Medizinrecht

Fehlerhafte Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung zur Dienstfähigkeit

Aktenzeichen  AN 1 E 17.01739

Datum:
28.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 65 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ohne nähere Erläuterung, warum eine die Dienstfähigkeit berührende Erkrankung vorliegen kann, ist der Hinweis auf eine “ausufernde Arbeitsweise” und ein “auffälliges Kommunikationsverhalten” nicht ausreichend, um die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung eines Beamten zur begründen. (Rn. 41 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung sind nicht hinreichend bestimmt, wenn offen bleibt, ob eine neurologische oder psychische Erkrankung vorliegen soll. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß der Anordnung vom 4. Juli 2017 freizustellen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die am … 1969 geborene Antragstellerin steht seit dem 1. September 1992 als Beamtin im Dienste der Antragsgegnerin. Zuletzt wurde sie am 1. Juni 2000 zur Verwaltungsoberinspektorin befördert.
Bis zum 25. Oktober 2009 war die Antragstellerin im Sozialamt und vom 26. Oktober 2009 bis zum 15. April 2013 im Personalamt der Antragsgegnerin beschäftigt. Seit dem 15. April 2013 arbeitet sie im Bildungscampus der Antragsgegnerin.
Im Jahr 2009 war die Antragstellerin zeitweise wegen eines myofaszialen Schmerzsyndroms (schmerzhafte Muskelerkrankung) dienstunfähig. Aufgrund einer durch die Antragsgegnerin veranlassten amtsärztlichen Untersuchung durch das Gesundheitsamt der Antragsgegnerin vom 2. Februar 2009 empfahl dieses mit Schreiben vom 19. Februar 2009 ein Reha Verfahren in einer psychosomatischen Klinik, wobei im Anschluss daran eine Umsetzung am Arbeitsplatz überlegt werden sollte. Nach erfolgreich abgeschlossener Therapie sei die Antragstellerin sicherlich wieder arbeitsfähig, allerdings sollte ein Wiedereingliederungsverfahren ins Auge gefasst werden.
In einer fachärztlichen Stellungnahme vom 13. August 2009 führte das Gesundheitsamt der Antragsgegnerin aus, dass die Antragstellerin voraussichtlich ab 26. Oktober 2009 voll dienstfähig sei. Eine Umsetzung am Arbeitsplatz sei notwendig und auch bereits vom Personalamt geplant. Die Antragstellerin sehe dieser Umsetzung positiv entgegen.
Nachdem Probleme in der Zusammenarbeit zwischen der Antragstellerin und Kollegen aufgetreten waren, ordnete die Antragsgegnerin am 30. März 2016 erneut eine amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin an. Der entsprechende Untersuchungstermin vom 25. Mai 2016 wurde im Laufe eines nach § 123 VwGO eingeleiteten gerichtlichen Eilverfahrens (AN 1 E 16.00867) wieder aufgehoben, weil nicht sicher geklärt werden konnte, ob die Antragstellerin über den Anlass der Untersuchung informiert gewesen war.
Nach einem am 28. April 2017 durchgeführten Personalgespräch mit der Antragstellerin und ihrem Bevollmächtigten teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. Mai 2017 dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass die Durchführung einer in diesem Gespräch vorgeschlagene Teambildungsmaßnahme nur dann erfolgversprechend sei, wenn vorher abgeklärt sei, dass keine behandlungsbedürftige Erkrankung der Antragstellerin vorliege.
Der entsprechenden Untersuchungsanordnung gegenüber dem Gesundheitsamt der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2017 ist zu entnehmen, dass Gegenstand der amtsärztlichen Untersuchung die Überprüfung sein solle, ob durch ein Heilverfahren eine Besserung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin erreicht werden könne.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 1. Juni 2017 beantragte die Antragstellerin, die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung zurückzunehmen, da es für die Untersuchungsanordnung an einer Rechtsgrundlage fehle. Art. 65 Abs. 2 BayBG scheide als Rechtsgrundlage aus, da Gegenstand der amtsärztlichen Untersuchung nicht die Feststellung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin sei. Die Befugnis für eine Untersuchungsanordnung außerhalb des Art. 65 Abs. 2 BayBG könne nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden. Die Anordnung könne auch nicht auf § 35 Sätze 1 und 2 BeamtStG gestützt werden, wonach Beamte verpflichtet seien, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 ordnete das Personalamt der Antragsgegnerin erneut die amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin an. Der Untersuchungsauftrag wich von demjenigen vom 17. Mai 2017 nur insoweit ab, als in dem Vordruck „Ärztliche Untersuchung (Beamte)“ zusätzlich zu der bisherigen Frage: „Kann durch ein Heilverfahren eine Besserung des Gesundheitszustandes erreicht werden?“ nun die Punkte 1., 2. und 3.angekreuzt wurden:
1. Ist die Beamtin aktuell vollumfänglich dienstfähig?
2. Kann erwartet werden dass die Beamtin innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m Art. 65 Abs. 1 BeamtStG)?
3. Ab wann kann voraussichtlich mit dem Eintritt der vollen Dienstfähigkeit gerechnet werden?
In der Anlage zu dem Untersuchungsauftrag wird auf Seite 2 ausgeführt, es seien keine Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements ergriffen worden, da keine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei.
Zur Begründung der Untersuchungsanordnung wurde im Schreiben vom 4. Juli 2017 u.a. ausgeführt, das Gespräch am 28. April 2017 sei seitens der Antragsgegnerin vom Bemühen getragen gewesen, gemeinsam mit der Antragstellerin eine möglichst niedrigschwellige und wohlwollende Lösung zur Wiedererlangung eines geordneten Dienstbetriebs zu finden. Vor diesem Hintergrund sei im Untersuchungsauftrag vom 17. Mai 2017 auch bewusst (zunächst) die Frage nach der aktuellen Dienstfähigkeit der Antragstellerin nicht gestellt worden.
Das Schreiben vom 1. Juni 2017 zeige jedoch, dass seitens der Antragstellerin unverändert keine Bereitschaft vorliege, an einer Verbesserung des Dienstablaufs mitzuwirken. Die Antragsgegnerin habe ferner feststellen müssen, dass die von den Vorgesetzten beim Bildungscampus … beobachteten und festgestellten Auffälligkeiten inklusive der mangelnden Einsichtsfähigkeit denen ähnelten, die seinerzeit beim Sozialamt festgestellt und beobachtet worden seien. Vor diesem Hintergrund müsse die Antragsgegnerin leider davon ausgehen, dass gesundheitliche Probleme aufgetreten seien, die einer Behandlung bedürften. Auch wenn keine signifikanten Fehlzeiten vorlägen, bestünden bei diesem Sachverhalt Zweifel an der aktuellen Dienstfähigkeit der Antragstellerin, die es abzuklären und ggf. mit geeigneten medizinischen Maßnahmen zu beheben gelte, um die volle Dienstfähigkeit herzustellen. Die Antragsgegnerin sei im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht sehr an der Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit der Antragstellerin interessiert.
Hierauf beantragte die Antragstellerin mit einem am 25. August 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung freizustellen, sich gemäß der Anordnung vom 4. Juli 2017, zugestellt am 18. Juli 2017, beim Gesundheitsamt der Antragsgegnerin einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Im Hinblick auf einen Anordnungsgrund sei die Angelegenheit eilbedürftig, weil der Untersuchungstermin am 6. September 2017 stattfinden solle.
Die Antragstellerin könne auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Für die streitgegenständlichen Untersuchungsanordnung vom 4. Juli 2017 fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Eine Beamtin sei nach Art. 65 Abs. 2 BayBG verpflichtet, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten untersuchen zu lassen, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit bestünden. Hierbei müssten die Zweifel an der Dienstfähigkeit ausreichend begründet werden (BVerwG, Bv.10.4.2014 – 2 B 80/13). Diese Voraussetzungen erfülle die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung nicht. Bei den in der Anlage zur Untersuchungsanordnung beschriebenen „Verhaltensauffälligkeiten“ handle es sich – selbst man diese, wie von der Antragstellerin bestritten, als wahr unterstellen würde – nicht um krankheitsbedingte Fehlleistungen, sondern allenfalls um eine „Schlechtleistung“. Einer solchen dürfe aber nicht mit den Mitteln der amtsärztlichen Untersuchung begegnet werden.
Zutreffend möge sein, dass die Antragstellerin sehr gründlich und genau arbeite. Eine solche Arbeitsweise sei jedoch aufgrund des Aufgabengebiets „grundsätzliche Rechtsangelegenheiten“ und „grundsätzliche Kassenangelegenheiten“ erforderlich. Bestimmte Ausprägungen der Arbeitsweise und der Persönlichkeit eines Beamten, mit der ein Vorgesetzter nicht zurechtkomme, könnten deswegen nicht als „krankhaft“ angesehen werden. Die von der Antragstellerin angeblich verursachten Konflikte seien nicht konkret beschrieben. Dass der zuständige Jurist des Rechtsamts bei Anrufen der Antragstellerin nicht ans Telefon gehe, könne nicht an einer „Krankheit“ der Antragstellerin liegen. Die in der Anlage zu Untersuchungsanordnung erwähnten „dementsprechenden Reaktionen“ der Kollegen auf ihre E-Mails könne sich die Antragstellerin nicht erklären. Oft mache eine E-Mail mehr Sinn als ein Anruf, da mehrere Mitarbeiter von einer Sache betroffen seien, z.B. bei den Zahlstellen.
Die Befugnis für die Untersuchungsanordnung könne auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden. Zwar beinhalte die Fürsorgepflicht auch die Verpflichtung des Dienstherrn, dafür zu sorgen, dass die Gesundheit der Beamten nicht durch die Tätigkeit im Dienst gefährdet werde. Eine amtsärztliche Untersuchung, die der Klärung gesundheitlicher Einschränkungen auf dem psychiatrischen Gebiet mit dem Ziel der Erhaltung der Dienstfähigkeit bezwecke, greife ebenso wie eine Dienstunfähigkeitsuntersuchung in die persönliche Sphäre des betroffenen Beamten ein. Für einen solchen Eingriff bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage (VG Düsseldorf, B. v. 20.8.2015 – 26 l 2549/15).
Die Anordnung könne auch nicht auf § 35 Sätze 1 und 2 BeamtStG gestützt werden, da eine solche Untersuchung das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Beamten in erheblichem Umfang berühre. Deshalb könnten Anordnungen, die Beamte in ihrer persönlichen Rechtsstellung beträfen, nicht allein auf das Weisungsrecht gestützt werden, sondern bedürften einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage (VG Düsseldorf, a.a.O.).
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben ihres Rechtsamts vom 31. August 2017, den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin habe bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Für die Untersuchungsaufforderung bestehe entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine ausreichende Rechtsgrundlage in Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG. Die Norm sei nicht nur dann einschlägig, wenn Zweifel an der Dienstunfähigkeit eines Beamten bestünden. Nach Sinn und Zweck der Regelung gelte sie vielmehr auch dann, wenn der Dienstvorgesetzte Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Beamten habe (BVerwG, Bv.28.5.1984 – 2 B 205/82; BayVGH, B. v. 27.2.2013 – 8 CE 12.2788). Die Zweifel des Dienstvorgesetzten können sich dabei auch aus einer Summe von Umständen ergeben die, die – für sich genommen – noch keinen hinreichenden Anlass zu Zweifeln an der Dienst(un) fähigkeit böten (BVerwG a.a.O.).
Die Anordnung entspreche den formalen Voraussetzungen.
Sie sei aus sich heraus verständlich. Aus dem Untersuchungsauftrag vom 17. Mai 2017 in der Fassung des Erläuterungsschreibens vom 4. Juli 2017 könne die Antragstellerin die Gründe, die die Antragsgegnerin im Nachgang zum Personalgespräch vom 28. April 2017 zur Anordnung eines amtsärztlichen Untersuchung bewogen hätten, ohne weiteres nachvollziehen. Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung seien in ausreichendem Maße dargelegt.
Die Anordnung genüge auch den materiellen Anforderungen.
Zwar betone die Antragstellerin zutreffender Weise, dass bloße Schlechtleistungen für sich genommen noch keine amtsärztliche Untersuchung rechtfertigten. Jedoch habe die Antragsgegnerin in ausreichendem Maße ihre Zweifel daran dargelegt, ob die Antragstellerin wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die Dienstpflichten ihres abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (vgl. BVerwG, B. v. 30.5.2013 – 2 C 68.11, Rn.19; VG Bayreuth, B. v.6.6.2016 – B 5 E 16.386). Die Antragsgegnerin habe bereits in der Anordnung vom 17. Mai 2017 darauf abgestellt, dass bei der Antragstellerin bereits 2009 eine Krankheit diagnostiziert und behandelt worden sei, die bei der damaligen Beschäftigungsdienststelle (Sozialamt) zu Problemen geführt habe. Die bei der aktuellen Dienststelle (Bildungscampus) zu Tage getretenen Verhaltensprobleme samt ihren Auswirkungen auf den Arbeitsablauf einschließlich des mangelhaften Kommunikationsverhaltens der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin zu Recht zum Anlass nehmen dürfen, eine erneute Behandlungsbedürftigkeit zur Sicherung der Dienstfähigkeit amtsärztlich überprüfen zu lassen. Die Haltung der Antragstellerin, Fehler stets bei Anderen und nie bei sich selbst zu suchen, habe die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Zweifel an der vollständigen Dienstfähigkeit der Antragstellerin heranziehen dürfen.
Mit Schreiben vom 1. September 2017 teilte die Antragsgegnerin dem Gericht mit, dass der amtsärztliche Untersuchungstermin auf den 12. Oktober 2017, 11:00 Uhr verlegt werde.
Wege der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte samt den gewechselten Schriftsätzen sowie die beigezogenen Personalakte der Antragstellerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher stets, dass ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der Regelung) und ein Anordnungsanspruch (der materielle Anspruch auf die begehrte Regelung) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber der Antragstellerin, sich gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG zur Klärung ihrer Dienstfähigkeit/Dienstunfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, mangels unmittelbarer Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt i.S. von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, sondern um eine (gemischt dienstlich-persönliche) Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (BayVGH, B.v. 28.1.2013 – 3 CE 12.1883 juris Rn. 26; B.v. 6.10.2014 3 CE 14.1357 juris Rn. 12; B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 13).
Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht zudem nicht entgegen, dass die Untersuchungsanordnung als innerbehördliche Verfahrenshandlung i.S. von § 44a Satz 1 VwGO zu qualifizieren ist. Denn sie kann i.S.d. § 44a Satz 2 VwGO vollstreckt werden, weil ihre Nichtbefolgung (jedenfalls bei aktiven Beamten) mit disziplinarischen Mitteln sanktioniert werden kann (BayVGH B.v. 6.10.2014 – a.a.O – juris Rn. 13; B. v. 23.2.2015 a.a.O. – juris Rn.14). Darüber hinaus sollen von § 44a Satz 2 VwGO seiner ratio legis nach auch solche Fallgestaltungen erfasst werden, bei denen anderenfalls – also ohne selbständige Anfechtbarkeit des behördlichen Handelns – die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht dem Rechtsschutz des Betroffenen genügen würde. Deshalb ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Untersuchungsanordnung zulässig, wenn sie eine grundrechtlich geschützte subjektiv-öffentliche Rechtstellung beeinträchtigt. Das ist vorliegend zu bejahen, weil am 12. Oktober 2017 eine amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin erfolgen soll. Damit ist zugleich auch ein Anordnungsgrund gegeben.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Denn bei summarischer Prüfung erweist sich die Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin vom 4. Juli 2017 als rechtswidrig.
Eine auf Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG gestützte Untersuchungsanordnung muss wegen der mit ihr verbundenen Eingriffe in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre des Beamten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmten formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen.
Danach müssen einer solchen Aufforderung – erstens – tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben. Der Beamte muss anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78, Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 6, U. v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 19 ff., U. v. 30.5.2013 – 2 C 68.11, juris Rn. 19 ff. m.w.N. und B.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – juris Rn. 9 ff.). Ein etwaiger Mangel dieser Aufforderung kann nicht im weiteren behördlichen oder gerichtlichen Verfahren – etwa gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG – geheilt werden (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a.a.O. Rn. 21).
Die Untersuchungsanordnung muss – zweitens – Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dem entsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 9.3.2017 – 3 CE 16.2549 – juris Rn. 14; vgl. auch OVG Münster, B.v. 27.11.2013 – 6 B 975/13, ZBR 2014, 141, 142).
Es ist vorliegend bereits zweifelhaft, ob die in der Untersuchungsanordnung angegebenen tatsächlichen Umstände die getroffene Anordnung tragen können.
Die – insoweit ausschließlich maßgeblichen – Ausführungen im angefochtenen Bescheid beschränken sich darauf, der Antragstellerin eine ausufernde Arbeitsweise vorzuhalten, die dazu geführt habe, dass das Überwachen der finanziellen Gesamtsituation beim Bildungs-Campus, das Erstellen von Monats-, Halbjahres-und Jahresberichten sowie Hochrechnungen und Prognosen als auch die Planung und Bearbeitung des Haushaltsplans und dessen Vollzug an andere Kolleginnen und Kollegen übertragen hätten werden müssen. Dies belege, dass die Antragstellerin nicht die Leistungen erbringe, die von einer Verwaltungsoberinspektorin mit der Befähigung für die dritte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, Schwerpunkt nichttechnischer Verwaltungsdienst zu erwarten seien.
Außerdem wird der Klägerin vorgehalten, ihr mündliches und schriftliches Kommunikationsverhalten sei auffällig. Es fehlt jedoch eine nähere Erläuterung, weshalb die Antragsgegnerin diese Auffälligkeiten auf eine Erkrankung der Klägerin, die eine Dienstunfähigkeit zur Folge haben könnte, zurückführt.
Die Antragsgegnerin hat es nämlich nach Aktenlage versäumt, sich bereits im Vorfeld des Erlasses der Untersuchungsanordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit der Beamtin bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin drängt sich auch keinesfalls auf, dass die aufgetretenen Konflikte zwischen der Antragstellerin und ihren Kollegen am Arbeitsplatz auf eine Erkrankung zurückzuführen sei könnte. Die als Begründung herangezogenen „psychische Erkrankung“ aus dem Jahr 2009 (wohl ein psychosomatisches Schmerzsyndrom) lässt auf den ersten Blick keinen Rückschluss auf einen Rückfall o.ä. zu. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern die damalige Erkrankung mit der aktuellen Situation zusammenhängen könnte. Ohne jegliche medizinische Fundierung einer Hypothese legt sich die Antragsgegnerin auch nicht einmal fest, ob es sich um eine neurologische oder psychosomatische bzw. psychische Erkrankung handeln soll.
Damit erfüllt die Untersuchungsanordnung zumindest nicht die oben bezeichnete zweite Voraussetzung, die nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer solchen Anordnung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei die Hälfte des Regelstreitwerts angesetzt wurde (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 2013).

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