Medizinrecht

Fehlerhafte Anordnung zur Hundehaltung

Aktenzeichen  W 5 K 15.1135

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG LStVG Art. 18 Abs. 2
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ergeben sich Gefahren aus dem gemeinsamen Ausführen mehrerer Hunde durch eine einzelne Person, ist eine Anordnung zur Hundehaltung ermessensfehlerhaft und ungeeignet, wenn sie sich ohne Erwägungen zu Maßnahmen im Hinblick auf die Rudelhaltung allein auf einen der Hunde bezieht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 18 Abs. 2 LStVG ermächtigt die Gemeinde nur zum Erlass von Anordnungen zur Hundehaltung in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, nicht aber zur Einschränkung der Hundehaltung auf Privatgrundstücken. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlilchen Flächen ist unverhältnismäßig, wenn nicht geprüft wird, ob der Leinenzwang von geeigneten öffentlichen Flächen ausgenommen oder auf bestimmte Teile des Gemeidegebiets beschränkt werden kann, um dem Bewegungsdrang eines großen Hundes Rechnung zu tragen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Liegen relevante Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Person alleiniger oder zumindest ebenfalls Halter eines Hundes ist, ist es ermessensfehlerhaft, ohne erkennbare Überlegungen zur Störerauswahl ausschließlich eine andere Person heranzuziehen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
5. Enthält eine Anordnung zur Hundehaltung mehrere einzelne Verpflichtungen, darf sich eine Zwangsgeldandrohung nur jeweils auf eine einzelne Verpflichtung beziehen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Der Kläger kann zwar nicht allein deswegen die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids verlangen, weil er vor dessen Erlass nicht angehört worden ist. Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig, denn der Mangel der zunächst fehlenden Anhörung ist inzwischen geheilt.
Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG schreibt vor, dass vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung im Verwaltungsverfahren hat vor Erlass des Bescheids der Beklagten vom 6. Oktober 2015 nicht stattgefunden. Es ist lediglich eine Anhörung im Bußgeldverfahren erfolgt. Da auch keine Gründe vorliegen, die dazu führen, dass von der Anhörung nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG abgesehen werden konnte oder eine Anhörung nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG unterbleiben durfte, liegt ein Verfahrensfehler im Sinne von Art. 45 BayVwVfG vor.
Gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG ist eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG aber unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Dies kann bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgen.
Im vorliegenden Fall liegt die Nachholung der Anhörung darin, dass sich der Klägerbevollmächtigte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren umfangreich zu den Maßnahmen der Beklagten geäußert hat und der Beklagtenvertreter das Vorbringen der Klägerseite zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen, ob der Bescheid aufgrund des Vorbringens der Klägerseite abgeändert werden sollte, einbezogen hat. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs an und hält eine Nachholung der Anhörung in dieser Form für ausreichend, zumal Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG für die Nachholung der Anhörung lediglich eine zeitliche Grenze setzt, nämlich den Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nicht aber eine bestimmte Form vorschreibt. Dass eine unterlassene Anhörung allein im Rahmen eines behördlichen Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden kann, ist dieser Regelung nicht zu entnehmen. Die Gegenmeinung berücksichtigt nicht, dass die frühere Regelung des Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG den Zeitraum der Heilungsmöglichkeit noch nicht bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorsah. Schließlich überzeugt auch nicht die teilweise in der Literatur vertretene Rechtsauffassung (z.B. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Art. 45 Rn. 27 und 45 f.), dass die Nachholung der Anhörung stets eines besonderen Ergänzungs- oder Nachverfahrens vor der Ausgangsbehörde bedarf sowie nach der Nachholung einer weiteren, ergänzenden Entscheidung dieser Behörde. Denn Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG fordert die Einhaltung dieser Form gerade nicht (vgl. BayVGH, U.v. 12.5.2014 – 10 B 12.2084 – juris).
1.2 Der Bescheid der Beklagten ist jedoch materiell rechtswidrig. Zwar ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass von der streitgegenständlichen Hundehaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so dass die Voraussetzungen für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten vorliegen. Die Anordnungen des Bescheids der Beklagten sind jedoch teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt, der Bescheid erweist sich insgesamt als ermessensfehlerhaft – insbesondere auch hinsichtlich der Auswahl des Bescheidadressaten -, und seine Anordnungen stellen sich, insbesondere im Gesamtgefüge, als unverhältnismäßig dar.
1.2.1 Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach kann die zuständige Sicherheitsbehörde zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d.h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist. Es ist für die Bejahung einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, dass vor dem Erlass entsprechender Anordnungen bereits (Beiß-)Zwischenfälle stattgefunden haben (st. Rspr. d. BayVGH, s. U.v. 21.12.2011 – 10 B 10.2806 – juris). Ist es jedoch bereits zu einem Beißvorfall oder einem sonstigen Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf dann keiner weiteren Nachprüfung mehr, etwa durch ein Gutachten (Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18 Rn. 40, 42). Eine vollständige Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs eines Vorfalls ist als Voraussetzung für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten nicht erforderlich (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 53, m.w.N.).
Für die Bejahung einer konkreten Gefahr kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des erkennenden Gerichts nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität gegen Menschen oder andere Hunde ausgeht oder ob es sich um ein hundetypisches Verhalten handelt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.1.2011 – 10 B 09.2966 – juris m.w.N.). Sinn der Ermächtigung des Art. 18 Abs. 2 LStVG ist es, den Gemeinden die Befugnis zu geben, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen, unabhängig davon, in welcher Weise diese von Hunden verursacht werden. Die Mehrheit der von Hunden ausgehenden Gefahren beruht nämlich gerade auf hundetypischem Verhalten. Auch wenn ein Schaden durch den Hund dadurch herbeigeführt wird, dass er durch ein „Fehlverhalten“ oder eine „Fehlreaktion“ einer anderen Person entstanden ist, sind nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung solche Vorfälle dennoch dem Hund zuzurechnen, da die Gefahr ausschließlich von diesem ausgeht (vgl. BayVGH, a.a.O. und U.v. 15.3.2005 – 24 BV 04.2755 sowie B.v. 31.7.2014 – 10 ZB 14.688 – alle juris). Von Passanten wird kein hundegerechtes Verhalten erwartet, vielmehr steht der Hundehalter in der Pflicht, wenn er seinen Hund in der Öffentlichkeit ausführt. Nur das bewusste und gezielte Reizen eines Hundes stellt kein (Fehl-)Verhalten eines Passanten dar, mit dem der Hundehalter jederzeit hätte rechnen und die Reaktion seines Hundes hierauf hätte verhindern müssen (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2014 – 10 ZB 14.688 – juris).
Bei der Aufklärung des Sachverhalts darf die Sicherheitsbehörde grundsätzlich von der Richtigkeit von Zeugenaussagen ausgehen, insbesondere dann, wenn die Aussage den Vorfall detailliert und nachvollziehbar schildert und wenn mehrere Aussagen verschiedener Zeugen übereinstimmen (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn.35). Sie darf auch polizeiliche Erkenntnisse heranziehen, ist allerdings an die im Ermittlungsverfahren getroffene Beurteilung nicht gebunden (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn.39).
1.2.2 Nach diesen Maßgaben es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids von einer Gefahr ausgegangen ist. Es ist im Rahmen der Gefahrenprognose hinsichtlich der Hundehaltung nicht entscheidend, ob eine Gefahr für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen ausschließlich von dem streitgegenständlichen Hund ausgeht, wie die Beklagte aufgrund des von ihr angenommenen Beißvorfalls meint, oder ob sie vielmehr aus dem Rudelverhalten der am Tag des streitgegenständlichen Vorfalls zusammen ausgeführten Hunde resultiert, die von der Ehefrau des Klägers nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden konnten. Es muss auch nicht näher aufgeklärt werden, ob der Hund „Lenny“ am 19. Juli 2015 ein Kind gebissen hat, wie die Beklagte aufgrund der Zeugenaussage der Geschädigten angenommen hat. Jedenfalls war der Hund „Lenny“ entweder nicht angeleint oder er hat sich zusammen mit den anderen Hunden, die von der Ehefrau des Klägers ausgeführt wurden, losgerissen und ist auf das Kind zugerannt. Die Beklagte durfte bei Erlass des Bescheides aufgrund der Zeugenaussage der 10-Jährigen auch davon ausgehen, dass das Kind im Laufe des Vorfalls eine Bissverletzung erlitten hat. Von welchem Hund es gebissen worden ist, kann insofern letztlich offen bleiben.
1.2.3 Damit ist die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Einzelfallanordnungen zu erlassen. Allerdings ist nach Auffassung des Gerichts der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 deswegen rechtswidrig, weil sein Regelungsgehalt teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt ist und im Hinblick auf einzelne Regelungen des Bescheids und das Gesamtgefüge der Regelungen eine nachvollziehbare Ermessensausübung, auch hinsichtlich der Störerauswahl, nicht erkennbar ist. Der Bescheid verstößt auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG).
Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 61). Weiterhin müssen die getroffenen Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) genügen, d.h., sie müssen zur Abwehr der festgestellten Gefahr erforderlich und geeignet sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d.h. angemessen und zumutbar (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 63).
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 RdNrn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt.
Nach dem Wortlaut des streitgegenständlichen Bescheids ist zwar von einer Ermessensausübung hinsichtlich des Entschließungsermessens auszugehen, das Auswahlermessen ist jedoch nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt worden. Diesbezüglich fehlt es im Ausgangsbescheid völlig an einer begründeten Ermessensentscheidung. Aus den beigezogenen Akten kann auch nicht auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung hinsichtlich der gewählten Maßnahmen geschlossen werden.
Selbst wenn nicht von vollständigem Ermessensausfall auszugehen sein sollte, hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen jedoch auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachträglich den rechtlichen Anforderungen entsprechend (§ 114 Satz 2 VwGO) ergänzt, so dass sich der Bescheid auch insofern nicht als ermessensfehlerfrei erweist.
Eine Anordnung darf nur dann ergehen, wenn sie geeignet und erforderlich ist und keine milderen Mittel erkennbar sind. Ebenfalls darf die Maßnahme nicht „über das Ziel hinausschießen“, also einen überzogenen und nicht verhältnismäßigen Schutz anstreben.
1.2.3.1 Im vorliegenden Fall ist bereits die Geeignetheit der von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen nicht ersichtlich. Nach den durchgeführten Ermittlungen ergaben sich Gefahren aus dem gemeinsamen Ausführen mehrerer Hunde durch eine einzelne Person. Die Beklagte traf jedoch keinerlei Maßnahmen im Hinblick auf die Rudelhaltung, sondern lediglich Anordnungen für einen der vier Hunde. Es sind dem Akteninhalt auch keine Überlegungen dazu zu entnehmen, warum nicht das getrennte Ausführen des Rudels oder das gleichzeitige Ausführen der Hunde durch zwei geeignete Personen in Erwägung gezogen wurde, wie es in der polizeilichen Anordnung nach Art. 11 PAG vom 22. September 2015 verfügt wurde. Diese Anordnung war der Beklagten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 6. Oktober 2015 ausweislich des Eingangsstempels vom 12. Oktober 2015 auf dem Schreiben des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 26. September 2015 zwar noch nicht bekannt, bei einem Vorfall im Rahmen einer Hundehaltung von vier Hunden hätte die Beklagte jedoch Überlegungen dazu anstellen müssen, ob Anordnungen bzgl. eines Hundes geeignet sind, die aufgetretene Gefahr zu beseitigen.
1.2.3.2 Nr. 1 des Bescheids vom 6. Oktober 2015 ist auch deshalb aufzuheben, weil die Anordnung im Hinblick auf die Regelung hinsichtlich sich auf dem Haltergrundstück aufhaltender Personen von Art. 18 Abs. 2 LStVG als Rechtsgrundlage nicht gedeckt ist. Nach Auffassung des Gerichts ist auch bei Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG der Anwendungsbereich des Abs. 1 zu beachten, da im Abs. 2 ausdrücklich auf den Schutzbereich des Abs. 1 Bezug genommen wird und zudem Art. 6 LStVG eine gemeindliche Aufgabe als Sicherheitsbehörde nur zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorsieht. Aus der Sicht des Gerichts ermächtigt Art. 18 Abs. 2 LStVG die Gemeinden daher nur zum Erlass von Anordnungen, soweit die Haltung von Hunden in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen im Sinne von Abs. 1 geregelt wird, nicht aber zu Einschränkungen der Hundehaltung auf Privatgrundstücken. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Art. 7 Abs. 1 LStVG Anordnungen der Sicherheitsbehörden, die in Rechte anderer eingreifen, nur zulässt, wenn eine besondere Ermächtigung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorliegt. Nachdem der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 LStVG ausdrücklich beschränkt ist, Abs. 2 auf Abs. 1 Bezug nimmt und zwar die Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht wiederholt, jedoch auch nicht ausdrücklich erweitert, ist nach Auffassung des Gerichts Art. 18 Abs. 2 LStVG aufgrund des Erfordernisses einer konkreten gesetzlichen Eingriffsermächtigung restriktiv dahingehend auszulegen, dass die Befugnis für Einzelfallanordnungen ebenfalls nur im Rahmen des Anwendungsbereiches des Art. 18 Abs. 1 LStVG gilt. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, eine Anordnung zu erlassen, nach der der streitgegenständliche Hund innerhalb des klägerischen Grundstücks in bestimmter Art und Weise zu halten ist, soweit es nicht um die Abwehr von Gefahren für Dritte außerhalb des Anwesens durch Entweichen des Hundes o.ä. geht (vgl. VG Bayreuth, U.v. 4.12.2012 – B 1 K 11.5 – juris).
Die Anordnung Nr. 1 ist weiterhin deshalb rechtswidrig und rechtsverletzend für den Kläger, weil sie zu weit geht und daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) verstößt.
Die Notwendigkeit der grundstücksbezogenen Anordnungen ergibt sich weder aus dem streitgegenständlichen (Beiß-)Vorfall, noch aus dem Vortrag der Beklagten. Es wurde weder vorgetragen, dass der Hund jemals das Haltergrundstück unbeaufsichtigt verlassen hätte, noch dass das Haltergrundstück im Hinblick auf Ausbruchsicherheit überhaupt irgendwelche Defizite aufweisen würde.
1.2.3.3 Darüber hinaus vermochte die Beklagte – auch in der mündlichen Verhandlung – nicht darzulegen, warum die weiteren Anordnungen für den streitgegenständlichen Hund im Einzelnen bzw. in Kombination erforderlich sind, um der von der Hundehaltung ausgehenden Gefahr zu begegnen.
1.2.3.3.1 Die ausnahmslose Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen in Nr. 2 des Bescheids erweist sich als unverhältnismäßig.
Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstößt zwar nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ständige Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, B.v. 5.2.2014 – 10 ZB 13.1645 – juris). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil z.B. eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde (vgl. VG Augsburg, B.v. 26.4.2012 – Au 5 S. 12.316 – juris). Nachdem der Vorfall sich vorliegend mit dem angeleinten Hund ereignet hat, hatte die Beklagte Anlass, für Bereiche, in denen mit Begegnungen mit Personen zu rechnen ist, eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang in Erwägung zu ziehen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre die Beklagte jedoch auch verpflichtet gewesen zu prüfen, ob geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang ausgenommen werden können, um dem Bewegungsdrang des großen Hundes Rechnung zu tragen, oder ob dieser auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets beschränkt werden kann. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, warum für den Hund auf allen öffentlichen Flächen in jedem Fall ein Anlein- und Maulkorbzwang erforderlich sein soll. Der Kläger darf nach dem Bescheidinhalt den Hund auch außerhalb bewohnter Bereiche nicht ohne lange Leine laufen lassen, was dem Bewegungsbedürfnis des Tieres nicht hinreichend Rechnung trägt. Damit erweist sich die Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen in Nr. 2 des Bescheids als unverhältnismäßig.
1.2.3.3.2 Für Nr. 3 des Bescheids fehlt es an jeglicher Begründung im Bescheid. Eine solche Anordnung ist zwar an sich nicht problematisch, im vorliegenden Fall ist sie aber nicht geeignet, der bestehenden Gefahr angemessen zu begegnen, da keine Anordnung zu der Frage getroffen wurde, wie viele Hunde gleichzeitig ausgeführt werden dürfen.
1.2.3.4 Schließlich ist der Bescheid insgesamt auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil er sich (ausschließlich) gegen den Kläger richtet.
Gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG sind dann, wenn das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder einer anderen Sache Maßnahmen nach diesem Gesetz notwendig macht, diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten; ausnahmsweise können die Maßnahmen auch gegen andere Personen gerichtet werden, und zwar zusätzlich oder alternativ (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 LStVG). Geht es, wie vorliegend, um Anordnungen zur Hundehaltung im Einzelfall gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG, so kommt als Adressat einer Anordnung nach dem Zweck der Vorschrift primär der Halter des Hundes in Betracht. Der Halter trägt die Verantwortung dafür, dass die verfügten Maßnahmen umgesetzt und die Verpflichtungen eingehalten werden. Halter ist, wer ein eigennütziges Interesse an der Haltung des Hundes und die Befugnis hat, über dessen Betreuung und Existenz zu entscheiden. Eigentum bzw. Eigenbesitz sind für die Bejahung der Haltereigenschaft nicht Voraussetzung, belegen jedoch das eigennützige Interesse und das Vorliegen der Entscheidungsbefugnis über den Hund. Indizien hierfür sind, wer die Bestimmungsgewalt über den Hund hat, für seine Kosten aufkommt, seinen allgemeinen Wert und Nutzen für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Wer „Halter“ i.S.d. Steuerrechts ist, also die Hundesteuer bezahlt, hat keine Auswirkung auf die Frage, wer Halter i.S.d. Sicherheitsrechts und damit Adressat einer sicherheitsrechtlichen Anordnung ist (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 87 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall sprechen die relevanten Tatsachen dafür, dass die Ehefrau des Klägers die alleinige Halterin oder zumindest auch Halterin des streitgegenständlichen Hundes ist.
Der Kläger ist zwar auf der von der Beklagten vorgelegten Kopie der Anmeldung des Hundes zur Hundesteuer als Hundehalter angegeben. Ob der Kläger tatsächlich den streitgegenständlichen Hund auf sich angemeldet hat, was von ihm bestritten wird, braucht nach den o.g. Grundsätzen jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden. Der Kläger hat jedenfalls einen Abgabenbescheid „Hundesteuer 2. Hund“ aus dem Jahr 2012 und eine Abbuchungsvorankündigung für das Jahr 2016 vorgelegt, die jeweils an seine Ehefrau gerichtet waren. Letztlich ist nicht entscheidend, wer Halter des streitgegenständlichen Hundes i.S.d. Steuerrechts ist, sondern wer Halter i.S.d. Sicherheitsrechts ist. Der Hund lebt bei der Familie des Klägers. Die Ehefrau des Klägers hat mit dem streitgegenständlichen Hund eine Begleithundeprüfung abgelegt und war mit den Hunden zum Zeitpunkt des Vorfalls unterwegs. Bei der Überprüfung der Hunde durch den Polizeihundeführer war (nur) die Ehefrau des Klägers anwesend. Die Hunde orientierten sich laut Kurzmitteilung von POM … stark an der Ehefrau des Klägers. Es liegen daher einige Tatsachen vor, die darauf schließen lassen, dass die Ehefrau des Klägers zumindest ebenfalls Halterin des Hundes ist. Diese Tatsachen hat die Beklagte in ihre Überlegungen zur Auswahl des Bescheidadressaten offensichtlich nicht einbezogen. Nachdem eine Anordnung, die sich nur gegen einen von zwei Haltern richtet, ungeeignet und damit ermessensfehlerhaft ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 26.8.2010 – W 5 S. 10.907 – juris), ist der (ausschließlich) gegen den Kläger gerichtete Bescheid allein deswegen rechtswidrig, ohne dass noch entschieden werden muss, ob der Kläger überhaupt als Halter des Hundes anzusehen ist.
1.3 Nachdem die Anordnungen in Nrn. 1 bis 3 des Bescheids vom 6. Oktober 2015 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, können auch die akzessorischen Regelungen (Zwangsmittelandrohung in Nr. 5 sowie die Nrn. 4, 6 und 7) keinen Bestand haben und der Bescheid war insgesamt aufzuheben.
Überdies verstößt die Zwangsgeldandrohung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 BayVwVfG. Da die Zwangsgeldandrohung nicht jeweils auf eine einzelne Verpflichtung – entweder Ziffer 1, 2 oder 3 – bezogen ist, bleibt letztlich zu Lasten des Klägers unklar, an welche Handlungspflichten die Zwangsgeldandrohung anknüpft. Für den Kläger ist unklar, ob bereits bei einem Verstoß gegen alternativ die Ziffer 1, 2 oder 3 das angedrohte Zwangsgeld zur Zahlung fällig ist. Der Kläger kann deshalb nicht absehen, in welchen Fällen mit der Fälligstellung eines Zwangsgeldes in nicht unerheblicher Höhe (400,00 EUR) er rechnen muss. Die Beschränkung einer Zwangsgeldandrohung auf jeweils eine einzelne Verpflichtung ergibt sich insoweit auch aus dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 VwZVG. Wird danach die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

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