Medizinrecht

Kostenübernahme für stationäre Krankenhausbehandlung in Fachklinik

Aktenzeichen  W 1 K 15.72

Datum:
14.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42845
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
BayBhV § 7 Abs. 1, § 28 Abs. 2 S. 2
VwGO § 67, § 101, § 113 Abs. 5 S. 2, § 167 Abs. 2
BRRG § 127 Nr. 2, § 127 Nr. 2
KHG § 2
SGB V § 107 Abs. 1
BVO § 6 Abs. 1 Nr. 6

 

Leitsatz

1 Nach § 28 Abs. 2 S. 2 BayBhV sind in nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern bei Indikationen, die nicht vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst sind, die allgemeinen Krankenhausleistungen bis zur Höhe der entsprechenden tagesgleichen Pflegesätze in Krankenhäusern der Maximalversorgung beihilfefähig. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist somit eine Vergleichsberechnung vorzunehmen, deren Maßstab nicht das vom Wohnort des Beihilfeberechtigten nächstgelegene Krankenhaus der Maximalversorgung ist, sondern vielmehr das Krankenhaus der Maximalversorgung mit dem im fraglichen Zeitraum bundesweit höchsten Tagessatz. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Begrenzung der Beihilfeleistungen für Aufenthalte in Privatkliniken bis zur Höhe der Leistung eines Krankenhauses der Maximalversorgung ist im Begriff der Angemessenheit der Aufwendungen nach Art. 96 Abs. 2 S. 1 BayBG, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayBhV angelegt und nach ständiger Rechtsprechung nicht zu beanstanden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Bescheide des Landesamtes für Finanzen vom 9. Januar 2013 und 18. Februar 2013 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Beihilfe für den Klinikaufenthalt der Klägerin vom 13. November bis 20. Dezember 2012 in der P.-Fachklinik S. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Beihilfe für den streitgegenständlichen Klinikaufenthalt. Die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2013 und 18. Februar 2013 sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Denn nach den im Folgenden noch darzustellenden Gründen hat eine Neufestsetzung der Beihilfe nach Ermittlung des zutreffenden Vergleichskrankenhauses zu erfolgen. Hat – wie hier – die rechtswidrige (Teil-)Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes eine ausreichende Sachaufklärung durch die Verwaltung verhindert, weil es nach ihrem Standpunkt nicht auf die unzureichend ermittelten Tatsachen ankommt, so ist das Gericht befugt, von ihm für erforderlich gehaltene weitere Aufklärungsarbeiten der Behörde zu überlassen (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2014, § 113 Rn. 201; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 40).
Der zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitige Anspruch der Klägerin auf Beihilfe für den streitgegenständlichen Klinikaufenthalt folgt aus Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V. m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV. Maßgeblich ist hierbei § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in der vom 1. April 2011 bis 30. September 2014 gültigen Fassung vom 11. März 2011, da es für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten – vorbehaltlich hier nicht gegebener Übergangsregelungen – auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen ankommt, für die Beihilfe verlangt wird (st.Rspr., z. B. BVerwG, U. v. 6.11.2014 – 5 C 7.14 – juris Rn. 8; U. v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – juris Rn. 9, jeweils m. w. Nachw.).
Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen sowie ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§§ 2, 3 BayBhV) in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV). Für Krankenhausleistungen enthält § 28 BayBhV nähere Regelungen. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV sind in nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern bei Indikationen, die nicht vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst sind, die allgemeinen Krankenhausleistungen bis zur Höhe der entsprechenden tagesgleichen Pflegesätze in Krankenhäusern der Maximalversorgung beihilfefähig. Es ist somit eine Vergleichsberechnung vorzunehmen, deren Maßstab nicht das nach der Verwaltungspraxis des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum heranzuziehende, vom Wohnort des Beihilfeberechtigten nächstgelegene Krankenhaus der Maximalversorgung ist, sondern vielmehr das Krankenhaus der Maximalversorgung mit dem im fraglichen Zeitraum bundesweit höchsten Tagessatz. Diese Auslegung folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayBhV, die keinerlei Eingrenzung des Kreises der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Krankenhäuser der Maximalversorgung enthält. Maßgeblich für den Kostenvergleich sind somit alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser, in denen die konkrete Behandlung des Beihilfeberechtigten möglich ist (BVerwG, U. v. 6.11.2014 – 5 C 7.14 – juris Rn. 19; U. v. 6.11.2014 – 5 C 36/13 – juris Rn. 29). Zwar betrifft die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Auslegung des früheren Beihilferechts in Baden-Württemberg – § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a. F. – als revisibles Landesrecht i. S. d. § 127 Nr. 2 BRRG. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (zuletzt VG Würzburg, U. v. 6.3.2015 – W 1 K 13.1243) ist die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch auf § 28 Abs. 2 BhV in der hier maßgeblichen Fassung vom 11. März 2011 übertragbar. Zwar unterscheiden sich Wortlaut und Aufbau der fraglichen Vorschriften. Denn § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a. F. bestimmt, dass bei Behandlung in Krankenhäusern nach § 7 Abs. 2 BVO a. F., die die Bundespflegesatzverordnung sinngemäß anwenden, pauschal berechnete Aufwendungen für Leistungen beihilfefähig sind, wenn und soweit sie in Krankenhäusern nach § 6a BVO a. F. beihilfefähig wären. Nach § 7 Abs. 2 BVO a. F. sind Krankenhäuser in diesem Sinne nur solche, die die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 SGB V erfüllen und nur deshalb nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 6 BVO a. F. fallen, weil sie nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind. Von einer vergleichbaren Definition des Begriffs „Krankenhaus“ geht jedoch § 28 Abs. 2 BayBhV aus, da die entsprechende Begriffsbestimmung in § 107 Abs. 1 SGB V letztlich nur eine Umschreibung des Krankenhausbegriffs des § 2 KHG darstellt, der wiederum der Bundespflegesatzverordnung zugrunde liegt (vgl. Mildenberger, Beihilferecht, Stand: September 2015, § 28 BBhV Anm. 2 [1]). Voraussetzung der Beihilfefähigkeit der Krankenhausleistungen nach § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a. F. ist des Weiteren, dass das Krankenhaus die Bundespflegesatzverordnung sinngemäß anwendet; nichts anderes gilt im Ergebnis nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV, der die Beihilfefähigkeit der allgemeinen Krankenhausleistungen in nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern auf die Höhe der entsprechenden tagesgleichen Pflegesätze in Krankenhäusern der Maximalversorgung begrenzt. Eine sinngemäße Anwendung der Bundespflegesatzverordnung liegt nämlich vor, wenn ein privates Krankenhaus die Abrechnung der allgemeinen Krankenhausleistungen an dem wesentlichen Strukturprinzip der Bundespflegesatzverordnung ausrichtet. Das ist der Fall, wenn die Abrechnung der allgemeinen Krankenhausleistungen durch In-Rechnung-Stellung pauschalierter Tagessätze geprägt ist, die mit denen der nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser noch vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit ist zu bejahen, wenn – wie hier – der wesentliche Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen in Gestalt tagesgleicher Pauschalsätze abgerechnet wird (BVerwG, U. v. 6.11.2014 – 5 C 36/13 – juris Rn. 11). Unter diesen Voraussetzungen ist bei dem nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV i. d. F. vom 11. März 2011 vorzunehmenden Kostenvergleich das zugelassene Krankenhaus mit der bundesweit höchsten Pauschale für die konkrete Behandlung des Beihilfeberechtigten heranzuziehen (vgl. BVerwG a. a. O. Rn. 29; BVerwG, U. v. 6.11.2014 – 5 C 7.14 – juris Rn. 19).
2. Diese Begrenzung der Beihilfeleistungen für Aufenthalte in Privatkliniken bis zur Höhe der Leistung eines Krankenhauses der Maximalversorgung ist im Begriff der Angemessenheit der Aufwendungen nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV angelegt und nach ständiger Rechtsprechung nicht zu beanstanden; insbesondere ergibt sich daraus keine Benachteiligung gegenüber Beihilfeberechtigten mit Indikationen, die vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst werden (VG Würzburg, U. v. 20.11.2012 – W 1 K 11.888 – juris; U. v. 18.2.2013 – W 1 K 11.621; U. v. 2.5.2013 – W 1 K 12.931; VG München, U. v. 27.5.2010 – M 17 K 09.3880 – juris, jeweils m.w.Nachw.). Maßgeblich für den Kostenvergleich ist die Eignung des Vergleichskrankenhauses zur Behandlung des konkreten Krankheitsbildes; ein Anspruch auf Beihilfe für eine bestimmte Behandlungsmethode besteht hingegen nur dann, wenn eine besondere Therapieform medizinisch erforderlich ist und deshalb die in dem Vergleichskrankenhaus angebotene Behandlungsform nicht als gleichwertig zu betrachten ist (BVerwG, B. v. 19.8.2009 – 2 B 19/09 – juris Rn. 7; VG München, U. v. 29.10.2010 a. a. O.; VG Würzburg, U. v. 20.11.2012 a. a. O.; Mildenberger, § 28 BayBhV Anm. 6 [3]). Maßgeblich für den Kostenvergleich ist somit in erster Linie die nach der ICD-10-Klassifizierung festgestellte Diagnose (Mildenberger a. a. O.), die sich hier maßgeblich aus dem Entlassungsbericht der Fachklinik vom 20. Dezember 2012 (Blatt 23 der Behördenakte) ergibt. Danach wurde die Klägerin unter der Diagnose F 33.1 und somit unter einer psychiatrischen Indikation behandelt. Auch der dort beschriebene Therapieverlauf sowie der Vorschlag einer ambulanten Psychotherapie für die weitere Behandlung sowie die im Antrag des behandelnden Arztes Dr. K. auf Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 28. September 2012 gestellte Diagnose (Blatt 50 der Behördenakte) sprechen dafür, dass die Klägerin aufgrund einer psychiatrischen und nicht einer psychosomatischen Indikation behandelt wurde. Auch der erneute Antrag auf Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung des behandelnden Arztes Dr. K. vom 25. Oktober 2012, auf den die Klägerin ausschließlich abstellen will, stellt als Nebendiagnose eine rezidivierende depressive Störung, er steht jedoch insoweit in Widerspruch zur Diagnose der Fachklinik. Sollten hieran noch Zweifel bestehen, so hat die Beihilfestelle im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (Art. 24 BayVwVfG i.V. m. § 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV) die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten ärztlichen Leistungen, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Beratungsarztes oder fachärztlichen Sachverständigen, festzustellen (BVerwG, U. v. 20.3.2008 – 2 C 19/06 – juris Rn. 9). Dass die Beihilfestelle eine stationäre Behandlung der Klägerin im Jahr 2010 als Behandlung einer psychosomatischen Erkrankung eingestuft und E. als Vergleichsklinik herangezogen hat, ist im vorliegenden Verfahren, dem ein anderer Krankenhausaufenthalt zugrunde liegt, nicht maßgeblich. Insoweit hat die Klage daher keinen Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel