Aktenzeichen AN 9 M 15.01165
Leitsatz
Eine Kostenerstattung für die im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte gutachterliche Wirkungsanalyse für einen geplanten Lebensmitteldiscounter scheitert daran, dass es sich dabei um vom Bauwerber im Baugenehmigungsverfahren vorzulegende Unterlagen handelt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Erstattungsfähigkeit vom Erinnerungsführer (und Kläger im vorangegangenen Verwaltungsstreitverfahren) vorgelegter Privatgutachten.
Mit Urteil der Kammer vom 25. Juni 2013 (AN 9 K 11.02368) wurde der Klage des Erinnerungsführers auf Erteilung eines Vorbescheids teilweise stattgegeben, im Übrigen wurde das Verfahren eingestellt, nachdem die Erinnerungsgegnerin die Erteilung eines positiven Vorbescheids für einen Teil der begehrten Nutzungsänderungen zugesagt hatte. Wegen des Hergangs insoweit wird auf den Tatbestand dieser Entscheidung Bezug genommen. Bereits im Verwaltungsverfahren hatte der Erinnerungsführer eine sog. „Wirkungsanalyse“ vom 20. April 2011, erarbeitet von der …GmbH, zur Frage der Auswirkungen der geplanten Ansiedlung eines Supermarkts in … vorgelegt. Nachdem der Berichterstatter beim Erörterungstermin am 26. Juli 2012 Zweifel an der Nachvollziehbarkeit eines Teils dieser „Wirkungsanalyse“ geäußert hatte, legte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers und vormaligen Klägers ein Gutachten vom September 2012, ebenfalls erstellt von der … GmbH, mit der Bezeichnung „Wirkungsanalyse für einen geplanten Lebensmitteldiscounter sowie ergänzende nahversorgungsorientierte Angebote in …“ vor.
In der Folge wurde aufgrund eines Beweisbeschlusses der Kammer vom 5. Dezember 2012 zur Frage, ob die vom Erinnerungsführer und damaligen Kläger auf dem Baugrundstück in … geplanten Vorhaben Metzgerei und Imbiss, sowie Bäckerei/Cafe schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB für den zentralen Versorgungsbereich des Ortsteils … erwarten lassen, ein Gutachten der … GmbH eingeholt, nachdem die Erinnerungsgegnerin und damalige Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2012 einen positiven Vorbescheid für die Vorhaben Lebensmitteleinzelhandel und Getränkemarkt angekündigt hatte.
Nachdem die Beteiligten in der Folge auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet hatten, erging am 25. Juni 2013 die Entscheidung der Kammer.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13. August 2013 machte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers u. a. 2.500,00 EUR netto Gutachterkosten für die Wirkungsanalyse für die Einzelhandelsansiedlung am Standort … in … (Gutachten vom September 2012) sowie weitere 3.700,00 EUR netto für die Wirkungsanalyse Supermarktansiedlung in … bei … (Gutachten vom 20. April 2011) geltend. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 20. Januar 2014 wurden dem Erinnerungsführer 4.162,07 EUR an erstattungsfähigen Kosten festgesetzt, wobei die geltend gemachten Kosten für die Gutachten ausgeklammert wurden. Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 2. Juli 2014 wurde der Antrag des Erinnerungsführers auf Festsetzung der Erstattung der Gutachterkosten abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die hier geltend gemachten Kosten für ein Privatgutachten seien nicht erstattungsfähig, da zum einen das Gericht selbst aufgrund eines Beweisbeschlusses ein gerichtliches Sachverständigengutachten im Verfahren eingeholt habe, zum anderen das Gutachten vom 20. April 2011 bereits vor Klageerhebung erstellt worden sei und das weitere Gutachten vom September 2012 weder auf Aufforderung oder Anregung des Gerichts hin eingeholt worden sei noch sonst Gründe ersichtlich seien, die die Einholung eines entsprechenden Privatgutachtens für die Klägerseite als notwendig hätten erachtet lassen.
Mit am 9. Juli 2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz legten die Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers Rechtsmittel gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin vom 2. Juli 2014 ein und beantragten die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung führten sie mit Schriftsatz vom 15. Juli 2014 im Wesentlichen aus, die mit dem vorgelegten Gutachten behandelnden Fragen seien vom Kläger ohne Unterstützung durch einen Sachverständigen nicht beantwortbar gewesen. Der Erinnerungsführer habe aber den Ausführungen der Erinnerungsgegnerin im angefochtenen Bescheid und im Klageverfahren entgegen treten müssen, um seiner Darlegungslast zu genügen. Die Richtigkeit der mit der Klagebegründung vorgelegten Wirkungsanalyse sei vom Gericht in Zweifel gezogen worden. Der Erinnerungsführer habe deshalb selbst ein Gutachten einholen müssen, zumal es zum fraglichen Zeitpunkt noch keine Hinweise auf eine entsprechende Beweiserhebung durch das Gericht gegeben habe. Es könne vermutet werden, dass erst die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Feststellungen des Privatgutachters und dem Vorbringen der Erinnerungsgegnerin geeignet gewesen sei, das Gericht zur Einholung eines (Ober-)Gutachtens durch die Fa. … zu veranlassen.
Die Erinnerungsgegnerin führte mit Schriftsatz vom 7. August 2014 aus, es seien nur solche Privatgutachten zu berücksichtigen, die in einem zeitlichen Zusammenhang zum Rechtsstreit stünden und verwies im Übrigen auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2012 (9 K St 6/11) zur Erstattungsfähigkeit von Parteigutachten.
Der Erinnerungsführer ließ mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10. Februar 2015 weiter vortragen, das Gutachten sei zu zweckentsprechender Rechtsverfolgung erforderlich gewesen, den Kläger habe eine Darlegungslast dafür getroffen, dass von seinem Vorhaben die im Bescheid der Erinnerungsgegnerin behaupteten schädlichen Auswirkungen nicht ausgingen. Nachdem die Richtigkeit seines Gutachtens auch im gerichtlichen Verfahren von der Erinnerungsgegnerin in Frage gestellt worden sei, habe der Erinnerungsführer im September 2012 und damit unstreitig nach Erhebung der Klage und eindeutig prozessbezogen eine überarbeitete Wirkungsanalyse erstellen und dem Gericht vorlegen lassen. Dies erst habe das Gericht zur Einholung eines (Ober-)Gutachtens bewegt.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 legte die Kostenbeamtin den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) der Kammer zur Entscheidung vor und führte aus, eine Abhilfe sei hier nicht möglich, da das vom Erinnerungsführer vorgelegte Privatgutachten weder im Urteil der Kammer vom 25. Juni 2013 verwertet bzw. in dieses einbezogen worden sei, noch zuvor die Notwendigkeit für die Einholung eines Gutachtens durch den Erinnerungsführer bestanden hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Kostenakten mit den entsprechenden Schriftstücken verwiesen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 169 i. V. m. § 151 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Die Ablehnung der geltend gemachten Aufwendungen für Privatgutachten im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer nicht in seinen Rechten, dieser hat keinen Anspruch auf Festsetzung der diesbezüglichen Kosten als erstattungsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem gegenständlichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Erstattung der Kosten beider Privatgutachten oder nur die des Gutachtens vom September 2012 geltend gemachten werden sollten.
Aufwendungen für private, d. h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind nach § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Zu den notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten in diesem Sinn gehören die Kosten für ein Privatgutachten nur ausnahmsweise (BayVGH, B. v. 13.06.1990 – 25 N 84 A.2134, B. v. 04.03.2015 – 9 C 14.2793). Dabei ist zur berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist daher nur ausnahmsweise dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Auch ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Im Grundsatz stellen deshalb Kosten für ein Privatgutachten keine notwendigen Aufwendungen im Sinn des § 162 Abs. 1 VwGO dar (VG Ansbach, B. v. 20.11.2014 – AN 9 M 13.01959). An die Notwendigkeit eines während des Prozesses eingeholten Gutachtens sind strenge Anforderungen zu stellen, weil davon auszugehen ist, dass das Verwaltungsgericht notwendige Gutachten von sich aus anfordert. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem gegen ein komplexes fachplanerisches Vorhaben klagenden Laien in einer speziellen prozessualen Situation die prozessuale Mitwirkungspflicht obliegen, sich notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens sachkundig zu machen, um fachliche Stellungnahmen plausibel und kritisch zu hinterfragen und so dem Gericht Veranlassung für eine eigene Beweiserhebung zu geben. Der sich gegen ein fachplanerisches Vorhaben wendende Beteiligte muss sich aber gleichsam in einer prozessualen Notlage befinden (vgl. BVerwG. B. v. 13.03.1992 – 4 D 39.92, B. v. 24.7.2008 – 4 KST 1008/07).
Darauf kann sich der Erinnerungsführer hier aber schon deshalb nicht berufen, weil er als Bauherr selbst das gegenständliche Vorhaben geplant hat oder planen ließ und die zur rechtlichen Prüfung seines Bauantrags erforderlichen Unterlagen vollständig bei der Baugenehmigungsbehörde einzureichen hat. Dazu gehören alle zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Bauantrags erforderlichen Unterlagen, weshalb eine Kostenerstattung für die im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Wirkungsanalyse neben der Einholung dieses Gutachtens vor Klageerhebung auch daran scheitert, dass es sich dabei um vom Bauwerber im Baugenehmigungsverfahren vorzulegende Unterlagen handelt. Entsprechendes gilt aber auch für das während des Verwaltungsgerichtsverfahrens eingeholte weitere Gutachten, das im Hinblick auf tatsächliche oder vermutete Mängel der ersten Wirkungsanalyse erstellt wurde. So hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen (zuletzt B. v. 04.03.2015 – 9 C 14.2793) ausgeführt, dass Gutachterkosten eines Planungsträgers, der seine Planung im gerichtlichen Verfahren verteidigt oder plausibilisiert, grundsätzlich nicht zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Verteidigung notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO gehören. Vorliegend lässt sich auch nicht aus den Prozessunterlagen erkennen, dass das Gericht den Erinnerungsführer aufgefordert oder auch nur dazu angeregt hätte, seinerseits ein weiteres Gutachten vorzulegen. Vielmehr zeigt gerade die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht im vorliegenden Verfahren, dass notwendige gutachterliche Feststellungen hier im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes vom Gericht selbst durch Beweiserhebung getroffen wurden. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag des Erinnerungsführers, jedenfalls das während des Verwaltungsstreitverfahrens eingeholte weitere Gutachten sei notwendig gewesen, um die Auffassung der Erinnerungsgegnerin in diesem konkreten Punkt zu erschüttern und das Gericht zu einer Beweiserhebung zu bewegen; denn dem Erinnerungsführer als Bauherrn oblag es ohnehin, alle zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit seines Vorhabens notwendigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu belegen.
Damit war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Aufgrund der Gebührenfreiheit erübrigt sich die Festsetzung des Streitwerts.