Medizinrecht

Kodierung einer Thrombophlebitis

Aktenzeichen  S 21 KR 582/14

Datum:
3.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 108, § 109 Abs. 1, Abs. 4, § 301 Abs. 2 S. 1
KHEntgG KHEntgG § 7 Abs. 1, § 9, § 11
KHG KHG § 17b Abs. 1 S. 3
BGB BGB § 387

 

Leitsatz

1 Der Anspruch des Krankenhauses gegen eine gesetzliche Krankenkasse erlischt durch Aufrechnung nach erfolgter Überzahlung. (Rn. 19 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Thrombophlebitis ist nicht mit der Nebendiagnose T80.1 (Gefäßkomplikation nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken), sondern mit I80.8 (Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger Lokalisationen) zu kodieren. Maßgeblich ist dabei das systematische Verzeichnis, das ein Abweichen vom alphabetischen Verzeichnis erlaubt. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es gilt der Grundsatz, so spezifisch wie möglich zu kodieren. Außerdem ist die Einordnung in die ICD-10 am Krankheitsgeschehen auszurichten und weniger an der Ursache der Erkrankung. (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 952,78 € festgesetzt.

Gründe

Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht N. formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklage hat einen Rückzahlungsanspruch wegen der Behandlung der Versicherten E. Die Behandlung der Frau E. war mit der DRG F63B abzurechnen und nicht mit der DRG F63A.
Die Klage eines Krankenhauses bzw. Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein so genannter Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R m.w.Nachw.). Der Zahlungsanspruch ist auch konkret beziffert.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Vergütung für die Behandlung des Patienten G.S.; der Anspruch der Klägerin ist durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte hat aus der Behandlung der Patientin E. einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 952,78 €.
1. Das Krankenhaus der Klägerin ist unstreitig ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 i.V.m. § 109 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), denn bei Hochschulkliniken gilt die Anerkennung nach den landesrechtlichen Vorschriften als Abschluss des Versorgungsvertrages (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Mit einem Versorgungsvertrag wird das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet.
Aus dem Sachleistungsprinzip entspringt die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten. Dieser Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert darum mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSG, 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R). Deshalb hängt der Zahlungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse nicht davon ab, ob die Krankenkasse zuvor die stationäre Behandlung durch Bescheid bewilligt hat, sodass die Beklagte grundsätzlich zum Ausgleich der durch den stationären Aufenthalt ihres Versicherten verursachten Kosten gegenüber der Klägerin rechtlich verpflichtet ist.
2. Der Anspruch auf Vergütung richtet sich nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17 b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), der Bundespflegesatzverordnung (BPflVO) sowie der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung des Herrn G.S., mit dem aufgerechnet wurde, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es ist auch nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund dieser stationären Behandlungen gegenüber der Beklagten die Vergütung zutreffend berechnet hat. Im Übrigen sind Anhaltspunkte für eine unzutreffende Leistungsabrechnung auch nicht ersichtlich. Eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R).
Der Zahlungsanspruch aus dem unstreitigen Behandlungsfall G.S. ist jedoch dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten E. für den Zeitraum 15.10.2011 – 27.10.2011 analog § 387 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Aufrechnung erklärt hat (zur entsprechenden Anwendung von § 387 BGB auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, 23.06.2015, B 1 KR 26/14; BSG, 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R). Die Beklagte hat für die Behandlung der Versicherten ohne Rechtsgrund 952,78 € zu viel an Vergütung an die Klägerin entrichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als „Vertragsparteien auf Bundesebene“ mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze [KHG]) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.
Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – dem ICD-10 – in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Code einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Code nach dem ICD-10 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, 18.07.2013, B 3 KR 7/12 R, juris, Rn. 12). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R, juris, Rn. 12 m.w.N.).
Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und der ICD-10-GM in der vom DIMIDI für das Jahr 2011 herausgegebenen Version. Diese sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben und lassen keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (st. Rspr., grundlegend BSG, 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R, Rn. 18).
Streitig und für die Abrechenbarkeit der von der Klägerin zugrunde gelegten Fallpauschale entscheidungserheblich ist vorliegend lediglich die Kodierbarkeit der streitigen Nebendiagnose T80.1, die hier nach der von den Selbstverwaltungspartnern bestimmten Entscheidungslogik (dem sog. Entscheidungsbaum) insoweit erlöswirksam ist, als sie zusammen mit den hier unstreitigen Parametern statt der vom MDK favorisierten Fallpauschale F63B die höher bewertete Fallpauschale F63A auslöst. Die Kammer ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) davon überzeugt, dass die Klägerin den Abrechnungsfall mit der Nebendiagnose I80.8 kodieren musste und nicht mit T80.1. Mit dieser Einschätzung folgt das Gericht der Einordnung des gerichtlichen Sachverständigen und des MDK.
Die DKR bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur Hauptdiagnose zu kodieren sind. Nach den Vorgaben der DKR 2011 ist dies dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose sich auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt hat, d.h., wenn sie für das Versorgungsgeschehen tatsächlich bedeutsam geworden ist (BSG, 25.11.2010, B 3 KR 4/10 R, juris, Rn. 16 ff; vgl. auch zuletzt das Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 13/14 R, juris, Rn. 17). In dem hier maßgeblichen Abschnitt D003i der DKR 2011 (Seite 10) wird der Begriff der Nebendiagnosen als „eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt“ definiert.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass eine Nebendiagnose überhaupt zu kodieren ist. Während der der stationären Behandlung der Patientin zeigte sich nach Anlage eines peripheren Venenkatheters am rechten Arm eine Thrombophlebitis, die von der Klägerin versorgt wurde. Die Versorgung ist in der Pflegedokumentation vermerkt und nicht streitig. Dieser Sachverhalt ist daher – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – als Nebendiagnose zu kodieren. Streitig ist nur, ob der beschriebene Sachverhalt mir der Nebendiagnose T80.1 (Gefäßkomplikation nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken) oder mit I80.8 (Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger Lokalisationen) zu kodieren ist.
Festzustellen ist zunächst, dass bei einer Verschlüsselung nach dem alphabetischen Verzeichnis unter dem Suchbegriff Thrombophlebitis nach Infusion der Kode T80.1 zu finden ist. Nach der Kodierrichtlinie D014d (S. 34 Kodierrichtlinien 2011) ist aber für die Kodierung stets das systematische Verzeichnis maßgeblich, so dass von der Einstufung im alphabetischen Verzeichnis abgewichen werden kann, wenn das systematische Verzeichnis zu einem anderen Ergebnis führt.
Nach Auffassung des Gerichts führt die Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis dazu, dass in dem streitigen Behandlungsfall der Kode I80.8 als Nebendiagnose zu kodieren ist und nicht der Kode T80.1. In den Kodierrichtlinien 2011 finden sich Regelungen zu den Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen unter der Regelung D002f „Hauptdiagnose“. Das Gericht hat jedoch keinerlei Bedenken diese Richtlinien auch auf die Nebendiagnosen anzuwenden, zumal die Regelungen seit der Version der DKR für das Jahr 2013 in der Kodierregel D015l zu finden sind und seitdem ausdrücklich sowohl für die Kodierung der Hauptals auch der Nebendiagnose zu beachten (vgl. SG Stralsund, 16.12.2016, S 3 KR 51/14, Rn. 44, juris).
Nach der 2011 geltenden Kodierrichtlinie D002f sind sowohl die in der dortigen Tabelle 1 enthaltenen Kodes für die spezifische Verschlüsselung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen ebenso wie die Kategorien T80-T88 „Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert“ nur dann als Hauptdiagnose – respektive hier als Nebendiagnose – zu verschlüsseln, „wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiert oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen ist“. Nach Auffassung des Gerichts besteht mit dem Kode I80.8 ein spezifischerer Kode und die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes ist auch nicht durch ein Exclusivum ausgeschlossen. Ebenso liegt kein Fall der Mehrfachkodierung vor.
a) Nach der Formulierung in der Kodierrichtlinie D002f ist zu fragen, ob ein spezifischer Code in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung vorliegt. Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Kodierung ist daher die Frage der Erkrankung selbst und nicht deren Auslöser. Die Verschlüsselung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen folgt der Grundregel „Kodiere so spezifisch wie möglich“. Eine spezifische Codierung im Sinne des DRG-Systems ist dann gegeben, wenn die Beschreibung der ICD-Klasse die Erkrankung bzw. die Störung genau bezeichnet und der Inhalt der Klasse in dem Sinne medizinisch homogen ist, dass sie nur die Krankheit selbst (Idealzustand) und darüber hinaus nur eng verwandte Krankheiten enthält. Bei der Auswahl des spezifischen Codes ist zunächst zu fragen, was für eine Krankheit vorliegt, wo diese lokalisiert ist und als letztes warum diese eingetreten ist. Dies zugrunde gelegt ist es nach Auffassung des Gerichts korrekt, die Nebendiagnose I80.8 (Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger Lokalisationen) und nicht die Nebendiagnose T80.1 (Gefäßkomplikationen nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken) zu kodieren.
Der Kode I80.8 beschreibt ganz spezifisch, welche Erkrankung bei der Patientin (nämlich eine Thrombophlebitis) vorgelegen hat. Der Kode T80.1 hingegen verwendet den Überbegriff „Gefäßkomplikationen“ und ist damit weniger spezifisch im Hinblick auf die Erkrankung. Als Beispiele für den Begriff „Gefäßkomplikation“ werden unter dem Kode T80.1 in den ICD-10-GM die Phlebitis, die Thrombembolie und die Thrombophlebitis genannt. Die Thrombembolie beschreibt ein Krankheitsbild, bei der eine Thrombose und eine Embolie auftreten (vgl. http://www.m…de/…/). Der Kode T80.1 umfasst damit auch wesentlich komplexere und behandlungsintensivere Krankheitsbilder als die Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis und ist daher weniger spezifisch. Bezüglich der Frage, wo die Erkrankung lokalisiert ist, gibt der Kode I80.8 an, dass es sich um eine sonstige Lokalisation handelt. In Abgrenzung zu den vorangegangenen Codes I80.1-3 lässt sich die Lokalisation so eingrenzen. Legt man den Kode die T80.1 zu Grunde, so findet sich im Hinblick auf die Lokalisation gar keine Eingrenzung. Im Hinblick auf die Erkrankung und im Hinblick auf die Lokalisation ist der von der Beklagten geforderte Kode damit spezifischer. Der Kode I80.8 trifft jedoch gar keine Aussage im Hinblick auf die Ätiologie der Erkrankung. Diese wird wiederum durch den Kode T80.1 ausgedrückt, denn der Kode T80.1 beschreibt, dass die Gefäßkomplikation nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken aufgetreten ist.
Dennoch ist nach Auffassung des Gerichts der Kode I80.8 heranzuziehen. Es ist schlüssig, die Einordnung in die ICD-10 am Krankheitsgeschehen auszurichten und weniger an der Ursache der Erkrankung. Die Erkrankung bestimmt, welche Therapie durchgeführt werden muss und damit auch, welche Vergütung das Krankenhaus v E. kann. Die Ätiologie einer Erkrankung ist für die Frage, welche Leistungen das Krankenhaus erbracht hat, von untergeordneter Bedeutung. Liegt – wie im vorliegenden Fall – ein exakt die bei den Patienten vorliegende Erkrankung abbildender ICD-Kode (nämlich I80.8 Thrombophlebitis) vor, so muss nach Auffassung des Gerichts dieser vorrangig vor demjenigen Kode sein, der zwar im Hinblick auf die Ätiologie spezifisch ist, aber die Erkrankung nicht exakt abbildet. Dies wird dadurch bestätigt, dass es die Möglichkeit gibt, durch den nicht erlösrelevanten Kode Y69! auszudrücken, das die Ursache in einer medizinischen Behandlung bedingt ist.
Diese Ansicht sieht das Gericht durch die Kodierrichtlinien 2011 bestätigt. Auf Seite 8 der Kodierrichtlinien 2011 unter dem Punkt: „Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen“ findet sich folgendes Beispiel (Beispiel 8): Ein Patient wird nach vorangegangener Behandlung einer Fersenbeinfraktur nun wegen einer tiefen Beinvenenthrombose stationär aufgenommen. Zu kodieren ist nach den Kodierrichtlinien die Diagnose I80.2 (Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremität). Nicht zu kodieren sei I97.8 (sonstige Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen anderenorts nicht klassifiziert), da der Kode I80.2 spezifisch die Art der Kreislaufkomplikationen beschreibe und daher vorrangig sei. Dies bestätigt, dass nach der Systematik der Kodierrichtlinien die Kodierung, die spezifischer die behandelte Krankheit beschreibt, vorrangig zu verwenden ist.
b) Nach Auffassung des Gerichts ist die Kodierung mit I80.8 auch nicht durch ein so genanntes „Exklusivum“ ausgeschlossen (vgl. zu dem Thema Exclusivum insbesondere SG Stralsund, 16.12.2016, S 3 KR 51/14, unter Rn. 43 ff.). Ein Exklusivum bedeutet nach der Kodierregel D013c in den Kodierrichtlinien 2011 S. 30, dass es sich um Bezeichnungen handelt, die – selbst wenn der Titel der Rubrik vermuten lässt, dass sie an dieser Stelle zu klassifizieren wären – tatsächlich an anderer Stelle klassifiziert sind. Zwar ist dem Kapitel IX „Krankheiten des Kreislaufsystems I00-I99“ in dem den Kapitel vorangestellten Vorspann unter der Rubrik „Exklusivum“ auch der Eintrag Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98) zu finden. Ebenso findet sich ein Ausschluss der S00-T98 in den Kapiteln VI, VII, X, XI, XII, XIII, XIV, XV und XVI. Dies bedeutet, dass bei Vorliegen eines Kodes aus den Bereichen S00-T98 alle diese Kapitel ausgeschlossen wären und die Diagnosen nicht mit einer Kategorie dieser Kapitel verschlüsselt werden dürften. Nach Auffassung des Gerichts ist ein Ausschluss all dieser Kapitel jedoch mit der Systematik der DRG nicht vereinbar und widerspricht dem Grundsatz der möglichst spezifischen Kodierung. Die Kodierregel D002f in den Kodierrichtlinien 2011 besagt eindeutig, dass die T80-88 nur dann heranzuziehen sind, wenn kein spezifischerer Kode existiert. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn aufgrund der den jeweiligen Kapiteln vorangestellten Exclusiva die Kodierung mit den Kodes aus diesen Kapiteln ausgeschlossen wäre. Darüber hinaus erfahren die Exklusiva in den jeweiligen einzelnen Abschnitten der Kapitel eine weitere Konkretisierung. Diese Konkretisierung wäre überflüssig, wenn die Verschlüsselung dieser Kodes bereits durch die allgemeinen dem Kapitel vorangestellten Exclusiva ausgeschlossen wäre. Nach Ansicht des Gerichts ist für die Frage des Ausschlusses auf die jeweils bei dem einzelnen Kode stehenden konkreten Exclusiva abzustellen und nicht auf die dem Kapitel vorangestellten Exclusiva. Unter der Rubrik I80 findet sich beispielsweise der Ausschluss für Phlebitis als Komplikation bei Schwangerschaft. Ein Verweis auf die S00-T98 findet sich in diesen für die spezielle Krankheit geltenden Exklusiva nicht mehr. Die Kodierung mit I80.8 ist daher nicht durch ein Exklusivum ausgeschlossen.
c) Nach Auffassung des Gerichts liegt auch kein Fall der sogenannten Mehrfachkodierung (vgl. dazu Kodierrichtlinien 2011 Kodierregel D0012i S. 21 ff.) vor. Insbesondere liegt kein Fall der sogenannten Doppelklassifizierung vor, denn diese dienen dazu, den Gesundheitszustand einer Person vollständig zu beschreiben. Der Gesundheitszustand der Patientin ist durch den Kode I80.8 vollständig beschrieben.
Der Kode I80.8 ist daher korrekt. Die Klage war abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Klägerin die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).

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