Medizinrecht

Fehlende waffenrechtliche Eignung bei psychischer Erkrankung

Aktenzeichen  M 7 K 16.5126

Datum:
8.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 4, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 7, § 8, § 10, § 41, § 42a, § 52 Abs. 3 Nr. 8, § 53 Abs. 1 Nr. 21a
StGB StGB § 20
BayUnterbrG BayUnterbrG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 10 Abs. 1
AWaffV AWaffV § 4 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Der Begriff der persönlichen Eignung in § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG entspricht dem des § 6 WaffG und unterscheidet nicht zwischen erlaubnispflichtigen und nicht erlaubnispflichtigen Waffen (wie BayVGH BeckRS 2014, 46234). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tatsache, dass eine Person gem. Art. 10 Abs. 1 BayUnterbrG zwangsweise in einer geschlossenen Anstalt untergebracht war, was eine psychische Krankheit oder Störung und dadurch eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung voraussetzt (Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayUnterbrG), weckt Zweifel an ihrer persönlichen waffenrechtlichen Eignung; das gleiche gilt für den Umstand, dass sie unter Betreuung steht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anordnung eines Waffenbesitzverbots bei fehlender waffenrechtlicher Eignung ist im Hinblick auf den damit bezweckten Schutz überragender Gemeinschaftsgüter, nämlich von Leben und Gesundheit der Bevölkerung, auch verhältnismäßig. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Nachdem der Kläger form- und fristgerecht unter Hinweis gem. § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, konnte über den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden.
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Ungeachtet dessen, dass mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden sind, hält ihn das Gericht für prozessfähig. Anzeichen dafür, dass er allgemein geschäftsunfähig ist bzw. nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärungen zu verstehen, haben sich in den anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ergeben. Zudem beurteilt sich die strafrechtliche Schuldunfähigkeit nach anderen Grundsätzen als die Prozessunfähigkeit (vgl. Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. Erg.lfg. Rn 18 m.w.N.; BGH, B. v. 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04 – juris Rn 4 m.w.N.). Auch hat der Kläger keinen Betreuer; ein Betreuungsverfahren ist vielmehr vor mehr als dreieinhalb Jahren eingestellt worden.
Sowohl das im angefochtenen Bescheid verhängte Waffenbesitzverbot als auch die gleichzeitige Versagung einer Waffenbesitzkarte sind rechtmäßig und verletzen den Kläger somit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition unter anderem dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige psychisch krank ist oder er sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt. Dies gilt auch, wenn der Verbotsadressat noch keine Waffen bzw. Munition in Besitz hat und es nur um den künftigen Besitz geht (BVerwG, U. v. 22. August 2012 – 6 C 30/11 – juris 1. Ls, Rn 18). Der Begriff der persönlichen Eignung in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG entspricht dem des § 6 WaffG und unterscheidet nicht zwischen erlaubnispflichtigen und nicht erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B. v. 22. Januar 2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn 14 m.w.N.).
Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage sind erfüllt. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die ihr im Erteilungsverfahren bekannt gewordene Tatsache, dass gegen den Kläger seit 2003 zwölf strafrechtliche Ermittlungsverfahren jeweils unter Bezug auf ein Gutachten vom 21. Januar 2003 wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden sind, gegen die waffenrechtliche Eignung des Klägers spricht. Denn nach § 20 StGB handelt nur derjenige ohne Schuld, der bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die in § 20 StGB genannten Gründe schließen die waffenrechtliche Eignung ohne jeden Zweifel aus. Das gleiche gilt für die weitere Tatsachen, dass der Kläger nach einem psychiatrischen Gutachten vom 7. Mai 2013 spätestens seit 1999 an einer Psychose mit sowohl affektiven als auch schizophrenen Symptomen leidet und mehrmals stationär psychiatrisch behandelt worden ist, dass er in der Vergangenheit wiederholt die Medikamente zur Phasenprophylaxe und antipsychotisch wirkende Medikamente abgesetzt hat, ohne ausreichende Behandlung jedoch mit einem Wiederauftreten der schizomanischen Symptome sowie der Begehung rechtswidriger Taten zu rechnen ist, und er in Krankheitsphasen als für die Allgemeinheit gefährlich anzusehen ist. Auch die Tatsache, dass er zuletzt am 21. Juli 2011 gem. Art. 10 Abs. 1 UnterbrG zwangsweise in einer geschlossenen Anstalt untergebracht war, was eine psychische Krankheit oder Störung und dadurch eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung voraussetzt (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG), weckt Zweifel an seiner persönlichen Eignung. Das gleiche gilt für den Umstand, dass er unter Betreuung stand und am 20. Juni 2016 eine waffenrechtliche Ordnungswidrigkeit gem. § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG begangen hat, indem er verbotenerweise (§ 42a Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. WaffG) ein Einhandmesser in der Öffentlichkeit mit sich geführt hat, um öffentlichkeitswirksam auf ein Verschmutzungsproblem aufmerksam machen.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 11. August 2016 auch sämtliche gesetzlich vorgesehenen Hinweise erteilt. Im Falle des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er die Annahme mangelnder persönlicher Eignung im Wege der Beibringung eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung ausräumen kann. Dabei findet § 6 Abs. 2 WaffG, wonach die Kosten des Gutachtens dem Betroffenen zur Last fallen, entsprechende Anwendung. Gem. § 6 Abs. 4 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 6 AWaffV darf die Waffenbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das ärztliche oder psychologische Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht vorlegt, sofern sie ihn darauf hingewiesen hat. Für das Schreiben vom 11. August 2016 gab es in Anbetracht der dargelegten, zahlreichen und gewichtigen Tatsachen einen begründeten Anlass; die Anordnung der Untersuchung ist aus denselben Gründen auch verhältnismäßig (vgl. OVG NW, U. v. 21. Februar 2014 – 16 A 2367/11 – juris Rn 39 ff.).
Der Kläger hat seine im Schreiben vom 26. August 2016 bekundete Absicht, sich von einem Amtsarzt untersuchen zu lassen, nicht in die Tat umgesetzt, obwohl die Beklagte ihm bereits mit Schreiben vom 30. August 2016 Anschrift und Telefonnummer des zuständigen städtischen Referats genannt und konkret dargelegt hat, wie vorzugehen ist. Im gleichen Schreiben hat sie ihn aufgefordert, ihr den Untersuchungstermin mitzuteilen, was jedoch bis zum Erlass des Bescheides am 11. Oktober 2016 nicht geschehen ist. Damit war die Schlussfolgerung gem. § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV gerechtfertigt.
Die Beklagte hat auch das ihr zustehende Ermessen zweckgerecht und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG), nämlich den Besitz von Waffen und Munition zur Abwehr von Gefahren, die auch von erlaubnisfreien Waffen ausgehen (BT-Drs. 14/7758, S. 76), wegen der gerechtfertigten Annahme fehlender Eignung untersagt. Schließlich war die Anordnung eines Waffenbesitzverbots im Hinblick auf den damit bezweckten Schutz überragender Gemeinschaftsgüter, nämlich von Leben und Gesundheit der Bevölkerung, auch verhältnismäßig (vgl. BayVGH, B. v. 19. März 2010 – 21 CS 10.59 – juris Rn 14). Das mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Besitz- und Erwerbsverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ist ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, den genannten Gefahren zu begegnen, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund und in Anbetracht der gewichtigen Anzeichen für eine nicht vorhandene persönliche Eignung war die Anordnung auch erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn.
Weiter hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), weil auch dies gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unter anderem die Eignung des Erlaubnisinhabers im Sinne von § 6 WaffG voraussetzt. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Hinzu kommt, dass auch der gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 WaffG erforderliche Nachweis der Sachkunde nach § 7 WaffG und das gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG erforderliche waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG fehlen bzw. nicht nachgewiesen sind.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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