Aktenzeichen W 8 E 20.1772
BayVwVfG Art. 35
GKG § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 294, § 920 Abs. 2
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller, drei minderjährige Kinder, begehren die Beförderung im Linienbusverkehr der Omnibusgesellschaft, ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.
1. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten wandten sie sich zuletzt am 12. Oktober 2020 an das Landratsamt Rhön-Grabfeld und forderten dieses auf, zu bestätigen, dass die Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen könnten und die betroffenen Busunternehmen hiervon in Kenntnis zu setzen und somit sicherzustellen, dass die Antragsteller nach wie vor ohne Mund-Nasen-Bedeckung am öffentlichen Personennahverkehr teilnehmen könnten.
Mit E-Mail vom 14. Oktober 2020 teilte das Landratsamt mit, dass derzeit keine hinreichenden ärztlichen Atteste für die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe im Sinne der (damals noch) 7. Bayerischen Infektionsschutzmaßnaheverordnung vorlägen. Nur so könne das Gesundheitsamt überprüfen, ob eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden könne.
Mit ärztlichen Attesten des Dr. v. R. vom 20. Oktober 2020 wurde den Antragstellern attestiert, dass sie jeweils aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen könnten.
Datiert auf 5. November 2020 wurden den Antragstellern durch die Omnibusgesellschaft Berechtigungsausweise, jeweils gültig ab 9. November 2020, mit dem Inhalt ausgestellt, dass sie berechtigt seien, ohne Mund-Nasen-Bedeckung befördert zu werden.
Mit Schreiben vom 9. November 2020 widerrief die Omnibusgesellschaft die Berechtigungsausweise unter Berufung auf eine Pressemitteilung des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 6. November 2020, wonach Kinder, die durch ein Attest von der Maskenpflicht befreit seien und bei denen dadurch der Abstand im Schulbus nicht gewährleistet werden könne, von den Eltern befördert werden müssten, mit sofortiger Wirkung.
2. Am 17. November 2020 ließen die Antragsteller, vertreten durch ihre Eltern, beantragen,
1.Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Omnibusverkehr B2. GmbH, … anzuweisen, den Antragstellern Berechtigungsausweise der … … … auszustellen, welche ausdrücklich einen Text beinhalten, aus welchem hervorgeht, dass der jeweilige Antragsteller berechtigt ist, ohne Mund-Nase-Bedeckung befördert zu werden.
2.Der Antragsgegner wird verpflichtet, die … … … anzuweisen, die Antragsteller auch tatsächlich in den von der … im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs eingesetzten Fahrzeugen zu befördern.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Den Antragstellern stehe sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund zu. Die Antragsteller seien aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit. Dies gelte auch für die Verpflichtung im öffentlichen Personennahverkehr bzw. im freigestellten Schülerverkehr für die Schülerbeförderung eine solche zu tragen. Spätestens seit dem 5. November 2020 gehe auch der Antragsgegner davon aus, dass die Gründe für die Befreiung glaubhaft gemacht seien. Die Antragsteller seien auf die Nutzung des Linienbusverkehrs im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs angewiesen, um den an Werktagen stattfinden Unterricht an der von ihnen besuchten Schule zu erreichen. Der Widerruf der ausgestellten Berechtigungsscheine aufgrund einer Pressemitteilung greife ohne Rechtsgrundlage und damit rechtswidrig in die Rechte der Antragsteller ein, weshalb diese in ihren subjektiven Rechten verletzt seien. Die Antragsteller hätten einen Anspruch im öffentlichen Personennahverkehr befördert zu werden. Der Zugang zu diesem stehe allen Bürgern offen. Für die Antragsteller gelte dies zweifellos auch schon deshalb, weil sie als Schüler der Schulpflicht unterlägen und sie zudem ein Recht auf Schulbildung hätten und auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen seien, um die Schule zu erreichen. Ein Anordnungsanspruch sei offensichtlich gegeben, da den Antragstellern durch die Entziehung der Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr zur Fahrt zur Schule zu nutzen und am Unterricht teilzunehmen, die Gefahr drohe, dass durch Versäumen des Unterrichts das weitere Fortkommen der Antragsteller in der Schule erschwert werden könne.
Mit Schriftsatz vom 23. November 2020 beantragte das Landratsamt Rhön-Grabfeld für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Sachverhaltsdarstellung der Antragsteller habe der Nahverkehrsbeauftragte bei dem Gespräch im Anwesen der Familie am 29. September 2020 den Eltern keineswegs mitgeteilt, dass die dabei vorgelegten ärztlichen Atteste geeignet und ausreichend seien, um im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 der damals gültigen 6. BayIfSMV glaubhaft zu machen, dass den Kindern das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar sei und diese somit von der Trageverpflichtung befreit seien. Vielmehr sei den Eltern ohne jegliche inhaltliche Bewertung allein aufgrund des Vorliegens dieser Atteste mitgeteilt worden, dass vorgesehen sei, dem Vorstand der … … vorzuschlagen, für jedes der Kinder eine Bescheinigung auszustellen, durch die das tägliche Vorzeigen der Atteste im Bus vermieden werden solle. Zu diesem Zeitpunkt habe die Auffassung bestanden, dass die erforderliche Glaubhaftmachung durch jede Art ärztlicher Bescheinigung bewirkt werden könne und dass allein die Vorlage des ärztlichen Attestes zur Glaubhaftmachung ausreiche. Erst am Nachmittag des 29. September 2020 seien dem Landratsamt Aussendungen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr und des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zur Behandlung ärztlicher Atteste zur Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht eingegangen. Danach müsse in Fällen, in denen Zweifel bestünden, ob diese zur Glaubhaftmachung ausreichten oder die Atteste aus Datenschutzgründen nicht dem Busunternehmen vorgelegt würden, eine Entscheidung durch das zuständige Gesundheitsamt erfolgen. Für das Ausstellen einer entsprechenden Bescheinigung komme nur das Gesundheitsamt als zuständige Behörde in Betracht. Ebenfalls sei es am 5. November 2020 nicht zu einem weiteren Gespräch mit dem Nahverkehrsbeauftragten gekommen, bei dem von den Eltern für die Antragsteller neue am 20. Oktober 2020 erstellte ärztliche Atteste vorgelegt worden seien. Die Atteste seien vom Vater der Antragsteller an diesem Tag gegenüber der Omnibusgesellschaft vorgelegt worden. Dort habe man sich gezwungen gesehen, diese Atteste anzuerkennen und Bescheinigungen über eine Befreiung auszustellen.
Der Antrag nach § 123 VwGO sei jedenfalls unbegründet, da die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hätten, dass sie aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund einer Behinderung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit seien. Die Atteste vom 20. Oktober 2020, von denen das Landratsamt erst mit Zustellung der Antragsschrift Kenntnis erlangt habe, genügten hierfür nicht. Nach der Rechtsprechung sei ein Attest zur Glaubhaftmachung geeignet, wenn es einen Eindruck von der Beeinträchtigung vermittle, welche die gesundheitlichen Gründe im Sinne von § 2 Nr. 2 8. BayIfSMV ausmache und dargelegt werde, zu welchen Nachteilen diese Beeinträchtigungen für die betreffende Person in der konkret relevanten Tragesituation führten. Soweit ein ärztliches Attest diesen Anforderungen entspreche, sei es nur ausnahmsweise zur Glaubhaftmachung ungeeignet, insbesondere dann, wenn sich aus dem Attest selbst oder den Begleitumständen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit ergäben. Dies könne etwa der Fall sein, wenn das Attest erkennbar ohne persönliche Untersuchung erstellt worden sei, identische Attest zu mehreren Personen vorlägen, Anhaltspunkte dafür sprächen, dass das Attest von sachfremden Erwägungen getragen sei oder andere Anzeichen auf ein „Gefälligkeitsattest“ hindeuteten. Vorliegend seien alle drei Atteste laut Stellungnahme des Leiters des Gesundheitsamtes nicht aussagekräftig genug, um eine ständige Entbindung von der Verpflichtung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, zu begründen. Die Atteste stammten alle von demselben Arzt, welcher gemäß frei abrufbarer Presseberichte die Abschaffung einer generellen Maskenpflicht für gesunde Kinder und Erwachsene fordere. Schließlich sei auch der Umstand, dass die zunächst vorliegenden Atteste durch die am 20. Oktober 2020 neu ausgestellten Atteste ersetzt worden seien, geeignet, Zweifel am Inhalt dieser Atteste zu begründen, denn dies habe die Frage aufgeworfen, ob dadurch möglichen, den Eltern der Antragsteller inzwischen als Fallbeispiele bekannten Einwänden gegen den Inhalt der ursprünglich vorliegenden Atteste habe begegnet werden sollen. Damit gebe es mehrere Anzeichen, die auf von sachfremden Gründen getragene „Gefälligkeitsatteste“ hindeuteten, sodass ernsthafte Zweifel an dem Inhalt der vorliegenden Atteste bestünden. Die Antragsteller hätten mithin nicht glaubhaft gemacht, aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln aus § 8 8. BayIfSMV befreit zu seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, dass die Antragsteller von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr befreit sind, ist zulässig aber unbegründet.
Bei verständiger Würdigung der gestellten Anträge und des Vorbringens der Antragsteller (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist ihr Antragsbegehren dahingehend auszulegen, dass sie gegenüber dem Antragsgegner vorläufig begehren, aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere der Schülerbeförderung, befreit zu sein.
Es kann dabei dahinstehen, ob sich der Antrag auf eine entsprechende Feststellung richtet oder aber, ob sie die Ausstellung einer Bescheinigung über die Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr aus gesundheitlichen Gründen im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes nach Art. 35 BayVwVfG durch den Antragsgegner begehren, denn in beiden Fällen, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft.
Im Übrigen ist der Antrag ungeachtet der Auslegung jedenfalls unbegründet, da die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben, von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere der Schülerbeförderung, aus gesundheitlichen Gründen befreit zu sein. Auf die Frage der Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht kommt es im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich an, da auch der Antragsgegner entsprechend seines Vortrags nicht davon ausgeht, dass bei den Antragstellern eine solche Befreiung vorliegt. Insbesondere ist keine Entscheidung durch das zuständige Gesundheitsamt über die Befreiung von der Maskenpflicht bezüglich der Antragsteller anhand der derzeit gültigen 8. BayIfSMV unter Zugrundelegung der Maßstäbe zur Beurteilung der Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe ersichtlich. Die Ausstellung der Berechtigungsausweise vom 5. November 2020, welche den Antragsstellern bescheinigten, dass sie berechtigt seien ohne Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr der Omnibusgesellschaft befördert zu werden, beruhte erkennbar nicht auf einer Entscheidung des zuständigen Gesundheitsamtes, sondern erfolgte durch die private Omnibusgesellschaft selbst. Gegenstand des Antrags ist demnach auch nicht die Prüfung, ob die Omnibusgesellschaft sich durch eine Veröffentlichung des Landratsamtes Rhön-Grabfeld auf dessen Internetseite verpflichtet sah, die ausgestellten Berechtigungsausweise zu widerrufen, sondern allein die Frage der Glaubhaftmachung der Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr gegenüber dem Antragsgegner.
Im Einzelnen:
1. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die Antragsteller von der Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr zu tragen, befreit sind, jedenfalls zu einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnten die Antragsteller nicht mehr zugesprochen bekommen, als was sie ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung ihres Vorbringens begehren. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.).
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Der Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet, da die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Die Erfolgsaussichten einer – derzeit noch nicht erhobenen – Klage in der Hauptsache sind bei summarischer Prüfung nicht gegeben.
Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass sie von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr aus gesundheitlichen Gründen befreit sind. Dabei besteht zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur, auch wenn der Linienbusverkehr durch eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft durchgeführt wird, denn beim öffentlichen Personennahverkehr handelt es sich um einen essentiellen Teil der Daseinsvorsorge mit besonderer Bedeutung für die Grundversorgung der Bevölkerung (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1307 – juris Rn. 23), weshalb dieser grundsätzlich von der öffentlichen Hand sichergestellt werden muss und allen Menschen offensteht.
Grundlage für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) ist die 8. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV). Gemäß § 8 Satz 1 8. BayIfSMV besteht für Fahrgäste im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr Maskenpflicht. Nach Satz 1 der Vorschrift gilt dies gleichermaßen für die Schülerbeförderung im freigestellten Schülerverkehr. Von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) befreit sind unter anderem Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 8. BayIfSMV).
Die Antragsteller sind nicht aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr befreit. Die Voraussetzungen für eine derartige Befreiung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 8 Satz 1 und 2 8. BayIfSMV sind bei summarischer Prüfung nicht gegeben. Die Antragsteller haben jedenfalls keine gesundheitlichen Gründe zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, die ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder unzumutbar machen würden.
Eine Behauptung ist dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 294 Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 51).
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bedarf es bei medizinischen Gründen im Zusammenhang mit einer Befreiung von der Maskenpflicht regelmäßig des Nachweises durch Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attestes, das gewissen Mindestanforderungen genügen muss. Aus dem Attest muss sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennende gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 26 CE 20.2185; sowie schon VG Würzburg, B.v. 16.9.2020 – W 8 E 20.1301; B.v. 22.10.2020 – W 8 E 20.1564; ebenso: OVG NRW, B.v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – alle juris jeweils m.w.N.; VG Regensburg, Be. v. 19.11.2020 – RO 14 E 20.2770; RN 14 E 20.2789).
Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen bezüglich der Benennung einer konkreten Diagnose nicht, wie der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz – unter Bezugnahme auf einschlägige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung – zur Befreiung von der Maskenpflicht an bayerischen öffentlichen Schulen in seiner Aktuellen Kurz-Information 33 vom 5. Oktober 2020, welche inhaltlich ohne weiteres auf die vorliegende Situation der Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr, die ebenfalls auf § 2 Nr. 2 8. BayIfSMV beruht, übertragbar ist, ausgeführt hat: Wer eine Befreiung von der Maskenpflicht in Anspruch nehmen wolle, müsse den Befreiungsgrund glaubhaft machen. Die Glaubhaftmachung sei mehr als die Behauptung, verlange jedoch keinen Vollbeweis. Darzulegen seien die Umstände, die das Eingreifen eines Befreiungsgrundes als wahrscheinlich erscheinen ließen. Übliches Instrument sei bei gesundheitlichen Gründen ein ärztliches Attest, wobei andere Mittel der Glaubhaftmachung nicht ausgeschlossen seien. Ein Attest, das allein das Ergebnis bescheinige, genüge nicht. Nicht erforderlich sei hingegen aber ein medizinisches Gutachten. Im Regelfall reiche es aus, wenn das ärztliche Attest einen Eindruck von der Beeinträchtigung vermittele, welche die gesundheitlichen Gründe ausmache, und darlege, zu welchen Nachteilen diese Beeinträchtigung für die Person in der konkreten relevanten Tragesituation führe. Erfülle ein Attest diese Anforderungen, sei es nur ausnahmsweise zur Glaubhaftmachung ungeeignet. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich aus dem Attest selbst oder aus den Begleitumständen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit ergäben; etwa, wenn das Attest erkennbar ohne persönliche Untersuchung erstellt worden sei (dafür könne ein insbesondere entfernt gelegener Praxisort sprechen), wenn identische Atteste zu mehreren Schülerinnen und Schülern vorlägen, wenn Anhaltspunkte dafür sprächen, dass das Attest von sachfremden Gründen getragen sei oder wenn andere Anzeichen auf ein „Gefälligkeitsattest“ hindeuteten.
Ausgehend von diesen Vorgaben fehlt es vorliegend an geeigneten ärztlichen Attesten zur Glaubhaftmachung. Die Antragsteller ließen im gerichtlichen Verfahren jeweils ärztliche Atteste vom 20. Oktober 2020 ausgestellt von demselben Arzt vorlegen.
Danach leide der Antragsteller zu 1) an Übelkeit und Kreislaufproblemen bis hin zu Ohnmachtsanfällen beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Von medizinischer Seite sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund der Beschwerden weder angeraten noch zumutbar, da dies die Gesundheit des Antragstellers zu 1) gefährden könne.
Die Antragstellerin zu 2) leide an starken Kreislaufproblemen, Alpträumen und Atembeschwerden beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Von medizinischer Seite sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund der Beschwerden weder angeraten noch zumutbar, da dies die Gesundheit der Antragstellerin zu 2) gefährden könne.
Der Antragsteller zu 3) leide an perioralen Ekzemen, Kreislaufproblemen mit Kollapsneigung und Atembeschwerden beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Von medizinischer Seite sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund der Beschwerden weder angeraten noch zumutbar, da dies die Gesundheit des Antragstellers zu 3) gefährden könne.
Es fällt dabei auf, dass die Atteste Bedenken gegen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung generell formulieren, aber keinen Bezug auf die konkrete Tragesituation, nämlich ausweislich des Vortrags der Antragsteller, der Busfahrt, um zur Schule zu gelangen, enthalten. Es ist nicht erkennbar, dass die vorgebrachten Beschwerden bereits innerhalb dieses vergleichsweise kurzen Zeitraums der konkreten Tragesituation auftreten. Ferner werden jeweils, wie auch der Leiter des Gesundheitsamtes am Landratsamt Rhön-Grabfeld in seiner amtsärztlichen Stellungnahme vom 23. November 2020 so dargelegt hat, keine Grunderkrankungen akuter oder chronischer Art genannt, aufgrund derer es bei den Antragstellern zu den beschriebenen Beschwerden beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung kommt. Dazu kommt, dass ebenfalls nicht klar wird, aufgrund welcher Methodik der attestierende Arzt zu den jeweiligen Feststellungen kommt bzw., dass und ob er die Antragsteller überhaupt persönlich untersucht hat oder er aus sonstigen Gründen genaue Kenntnis über deren Gesundheitszustand hat, etwa, weil es sich um den Hausarzt der Antragsteller handelt. Dies gilt für alle drei vorgelegten Atteste gleichermaßen, die abgesehen von der Benennung unterschiedlicher Beschwerdesymptome und der Personalisierung durch die Namen der Antragsteller, völlig gleichlautend sind.
Bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, welche das Gericht im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung trifft, kann dabei grundsätzlich auch auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 23. November 2020 Bezug genommen werden, welche sich im Wesentlichen mit den obigen Ausführungen deckt und insoweit ein weiteres Indiz gegen die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe zur Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr darstellt, da dem beamteten Leiter des Gesundheitsamtes bei der Beantwortung medizinischer Fragen und der Beurteilung ärztlicher Atteste eine besondere Sachkunde zukommt.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich der attestierende Arzt, wie sich aus einer von dem Antragsgegner vorgelegten Pressemitteilung des … … e.V. ergibt, generell gegen eine Maskenpflicht für gesunde Kinder und Jugendliche ausspricht. Dies spricht in der Gesamtschau aller genannten Umstände ebenfalls gegen eine ausreichende Glaubhaftmachung der gesundheitlichen Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr durch die vorgelegten ärztlichen Atteste.
Es ist den Antragstellern unbenommen, beim Antragsgegner Atteste vorzulegen, die obigen Anforderungen genügen und insbesondere eine Methodik der Tatsachenerhebung und eine Diagnose etwaiger Grunderkrankungen, aufgrund derer es zu den beschriebenen Beschwerden kommt, erkennen lassen und hiermit gesundheitliche Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr glaubhaft zu machen. Das Gericht merkt in diesem Zusammenhang ausdrücklich an, dass dies keinen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht darstellt, weil der Arzt nur Daten angeben muss, wenn der Patient dies wünscht oder damit einverstanden ist. Gegenüber seinen Patienten, die ein Attest von ihm begehren, besteht die Schweigepflicht ohnehin nicht.
Für das vorliegende Eilverfahren unterliegen die Antragsteller aufgrund ihres eigenen Begehrens nach beschleunigtem Rechtsschutz verstärkten Mitwirkungspflichten, auch und gerade in Form der Vorlage geeigneter Unterlagen zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, wie etwa aussagekräftiger ärztlicher Atteste, eidesstattlicher Versicherungen oder Ähnlichem, zumal die Anforderung aussagekräftiger Atteste die Darlegungsanforderungen nicht überspannt, da insbesondere ärztlicherseits die Nebenpflicht zur Ausstellung von in inhaltlicher Hinsicht ausreichenden Bescheinigungen aus dem Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB besteht und die Diagnostik eine Hauptaufgabe ärztlicher Betätigung darstellt (vgl. Eibenstein in COVuR 2020, 675 (679) m.w.N.). Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch unter Berücksichtigung der im Eilverfahren gleichermaßen gültigen gerichtlichen Amtsermittlungspflicht keiner weitergehenden Sachverhaltsaltsaufklärung.
Da bereits kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde, kann es im Ergebnis dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist. Dies erscheint aufgrund des Zeitablaufs – der erste Kontakt bezüglich der Befreiung von der Maskenpflicht mit dem Antragsgegner erfolgte bereits am 29. September 2020 – sowie der Tatsache, dass die Antragsteller nicht vorgetragen haben, bislang überhaupt Schulunterricht verpasst zu haben, da sie nicht mit dem Schulbus befördert wurden oder sie zwingend nur mit dem Schulbus die von ihnen besuchte Schule erreichen können und die Beförderung nicht auch zumindest vorübergehend durch die Eltern, Eltern von Mitschülern oder ähnliches erfolgen könnte, zumindest fraglich. Dies braucht jedoch nicht näher vertieft zu werden, obgleich auf oben näher ausgeführte verstärkte Mitwirkungspflichten und Darlegungslasten im Eilverfahren erneut zu verweisen ist.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. In Ermangelung anderweitiger Angaben, war jeweils vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen. Zudem handelt sich bei den Anträgen der einzelnen Antragsteller um eigenständige Prozessrechtsverhältnisse, die nicht zwingend einheitlich entschieden werden müssten, weshalb nach Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs die Werte auf 15.000,00 EUR für drei Antragsteller aufzuaddieren waren. Eine Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war nicht geboten, da die Antragsteller wie dargestellt jeweils die Vorwegnahme der Hauptsache begehren.