Medizinrecht

Keine Anfechtung einer Erledigungserklärung

Aktenzeichen  L 5 KR 544/16

Datum:
17.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 102035
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 122, § 136 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Auch wenn das Sozialgerichtsgesetz die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht ausdrücklich regelt, findet diese gleichwohl in Sozialgerichtsverfahren Anwendung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Prozessrechtliche Erklärungen sind grundsätzlich nicht nicht wegen Irrtums anfechtbar. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 44 KR 125/11 2012-07-10 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.07.2012 vor dem Bayerischen Landessozialgericht durch die gerichtliche Teil-Erledigt-Erklärung vom 11.11.2014 beendet worden ist, soweit Beitragspflicht und Beitragshöhe für die Zeit vom 01.01.2010 bis 09.03.2010 sowie ab 01.08.2011 betroffen sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob die Teilerledigterklärung vom 11.11.2014 nachträglich beseitigt ist. Dieses Begehren verfolgt die Klägerin statthaft im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage. Diese bleibt ohne Erfolg.
1. Die vorliegende Entscheidung kann trotz Nichterscheinens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.1.2017 ergehen. Das persönliche Erscheinen der Klägerin war nicht angeordnet und auch nicht erforderlich, weil der Sachverhalt in Bezug auf den Streitgegenstand geklärt ist sowie das Vorbringen der Klägerin Eingang in das Verfahren gefunden hat. Die Klägerin war in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann. Der Klägerin war der Streitgegenstand namentlich auf Grund der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Hamburg vom 6.10.2016 sowie auf Grund des dortigen Verweisungsbeschlusses vom 10.10.2016 bekannt. Dazu hat sie ihren Standpunkt der Überrumpelung und ihres Verhaltens in der Sitzung vom 11.11.2014 vorgebracht, sodass auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs durch das Nichterscheinen der Klägerin nicht betroffen ist.
2. Über die Anfechtung der Teil-Erledigungserklärung ist durch die Entscheidungen des BSG vom 27.7.2015 – B 12 KR 26/15 B, vom 11.9.2015 – B 12 KR 9/15 BH und vom 26.10.2015 – B 12 KR 7/15 C bereits rechtskräftig entschieden. Dazu bedarf es keiner näheren Ausführungen, denn die Teil-Erledigungserklärung ist ohnehin wirksam zustande gekommen und nicht nachträglich wieder beseitigt worden.
a) Auch wenn das SGG das prozessuale Institut der übereinstimmenden Erledigungserklärung nicht ausdrücklich regelt, findet dieses auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung (vgl. Roos/Wahrendorf, SGG, SGG § 125 Rn. 17-24). Hierzu ist festzustellen, das beide Beteiligte im persönlichen Anwesend sein der Klägerin am 11.11.2014 zur Niederschrift des Senates folgendes erklärt haben: „Wir erklären den Rechtsstreit für die Zeit 01.01.2010 bis 09.03.2010 sowie ab 01.08.2011, soweit dieser Zeitraum streitgegenständlich ist, übereinstimmend für erledigt.“ Diese Erklärung wurde protokolliert und den Beteiligten sodann vorgelesen. Die anwaltlich vertretene, persönlich anwesende Klägerin und die Beklagte haben der Teil-Erledigt-Erklärung nach dem Verlesen ausdrücklich zugestimmt, was die Sitzungsniederschrift beweist (vgl. § 122 SGG i.V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 und § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 Satz 3, § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist dort nicht vorgesehen. Die Niederschrift ist insoweit vollständig und richtig, ein Antrag der Klägerin, die Niederschrift vom 11.11.2014 zu berichtigen, ist mit rechtskräftigem Beschluss vom 30.4.2015 zurückgewiesen. Die Anhörungsrüge der Klägerin, sie sei durch die Teilerledigungserklärung vom 11.11.2014 überrumpelt worden, ist gemäß rechtskräftigem Beschluss vom 4.3.2015 erfolglos geblieben (L 5 KR 514/14 RG). Anderweitige Rügen vor dem BSG sind erfolglos geblieben. Damit besteht an der Wirksamkeit der Teil- Erledigterklärung kein Zweifel. In der Folge ist für den Rechtsstreit im angegebenen Teilbereich Erledigung eingetreten.
b) Die Teil-Erledigt-Erklärung ist auch nicht nachträglich aus der Welt geschafft. Die Klägerin beruft sich auf Überrumpelung, sie habe erkennbar bei der Erklärung die Stirn gerunzelt und die Beklagte treffe der Vorwurf arglistiger Täuschung, sie bestreite die Zeiträume. Damit ist kein Täuschungssachverhalt genannt, denn nicht geäußerte Vorbehalte sowie Gestik oder Mimik bleiben für Erklärungen vor Gericht ohne Belang; Täuschungssachverhalte sind auch sonst nicht erkennbar. Das pauschale Bestreiten der Versicherungspflicht infolge Arbeitslosengeldbezuges sowie Beschäftigung begründet nicht Arglist auf der Beklagtenseite. Ein Überrumpeln widerlegt zudem, dass die Beteiligten nach der Erledigterklärung zur Sache im Übrigen verhandelt haben und die anwaltlich vertretene Klägerin einen zeitraumbezogenen Prozessantrag gestellt hat, welcher die Zeit der Teil-Erledigt-Erklärung konkret nicht einbezogen hatte. Auch dieser Antrag wurde – wie das Protokoll beweist – vorgelesen und von der anwaltlich vertretenen Klägerin genehmigt.
c) Im Übrigen sind prozessrechtliche Erklärungen nicht wegen Irrtums anfechtbar (BSG, Urteil vom 6.4.1960 – 11/9 RV 214/57; Beschlüsse vom 19.3.2002 – B 9 V 75/01 B und vom 24.4.2003 – B 11 AL 33/03 B). Soweit ein Widerruf unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme (§§ 179, 180 SGG) innerhalb der Fristen gem. § 586 ZPO als statthaft angesehen wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014, § 102 Rn. 1 – 12) fehlt es vorliegend an Wiederaufnahmegründen.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 SGG.

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