Medizinrecht

Fortnahme aus tierschutzrechtlichen Gründen

Aktenzeichen  M 23 K 19.2773

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35836
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 17
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Einzelhaltung eines Ziegenbocks in der Wohnung ist tierschutzwidrig und rechtfertigt seine Fortnahme. (Rn. 14 und 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt den zutreffenden Feststellungen und der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO), und ergänzt lediglich wie folgt:
Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid eine auf einer zutreffenden Rechtsgrundlage gestützte, nach Subsumtion der dortigen gesetzlichen Voraussetzungen tatbestandlich korrekte und auch auf Rechtsfolgenseite nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung getroffen. Eine ggf. unzureichende Anhörung der Klägerin wäre jedenfalls nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung geheilt (Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 TierSchG liegen vor. Das veterinärfachliche Gutachten vom . April 2019 (Bl. 73 ff. Behördenakte) kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass dem Ziegenbock erhebliche Leiden im Sinne des § 17 TierSchG zugefügt worden seien, dies länger anhaltend, ohne vernünftigen Grund und aufgrund wiederholt grober Verstöße der Klägerin. Die fachliche Begutachtung ist als Grundlage der vorgenommen Anordnung geeignet, sie trifft eine eindeutige fachliche Bewertung. Der Bewertung der Veterinärin kommt vorrangige Beurteilungskompetenz zu (§ 15 Abs. 2 TierSchG), sie konnte von Klageseite auch nicht in Frage gestellt werden. Eine entgegenstehende veterinärfachliche Begutachtung, etwa eines Fachtierarztes, liegt nicht vor, insbesondere zu der Frage, ob dem Tier (insbesondere) durch die Einzelhaltung (keine) Leiden zugefügt wurden, wie dies die Klägerin vorgibt. Die Klägerin bestreitet für sich und in angemaßter eigener Kompetenz die veterinärfachliche Bewertung, vermag dies jedoch nicht fachlich zu belegen. Eine entgegenstehende veterinärfachliche Bewertung lag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht vor (anders als bsp. Konstellation des BayVGH, B.v.13.5.2014 – 9 CS 14.1027 – juris), auch nicht durch Vorlage der später ohnehin in ihrer Aussagekraft relativierten (vgl. Bl. 73f. Behördenakte) und hierzu keine dezidierte Aussage treffenden Bescheinigung des Dr. P., so dass das Gericht keine Veranlassung hat, die veterinärfachliche Bewertung des Landratsamtes M. in Zweifel zu ziehen, zumal Dr. P. telefonisch angab, von den Haltungsbedingungen selbst nichts zu wissen und lediglich eine leichte/ unklare Ataxie festgestellt zu haben. Im Übrigen sind die von Klageseite mehrfach vorgetragenen und möglicherweise nach Geburt bestehenden Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres im Umgang mit anderen Artgenossen von Frau Dr. H., die im Auftrag des Gnadenhofes S. das Tier am 18. April 2019 untersuchte, aktuell so nicht festgestellt worden (vgl. Bl. 94 Behördenakte).
Die Fortnahmeentscheidung ist auch auf Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. Ein der gerichtlichen Kontrolle zugänglicher Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, hier insbesondere Ermessensdisproportionalität, ist nicht festzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn von Klageseite zuletzt in der mündlichen Verhandlung mehrfach moniert wurde, dass auch mildere Mittel, etwa eine tierschutzrechtliche Anordnung zur Vergesellschaftung des Tieres, in Betracht gekommen wären und dies bei der Anhörung der Klägerin im Februar 2019 noch in Mitten gestanden sei. Einerseits wurde von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung dargelegt, aus welchen – nachvollziehbaren – Gründen man von einer ursprünglich angedachten tierschutzrechtlichen Anordnung dann doch zur Fortnahme des Tieres gekommen war, andererseits hätte die Klägerin die Fortnahme oder auch eine tierschutzrechtliche Anordnung ohne weiteres abwenden können, hätte sie – wie nicht – ein in der Anhörung beschriebenes Attest eines Fachtierarztes vorgelegt, das ihre Auffassung bestätigt hätte, dass allein Einzelhaltung fachlich angezeigt wäre. Die von ihr selbst beanspruchte Bewertung der Haltungsbedingungen des Ziegenbocks blieb daher fachlich unbelegt. Das Gericht verkennt nicht, dass es nach Geburt des Ziegenbocks offenbar angezeigt gewesen war, ihn – deutlich intensiver pflegend – anders aufzuziehen als andere Tiere; die Klägerin hat es jedoch offenbar versäumt, rechtzeitig die bereits gewohnte Haltung wesentlich zu ändern, als sich das Tier fortentwickelt hatte. Die von der Klägerin im April 2019 vorgesehene eigene Vergesellschaftung brauchte vom Landratsamt schon wegen des damals bestehenden Ziegenhaltungsverbotes nicht mehr abgewartet zu werden. Schließlich belegen aber auch die in der Behördenakte festgehaltenen Fotos und Feststellungen der Haltungsbedingungen des Tieres in der Wohnung der Klägerin nachts, dass von einer ziegengerechten Haltung schwerlich die Rede sein kann. Eine weitergehende Kontrolle der Verhältnismäßigkeit bzw. der Rechtsfolgenbewertung des Bescheides ist dem Gericht entzogen, ebenso die Opportunität dieser Maßnahmen.
Auch die in Ziffer 2 des Bescheides angeordnete Duldung der Befugnis zur Eigentumsübertragung (Art. 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG) begegnet keine rechtlichen Bedenken, zumal der Beklagte davon ausgehen durfte, dass eine vorherige Fristsetzung ebensowenig notwendig war als eine Rückgabe in absehbarer Zeit in Betracht kam. Gegen die Klägerin bestand das – wenngleich noch nicht rechtskräftige – Ziegenhaltungsverbot des Landratsamtes … vom … Januar 2019, das (nach wie vor) sofort vollziehbar ist. Einer Fristsetzung bedurfte es daher ausnahmsweise nicht (vgl. Hirt/ Maisack/ Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl., § 16a Rn. 33), eine Rückgabe an die Klägerin war in absehbarer Zeit auszuschließen. Im Übrigen hatte der Beklagte ausweislich Bl. 118/ 119 Behördenakte noch vor dem Eigentumsübergang am 23./ 27. Mai 2019 bei dem Verwaltungsgericht nachgefragt, ob Klage- bzw. Eilverfahren anhängig gemacht worden waren, was damals nicht der Fall war, so dass aufgrund der in Ziffer 3 des Bescheids vom 6. Mai 2019 verfügten sofortigen Vollziehung der Eigentumsübergang, der Ende Mai 2019 stattfand, vollzogen werden durfte.
Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO abzuweisen.

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