Aktenzeichen 10 U 1750/15
StVO § 20 Abs. 1, § 25 Abs. 3
BGB § 254 Abs. 1
VVG 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4
PflVG § 1
ZPO § 233, § 238 Abs. 3, § 256 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 301 Abs. 1, § 304 Abs. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Leitsatz
1 Stellt eine Kollision zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug für den Führer des Kraftfahrzeugs ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dar, so kann seine Haftung ganz entfallen; dies folgt zwar nicht aus § 17 Abs. 3 StVG, der zugehörige Rechtsgedanke ist aber im Rahmen des Mitverschuldens (§ 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB) zur Geltung zu bringen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug, weil der Fußgänger nach dem Aussteigen aus einem Bus die Straße unter Verstoß gegen seine Pflichten aus § 25 Abs. 3 StVO überquert hat, obwohl er das herannahende Fahrzeug hätte sehen müssen, und der Führer des Kraftfahrzeugs den Fahrbahnrand unter Verstoß gegen § 20 Abs. 1 StVO nicht hinreichend beobachtet, deshalb um 0,9 Sekunden zu spät reagiert und außerdem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geringfügig überschritten hat, so kommt eine hälftige Haftungsteilung in Betracht. (Rn. 36 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 O 4327/12 2015-04-16 Endurteil LGMUENCHENII LG München II
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin vom 28.08.2015 wird das Endurteil des LG München II vom 16.04.2015 wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche eingetretene Schäden, sowie jegliche künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 01.10.2009 gegen 06.40 Uhr in der A. Straße Einmündung U. Straße, G., zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Für materielle Schäden gilt dies zu einem Anteil von 50 Prozent, für immaterielle Schäden unter Berücksichtigung hälftigen Mitverschuldens.
Ausgenommen hiervon sind das aus dem vorgenannten Unfall folgende Schmerzensgeld und Verdienstausfallschäden für den Zeitraum von jeweils einschließlich 2009 bis Juli 2012.
2. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
a) der Klägerin aufgrund des vorgenannten Unfalls ein gesetzlich verzinstes angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung hälftigen Mitverschuldens zu bezahlen, und b) der Klägerin den verzinsten Verdienstausfallschaden vom Unfallzeitpunkt bis zum 31.07.2012 zu 50 Prozent zu ersetzen.
II. Im Übrigen wird das Endurteil des LG München II aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München II zurückverwiesen.
III. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München II vorbehalten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie in der Hauptsache (noch) die Feststellung der Ersatzpflicht für bisherige und künftige Schäden, sowie ein gesetzlich verzinstes angemessenes Schmerzensgeld verlangt, jeweils unter Berücksichtigung hälftigen Mitverschuldens. Hinzu tritt ein bezifferter und gestaffelt gesetzlich verzinster, sowie um hälftiges Mitverschulden gekürzter Verdienstausfallschaden für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.07.2012.
I.
Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am Donnerstag, den …2009 gegen 06.40 Uhr, auf der Staats Straße … im Gemeindegebiet von G. Die Beklagte zu 1) fuhr dort mit ihrem Pkw VW Golf, amtliches Kennzeichen …, auf der A. Straße in westlicher Richtung ortsauswärts. Die Klägerin wollte als Fußgängerin in Höhe der U. Straße die A. straße etwa bei Kilometer 19.019 überqueren. Sie war zuvor aus dem aus Westen kommenden Linienbus ausgestiegen, und bewegte sich, aus der Fahrtrichtung der Beklagte zu 1) von links (Süden) kommend nach rechts (Norden), um den an der nördlichen Straßenseite etwas weiter westlich liegenden …-Markt (A. Straße …) zu erreichen.
Die Beklagte zu 1) fuhr unmittelbar vor dem Unfall eine Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h und reagierte auf die Klägerin, die in ihre Fahrbahn hineinlief, erst nach 1,5 (statt nach 0,8) Sekunden mit einer Bremsung. Deswegen kam es zum Zusammenstoß, bei dem die Klägerin von der linken Hälfte der Vorderseite des Beklagtenfahrzeugs erfasst und auf die Motorhaube aufgeladen wurde. Dabei schlug die Klägerin mit der Schulter oder mit dem Kopf an die Hinterkante der Motorhaube und wurde anschließend etwa 6 Meter entfernt auf die Fahrbahn geschleudert. Die von der Klägerin behaupteten erheblichen Verletzungen und Dauerschäden des Vorfalls sind von der Beklagten bestritten.
Ergänzend wird hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz auf das Endurteil des Landgerichts München II vom 16.04.2015 (Bl. 203/214 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
II.
Das Erstgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage in vollem Umfang abgewiesen (EU 1, 5 = Bl. 203, 207 d. A.), im Wesentlichen weil der grundsätzlich gegebene Anspruch der Klägerin nach § 7 I StVG wegen ihres ganz erheblichen Mitverschuldens ausgeschlossen sei. Das Landgericht vertrat die Rechtsauffassung, auch bei Unfällen an Bushaltestellen hafte der Fußgänger, es sei denn, der Kraftfahrer habe den Fahrgastwechsel nicht hinreichend beachtet. Im Streitfall habe der Fahrzeugführerin der Beklagten nur eine Geschwindigkeitsverringerung auf 30 km/h oblegen, deren geringfügige Überschreitung für den Unfall nicht ursächlich geworden sei. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 207/214 d. A.) des Ersturteils verwiesen.
III.
Gegen dieses ihr am 21.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 18.05.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Berufung beantragt (Bl. 223/225 d. A.). Der bewilligende Beschluss des Senats vom 17.08.2015 (Bl. 231/240 d. A.) wurde der Klägerin am 21.08.2015 zugestellt, worauf mit Schriftsatz vom 28.08.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht München am gleichen Tag, Berufung eingelegt, diese gleichzeitig begründet und Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde (Bl. 241/245 d. A.). Mit Beschluss vom 20.12.2016 wurde der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt (Bl. 272/274 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Berücksichtigung nur eingeschränkter Prozesskostenhilfebewilligung die Beklagte wie folgt zu verurteilen (BB 1/2 = Bl. 241/242 d. A.):
– Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden in Höhe eines Haftungsanteils von 50 Prozent zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 01.10.2009 um 06.40 Uhr, A. Straße Einmündung U. Straße in G., entstanden sind und noch entstehen werden – soweit sie nicht bereits von den nachfolgenden Anträgen umfasst und nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind,
– die Beklagten haben als Gesamtschuldner an die Klägerin aus Anlass des vorgenannten Verkehrsunfalls für immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens ein angemessenes und gesetzlich seit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit verzinstes Schmerzensgeld zu bezahlen, und
– die Beklagten haben als Gesamtschuldner an die Klägerin gestaffelt und gesetzlich verzinsten Verdienstausfall von 3.279,25 € für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.07.2012 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 248 d. A.).
IV.
Der Senat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt, wobei eine Beweisaufnahme entbehrlich war, weil gegenüber der ersten Instanz ergänzende, erweiterte oder neue tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich waren. Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die Beschlüsse des Senats vom 17.08.2015 (Bl. 231/240 d. A.) und 20.12.2016 (Bl. 272/275 d. A.), sowie auf die Terminshinweise des Senatsvorsitzenden vom 02.03.2017 (Bl. 292/293 d. A.) und die Sitzungsniederschrift vom 05.05.2017 (Bl. 308/310 d. A.) Bezug genommen.
B.
Die statthafte Berufung der Klägerin erweist sich als uneingeschränkt zulässig und erzielt in der Sache einen weit reichenden, zum Teil allerdings lediglich vorläufigen Teilerfolg. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich – nach abweichender rechtlicher Beurteilung durch den Senat – als nicht überzeugend, soweit der Klägerin jeglicher Ersatz für Sach- und Vermögensschäden, sowie jegliche Entschädigung für Personenschäden versagt wurden. Unrichtig sind insbesondere einerseits die Bemessung und Begründung eines zur Alleinhaftung führenden Mitverschuldens von 100 Prozent, andererseits die Erwägungen zu den straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen eines an Bushaltestellen vorbeifahrenden Kraftfahrers und zu dem von einem „Idealfahrer“ zu fordernden Verhalten. Somit ist der Feststellungsanspruch der Klägerin – den sie im Verhältnis zum erstinstanzlichen Verfahren auf den vom Senat im Prozesskostenhilfebeschluss festgelegten Umfang von 50 Prozent beschränkt hat – begründet. Im Grundsatz gilt dies auch für die Leistungsanträge der Klägerin, die allerdings wegen noch fehlender Feststellungen zur zwischen den Parteien streitigen Schadenshöhe im derzeitigen Verfahrensstand nicht entscheidungsreif sind.
I.
Die Klägerin hat ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
a) Die Beklagten möchten dies unter dem Gesichtspunkt bezweifeln, die Antragstellung zur Prozesskostenhilfe habe mit einer Berufungseinlegung begleitet werden müssen (Schriftsatz v. 27.05.2015, S. 1 = Bl. 228 d. A.; Schriftsatz v. 03.09.2015, Bl. 249/250 d. A.; Schriftsatz v. 16.09.2015, S. 1/2 = Bl. 254/255 d. A.; Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 1 = Bl. 296 d. A.). Dies sei ohne weiteres auch bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen möglich und müsse zwingend „immer sofort unabhängig (von) der Gewährung der Prozesskostenhilfe erfolgen, da anderenfalls eine mittellose Partei auch Notfristen wegen ihrer Mittellosigkeit missachten könne“.
b) Die Beklagten übersehen dabei jedoch zweierlei: Zum ersten steht diese Rechtsauffassung in Widerspruch zu ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ist deswegen nicht vertretbar. Ein Wiedereinsetzungsgesuch nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe – Rechtzeitigkeit (§ 234 I 1 und 2 ZPO) und gleichzeitige Nachholung der versäumten Prozesshandlungen (§ 236 II 2 ZPO) wie im Streitfall vorausgesetzt – ist begründet, wenn glaubhaft gemacht wurde (§ 236 II 1 Hs. 2 ZPO), schuldlos an der Wahrung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein. Die Mittellosigkeit einer Partei stellt einen Entschuldigungsgrund (§ 233 ZPO) dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist dann der Fall, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außer Stande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels zu beauftragen. Ein Rechtsanwalt ist gerade nicht verpflichtet, Berufung einzulegen, ohne dass die Kostentragung, gegebenenfalls durch den Mandanten, gesichert ist (BGH NJW 2014, 1307; 2013, 697; 2012, 2041; NJW-RR 2008, 1306). Eine Berufungseinlegung stellt eben nicht nur ein einzeiliges Schriftstück dar, sondern löst bereits – streitwertabhängig beträchtliche – Gerichtskosten aus, gegebenenfalls auch vom Berufungsführer zu tragende Kosten des Gegenanwalts. Zum zweiten hat der Senat bereits (§ 238 III ZPO) entschieden, dass eine unverschuldete Fristversäumnis vorliege (Bl. 272/274 d. A.). Die Berufung der Klägerin könnte folglich nicht mehr als verfristet verworfen werden, was im Übrigen auch für eine weitere Rechtsmittelinstanz gelten würde (Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 238 Rn. 13).
II.
Der Senat konnte über den Feststellungsantrag der Klägerin durch Teil(end) urteil (§ 301 I 1 ZPO) entscheiden, weil insoweit der Rechtsstreit angesichts eindeutig zu bestimmender Haftungsquote zur Endentscheidung reif war, und der sonstige Streitgegenstand bezifferter Leistungsansprüche ausdrücklich und zweifelsfrei abgegrenzt werden konnte. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen (BGH Urt. v. 11.04.2017 – VI ZR 576/15 [BeckRS 2017, 110702]; VersR 2017, 495; GRUR 2017, 520; Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17 [IBRRS 2017, 1623]; NZG 2016, 838; GRUR 2015, 1201; NJW-RR 2014, 1298) – der einzige Grund für die Unzulässigkeit eines Teilurteils bei teilbaren Streitgegenständen – ist ersichtlich ausgeschlossen. Die Streitgegenstände der Feststellungs- und Leistungsklage haben keine Schnittmenge, weil die bezifferten Schäden ausdrücklich vom Feststellungsinteresse ausgenommen wurden.
a) Soweit insoweit einander widersprechende Entscheidungen entstehen könnten, als (auch aufgrund von Rechtsmitteln) über Haftungsgrund und -anteil für die Feststellungs- und Leistungsansprüche unterschiedlich entschieden werden könnte, ist dieser Fall wegen § 301 I 2 ZPO ausdrücklich vorgesehen und zugelassen. Unzulässig wäre lediglich, durch Teilurteil einem Feststellungsantrag stattzugeben, wenn erst die durch Schlussurteil über den verbleibenden Rest zu treffende Entscheidung ergäbe, ob dem Kläger ein Feststellungsinteresse zusteht und der Feststellungsantrag zulässig ist, oder im Falle einer objektiven Klagehäufung ein Leistungsbegehren und ein Feststellungsanspruch beide aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden (BGH NJW 2001, 155; NJW 2000, 800). Diese Gefahr wird jedoch ausgeschlossen, wenn – wie im Streitfall – über das Leistungsbegehren ein hinsichtlich der Haftungsquote dem Feststellungsurteil entsprechendes Grundurteil erlassen wird (OLG Koblenz NJW-RR 1988, 532). Damit wird die sowohl für das Teilurteil, als auch für das Schlussurteil bedeutsame Frage nach der Haftungsverteilung durch das Grundurteil verbindlich entschieden und kann nicht erneut zum Gegenstand der weiteren Verhandlung gemacht werden (BGH NJW 1997, 2184), weil über den Grund des Streites einheitlich und abschließend befunden wird (BGH NJW 1995, 2106; 1996, 395; 2001, 760).
b) Aus den vorgenannten Gründen war zulässig, aber auch zwingend geboten, über die Leistungsanträge der Klägerin durch Zwischenurteil über den Grund (§ 304 I ZPO) zu entscheiden. Diese verfolgt Geldleistungsansprüche, die sowohl dem Grunde, als auch dem Betrag nach streitig geblieben sind (BGH NJW 1991, 1896; NJW-RR 1994, 319), während die Beklagten auf der alleinigen oder wenigstens weit überwiegenden Haftung der Klägerin für ihre Schäden und Verletzungen aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall beharren und das Ausmaß und die Unfallursächlichkeit der Verletzungen und die daraus für das berufliche Fortkommen der Klägerin folgenden Auswirkungen bestreiten. Die Entscheidung über den Haftungsgrund ist zur Entscheidung reif (BGH NJW 1985, 1959), weil nach den Terminshinweisen des Senats (Bl. 292/293 d. A.) tatsächliche Fragen zum Unfallhergang nicht mehr zu klären sind, im Übrigen auch von den Parteien nicht mehr aufgeworfen werden. Deswegen kann bereits jetzt festgestellt werden, dass die Ansprüche der Klägerin zum Teil dem Grunde nach gerechtfertigt sind, während eine Entscheidung zur Höhe erst noch wird folgen müssen.
c) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin ein rechtlich geschütztes Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) hinsichtlich ihrer (weiteren) Schäden hat (EU 5 = Bl. 207 d. A.). Dem tritt der Senat uneingeschränkt bei, angesichts des Unfallablaufs und eines Schleudersturzes auf die Fahrbahn ist die Möglichkeit noch nicht sicher feststellbarer Schäden und Verletzungen derart naheliegend, dass das allgemeine Bestreiten der Beklagten unerheblich ist, und das Feststellungsinteresse nicht in Zweifel ziehen kann.
III.
Ebenso ging das Erstgericht zu Recht davon aus, dass die Beklagten grundsätzlich für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin haften (EU 5/6 = Bl. 207/208 d. A.). Diese Haftung beruht auf der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters (§ 7 I StVG) und des Haftpflichtversicherers für den Fahrzeughalter (§ 7 I StVG, §§ 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 1 PflVG). Dagegen kommt es im Streitfall nicht auf die Haftung aus vermutetem Verschulden der Fahrzeugführerin (§ 18 I StVG) oder aus nachzuweisendem Verschulden der unerlaubt handelnden Fahrerin (§ 823 I, II BGB) an, weil diese durch die Gefährdungshaftung (EU 6 = Bl. 208 d. A.) überlagert werden. Deswegen hat das Landgericht berücksichtigt, dass die Klägerin grundsätzlich ihrer Darlegungs- und Beweislast mit der – hier unstreitigen – Behauptung genügt, sie sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit einem Fahrzeug, das von der Beklagten zu 1) gehalten worden und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert sei, geschädigt und verletzt worden.
a) Der Senat ist an die entscheidungserheblichen tatsächlichen Feststellungen (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 – Aktenzeichen 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) des Ersturteils nach § 529 I Nr. 1 ZPO für das weitere Verfahren gebunden, weil dem Erstgericht insoweit Fehler nicht unterlaufen sind. Eine solche Bindung entfiele nur dann, wenn und soweit diese Feststellungen offensichtlich lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend wären (BGH WM 2015, 1562), und somit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wecken würden (BGH NJW 2003, 3480). Folgende Umstände hat das Erstgericht zutreffend ermittelt und in den Entscheidungsgründen darstellt, diese Tatsachen sind auch vom Senat zugrunde zu legen, was den Parteien mitgeteilt worden war (Terminshinweise v. 02.03.2017, Bl. 292/293 d. A.):
1. Der Unfall ereignete sich im Bereich einer Bushaltestelle, als einerseits der Linienbus jedenfalls kein Warnblinklicht mehr eingeschaltet und die Haltestelle gerade verlassen hatte, andererseits die Klägerin sich nach dem Verlassen des Busses nach rechts bewegt hatte und hinter dem Bus die A. Straße, Fahrbahnbreite dort insgesamt 6,2 Meter, zu überqueren versuchte (EU 2, 7/9 = Bl. 204, 209/211 d. A.; Gutachten v. 08.04.2014, S. 4, 9 = Bl. 125, 130 d. A.).
2. Die Klägerin war mit einer Geschwindigkeit von 2,5 bis 3,5 m/s² (zügig) auf die Straße gelaufen, wobei sie auf den bevorrechtigten Kraftfahrzeugverkehr nicht geachtet hatte (EU 9, 11/12 = Bl. 211, 213/214 d. A.). Beginnend vom linken Fahrbahnrand bis zur späteren Anstoßstelle auf der Gegenfahrbahn des Linienbusverkehrs legte sie eine Strecke von etwa 4,5 Metern zurück (Gutachten v. 08.04.2014, S. 16, 19 = Bl. 137, 140 d. A.), und benötigte hierfür eine Zeit von 1,3 bis 1,8 Sekunden (Gutachten v. 08.04.2014, S. 19 = Bl. 140 d. A.).
3. Die Beklagte zu 1) hatte zum Unfallzeitpunkt den Fahrbahnrand nicht beobachtet, obwohl dies angesichts des bereits losfahrenden Linienbusses ohne weiteres möglich gewesen wäre (EU 9/10 = Bl. 211/212 d. A.). Sie nahm deswegen die Klägerin erst in der Mitte ihrer Gegenfahrbahn wahr und benötigte eine Wahrnehmungsverzögerung von 0,7 Sekunden („Blickzuwendungszeit und Korrektursakkade“) im Vergleich zu ordnungsgemäßer Fahrbahnrandbeobachtung (EU 7/8 = Bl. 209/210 d. A.; Gutachten vom 08.04.2014, S. 20, Bl. 141 d. A.). Ohne diese Verzögerung hätte die Beklagte zu 1) das Bewegungsverhalten der Klägerin 1,3 bis 1,8 Sekunden beobachten können (Gutachten v. 08.04.2014, S. 23/24 = Bl. 144/145 d. A.; EU 10/11 = Bl. 212/213 d. A.), zu Beginn dieser Zeiträume war die Beklagte zu 1) bei summierter Reaktions- und Bremsschwellzeit von 1 Sekunde 13 bis 18 Meter von der Anstoßstelle entfernt (Gutachten v. 08.04.2014, S. 25/26 = Bl. 147/147 d. A.).
4. Die Beklagte zu 1) fuhr vor dem Zusammenstoß eine Geschwindigkeit von mindestens 34 km/h (EU 10 = Bl. 212 d. A.; Gutachten v. 08.04.2014, S. 15 = Bl. 136 d. A.) und erzielte etwa 1,3 Meter oder 0,2 Sekunden vor dem späteren Anstoß eine Bremswirkung auf dann 33 km/h (Gutachten v. 08.04.2014, S. 15/16 = Bl. 136/137 d. A.), was die gültige physikalisch-technische Formel für den Beemsweg aus der Bremsverzögerung (7 m/s², während der allein wirkenden Bremsschwellzeit nur hälftig) errechnet. Durch den Anstoß wurde die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs zusätzlich um 1 km/h auf 32 km/h abgebaut, daraus errechnet sich unter Berücksichtigung der vorgenannten vollen Bremsverzögerung der durch die längere Spurzeichnung dokumentierte Anhalteweg von 5,5 Metern (Gutachten vom 08.04.2014, S. 14/15 = Bl. 135/136 d. A.), genau: 5,64 Metern. Bei einer Reaktionszeit von 1,04 Sekunden hatte die Beklagte zu 1) aus einer Geschwindigkeit von 34 km/h eine Bremsreaktion in 9,8 Metern Entfernung vor der späteren Anstoßstelle eingeleitet (Gutachten v. 08.04.2014, S. 17 = Bl. 138 d. A., Anlagen 6 a, b; Ergänzungsgutachten v. 12.01.2015, S. 2 = Bl. 174 d. A.). Dabei hätte sie bei einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden, einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden und mit einer Bremsverzögerung von 7 m/s² einen Anhalteweg von 14,84 Meter erzielen können, aus einer Geschwindigkeit von 30 km/h unter sonst gleichen Bedingungen einen Anhalteweg von 12,43 Meter (Ergänzungsgutachten vom 12.01.2015, S. 3 = Bl. 180 d. A.). Hätte die Beklagte zu 1) in einer Entfernung von 17,7 Metern auf die in die Fahrbahn tretende Klägerin reagiert, hätte sie bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 30 km/h bei einer Bremsverzögerung von 7 m/s², einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden, einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden und einer Wahrnehmungsverzögerung von 0,7 Sekunden einen Anhalteweg von 18,26 Metern gehabt, aus einer Geschwindigkeit von 34 km/h unter sonst gleichen Bedingungen einen Anhalteweg von 21,45 Metern (Ergänzungsgutachten v. 12.01.2015, S. 5/6 = Bl. 182/183 d. A.).
b) Gegen diese tatsächlichen Feststellungen, einschließlich der Beweiswürdigung des Erstgerichts und des Senats, haben die Parteien im Berufungsverfahren keine überzeugenden Angriffe richten wollen oder können. Die erneute Tatsachen- und Beweiswürdigung im Berufungsverfahren führt lediglich zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten zu 1) und der Haftungsverteilung.
1. Die Klägerin hält für nicht mehr klärbar, ob der Linienbus zum Zeitpunkt des Unfalls noch die Warnblinkanlage betätigt habe und bereits angefahren sei (Schriftsatz v. 18.05.2015, S. 2 = Bl. 224 d. A.; BB 3 = Bl. 243 d. A.). Sie übersieht dabei, dass das Erstgericht entsprechende Feststellungen getroffen hat (B III a 1), die ohne jegliche Begründung und damit vergeblich in Zweifel gezogen werden. Im Übrigen (Schriftsatz v. 18.05.2015, S. 2/3 = Bl. 224/225 d. A.; BB 3/4 = Bl. 243/244 d. A.) hält die Klägerin lediglich die rechtliche Bewertung des Erstgerichts hinsichtlich der gebotenen Höchstgeschwindigkeit und des notwendigen Seitenabstands für verfehlt. Bei einer zu fordernden Geschwindigkeit von höchstens 15 km/h wäre der Zusammenstoß für die Beklagte zu 1) vermeidbar gewesen (BB 5 = Bl. 245 d. A.). Soweit die Klägerin meint, das Landgericht habe sich mit dem gebotenen Seitenabstand zwischen dem Beklagtenfahrzeug und dem Linienbus nicht ausreichend befasst (BB 4 = Bl. 244 d. A.), findet dies in der Urteilsfassung keine Stütze (EU 4 = Bl. 206 d. A.; Ergänzungsgutachten v. 14.01.2015, S. 8, 14 = Bl. 185/191 d. A.). Grundsätzlich und auch im Streitfall besteht keine Verpflichtung des Tatrichters, in den Entscheidungsgründen auf jede Tatsache ausdrücklich und in allen Einzelheiten einzugehen (etwa BGH NJW 2003, 1943; NJW 2011, 1442; Senat, Beschluss vom 25.11.2005 – 10 U 2378/05). Das Erstgericht hat ersichtlich die Frage des Seitenabstand für nicht erheblich gehalten, sodass nicht erkennbar ist, welche Gesichtspunkte nicht oder so knapp geschildert worden seien, dass der Schluss auf nicht beachtetes Parteivorbringen oder Verkennung des Sach- und Streitstandes (BGH NJW 1988, 566) gerechtfertigt wäre.
2. Die Beklagten wollen behaupten, die Klägerin sei in die Fahrbahn und in das Fahrzeug der Beklagten „hinein“gelaufen, obwohl sie dieses Fahrzeug in der Annäherung gesehen habe (BE 2 = Bl. 284 d. A.; Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 2 = Bl. 297 d. A.). Die Beklagten übersehen dabei, dass das Erstgericht lediglich festgestellt hat, dass die Klägerin das spätere Unfallfahrzeug hätte sehen müssen (EU 11 = Bl. 213 d. A. „erkennbar war“, „grob fahrlässig“). Dagegen fehlen dem Beklagtenvorbringen jegliche konkrete Anhaltspunkte, warum das Landgericht hätte feststellen sollen, dass das Fehlverhalten der Klägerin bewusst geschehen sei. Gleiches gilt für weitere Tatsachenbehauptungen wie Dunkelheit, Regen, Fahren der Beklagten im Konvoi, Blendung durch den Gegenverkehr und dunkler Kleidung der Klägerin (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 2 = Bl. 297). Auch insoweit kann nur zugrunde gelegt werden, was das Landgericht festgestellt hat (EU 11 = Bl. 213 d. A.), weil eine stimmige erstinstanzliche Beweiswürdigung nicht allein mit einer abweichenden Auffassung ohne jegliche Begründung entwertet werden kann.
Im Übrigen verfechten die Beklagten die Rechtsansicht (BE 3 = Bl. 285 d. A.), dass sowohl eine geringere Fahrgeschwindigkeit als von der Beklagten zu 1) gefahren, als auch eine verzögerungsfreie Reaktion auf einen die Fahrbahn betretenden Fußgänger, als auch ein sorgfältiges Beobachten des Fahrbahnrandes (Schriftsatz v. 02.5.2017, S. 10 = Bl. 305 d. A.) unüblich, lebensfremd und unzumutbar gewesen seien.
c) Zusätzliche ergänzende Feststellungen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO) hatte der Senat nicht zu treffen, weil eine Vervollständigung des Sachverhalts denkgesetzlich und mathematisch zwingend aus den vorgenannten Feststellungen abgeleitet werden kann. Der Senat errechnet – nach Überprüfung und eigenständiger Würdigung, die sich auf die Sachkunde eines seit vielen Jahren ausschließlich mit Verkehrsunfallsachen befassten Spezialsenats stützen können – den Anhalteweg der Beklagten zu 1) bei ordnungsgemäßer Reaktion, also ohne Wahrnehmungsverzögerung, aus 34 km/h zu 14,84 Metern, aus 30 km/h zu 12,43 Metern und aus 25 km/h zu 9,66 Metern, selbst wenn die für die Beklagten sehr günstige Bremsverzögerung von 7 m/s², sowie im Übrigen eine Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden und eine Reaktionszeit von 0,8 Sekunden zugrunde gelegt werden.
d) Das Erstgericht hat entscheidende sachlich-rechtliche Fragen nicht zutreffend beantwortet, insbesondere der straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten zu 1) und deren Unfallursächlichkeit, der Anforderungen an einen „Idealfahrer“ (§ 17 III StVG) und daraus folgend der Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldens und Mitverschuldens. Deswegen ist eine gewisse Berichtigung geboten, wie im Prozesskostenhilfebeschluss (v. 17.08.2015, S. 2, 9/10 = Bl. 232, 240 d. A.) dargelegt.
1. Haftung und Haftungsverteilung richten sich bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von einem Kraftfahrzeug und einem Fußgänger nach folgenden Grundsätzen (Senat, Urt. v. 17.02.2017 – 10 U 2007/16 [BeckRS 2017, 112607]; Urt. v. 16.9.2016 – 10 U 750/13 [BeckRS 2016, 16604]; Urt. v. 13.11.2015 – 10 U 3964/14 [BeckRS 2015, 19034]; Urteil v. 04.09.2015 – 10 U 3814/14 [BeckRS 2015, 15425]), die im Streitfall nach Überprüfung und eigenständiger Bewertung durch den Senat folgendes Ergebnis zeitigen:
aa) Nach den bisherigen Feststellungen sind durch den Unfall das Vermögen der Klägerin beeinträchtigt, sowie ihr Körper und ihre Gesundheit verletzt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, sodass grundsätzlich ein Anspruch aus §§ 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG nicht zweifelhaft ist. Insoweit ist der Ansatz des Ersturteils zutreffend (EU 5/6 = Bl. 207/208 d. A.) und steht zwischen den Parteien nicht im Streit: Die Beklagten haften grundsätzlich uneingeschränkt und verschuldensunabhängig (s. BGH NZV 1988, 63), weswegen die Klägerin grundsätzlich ihrer Darlegungs- und Beweislast mit der – hier unstreitigen – Behauptung genügt hat, sie sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit einem Fahrzeug, das von der Beklagten zu 1) gehalten worden und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert sei, verletzt worden.
bb) Dagegen traf die Beklagten die Feststellungslast, dass entweder ein Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) oder eines für sie unabwendbaren Ereignisses eine Haftung (ganz) entfallen lasse. Der letztgenannte Gesichtspunkt lässt sich nicht aus § 17 III StVG ableiten, weil der streitgegenständliche Schaden nicht von mehreren Kraftfahrzeugen verursacht worden ist. Allerdings ist der zugehörige Rechtsgedanke im Rahmen des Mitverschuldens (§§ 9 StVG, 254 I BGB) zur Geltung zu bringen.
Das Erstgericht hat – zutreffend – einen Fall der höheren Gewalt abgelehnt (EU 6 = Bl. 208 d. A.), jedoch zur Frage der Vermeidbarkeit des Zusammenstoßes nur unvollständig und unklar Stellung bezogen (EU 11/12 = Bl. 213/214 d. A.). Zum ersten folgt aus der Überlegung, die Beklagte zu 1) habe „nahezu wie ein Idealfahrer reagiert“, denkgesetzlich zwingend, dass sie eben nicht wie ein Idealfahrer reagiert habe. Zum zweiten werden die Anforderungen an den in § 17 III StVG bestimmten Idealfahrer nicht allein durch das Reaktionsverhalten bestimmt, insbesondere scheitert eine Entlastung zusätzlich schon deswegen, weil ein solcher Idealfahrer überhaupt nicht in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (OLG Nürnberg, Urt. v. 09.09.2010 – 13 U 712/10 [juris]). Ein umfassend sorgfältiger und vorsichtiger Fahrer hatte bei gleichen Verkehrsumständen eine geringere Geschwindigkeit gewählt, den linken Fahrbahnrand besser beobachtet und ständige Reaktions- und Bremsbereitschaft sichergestellt. Zum dritten kann eine nicht näher bestimmte „sehr frühe Reaktion“ der Beklagten zu 1) nur unterstellt werden, wenn zu ihren Gunsten von einer Blickzuwendungszeit von 0,7 Sekunden (zuzüglich zur Reaktionszeit von 0,8 Sekunden) ausgegangen wird, was aber angesichts der gültigen Beweislastverteilung nicht statthaft ist. Zuletzt übersieht das Landgericht, dass sich bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 30 km/h unter Annahme der für die Klägerin günstigen Werte eine zeitmäßige Vermeidbarkeit errechnet hätte (Ergänzungsgutachten v. 14.01.2015, S. 13 = Bl. 190 d. A.).
Die Beklagten hoffen, eine Unvermeidbarkeit des Unfalls aus dem Gutachten des unfallanalytischen Sachverständigen (BE 3 = Bl. 285 d. A.) und der Textfassung des Ersturteils, dass eine Vermeidbarkeit nicht ausdrücklich feststellt (BE 10 = Bl. 305 d. A.), folgern zu können. Sie übersehen dabei, dass der Sachverständige einerseits sehr wohl unter bestimmten Bedingungen eine Vermeidbarkeit des Unfalls ermittelt hat, die aus Rechtsgründen wegen der Feststellungslast der Beklagten zugunsten der Klägerin angenommen werden müssen. Andererseits hat der Sachverständige zu Unrecht zu Gunsten der Beklagten eine Blickzuwendungszeit berücksichtigt, die bei ordnungsgemäßer Fahrbahnrandbeobachtung – die die Beklagte zu 1) bestätigt hat – nicht anfallen kann. Überdies ist die Feststellung der Vermeidbarkeit durch das Erstgerichts denkgesetzlich zwingend: wer sich nahezu wie ein Idealfahrer verhalten hat, hat sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten (ein Beispiel für den logischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten).
Deswegen gelangt der Senat zu dem unabweisbaren Ergebnis, dass die Beklagten nicht nur einen Haftungsausschluss wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht beweisen konnten, sondern auch ein solcher Fall tatsächlich nicht gegeben war. Soweit sie etwa behaupten wollen, die Beklagte zu 1) habe sich verkehrsgerecht verhalten, ist dies zum ersten unrichtig, zum zweiten unerheblich, zum dritten unter rechtlichen Gesichtspunkten verfehlt. Es wäre ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, an der Bushaltestelle langsamer vorbeizufahren und mit achtlos auf die Fahrbahn tretenden Fußgängern zu rechnen. Weiterhin ist für die Frage der Vermeidbarkeit nicht entscheidend, ob die Beklagte zu 1) sich verkehrsgerecht verhalten habe; maßgeblich ist vielmehr, ob ein besonders sorgfältiger und umsichtiger Fahrzeugführer unter den gegebenen Umständen langsamer oder aufmerksamer gefahren wäre. Dies hält der Senat für offensichtlich, besonderes Gefahrenbewusstsein und über das übliche Maß hinausgehende Vorsicht erfordern angesichts der Vorschrift des § 20 I StVO, mit Fehlern der Busfahrgäste zu rechnen.
cc) Ebenso hatten die Beklagten darzulegen und nachzuweisen, dass die Schäden jedenfalls ganz überwiegend von der Klägerin mitverschuldet worden seien (§§ 9 StVG, 254 I BGB), so dass der eigene Verursachungsbeitrag und etwaige Verschuldensanteil vernachlässigt werden dürften. Dies folgt allerdings nicht aus einer (§ 17 I, II StVG entsprechenden) gleichgewichtigen Gegenüberstellung der beiderseitigen Verursachungsanteile, sondern die zunächst grundsätzlich unbegrenzt bestehenden Ersatzansprüche der Klägerin sind, je nach Schwere ihres – nachgewiesenen – Mitverschuldens, gleitend zu verringern. Darlegung und Nachweis für ein anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden erstrecken sich auch darauf, dass dieses Mitverschulden nach Art und Ausmaß der Sorgfaltspflichtverletzung im konkreten Fall so schwer wiege, dass eine Anspruchskürzung auf Null gerechtfertigt sei. Dies erfordert eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des beiderseitigen Verhaltens (BGH NJW 1995, 1029: „in die Abwägung (sind) alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind“; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177), insbesondere wie das Verhalten der Klägerin von der Beklagten zu 1) wahrgenommen und beurteilt worden ist (BGH NJW 2007, 506; NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese …, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten …“).
Vom Landgericht zutreffend festgestellt und zwischen den Parteien unstreitig ist ein Verstoß der Klägerin gegen § 25 III StVO (EU 11/12 = Bl. 213/214 d. A.). Soweit der Schluss auf eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung, also grobe Fahrlässigkeit, allein damit begründet wird, die Klägerin habe das herannahende Beklagtenfahrzeug sehen können (und müssen), ist dies unschädlich. Zwar bietet diese Begründung nichts anderes als eine Umschreibung des gesetzlichen Tatbestandes, jedoch liefert die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung (Beschluss vom 17.08.2015, S. 8 = Bl. 238 d. A.) insoweit ausreichende Nachweise.
Dagegen sind die Erwägungen der Beklagten unbehelflich. Diese stützen sich darauf, dass Dunkelheit geherrscht, die Klägerin dunkle Kleidung getragen habe und gerannt sei (BE 3 = Bl. 285 d. A.). Ergänzend wollen sie zum Unfallzeitpunkt herrschenden Regen und die besonderen Umstände an einer Bushaltestelle berücksichtigt wissen, sowie dass die Klägerin bewusst riskiert habe, vom Fahrzeug der Beklagten erfasst zu werden, und in dieses Auto hineingelaufen sei (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 2 = Bl. 297 d. A.). Die Beklagten übersehen, dass Rechtspflichten oder Obliegenheiten, bei Dunkelheit oder Regen keine übliche Straßenkleidung zu tragen oder von einem Überqueren der Straße immer abzusehen, nicht bestehen. Ebenso wurde gerade nicht festgestellt, dass die Klägerin gerannt sei, die Gefahren bewusst auf sich genommen habe und in das Beklagtenfahrzeug hineingelaufen sei (was einen seitlichen Anstoß zur Folge gehabt hätte). Insoweit weigern sich die Beklagten grundlos, die Beweisergebnisse zur Kenntnis zu nehmen, insbesondere hat die Klägerin (wenigstens) hinsichtlich und mit der vom Sachverständigen angesetzten Bewegungsgeschwindigkeit gerade die gesetzlichen Anforderungen (§ 25 III StVO, „zügig“) erfüllt.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass angesichts der besonderen Verkehrslage an einer Bushaltestelle des Linienverkehrs auch ein geringerer Verschuldensgrad angenommen werden könnte. In diese Richtung weist etwa die Vorschrift des § 20 StVO: Fehler und Nachlässigkeiten der Fahrgäste sind offenbar so häufig und üblich, dass eine gesetzliche Regelung für notwendig befunden wurde. Diese hat zwar davon abgesehen, den Fußgängern Vorrang zu gewähren, jedoch die Aufmerksamkeitsanforderungen an den Fahrzeugverkehr gesteigert. Insoweit sind die Ausführungen des Erstgerichts (EU 12 = Bl. 214 d. A:) zutreffend, wenngleich der Regelungszweck keine Begründung für die angenommene grobe Fahrlässigkeit liefern kann.
dd) Zuletzt hat das Erstgericht – entsprechend der gültigen Beweisführungs- und Feststellungslast – im Rahmen des § 254 I BGB zu würdigende Mitverursachungsbeiträge und Verschuldensanteile der Beklagten zu 1)(Senat, Urt. v. 04.09.2015 – 10 U 3814/14 [juris]) festgestellt. Die Beklagten wollen dies lediglich nicht zur Kenntnis nehmen, wobei sie sich auf die nicht vertretbare rechtliche Bewertung des Landgerichts berufen.
Ausweislich der Entscheidungsgründe des Ersturteils hat die Beklagte zu 1) „in gewissem Maße“ gegen § 20 I StVO verstoßen (EU 8/10 = Bl. 210/212 d. A.), weil sie statt gebotener 30 km/h 34 km/h gefahren sei. Diese Beschränkung auf eine in jedem Fall zulässige Mindestgeschwindigkeit kann weder den gesetzlichen Vorschriften, noch der zitierte Entscheidung des OLG Hamm (NZV 2010, 566) entnommen werden. Insoweit wird auf den Prozesskostenhilfebeschluss des Senats (v. 17.08.2015, S. 7 = Bl. 237 d. A.) verwiesen.
Darüber hinaus hat das Landgericht – tatsächlich – festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verspätet reagiert oder nicht ausreichend auf Fußgänger geachtet habe, die die Fahrbahn überqueren wollten (EU 12 = Bl. 234 d. A.). Der rechtlichen Einordnung der um eine Blickzuwendungszeit von 0,7 Sekunden und zusätzlich um nicht begründete 0,2 Sekunden verlängerten Reaktionszeit als „sehr früh“ kann nicht gefolgt werden, insoweit wird wiederum auf den Prozesskostenhilfebeschluss (v. 17.08.2015, S. 7/8 = Bl. 237/238 d. A.) Bezug genommen. Dagegen ist das Landgericht auf den Umstand, dass die Beklagte zu 1) eingeräumt hatte, Passanten am linken Fahrbahnrand nach dem Anfahren des Busses gesehen zu haben, nicht eingegangen, obwohl diese Angabe einerseits die Notwendigkeit einer Blickzuwendungszeit ausschließt, andererseits unerklärlich macht, warum die Beklagte zu 1) die Klägerin erst in der Mitte der Gegenfahrbahn gesehen haben will.
Die Einwände der Beklagten gegen die rechtliche Würdigung des Senats (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 2/8 = Bl. 297/303 d. A.) beruhen einerseits auf einer Missdeutung der vom Senat zitierten sowie eigener „Vergleichs“entscheidungen, andererseits auf unhaltbaren Rechtsansichten.
So ist unverständlich, warum die Beklagten einerseits darauf hinweisen, dass andere Gerichtsentscheidungen „mit dem konkreten Fall direkt zu tun haben müssen“, andererseits eine Entscheidung des OLG Celle bemühen (OLG Celle Urt. v. 14.06.2001 – 14 U 89/00 [BeckRS 2001, 30186572]), die einen auf dem Gehweg in falscher Fahrtrichtung fahrenden Radfahrer betrifft. Dagegen bestätigt das genannte Urteil des Kammergerichts (NZV 2007, 80) nichts anderes als den vom Senat angenommenen Verschuldensgrad (s. o. cc, 1. Spiegelstrich) – wobei im Übrigen dort eine Sichtentfernung von 40 Metern vorlag -, und eine Haftung des Kraftfahrers (auch) für Verschulden gerade nicht erweislich war.
Soweit die Beklagten meinen, § 20 I StVO sei nicht anwendbar (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 4 = Bl. 299 d. A.), widerspricht dies den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Ersturteils (EU 8/9 = Bl. 210/211 d. A.) und ist mit Gesetz und Rechtsprechung unvereinbar, genauso wie die Mutmaßung, die Klägerin sei keine Fußgängerin, weil sie gerannt sei (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 4 = Bl. 299 d. A.).
Soweit die Beklagten die angeführten Entscheidungen des Senats im Prozesskostenhilfebeschluss (v. 17.08.2015, S. 4 = Bl. 234 d. A.) bemängeln (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 5 = Bl. 300 d. A.), ist offensichtlich und auch nicht zu leugnen, dass die genannten Obergerichte trotz der Vorfahrt des Kraftfahrzeugführers fordern, mit Fehlern von Fußgängern zu rechnen und vorausschauend deren Verhalten zu beobachten. Dagegen setzen sich die Beklagten insoweit in Widerspruch zu den nicht angegriffenen Beweisergebnissen des Erstgerichts und zu den eigenen Angaben der Beklagten zu 1), als nun die Klägerin wegen eines Hervortretens hinter dem Bus überhaupt nicht zu sehen gewesen sei. Im Übrigen bedarf es bei der Verwendung von anderen Entscheidungen keines Sachvortrags. Auf die vom Senat erörterten Besonderheiten einer Bushaltestelle (Beschluss vom 17.08.2015, S. 4 = Bl. 234 d. A.) und dem wörtlichen Zitat aus einer BGH-Entscheidung setzen sich die Beklagten dagegen nicht auseinander, und missachten, dass die zitierten Entscheidungen (Beschluss vom 17.08.2015, S. 7 = Bl. 237 d. A.) ihre Auffassung, eine Geschwindigkeit von 30 km/h sei ausreichend gewesen und ein etwaiger Reaktionsverzug unerheblich (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 7 = Bl. 302 d. A.), nicht zu stützen vermögen.
Weiterhin sind entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 5/6 = Bl. 300/301 d. A.) die im Prozesskostenhilfebeschluss (v. 17.08.2015, S. 4/5 = Bl. 234/235 d. A.) zitierten Entscheidungen durchaus einschlägig, weil sie für eine Anzahl von Fallgestaltungen die von einem Kraftfahrzeugführer gegenüber Fußgängern aufzubringende Sorgfalt beschreiben. Der Beklagten zu 1) ist im Streitfall gerade eine nicht rechtzeitige Einleitung der Bremsung vorzuwerfen, weil die Zubilligung einer Blickzuwendungszeit unangebracht war. Auch die nachfolgenden Entscheidungen (Beschluss vom 17.08.2015, S. 6 = Bl. 236 d. A.) erläutern beispielhaft Fälle, in welchen ein Kraftfahrer trotz Vorrangs nicht darauf vertrauen darf, dass Fußgänger sich verkehrsgerecht verhalten werden; das Verhalten der Fußgänger an einer Bushaltestelle stellt einen solchen Fall dar, was sich schon aus den in § 20 I StVO normierten erhöhten Anforderungen ergibt.
Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der BGH inzwischen dem allgemeinen Grundsatz folgt, dass eine Kürzung aller Schadensersatzansprüche auf Null unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens kaum in Betracht kommt (s. BGH DAR 2015, 455 und Beschl. d. Senats vom 17.08.2015, S. 6, 8 = Bl. 236, 238 d. A.). Insofern ist ohne Belang, dass die Beklagten in einem Fall Einzelheiten des Sachverhalts vermissen und im Übrigen nicht erkennen wollen, was diese Fälle mit dem Streitfall zu tun haben. Denn auch diese Fälle erläutern, dass nur ganz ausnahmsweise das Mitverschulden des Geschädigten zum Ausschluss jeglicher Haftung des Schädigers führt.
Zuletzt: wenn die Beklagten der Rechtsauffassung des BGH (DAR 2015, 455) beitreten wollen (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 7 = Bl. 302 d. A.), ist nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte zu 1) im Streitfall gar nicht haften sollte.
2. Hinsichtlich der bei der Haftungsverteilung zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte hat das Landgericht richtig beachtet, dass nur solche Umstände erfasst werden dürfen, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt, also als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben. Diese Umstände müssen feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § ZPO § 286 I 1 ZPO bewiesen sein (BGH NJW 1995, 1029; NZV 2007, 190; NJW 2014, 217; Senat, Urt. v. 12.06.2015 – 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m.w.N.]), und erfordern eine umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach genauer Klärung des Unfallhergangs (Senat, Urt. v. 12.06.2015 – 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m.w.N.]; Urt. v. 31.07.2015 – 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m.w.N.]). Dies scheinen die Beklagten nicht in Zweifel ziehen zu wollen (Schriftsatz v. 02.05.2017, S. 8 = Bl. 303 d. A.).
Hierzu sind die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts nicht ergänzungsbedürftig, der Senat sieht jedoch aus Rechtsgründen eine angemessene Verteilung des Schadens nach umfassender Abwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Mitverschuldens des Klägerin, in einer jeweils hälftigen Haftung verwirklicht. Auf die Begründung des Prozesskostenhilfebeschlusses (v. 17.08.2015, S. 9/10 = Bl. 139/140 d. A.) wird Bezug genommen. Soweit die Beklagten dies mit einer neueren Entscheidung des Senats (Urt. v. 05.08.2016 – 10 U 4616/15 [BeckRS 2016, 14139]) in Frage stellen wollen (Schriftsatz v. 04.05.2017, Bl. 306/307 d. A.), erkennen sie einerseits selbst, dass die jeweilige Fallgestaltung starke Unterschiede aufweist. Andererseits übersehen sie, dass weder das Mitverschulden der Klägerin so gewichtig, noch das Verschulden der Beklagten zu 1) so geringfügig ist, dass eine Gleichstellung mit dem zitierten Fall, in welchem die dortige Klägerin sogar vorsätzlich gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hatte, statthaft wäre.
IV.
Auf den vorstehenden Erwägungen zu Ziffer I bis III beruht Ziffer I der Urteilsformel. Da die Klägerin ihre Ersatzforderung den Vorgaben des Senats im Prozesskostenhilfebeschluss angepasst hat, war eine Klageabweisung und Berufungszurückweisung im Übrigen nicht veranlasst.
Im Übrigen hat der Senat eine eigene Sachentscheidung – auch insgesamt – nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:
a) Das Landgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – über die der Klägerin durch den streitigem Verkehrsunfall entstandenen Verletzungen und Schäden bisher weder eine Entscheidung getroffen, noch Beweiserhebungen durchgeführt. In derartigen Fällen, also wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen wurde, erlaubt § 538 II 1 Nr. 4 ZPO eine (teilweise) Zurückverweisung. Da die Beklagten auch unfallursächliche Verletzungen und Schäden der Klägerin umfassend bestreiten, wäre eine umfassende und erstmalige Beweisaufnahme zur Schadenshöhe notwendig. Dies würde den Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens und einer Entscheidung statt der ersten Instanz zwingen (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]).
b) Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049), zumal die grundsätzliche Haftung und die Haftungsquote geklärt sind. Eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.
c) Die Klägerin hat den gemäß § 538 II 1 ZPO erforderlichen Antrag gestellt (Bl. 295 d. A.).
V.
Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.
VII.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben, denn weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft, und weicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ab.