Medizinrecht

Keine Gewährung von Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes

Aktenzeichen  S 10 VS 4/15

Datum:
16.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SVG SVG § 80 S. 1, § 81 Abs. 6 S. 1, § 85
SGG SGG § 124 Abs. 2
BeamtVG BeamtVG § 35

 

Leitsatz

1 Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem SVG ist keine Sozialleistung im Sinne des SGB I, wegen seiner Parallelität zu § 35 BeamtVG unterliegt er der Verjährung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1. Der Rechtsstreit konnte nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis hiermit erklärt.
2. Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Bescheid vom 08.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Feststellung von entsprechenden Folgen einer WDB bzw. die Gewährung von Versorgungsleistungen nach § 80 SVG oder einen Ausgleichsanspruch nach § 85 SVG.
a) Nach § 80 S. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB genügt dabei gem. § 81 Abs. 6 S. 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist gem. §§ 80 S. 1 SVG, 30 Abs. 1 S. 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als WDB-Folge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Er ist gem. § 30 Abs. 1 S. 2 BVG nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst.
Maßstab für die Beurteilung des GdS sind die mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze – VmG – (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV -) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2904; abgedr. im Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008)). Die VmG enthalten Tabellen mit Anhaltswerten für die Beurteilung des jeweiligen Einzel-GdS bei verschiedenen körperlichen, geistigen und seelischen Störungen; bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen (vgl. zu alledem Teil B Nr. 1 a und bder VmG).
Bis zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erhalten Soldaten gem. § 85 Abs. 1 SVG wegen der Folgen einer WDB einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG.
b) Mithilfe der von ihr eingeholten versorgungsmedizinischen gutachtlichen Stellungnahme der Ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. Schauenburg hat die Beklagte in überzeugender Weise begründet, warum beim Kläger keine WDB-Folgen vorliegen.
Gegen das Ergebnis der gutachtlichen Würdigung durch Frau Dr. S. hat der Kläger in der Begründung seines Widerspruchs bzw. der nachfolgenden Klage keine substantiierten, sondern lediglich pauschale Einwände erhoben, die keine über die Beiziehung der Verwaltungsakte des Beklagten und der Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes hinausgehende Ermittlungen durch das Gericht bedingen.
Die Einholung eines eigenen Sachverständigengutachtens durch das Gericht war insoweit nicht geboten.
Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt zwar von Amts wegen. Ergeben sich aus vom Gericht beigezogenen Befundberichten etc. keine substantiierten Anhaltspunkte dafür, dass die Beweiserhebung durch den Leistungsträger fehlerhaft war, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens aber unterbleiben, wenn schon im Verwaltungsverfahren durch die Einholung medizinischer Gutachten ermittelt worden ist und das Gericht diese Gutachten für erschöpfend und überzeugend hält. Die vom Leistungsträger eingeholten Gutachten sind keine Parteigutachten und können auch durch das Gericht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, sie werden im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. (2014), § 103 SGG, Rn. 8 m.w.N.; ebenso Roller, in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. (2012), § 103 Rn. 37; allgemeiner auch Kolmetz, in: Jansen, SGG, 4. Aufl. (2012), § 103 Rn. 8 a.E.).
Das Gericht hat gegen die Schlussfolgerung der gutachtlichen Stellungnahme von Frau Dr. S., wonach keine WDB vorliegt, sondern vor dem Hintergrund einer schweren Persönlichkeitsstörung ein widersprüchlicher Versorgungswunsch besteht, keine Bedenken.
Dabei spielt für das Gericht auch eine wesentliche Rolle, dass für die behaupteten wehrdienstbezogenen Schädigungshandlungen – nicht zuletzt auf Grund des langen Zeitablaufs – schon kein Nachweis vorliegt.
Die Beklagte hat insoweit nachvollziehbar in ihrem Aktenvermerk vom 30.04.2015 (Bl. 29 der Beklagtenakte) festgestellt, dass sich zu den vom Kläger angegebenen Zeckenbissen in der Einlegekarte vom 06.10.1986 zwar der Eintrag „Zecke am rechten Knie“ finde, jedoch habe nicht nachgewiesen werden können, dass sich ein Zeckenbiss im Dienst ereignet habe. Auch habe der Kläger keine konkreten Angaben zu Impfungen während seiner Wehrdienstzeit machen können. Ein Anhaltspunkt für stattgehabte Impfungen ergebe sich lediglich aus den Eintragungen im G-Umschlagblatt unter „Schutzimpfungen“. Aus den vorliegenden G-Unterlagen gehe außerdem hervor, dass der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr in zahnärztlicher Behandlung gewesen sei. Ob bei diesen Behandlungen Amalgam verwendet worden sei, lasse sich aus verwaltungsseitiger Sicht nicht erkennen.
In Ergänzung zu diesen Erwägungen der Beklagten ist hinsichtlich etwaiger Impfungen aus gerichtlicher Sicht noch anzumerken, dass es für den Nachweis eines Impfschadens bei weitem nicht ausreicht, dass lediglich bekannt ist, dass überhaupt eine Impfung stattgefunden hat. Vielmehr bedarf es für die Anerkennung eines Impfschadens in Anlehnung an die entsprechende Rechtsprechung zum Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen. Ein Impfschaden ist gemäß § 2 Nr. 11 IfSG die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht. Für die Entstehung eines Anspruchs auf Versorgungsleistungen müssen folglich eine schädigende Einwirkung (Schutzimpfung), der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfkomplikation) sowie eine – dauerhafte – gesundheitliche Schädigung (Gesundheitsschaden als Impfschaden) nachgewiesen sein (SG Karlsruhe, Urteil vom 11.04.2012, Az.: S 17 VJ 377/10, Rn. 17 m.w.N.). Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – im sog. Vollbeweis – feststehen. Lediglich für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht gem. § 61 S. 1 IfSG der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht dagegen nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Im vorliegenden Fall fehlen von vornherein jegliche Nachweise über Umfang und Ausmaß etwaiger Impfkomplikationen in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang mit stattgehabten Impfungen.
Vom Kläger wird in seiner Klagebegründung und sonstigen Äußerungen nicht aufgezeigt, auf welche Weise gleichwohl ein Nachweis einer WDB durch entsprechende Ermittlungen gelingen soll.
Zu Ermittlungen ins Blaue hinein besteht für das erkennende Gericht keine Veranlassung und keine Verpflichtung (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 26.01.2016, Az.: L 15 VG 30/09, Rn. 75 m.w.N.).
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass ein Anspruch nach § 85 SVG ohnehin mittlerweile verjährt wäre.
Bei dem Anspruch aus § 85 SVG handelt es sich nicht um eine Sozialleistung im Sinne des SGB I (vgl. Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. (2012), § 85 SVG Rn. 2), vielmehr besteht eine Parallelität zu § 35 BeamtVG (s. auch BSG, Urteil vom 14.12.1988, Az: 9/4b RV 39/87, Rn. 18). Bei § 35 BeamtVG ist die Möglichkeit der Verjährung nach §§ 197 ff. BGB anerkannt (BVerwG, Beschluss vom 30.06.1992, Az.: 2 B 23/92). Die damalige Verjährungsfrist hat 4 Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Ausgleichsanspruch materiell-rechtlich entstanden ist, geendet. Der Ausgleichsanspruch selbst entsteht spätestens mit Beendigung des Wehrdienstverhältnisses. Auf Grund der Rechtsprechung zu § 35 BeamtVG ist davon auszugehen, dass die Verjährungsmöglichkeit nach den §§ 197 ff. BGB auch für den Ausgleichsanspruch nach § 85 SVG gilt. Aus diesen Gründen ist daher auch von der Verjährung des Anspruchs aus § 85 SVG im vorliegenden Fall auszugehen.
3. Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel