbrauch des Rücktrittsrechts verhindert werden. Die Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit nach Kenntnis des Teilnehmers vom Ergebnis, insbesondere wenn die Prüfung nicht bestanden wurde, birgt diese Missbrauchsgefahr in ganz besonderem Maße; die Rücktrittserklärung muss daher zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben werden, zu dem sie vom Prüfling zumutbarerweise hätte erwartet werden können (BVerwG, U.v. 7.10.1988, a.a.O. Rn. 12 f).
Diesen Anforderungen hat die Klägerin genügt. Die Klägerin konnte nachweisen, dass sie bei Ablegung der mündlichen Modulteilprüfung Italienisch am 30. Juni 2016 prüfungsunfähig war, und sie diese Prüfungsunfähigkeit nicht vor dem 4. Juli 2016 erkennen konnte. Vorliegend bescheinigt das Attest vom 4. Juli 2016 des …Klinikums … sowohl die Prüfungsunfähigkeit der Klägerin in der Wiederholungsprüfung der Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) am 30. Juni 2016, als auch, dass die Klägerin diese krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit nicht vor dem 4. Juli 2016 hat erkennen können.
Im Attest heißt es eindeutig, dass aus nervenärztlicher Sicht die Klägerin „auf Grund der geschilderten und bis aktuell anhaltenden psychiatrischen Krankheitssymptomatik krankheitsbedingt am 30.06.2016 nicht prüfungsfähig“ war. Des Weiteren war es dem Attest zufolge der Klägerin „krankheitsbedingt erst am heutigen [4. Juli 2016] Termin möglich, sich ärztliche Hilfe zu suchen“. Das Attest lässt damit keine Zweifel offen. In Orientierung an dem Grundsatz der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass es für medizinische (psychotraumatologische und psychotherapeutische) Fachfragen keine eigene Sachkunde des Richters gibt (BVerwG, B.v 24.5.2006 – 1 B 118/05 -, juris, Rn. 3), ist von der Richtigkeit dieser medizinischen Wertung auszugehen.
Der Beklagten zu 1) ist in ihren Ausführungen insoweit zuzustimmen, als die Entscheidung, ob die im Attest dargelegten gesundheitlichen Defizite die Annahme rechtfertigen, dass der Prüfling wegen Prüfungsunfähigkeit verhindert ist, die Prüfungsbehörde in eigener Verantwortung trifft (vgl. Niehues, Prüfungsrecht, 5. Auflage 2010, Rn. 278). Hier bescheinigt das …Klinikum aber nicht nur eine akute Erkrankung und „befürwortet“ die Prüfungsunfähigkeit, sondern nimmt in eindeutiger Weise zum Vorliegen der Prüfungsunfähigkeit der Klägerin Stellung. Die Prüfungsbehörde darf jedoch nur anders als im ärztlichen Attest vorgegeben entscheiden, wenn Auswirkungen der „bescheinigten Erkrankung“ auf die Leistungsfähigkeit des Prüflings unklar sind. Anderslautende Erkenntnisse wird die Prüfungsbehörde in der Regel nur mit Hilfe anderweitiger sachverständiger Hilfe erlangen können (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 278; BVerwG, B.v. 22.6.1993 – 6 B 9/93 –, juris). Mangels Unklarheit des Attests und gegenteiliger sachverständiger Gutachten, ist somit davon auszugehen, dass die Klägerin tatsächlich in der Prüfung am 30. Juni 2016 nicht in der Lage war, ihre Prüfungsunfähigkeit zu erkennen.
Der Umstand, dass die Klägerin bereits seit Mai 2013 in Behandlung der Institutsambulanz des Klinikums … war und ausgiebig geschult wurde, um ihre Erkrankung zu verstehen und ihre Stressbelastungen zu regulieren, kann nicht die ärztliche Annahme des „Nichterkennens“ widerlegen. Im Gegenteil belegt die Dauer der Behandlung die Schwere der Erkrankung und zeigt, dass die Klägerin sich nicht etwa erst anlässlich des Nichtbestehens ihrer Prüfung auf diese Erkrankung berufen hat. So bestätigt die Psychoanalytikerin Dr. … in ihrem Schreiben vom 4. Juli 2016 (Bl. 8 Verwaltungsakte), dass sich die Klägerin bei ihr „seit Dezember 2013 in psychotherapeutischer Behandlung (noch andauernd) befindet. Die Sitzungen finden zweimal wöchentlich statt.“
Auch unter Zugrundelegung der von der Beklagten zu 1) vorgetragenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 31.5.2013 – 7 C 13.664 – juris) entspricht das Attest den strengen Anforderungen zur Anerkennung einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit. Im Übrigen geht auch der BayVGH im Falle einer PKHEntscheidung und der damit ausreichenden Offenheit des Erfolgs bei summarischer Prüfung von dem Vorliegen des Ausnahmefalls einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit aus, wenn diese ärztlich festgestellt ist, selbst wenn äußere Umstände gegen diese Annahme sprechen.
Die Klägerin hat das Attest auch unverzüglich vorgelegt. Im Falle der unerkannten Prüfungsunfähigkeit beginnt die „Unverzüglichkeit“ im Moment ihres Erkennens. Da die Klägerin bereits am 4. Juli 2016, also unmittelbar am Tag des Erkennens ihrer Prüfungsunfähigkeit, die Vorlage eines Attests ankündigte und sodann am Folgetag, dem 5. Juli 2016, das Attest bei der Beklagten zu 1) vorlegte, handelte sie unverzüglich im geforderten Sinne. Schließlich wurde somit 5 Tage nach der Prüfung das Attest der unerkannten Prüfungsunfähigkeit vorgelegt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Prüfung am 30. Juni 2016 auf einen Donnerstag fiel, somit auch noch ein Wochenende zwischen dem Prüfungstag und dem Tag der Attestvorlage war, an dem die Klägerin selbst bei Erkennen ihrer Krankheit nicht ihren behandelnden Arzt hätte aufsuchen können.
Die Ablehnung des für die Erstprüfung der Modulteilprüfung Italienisch am 10. Februar 2016 beantragten Rücktritts war hingegen rechtmäßig. Zwar heißt es im Attest vom 4. Juli 2016, dass die Klägerin aufgrund schwerer depressiver Einbrüche im Februar 2016 nicht an den Prüfungen habe teilnehmen können und es ihr nicht gelungen sei, sich rechtzeitig krank zu melden. Zweifel bestehen bereits am Vorliegen einer Prüfungsunfähigkeit, da die Klägerin am gleichen Prüfungstag (10. Februar 2016) eine andere Modulprüfung erfolgreich abgelegt hatte; ein zulässiger Rücktritt scheitert jedenfalls aber aufgrund der fehlenden Unverzüglichkeit der Mitteilung der Prüfungsunfähigkeit nach ihrem Erkennen. Denn anders als bei dem depressiven Einbruch am 28. Juni 2016, dessen Ursache das Attest nennt und auch konkret auf das Erkennen der erneuten depressiven Symptomatik am 4. Juli 2016 abstellt, fehlt es an derlei Aussagen bezüglich der Erkrankung im Februar 2016. Dieser Aspekt stellt im Übrigen einen weiteren Beleg für die Seriosität des Attestes dar; eine ärztliche Aussage, wonach der Patient erst nach einem Zeitraum von mehr als vier Monaten seine Prüfungsunfähigkeit habe erkennen können, stellt sich selbst für einen medizinischen Laien als wenig nachvollziehbar dar, wurde vorliegend aber gerade nicht getroffen.
Somit besteht die Verpflichtung der Beklagten zu 1), den Antrag auf Rücktritt der Klägerin von der Modulteilprüfung Italienisch (Modul „Grundlagen musikalischer Bildung III“) am 30. Juni 2016 aus wichtigem Grunde zu genehmigen, die Modulteilprüfungen zu annullieren und das Prüfungsverfahren fortzusetzen. Die beantragte Verpflichtung der Beklagten zu 1), auch die Prüfung vom 10. Februar 2016 zu annullieren, ist dagegen abzulehnen.
Auch die auf der Grundlage des Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHochSchG ausgesprochene Exmatrikulation der Klägerin ist aufzuheben. Nach dieser Vorschrift sind Studierende zu exmatrikulieren, u.a. wenn sie eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden haben. Da nach der Rechtsprechung des BayVGH die Bestandskraft der Nichtbestehensentscheidung nicht Voraussetzung ist für die daran anknüpfende Exmatrikulation, war diese zwar im Zeitpunkt ihres Ergehens rechtmäßig, nicht mehr jedoch nach der Aufhebung der zugrundeliegenden Nichtbestehensentscheidung der Beklagten zu 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.