Medizinrecht

Kein Anordnungsanspruch für eine Reparatur einer Badeinrichtung im selbstbewohnten Eigenheim

Aktenzeichen  L 11 AS 671/16 ER

Datum:
22.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 86b Abs. 2 S. 2
SGB II SGB II § 22 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Anordnungsanspruch für eine Reparatur bzw. Instandsetzung einer Badeinrichtung im selbstbewohnten Eigenheim nicht feststellbar. (amtlicher Leitsatz)
2 Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Kosten für die komplette Erneuerung eines Bades sind nicht zu übernehmen, da es sich dabei nicht um unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung oder Reparatur handelt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist die Übernahme von Kosten für die Anschaffung und den Einbau verschiedener Sanitärobjekte.
Der Antragsteller (ASt) bewohnt ein in seinem Eigentum stehendes Wohnhaus und bezieht vom Antragsgegner (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld – Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 13.06.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.10.2016 für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016.
Am 19.09.2014 beantragte der ASt unter Vorlage dreier Kostenvoranschläge die Übernahme der Kosten für eine Badeinrichtung einschließlich Montage, insb. von WC, Waschtisch, Spülkasten, Handtuchhalter, Wandspiegel, Wandschränkchen, Wasserhahn und Boiler. Er verwies auf einen im Mai 2014 bereits angezeigten Wasserschaden. Unter Hinzuziehung eines Mitarbeiters des Landratsamtes K. erfolgte darauf am 27.10.2014 eine Inaugenscheinnahme. In einem hierzu gefertigten Aktenvermerk ist festgehalten, dass die sanitären Einrichtungen funktionsfähig seien und ein Feuchteschaden nicht feststellbar sei. Es wurden entsprechende Lichtbilder gefertigt und zur Verwaltungsakte genommen. Der Ag lehnte sodann den Antrag mit Bescheid vom 21.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2015 ab. Ein unabweisbarer Aufwand für Instandhaltung und Reparatur sei nicht gegeben.
Dagegen hat der ASt Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben (S 18 AS 187/15). Seit Mai 2014 verfüge er über keine benutzbare Einrichtung. Aus der Regelleistung könne er die Kosten nicht begleichen. Die einzige Toilette befinde sich im Erdgeschoss und sei im Bereich des Druckspülers undicht. Sie sei abgestellt. Mit einer nochmaligen Begutachtung sei er nicht einverstanden. Mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Erfordernis einer unabweisbaren Reparatur sei nicht nachgewiesen. Den Kläger treffe diesbezüglich aber die Feststellungslast. Einer weiteren Aufklärung habe er sich verweigert.
Der ASt hat dagegen Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 AS 24/16) und ein Angebot der Firma Sanitär-Technik B. (B.) vom 21.07.2016 für eine Sanitäreinrichtung des Badezimmers (Waschtischanlage, WC-Anlage und Ausstattung) über 1.039,05 € für Lieferung und Montage vorgelegt. Über die Berufung ist bislang nicht entschieden.
Am 27.09.2016 hat der ASt beim LSG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die Zustände seit Mai 2014 seien eine Zumutung. Die Preise aus dem Angebot würden nur bis 30.09.2016 gelten. Es handele sich um einen notwendigen Aufwand zur Herstellung und Versorgung. Bei der Ortsbegehung am 27.10.2014 seien alle Teilnehmer “erblindet” gewesen. Ein nochmaliger Hausbesuch werde abgelehnt.
Der Ag hat erwidert, dass tatsächliche und angemessene Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Reparatur an Toilette oder Waschbecken übernommen würden. Bisher seien solche aber nicht nachgewiesen worden. Beim vom ASt vorgelegten Angebot handele es sich um eine Sanierung und Modernisierung. Zur Feststellung des Bedarfs sei eine Ortsbegehung mit einem Sanitärfachmann unumgänglich.
Mit Schreiben vom 25.10.2016 – unter Fristsetzung zum 04.11.2016 bzw. auf Verlängerungsantrag des ASt bis 20.11.2016 – hat das Gericht dem ASt aufgegeben, den Bedarf für Instandsetzung bzw. Reparatur durch Vorlage eines Kostenvoranschlages nachzuweisen. Eine entsprechende Vorlage erfolgte nicht.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Akten des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig – im Hinblick auf das beim LSG anhängige Berufungsverfahren L 11 AS 24/16 ist der Senat insbesondere das zuständige Gericht der Hauptsache (§ 86b Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG) -, aber nicht begründet und ist daher abzulehnen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren des ASt im Hinblick auf die im Angebot von B. vom 21.07.2016 beschriebenen Sanitäreinrichtungsgegenständen einschließlich deren Montage bzw. Installation.
Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Anordnung stellt § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dar. Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 – BVerfGE 79, 69; vom 19.10.1997 – BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 – NJW 2003, 1236). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 – Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06; vom 12.05.2005 – Breithaupt 2005, 803 und vom 22.11.2002 – NJW 2003, 1236; weniger eindeutig BVerfG, Beschluss vom 04.08.2014 – 1 BvR 1453/12).
Vorliegend ist bereits ein Anordnungsanspruch im Hinblick auf die begehrte Kostenübernahme für die Badeinrichtung und Sanitärinstallationen nicht feststellbar.
Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II werden als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Grundsätzlich besteht insofern ein Anspruch auf Übernahme der Kosten, die für die Reparatur des Druckspülers – sofern dieser tatsächlich wie vom ASt behauptet undicht sein soll – anfallen. Dies wird vom Ag auch nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat sich dieser zu einer Übernahme der notwendigen und angemessenen Kosten bereit erklärt. Aus dem vom ASt vorgelegten Angebot von B. und den früheren Kostenvoranschlägen gehen aber die notwendigen Kosten hierfür nicht hervor. Auch ist der ASt der Aufforderung des Senats zur Vorlage eines entsprechenden Kostenvoranschlages nicht nachgekommen. Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts durch den Ag hat der ASt durch die Verweigerung einer (weiteren) Ortsbegehung unter Zuziehung eines Sachverständigen vereitelt. Damit ist weder nachgewiesen, dass der Druckspüler tatsächlich undicht ist, noch die Höhe der für eine Reparatur notwendigen Aufwendungen dargelegt. Wie das SG in seinem Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, würde bei einem solchen Verhalten der ASt auch in der Hauptsache einen entsprechenden Anspruch nicht durchsetzen können, da ihn die Feststellungslast im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Anspruch trifft.
Die Kosten für die komplette Erneuerung des Bades, wie sie im Angebot von B. beschrieben sind, sind nicht vom Ag zu übernehmen. Hierfür bietet sich keine Rechtsgrundlage, da es sich dabei nicht um unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung oder Reparatur handelt. Wie sich aus den Lichtbildern zur Ortseinsicht am 27.10.2014 ergibt, sind die Einrichtungsgegenstände des Bades im Erdgeschoss einfach und primitiv, jedoch ansonsten nach außen hin unbeschädigt. Die Notwendigkeit des Austauschs des WC und des Waschtischs ist daher nicht glaubhaft oder feststellbar.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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