Medizinrecht

Keine Beihilfe zu Aufwendungen für eine nicht allgemein wissenschaftlich anerkannte Therapie

Aktenzeichen  W 1 K 18.772

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4431
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1
BayBhV § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1, § 8 S. 1 Nr. 3, § 14
GOZ § 4 Abs. 3, § 9

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die ausnahmsweise Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Therapie ist, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, dass im Einzelfall das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder dass ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung ist, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufwendungen nach GOZ-Ziffer 2390 sind nicht beihilfefähig, wenn diese nicht neben weiteren endodentischen Behandlungsmaßnahmen abrechenbar ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bestimmung des § 14 BayBhV, nach der bei zahnärztlichen Behandlungen entstandene Aufwendungen für Material- und Laborkosten sowie die nach gesondert abrechenbaren Praxiskosten nur zu 40 Prozent beihilfefähig sind, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Das Gericht konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat, neben der von dem Beklagten bereits gewährten Beihilfe, keinen weitergehenden Anspruch auf die geltend gemachten Beihilfeleistungen. Der Beihilfebescheid des Beklagten vom 11. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2018 sowie des Bescheides vom 10. September 2018 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Beihilfeberechtigten, deren Dienstherr der Freistaat Bayern ist, werden gem. Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG Beihilfeleistungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsversorgung nach Maßgabe der aufgrund von Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG erlassenen Rechtsverordnung, der Bayerischen Beihilfeverordnung – BayBhV, gewährt, sofern die Aufwendungen nachgewiesen medizinisch notwendig und angemessen sind. Hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage in Beihilfestreitigkeiten ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen abzustellen (st. Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 6.11.2014 – 5 C 7.14 – juris; U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – juris, jeweils m.w.N.). Da vorliegend die Behandlung im November 2017 erfolgte und auch die Rechnung das Datum 30. November 2017 trägt, ist somit die seit dem 1. September 2017 geltende Fassung der BayBhV maßgeblich. Gem. § 7 Abs. 1 BayBhV werden Aufwendungen erstattet, die dem Grunde nach medizinisch notwendig waren (Nr.1), der Höhe nach angemessen waren (Nr. 2) und bei denen die Beihilfe nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr.3). Gem. § 8 Satz 1 Nr. 3 BayBhV gilt dies auch für zahnärztliche Leistungen nach Maßgabe der §§ 14 – 17 BayBhV.
Der Kläger begehrt die Zahlung von Beihilfe für eine antimikrobielle photodynamische Therapie, welche von seinem Arzt durch Ansetzung der GOZ-Ziffer 4110 analog abgerechnet wurde sowie die Zahlung von Beihilfe für die GOZ-Ziffer 2390 und die Zahlung von Beihilfe für Labor-, Material- und Praxiskosten in Höhe von 70 Prozent.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Beihilfe für die Abrechnung der GOZ-Ziffer 4110 analog für die antimikrobielle photodynamische Therapie.
Die antimikrobielle photodynamische Therapie ist nicht beihilfefähig. Sie ist gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 BayBhV i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 zur BayBhV von der Beihilfe ausgeschlossen, da sie nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist. Mit Wirkung zum 1. September 2017 wurde in die Anlage 2 Nr. 1 zur BayBhV die Photodynamische Lasertherapie in der Parodontologie als nicht allgemein anerkannte wissenschaftliche Therapie aufgenommen. Bei der beim Kläger vorgenommenen „antimikrobiellen photodynamischen Therapie“ handelt es sich gerade um eine solche Photodynamische Lasertherapie. Bei der antimikrobiellen photodynamischen Therapie wird ausweislich eines vom Kläger vorgelegten Gutachtens des Privatdozenten N. ein Farbstoff als Photosensitizer nach erfolgter Reinigung in die parodontale Tasche eingebracht. Nach einer Einwirkzeit wird die überschüssige Farbstofflösung durch Spülung entfernt und dann jeder Zahn für einen gewissen Zeitraum bestrahlt. Die Bestrahlung erfolgt mittels eines Lasers. Es handelt sich somit ausweislich des Wortlauts und der Funktionsweise um eine Photodynamische Lasertherapie. Der Kläger trägt in seiner Klagebegründung vor, die Therapie sei zur Behandlung von Parodontitis erfolgt, somit erfolgte die Therapie auch in der Parodontologie. Dies wird auch gestützt dadurch, dass der Kläger ein Gutachten bezüglich der antimikrobiellen photodynamischen Therapie im Rahmen der Parodontologie als Nachweis für seine Rechtsauffassung vorlegte und auf der vorgelegten Rechnung weitere GOZ-Ziffern berechnet wurden, die im Zusammenhang mit der Parodontologie stehen. Somit ist die in Frage stehende Therapie aufgrund des Ausschlusses gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 BayBhV i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 zur BayBhV nicht beihilfefähig.
Eine Beihilfefähigkeit ergibt sich auch nicht ausnahmsweise.
Voraussetzung für die ausnahmsweise Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Therapie ist, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, dass im Einzelfall (z.B. wegen einer Gegenindikation) das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder dass ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist, der Betroffene sozusagen schulmedizinisch (erfolglos) austherapiert ist (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris). Weiter wäre notwendig, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Hierfür ist zumindest erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann. Unter den genannten Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982. – juris; BVerwG, U.v. 18.06.1998 – 2 C 24/97 – NJW 1998, 3436 Lts.; VG München, U.v. 13.10.2016 – M 17 K 15.2600 – juris). Lägen die Voraussetzungen vor, wäre es insoweit auch unbeachtlich, ob für die Behandlungsmethode in den maßgeblichen Rechtsvorschriften ein ausdrücklicher Ausschlusstatbestand vorgesehen ist (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris).
Der Kläger hat jedoch weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode noch nicht herausgebildet hat, dass er schulmedizinisch austherapiert sei oder ein anerkanntes Heilverfahren bei ihm nicht angewendet werden durfte. Die antimikrobielle photodynamische Therapie ist vorliegend somit auch nicht ausnahmsweise beihilfefähig.
II.
Auch die GOZ Ziffer 2390 ist vorliegend nicht beihilfefähig. Diese ist, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht neben weiteren endodentischen Behandlungsmaßnahmen abrechenbar. Die von dem Kläger zitierten Urteile des VG Stuttgart (v. 31.10.2013 – 12 K 434/13 – juris) sowie des AG Dortmund (v. 31. 8.2015 – 405 C 3277/14 – juris) gehen zwar davon aus, dass die Ziffer 2390 neben weiteren endodentischen Behandlungsmaßnahmen abrechenbar ist, dieser Ansicht folgt das Gericht jedoch nicht. Zwar ergibt sich dies nicht bereits aus dem Wortlaut der Ziffer (so aber VGH BW, U.v. 4.4.2014 – 2 S 78/14 – juris, welcher das Urteil des VG Stuttgart, a.a.O., aufgehoben hat), jedoch ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck (vgl. auch VGH BW, a.a.O.).
Der Wortlaut der Ziffer 2390 spricht von einer „selbständigen Leistung“. Selbstständige Leistung im Sinne der GOZ bedeutet, dass die Leistung nicht Bestandteil einer anderen Leistung und nicht als besondere Ausführung einer anderen ebenfalls berechneten Leistung nach dem Gebührenverzeichnis anzusehen ist (Bundeszahnärztekammer, GOZ-Kommentar, Stand Oktober 2018, § 4 GOZ Rn. 2). Durch diese Formulierung sollen Doppelberechnungen ausgeschlossen werden (Bundeszahnärztekammer, GOZKommentar, Stand Oktober 2018, § 4 GOZ Rn. 3; AG Köln, U.v. 1.9.2015 – 146 C 177/14 – juris). Der Zusatz wurde oft bei Leistungen gewählt, die häufig Bestandteil anderer Leistungen waren. Enthält eine Ziffer den Zusatz „selbständige Leistung“ soll damit grundsätzlich nur der Hinweis gemeint sein, darauf zu achten, die Regel der Selbständigkeit beim Gebührensatz zu beachten (so etwa Kesler/Urbschat, Trepanation eines Zahnes als selbständige Leistung, MBZ 2013/06). Allein aus dem Wortlaut lässt sich daher nicht entnehmen, ob neben der GOZ Ziffer 2390 auch andere Ziffern abgerechnet werden dürfen.
Es ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Ziffer, dass andere endodentische Maßnahmen daneben nicht abrechenbar sind.
In der Begründung des Referentenentwurfs einer Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand 24. März 2011, sowie in der amtlichen Begründung des Bundesministeriums für Gesundheit zu dem Gesetzesentwurf zur neuen GOZ, Stand 8. November 2011, heißt es: „Die Leistung nach der Nummer 2390 kann allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein. Sie ist nur als selbständige Leistung berechnungsfähig und nicht z.B. als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2410 und 2440.“ Der in den Begründungen vorgeschlagene Wortlaut für die GOZ-Ziffer 2390 wurde bei der Änderung der GOZ beibehalten. Hieraus ergibt sich somit, dass die Ziffer 2390 nur im Rahmen einer Notfallbehandlung herangezogen werden kann und nicht neben anderen Leistungen abrechenbar sein soll (so auch VG BW, a.a.O.). Es widerspricht somit der Absicht des Gesetzesgebers, wenn neben der Ziffer 2390 andere Ziffern abgerechnet werden können. Es erfolgte eine Verwechslung der Wörter „selbständiger“ und „alleiniger“ Leistung durch den Verordnungsgeber (so auch AG Düsseldorf, U.v. 1.7.2016 – 25 C 2953/14 – juris). In der Rechnung sind vorliegend jedoch neben der Ziffer 2390 andere endodentische Leistungen abgerechnet worden, etwa die Ziffer 2410. Die Ziffer 2390 ist somit vorliegend nicht beihilfefähig.
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Material-, Labor- und Praxiskosten. Der Beklagte hat die Beihilfefähigkeit für die Material-, Labor- und Praxiskosten bezüglich der antimikrobiellen photodynamischen Therapie sowie für die individuelle Farbbestimmung abgelehnt, im Übrigen nur zu 40 Prozent anerkannt. Dies erfolgte zu Recht.
Da die antimikrobielle photodynamische Therapie, wie bereits dargestellt, nicht beihilfefähig ist, sind auch die damit zusammenhängenden Material-, Labor- und Praxiskosten nicht beihilfefähig. Dies betrifft die in der Rechnung angegeben Aufwendungen für „Helbo Lichtleiter“ und „Helbo Blue“. Zudem hat der Beklagte zutreffend dargelegt, dass die individuelle Farbanpassung der Füllung bzw. des Zahnersatzes bei jeder vergleichbaren Handlung erforderlich ist und daher grundsätzlich vom einfachen bis 2,3-fachen Regelsatz erfasst ist (so auch OVG NRW, U.v. 3.12.1999 – 12 A 2889/99 – juris). Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten.
Auch die Anerkennung der Beihilfefähigkeit von nur 40 Prozent für die übrigen Material-, Labor- und Praxiskosten erfolgte zu Recht.
Gem. § 14 BayBhV sind die bei zahnärztlichen Behandlungen nach Anlage 1 Abschnitt C Nr. 2150-2320, Abschnitt F und K GOZ entstandenen Aufwendungen für Material- und Laborkosten gem. § 9 GOZ sowie die nach § 4 Abs. 3 GOZ gesondert abrechenbaren Praxiskosten nur zu 40 Prozent beihilfefähig. § 14 BayBhV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 14 ZB 17.1297 – juris; VG Würzburg, U.v. 23.5.2017 – W 1 K 16.1162 – juris). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Aufwendungen nicht unter diese Norm fallen, obwohl der Beklagte mehrfach zu § 14 BayBhV vorgetragen hat. Da der Beklagte bereits 40 Prozent der beihilfefähigen Material-, Labor- und Praxiskosten an den Kläger ausgezahlt hat, steht ihm kein weitergehender Anspruch auf Zahlung von Beihilfe zu.
IV.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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