Aktenzeichen S 7 AL 288/15
SGB III §§ 112 ff.
SGB IX § 14 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 1
SGG § 130 Abs. 1 S. 1
ZPO § 304 Abs. 2
SGB XII § 54 Abs. 1, Abs. 4 S. 1, § 56, § 57
Leitsatz
1 Diese besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählen nicht zu den Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung. Sie sind vielmehr als Pflichtleistung zu gewähren. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es kommt nicht darauf an, ob erzieherische Defizite oder andere Umstände ursächlich für die erforderliche Unterbringung in einer heilpädagogischen Wohngruppe waren oder sind. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Soweit die berufliche Eingliederung eines seelisch behinderten Leistungsberechtigten flankierende sozialpädagogische Leistungen erfordert, ist die vorrangige Zuständigkeit der Arbeitsagentur begründet. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die von ihm für B. erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Ausbildung zur Raumausstatterin einschließlich der Kosten für die Unterbringung in der heilpädagogischen Wohngruppe des Berufsbildungswerks in D. ab 31. August 2015 bis zur Übernahme des Falles durch die Beklagte zu erstatten.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Fall in eigener Zuständigkeit ab 21. Dezember 2017 zu übernehmen.
Gründe
Die am 16.10.2015 erhobene Klage ist zulässig. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann als zweitangegangener Rehabilitationsträger Erstattung der hier streitigen Kosten dem Grunde nach von der Beklagten als originär zuständigen Rehabilitationsträger verlangen.
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn nach § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Ein Grundurteil auf eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erledigt den Rechtsstreits nicht abschließend, sondern ist ein Zwischenurteil. Rechtsgrundlage hierfür ist § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 304 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung bleibt der Rechtsstreit im Übrigen anhängig, sofern er nicht, z.B. nach Einigung der Beteiligten, für erledigt erklärt wird (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 130 Rn. 4 e).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Die Vorschrift räumt dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) grundsätzlich vor. Er ist begründet, soweit der Leistungsberechtigte von dem Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl. BSGE 98, 267; BSGE 101, 207). Die Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die – vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X – einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistungen in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt (BSGE 98, 277; Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 06.03.2013, B 11 AL 2/12 R, zitiert nach juris).
Die Erstattungsregelung des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist vorliegend anwendbar, weil die Beklagte den bei ihr eingereichten Leistungsantrag der A. B. bzw. ihres gesetzlichen Vertreters unverzüglich im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an den Kläger weitergeleitet hat. Der Kläger hat danach die Leistungen an A. B. als zweitangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX erbracht bzw. erbringt diese weiterhin.
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist, dass nach der Bewilligung der Leistung durch den vorleistenden Rehabilitationsträger (§ 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB IX) festgestellt wird, dass der andere Träger für die Leistung zuständig ist. Eine solche Erstattungslage besteht mithin nicht, wenn der zweitangegangene Rehabilitationsträger selbst für die erbrachte Leistung nach den Vorschriften seines Leistungsrechts – hier des SGB VIII – zuständig ist.
Vorliegend ist die Beklagte nach §§ 112 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gegenüber A. B. zur Leistung verpflichtet.
Nach dem für die Beklagte maßgeblichen materiellen Recht (vgl. § 7 SGB IX), dem SGB III, bestimmen die §§ 112 ff. SGB III, ob Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu erbringen sind. Behinderten Menschen können gemäß § 112 Abs. 1 SGB III Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Gemäß § 112 Abs. 2 SGB III sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen; soweit erforderlich ist auch die berufliche Eignung abzuklären oder eine Arbeitserprobung durchzuführen. Nach § 113 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III können für behinderte Menschen allgemeine Leistungen und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie diese ergänzende Leistungen erbracht werden, wobei nach § 113 Abs. 2 SGB III besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht werden, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn
1. Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an a) einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder b) einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen oder
2. die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (§ 117 Abs. 1 Satz 2 SGB III).
Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind (§ 33 Abs. 6 SGB IX).
Anhaltspunkte für die organisatorischen und inhaltlichen Vorgaben, die an „besondere“ Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 117 Abs. 1 SGB III zu stellen sind, ergeben sich aus § 35 SGB IX. Danach werden Leistungen durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, soweit Art und Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Erfolgs die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Diese besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählen nicht zu den Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung. Sie sind vielmehr als Pflichtleistung zu gewähren (Brand, SGB III, Kommentar, 7. Auflage § 112 Rn. 3).
Behindert im Sinne des SGB III sind die Menschen, deren Aussichten am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen (§ 19 Abs. 1 SGB III). Behinderten Menschen stehen gemäß § 19 Abs. 2 SGB III Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Abs. 1 genannten Folgen droht. Die Art der Behinderung kann demnach körperlicher, geistiger oder seelischer Art sein (Brand, a.a.O., § 19 Rn. 3). Auf die Ursachen der Behinderung kommt es nicht an. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass A. B. die persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen nach den §§ 112 ff. SGB III erfüllt, weil sie aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung eine Teilhabe am Arbeitsleben nur durch entsprechende Fördermaßnahmen erreichen kann.
Dass im Falle der Leistungsempfängerin A. B. eine seelische Behinderung vorliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ärztlich-psychologischen Bericht der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie vom 02.07.2014 sowie der psychologischen Stellungnahme des Dipl.-Psychologen Dr. W. vom 07.07.2014.
Der Kläger ist für die streitigen Leistungen auch nicht vorrangig zuständig. Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Subsidiaritätsregelungen in § 22 Abs. 1 SGB III und § 10 Abs. 1 SGB VIII. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch das SGB VIII nicht berührt (Satz 1). Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 10 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Wenn Leistungen eines anderen Sozialleistungsträgers nicht deshalb versagt werden dürfen, weil es im SGB VIII entsprechende Leistungen gibt, zeigt dies, dass im Sinne der weiteren Nachrangregelung des § 22 Abs. 1 und 2 SGB III eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers in Fallgestaltungen gleichartiger Leistungen gerade nicht bestehen soll und die Jugendhilfe als nachrangig angesehen werden muss (BSG, Urteil vom 12.10.2017, B 11 AL 20/16 R, zitiert nach juris; Luthe in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 10 Rn. 27, Stand Februar 2017).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass erzieherische Defizite, wie von der Beklagten vorgebracht, ursächlich für die erforderliche Unterbringung der A. B. in einer heilpädagogischen Wohngruppe waren oder sind. Es mag sein, dass der Schwerpunkt im Falle der A. B. im erzieherischen Bereich liegt. Ob der Bedarf ausschließlich durch die seelische Behinderung des Leistungsberechtigten bedingt ist oder ob andere Umstände, wie erzieherische Defizite, für den Umfang der Teilhabeleistungen mit ursächlich sind, kann dahingestellt bleiben. Zwar war eine Heimunterbringung der A. B. bereits vor Aufnahme der Ausbildung zur Raumausstatterin erforderlich, so dass von einem vorwiegend erzieherischen Bedarf ausgegangen werden könnte. Allerdings ist, worauf das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19.10.2011 (5 C 6/11, zitiert nach juris) zu der Vorrangregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII hingewiesen hat, das Abstellen auf einen Schwerpunkt der Leistung wegen der damit verbundenen Auslegungsprobleme abzulehnen.
Soweit die Beklagte vorbringt, die im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbrachten, erforderlichen und diese unterstützenden medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen gehörten nicht in das von ihr zu leistende Spektrum der Rehabilitationsleistungen, so teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 24.04.2015, L 8 AL 2430/12, juris) an.
Nach § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen gemäß § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB IX auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese im Einzelfall erforderlich sind, um die in Abs. 1 der Vorschrift genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu vermeiden, wie bereits oben ausgeführt. Ausdrücklich genannt sind dabei Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz (Nr. 5). Das LSG Baden-Württemberg (a.a.O., Rn. 68) hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:
„Denn bei diesen Leistungen handelt es sich um Annex-Leistungen zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben …, für die derjenige Rehabilitationsträger zuständig ist, der auch für die „Hauptleistung“ Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig ist. Diese Annex-Leistungen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitationsleistung als Hauptleistung; es handelt sich nicht um eigenständig zu gewährende Sozialleistungen … Dies entspricht auch der vom Gesetzgeber angenommenen umfassenden Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers ….“
Auch vorliegend handelt es sich bei den in der heilpädagogischen Wohngruppe im Berufsbildungswerk D. erbrachten Leistungen um solche, die die Berufsvorbereitung bzw. die Berufsausbildung unterstützen und insoweit sichern. Damit handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts gerade nicht um eigenständige psychologische, pädagogische oder sonstige isolierte erzieherische Maßnahmen, die rehabilitationsunabhängig wären. Zur Überzeugung der Kammer dienen gerade diese Maßnahmen der Unterstützung und Ermöglichung der Ausbildung der A. B. Angesichts der unstreitig feststehenden seelischen Behinderung der A. B. und den hieraus entstehenden Auswirkungen auch auf die berufliche Eingliederung der A. B. ist gerade auch die Unterbringung der A. B. für den Erfolg der beruflichen Eingliederung durch erfolgreichen Abschluss der Ausbildung notwendig, um die erforderliche Stabilisierung der A. B. zu erreichen.
Auch ist es zutreffend, dass A. B. aufgrund ihrer seelischen Behinderung, wie bereits vor dem 31.08.2015 – und auch danach – Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII bzw. § 41 SGB VIII hatte bzw. hätte. Wie das LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) mit Urteil vom 24.04.2015 zutreffend festgestellt hat, folgt hieraus jedoch keine fortdauernde Leistungsverpflichtung des Klägers, wie die Beklagte offenbar meint. Wie das BSG zur Kongruenz von Leistungen bei der Sicherstellung des Lebensunterhalts durch Jugendhilfeleistungen einerseits und die Berufsausbildungsbeihilfe andererseits mit Urteil vom 12.10.2017 (B 11 AL 20/16 R, zitiert nach juris) jüngst festgestellt hat, ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Subsidiaritätsregelungen in § 22 Abs. 1 SGB III und § 10 Abs. 1 SGB VIII, dass die Leistungen der Beklagten vorrangig sind. Wenn Leistungen gemäß § 10 Abs. 1 SGB VIII eines anderen Sozialleistungsträgers nicht deshalb versagt werden dürfen, weil es im SGB VIII entsprechende Leistungen gibt, zeigt dies, dass im Sinne der weiteren Nachrangregelung des § 22 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers in Fallgestaltungen gleichartiger Leistungen gerade nicht bestehen soll und die Jugendhilfe als nachrangig angesehen werden muss (BSG, a.a.O.; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 10 Rn. 27, Stand Februar 2017).
Nach § 22 Abs. 1 SGB III ist die Beklagte grundsätzlich nur zuständig bei Nichtbestehen einer Leistungspflicht anderer öffentlicher Stellen. Außerdem erbringt die Beklagte allgemeine und besondere Rehabilitationsleistungen (§§ 112 ff. SGB III) nach § 22 Abs. 2 SGB III nur dann, wenn nicht andere Rehabilitationsträger, zu denen nach § 6 SGB IX auch der Jugendhilfeträger gehört, im Sinne des SGB IX zuständig sind. Wenn allerdings Leistungen eines anderen Trägers, wie hier der Beklagten, nach § 10 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht deshalb versagt werden dürfen, weil es im SGB VIII entsprechende Leistungen gibt, so zeigt dies, dass im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 SGB III eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers gerade nicht bestehen soll und die Jugendhilfe mithin als nachrangig angesehen werden muss (so Luthe, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.06.2016, L 1 AL 53/15, zitiert nach juris).
Bei seelisch behinderten Menschen, wie A. B., sind Rehabilitationsträger sowohl die Beklagte als auch der Kläger (§ 6 SGB IX in Verbindung mit § 5 SGB IX), wobei die Beklagte nach § 10 Abs. 1 SGB VIII, wie oben erläutert, grundsätzlich vorrangig zuständig ist.
Zwar ist nach § 19 SGB III eine Behinderung mit Auswirkung auf den beruflichen Bereich erforderlich. Voraussetzung ist dementsprechend ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Minderung der Aussichten am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Maßgebend für die Behinderung im Sinne des § 19 SGB III ist insbesondere, dass durch die Behinderung die Aussicht, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben wesentlich gemindert wird (Luthe, a.a.O., Rn. 29). Nach Auffassung der Kammer ist es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zutreffend, dass (flankierende) sozialpädagogische Leistungen nicht vom SGB III erfasst sind und damit die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers mangels bestehender Kongruenz der beiden Leistungskomplexe erhalten bleibt (Luthe, a.a.O., Rn. 31). Soweit die berufliche Eingliederung des seelisch behinderten Leistungsberechtigten flankierende sozialpädagogische Leistungen erfordert, wovon die Kammer im vorliegenden Fall ausgeht, ist die vorrangige Zuständigkeit der Beklagten begründet. Dass eine seelische Behinderung bei der A. B. vorliegt, ist zwischen den Beteiligten, wie oben ausgeführt, zu Recht unstreitig. Diese Behinderung hat auch Auswirkungen auf die berufliche Eingliederung der A. B.
Für die Zeit ab dem 31.08.2015 hat der Kläger nach alledem einen Erstattungsanspruch dem Grunde gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Außerdem hat die Beklagte den Fall in eigener Zuständigkeit zu übernehmen. Aus der vorrangigen Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich die Verpflichtung der Übernahme im Verhältnis zum Kläger. Gegenüber der A. B. bleibt der Kläger aufgrund der Weiterleitung des Antrages im Außenverhältnis zuständig.
Eine Beiladung der A. B. gemäß § 75 Abs. 2 1. Alternative SGG war nicht erforderlich. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Erstattungsstreit zweier Rehabilitationsträger wird indessen die Position des Leistungsberechtigten Sozialleistungsempfängers nicht berührt (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014, B 8 SO 7/13 R, zitiert nach juris).
Über die Kosten war im ergangenen Grundurteil als Zwischenurteil nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 304 ZPO nicht zu entscheiden. Denn vor Abschluss des Nachverfahrens steht nicht fest, in welchem Umfang die eine oder andere Seite unterliegt, welche Kosten in der Instanz entstehen und wodurch diese verursacht worden sind (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 130 Rn. 8). Über die Kosten kann daher erst dann entschieden werden, wenn das Nachverfahren abgeschlossen ist, sei es durch Endurteil, Vergleich oder Erledigungserklärung der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.1994, 11 RAr 115/93).
Gegen das ergangene Zwischenurteil ist die Berufung statthaft (§ 144 SGG). Sie ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da die Erstattungsforderung des Klägers den Beschwerdewert von 10.000 EUR übersteigt. Die vom Kläger geltend gemachte Erstattungsforderung beträgt nach Angaben des Klägers weit über 100.000 EUR (bis einschließlich Februar 2017 bereits 112.895,18 EUR).