Aktenzeichen 17 HK O 13537/16
HWG § 3 S. 2 Nr. 2 a
AMG §§ 21, 22
Leitsatz
1. Wird eine Werbeaussage nicht in der Form angegriffen, in der sie in der Werbung enthalten ist, ist der Antrag jedenfalls dann unbegründet, wenn die im Antrag wiedergegebene Aussage aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise einen anderen Bedeutungsgehalt hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aussagen für ein homöopathisches Kopfschmerzmittel „wirkt effektiv gegen Kopfschmerzen“ und „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, stellen keine Werbung mit einem Erfolgsversprechen im Sinne des § 3 S. 2 Nr. 2 a HWG dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Zulassung eines Arzneimittels ist ein Verwaltungsakt mit Tatbestands- und Bindungswirkung, so dass die Werbung mit der Wirksamkeit des Arzneimittels nicht irreführend ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei einem Arzneimittel verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Aussage „natürlich“ unabhängig von dem Fertigungsprozess dahingehend, dass die Inhaltsstoffe dieses Mittels pflanzlichen Ursprunges sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag vom 09.08./13.10.2016 auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
A)
Der Antrag des Antragstellers vom 09.08/13.10.2016 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war aus den folgenden Gründen zurückzuweisen:
I.
Hinsichtlich der beiden gestellten Hilfsanträge Ziffer I. 1. und 4., der Antragsgegnerin zu untersagen, mit den Aussagen zu werben:
„… ist die ersten natürliche Kopfschmerztablette mit einem Wirkkomplex aus fünf natürlichen Arzneistoffen“,
„… bekämpft Kopfschmerzen zu 100 Prozent natürlich“
ist der Antrag deshalb zurückzuweisen, weil es insoweit an der erforderlichen Dringlichkeit im Sinne von § 935 ZPO für den Erlass einer einstweiligen Verfügung fehlt:
Der Antragsteller stützt die geltend gemachten Anträge auf Vorschriften des UWG bzw. HWG i.V.m. § 3 a UWG. Zwar wird nach § 12 abs. 2 UWG die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Wettbewerbssachen vermutet, die Dringlichkeitsvermutung ist nach ständiger Münchner Rechtssprechung allerdings dann widerlegt, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Verletzungssachverhalt und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mehr als ein Monat verstrichen ist.
Die gesamte Werbung entsprechend Anlage A 1 war dem Antragssteller spätestens am 14.07.2016 bekannt. In dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 09.08.2016 hat der Antragssteller die hier in Rede stehenden Aussagen aber gerade nicht angegriffen, sondern zwei davon verschiedene. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit den beiden oben genannten Aussagen ist von dem Antragsteller erstmals am 13.10.2016 im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt worden und damit deutlich nach Ablauf der oben genannten 1-Monats-Frist. Der Antragssteller hat damit deutlich zu erkennen gegeben, dass es bezüglich dieser Aussage ihm mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht dringlich ist.
II.
Hinsichtlich der Hauptanträge I. 1. und I. 4., der Antragsgegnerin zu untersagen mit den Aussagen
„Die erste natürliche Kopfschmerztablette“,
„bekämpft Kopfschmerzen zu 100 Prozent“,
zu werben, ist unbegründet, weil insoweit Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch wäre, dass diese Aussagen in dieser konkreten Form von der Antragsgegnerin tatsächlich getätigt worden wären. Ausweislich der von der Antragsstellerseite vorgelegte Anlage A 1 ergibt sich jedoch, dass diese beiden Aussagen in dieser konkreten Form von der Antragsgegnerin überhaupt nicht getätigt wurden, die Antragsstellerseite (aus welchen Gründen auch immer) die von der Antragsgegnerseite tatsächlich getätigten Äußerungen in ihrem Antrag verkürzt wiedergegeben hat und diesen Aussagen damit letztendlich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise einen völlig anderen Bedeutungsgehalt gegeben hat, in dem Teile der tatsächlich getätigten Äußerungen seitens des Antragstellers weggelassen wurden. In der Form, wie die Antragsstellerseite die Aussagen angreift, wurden diese jedenfalls von der Antragsgegnerseite überhaupt nicht getätigt, sodass mangels bereits begangener Verletzungshandlung und auch wegen fehlender Erstbegehungsgefahr hinsichtlich dieser beiden Aussagen ein Unterlassungsanspruch nicht besteht.
III.
Die beiden gestellten Hauptanträge I. 2. und 3., der Antragsgegnerin zu verbieten, mit den Aussagen
„wirkt effektiv gegen Kopfschmerzen“,
„bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“,
zu werben, erweist sich ebenfalls als unbegründet:
1. Ein Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 2 a HWG liegt insoweit nicht vor, weil die in Rede stehenden Aussagen von den angesprochenen Verkehrskreisen gerade nicht als Erfolgsversprechen im Sinne von § 3 Satz 2 Nr. 2 a HWG verstanden werden:
Bei dem Mittel handelt es sich um ein nach §§ 21, 22 AMG zugelassenes homöopathisches Arzneimittel. Das Mittel ist nicht lediglich nach den §§ 38, 39 a AMG registriert, sondern hat das Zulassungsverfahren nach § 21 ff. AMG durchlaufen. Vor der Zulassung ist wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen (§ 22 Abs. 3 AMG). Bei der Zulassung des Arzneimittels handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Tatbestands- und Bindungswirkung. Nachdem nach den gesetzlichen Vorschriften die Zulassung nicht erteilt werden kann, wenn nicht entsprechendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt wird, ist davon auszugehen, dass im Laufe des Zulassungsverfahrens entsprechendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt worden ist, weil anderenfalls die Zulassung nicht hätte erfolgen können. Sämtliche Ausführungen der Antragstellerseite zu der generellen Frage ob die Homöopathie wirksam ist oder „Scharlatanerie“, sind daher für das Verfahren irrelevant.
Unstreitig hat nach dem Verlängerungsbescheid vom 28.04.2003 das Produkt der Antragsgegnerin als Anwendungsgebiet auch „Kopfschmerzen“.
Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die beiden Seitens der Antragsstellerseite angegriffenen Aussagen, dass das Mittel effektiv gegen Kopfschmerzen wirkt bzw. Kopfschmerzen zuverlässig bekämpft, lediglich dahingehend, dass das Mittel effektiv, also wirksam, wirkungsvoll oder nutzbringend ist, jedenfalls nicht dahingehend, dass bei Einnahme dieses Produktes ein Erfolg mit Sicherheit eintreten werde. Die Wirksamkeit des Mittels ist aber durch den Zulassungsbescheid in hinreichender Weise nachgewiesen.
Die Aussage, dass Kopfschmerzen zuverlässig bekämpft werden, wird von den angesprochenen Verkehrskreisen ebenfalls nicht als Erfolgsversprechen verstanden. Im Zusammenhang mit der Wirkung von Arzneimitteln verstehen die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, diese Aussage lediglich dahingehend, dass eine hinreichende Wirksamkeit im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nachgewiesen wurde und aus diesem Grunde grundsätzlich die Voraussetzung für eine zuverlässige Wirkung im zugelassenen Indikationsgebiet erfüllt sind. Dem durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ist hinlänglich bekannt, dass auch bei zugelassenen Arzneimitteln, welche ihre Wirkung im Zulassungsverfahren nachgewiesen haben, im Einzelfall ein Behandlungserfolg nicht garantiert werden kann, insbesondere, da ein solcher von vielen einzelnen individuellen Umständen abhängig ist. Die Aussage, dass Kopfschmerzen zuverlässig bekämpft werden, wird daher entgegen der Auffassung des Antragsstellers gerade nicht als Erfolgsversprechend verstanden.
2. Diese beiden Aussagen verstoßen auch nicht deshalb gegen § 3 a Satz 2 HWG, weil es sich um Aussagen handeln würde, die nicht von der Zulassung erfasst wären.
Wie oben ausgeführt, umfasst der Verlängerungsbescheid vom 28.04.2003 auch das Anwendungsgebiet „Kopfschmerzen“. Eine entsprechende Wirksamkeit hinsichtlich dieses Anwendungsgebietes wurde in dem Zulassungsverfahren nach §§ 21, 22 AMG hinreichend nachgewiesen, insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Für die angesprochenen Verkehrskreise beziehen sich die beiden in Rede stehenden Aussagen gerade und nur auf die Bekämpfung von Kopfschmerz, so dass nach Auffassung der Kammer die beiden Aussagen zweifelsfrei von der Zulassung erfasst sind.
IV.
Der geltend gemachte Hilfsantrag I. 1. erweist sich, selbst wenn man insoweit von gegebener Dringlichkeit im Sinne von §§ 935 ZPO, 12 Abs. 2 UWG ausgehen sollte, aus den folgenden Gründen als unbegründet:
1. Die Aussage ist nicht deshalb irreführend, weil … nicht die erste natürliche Kopfschmerztablette mit einem Wirkkomplex aus fünf natürlichen Arzneistoffen wäre:
Es mag zwar zutreffend sein, dass die Wirkstoffe, die das Produkt enthält, auch in anderen Produkten enthalten sind, die Antragstellerseite hat aber nicht glaubhaft gemacht im Sinne von § 294 ZPO, dass gerade der Wirkkomplex aus den fünf enthaltenen Arzneistoffen auch in anderen Arzneimitteln, die früher auf den Markt gebracht wurden, enthalten ist. Aus der insoweit vorgelegten Anlage A 11 ergibt sich gerade nicht, dass es auch andere Mittel gäbe, die gerade (und nur) diese fünf Wirkstoffe enthalten.
2. Die Aussage ist auch nicht deshalb irreführend, weil dass verwendete Wort „erste“ irreführend wäre:
Eine Neuigkeitswerbung ist nicht streitgegenständlich. Nach Auffassung der Kammer umschreibt der Begriff „erste“ die Stellung in einer Reihenfolge, aber nicht einen bestimmten Zeitpunkt oder einen Zeitraum. Der Sachvortrag der Antragsgegnerin, dass es sich bei … tatsächlich um das erste homöopathische Arzneimittel mit der Indikation Kopfschmerzen handelt, welches die fünf Wirkstoffe „Gelsemium Sempervirens“, „Cimicifuga Racemosa“, „Spigelia Anthilmia“, „Iris Versicolor“ und „Cyclamen Purpurascens“ enthält, ist Seitens des Antragsstellers nicht widerlegt worden. Wenn es sich aber – unwiderlegt – um dass tatsächlich erste homöopathische Arzneimittel mit der Indikation Kopfschmerz mit diesen fünf Inhaltsstoffen handelt, ist die Aussage „erste“ aber gerade nicht irreführend.
3. Soweit das Mittel als „natürlich beworben wird“ liegt ebenfalls eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise nicht vor:
Den angesprochenen Verkehrskreisen, dem durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Verbraucher ist durchaus bekannt, dass Arzneimittel in der Regel einen technischen Fertigungsprozess durchlaufen. Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb die angesprochenen Verkehrskreise gerade annehmen würden, dass es sich dabei deshalb nicht mehr um ein „natürliches“ Mittel handeln kann. Bei einem Arzneimittel verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Aussage „natürlich“ dahingehend, dass die Inhaltsstoffe dieses Mittels pflanzlichen Ursprunges sind und nicht chemisch bzw. synthetisch. Dass die enthaltenen Inhaltsstoffe einem technischen Fertigungsprozess unterliegen, bevor das Produkt fertig auf den Markt gebracht werden kann, ist für die angesprochenen Verkehrskreise selbstverständlich. Wegen dieser Tatsache gehen entgegen der Auffassung der Antragsstellerseite die angesprochenen Verkehrskreise aber nicht davon aus, dass dieses Mittel deshalb nicht mehr „natürlich“ sei.
Damit ist die Verwendung des Begriffes „natürlich“ durch die Antragsgegnerseite nicht irreführend, weil das Produkt lediglich pflanzliche Inhaltsstoffe hat.
V.
Der geltend gemachte Hilfsantrag I. 4., der Antragsgegnerseite die Benutzung der Aussage „Neodolor bekämpft Kopfschmerzen zu 100 Prozent natürlich“
zu verbieten, erweist sich, soweit man insoweit entgegen den obigen Ausführungen von Dringlichkeit ausgehen sollte, jedenfalls als unbegründet:
Diese Aussage wird von angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass die Wirkung des Produktes auf natürlichen Inhaltsstoffen beruht. Da … jedoch tatsächlich nur pflanzliche und keine chemischen synthetischen Wirkstoffe enthält, wirkt es auch nur auf rein natürlicher Weise, so dass die getätigte Aussage objektiv zutreffend ist.
Damit waren die Anträge auf Erlass bei der einstweiligen Verfügung insgesamt zurückzuweisen.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
C)
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 2 ZPO.